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L82007 Bauordnung TirolNorm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des P S in I, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 30. September 2020, LVwG-2020/22/1644-3, LVwG-2020/22/1645-3, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt 1.b) sowie in seinem Spruchpunkt 2., soweit der Revisionswerber damit zum Ersatz der Kosten von EUR 120,-- des Beschwerdeverfahrens betreffend eine Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 verpflichtet wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ist der Revisionswerber Alleineigentümer eines näher bezeichneten geschlossenen Hofes in der KG I., mit welchem die T.-Alm in der KG I. untrennbar verbunden ist.
2 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 30. Juni 2020 wurde dem Revisionswerber eine Übertretung des § 67 Abs. 1 lit. a iVm § 28 Abs. 1 lit. c der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) zur Last gelegt, weil er das auf der T.-Alm befindliche „kombinierte Alpgebäude“ „ca. seit 2017 bis zumindestens 31.12.2019“ ohne die erforderliche Baubewilligung zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck, nämlich als „Ferienhaus mit Gästevermietung“ verwendet habe. Über den Revisionswerber wurde aus diesem Grund eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 600,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Stunden verhängt; weiters wurde er gemäß § 64 VStG zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet.
3 Im selben Straferkenntnis verhängte die belangte Behörde mit näherer Begründung eine Verwaltungsstrafe gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 iVm § 111 Abs. 2 Z 4 der Gewerbeordnung 1994 über den Revisionswerber.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die gegen die verhängte Verwaltungsstrafe nach der TBO 2018 erhobene Beschwerde mit der Maßgabe einer Spruchpräzisierung als unbegründet ab. Demnach wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, das in Rede stehende Gebäude „seit ca. dem Jahre 2017 bis zumindest 31.12.2019“ zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck verwendet zu haben, indem er das Gebäude „jedenfalls in diesem Zeitraum“ ohne die erforderliche Baubewilligung zur gewerbsmäßigen touristischen Beherbergung von Gästen verwendet und so den bewilligten Verwendungszweck „kombiniertes Alpgebäude“ konsenslos abgeändert habe (Spruchpunkt 1.b) ). Die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die nach der Gewerbeordnung 1994 verhängte Verwaltungsstrafe wurde ebenfalls unter Vornahme näherer Konkretisierungen als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1.a) ). Darüber hinaus wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten der Beschwerdeverfahren verpflichtet (Spruchpunkt 2.); gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).
5 Zur angelasteten Übertretung der TBO 2018 führte das LVwG begründend zusammengefasst aus, dem Bauakt, insbesondere der Baubeschreibung, den Bauplänen und dem Baubewilligungsbescheid, sei zu entnehmen, dass es sich bei dem in Rede stehenden Gebäude auf der T.-Alm, die nur über einen Alpweg erschlossen sei, um ein kombiniertes Alpgebäude, bestehend aus einem Wirtschafts- und einem Wohnteil, handle. Diesen Unterlagen sei auch der Verwendungszweck des Gebäudes zu entnehmen; dieses diene alleine der Almwirtschaft, wobei der Wohnbereich dem Landwirt und allenfalls Familienmitgliedern die Möglichkeit einräume, während der Almsaison im Alpgebäude zu wohnen. Der Revisionswerber übernachte während der Alpzeit „immer wieder“ auf der T.-Alm, habe dort jedoch nicht seinen Hauptwohnsitz. „Jedenfalls bis zum 29.2.2020“ sei die T.-Alm auf einer näher genannten Homepage zur touristischen Vermietung mit einem näher beschriebenen Werbetext angeboten worden; ebenfalls sei diese über den Tourismusverband beworben worden. Im Folgenden traf das LVwG nähere Feststellungen zur Anzahl der beim örtlich zuständigen Tourismusverband für die Jahre 2017, 2018 und 2019 gemeldeten Gäste und Nächtigungen, wobei es zum Jahr 2017 ausführte, dass im Zeitraum von „Juni bis November“ 48 Gäste mit 309 Nächtigungen gemeldet worden seien. Die Änderung des Verwendungszweckes auf eine gastgewerbliche Nutzung sei aus raumordnungsrechtlichen, aber auch aus „rein baurechtlichen“ Erwägungen bewilligungspflichtig (wird näher ausgeführt).
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom LVwG gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Im Hinblick auf Spruchpunkt 1.a) des angefochtenen Erkenntnisses (betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994) wurde die Revision zur hg. Zl. Ra 2020/04/0175 und im Hinblick auf Spruchpunkt 1.b) (betreffend Übertretung der TBO 2018) zur hg. Zl. Ra 2020/06/0308 protokolliert.
7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit unter anderem ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses vom Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG hinsichtlich des angelasteten Tatzeitraumes geltend.
8 Mit der gegenständlichen Entscheidung wird über die Revision, soweit sie sich gegen die Bestrafung nach der TBO 2018 wendet, abgesprochen; soweit sie die Bestrafung wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 betrifft, bleibt die Entscheidung dem hierfür nach der hg. Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.
9 Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.
10 Die Revision ist aufgrund des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses vom Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG in Bezug auf den angelasteten Tatzeitraum zulässig und auch begründet.
11 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dabei die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. für viele etwa VwGH 15.10.2021, Ra 2021/02/0129, mwN).
12 Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes also dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch selbst geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestandes abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunktes der Begehung der Tat, und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. etwa VwGH 20.8.2019, Ra 2019/16/0101, 22.3.2012, 2009/09/0282, 16.10.2008, 2004/09/0192 oder auch 29.5.2006, 2003/09/0064, jeweils mwN).
13 Mit der vorliegenden Umschreibung des Beginnes der angelasteten Tatzeit mit den Worten „seit ca. dem Jahre 2017“ wird das angefochtene Erkenntnis den genannten Erfordernissen nicht gerecht. Unbedenklich ist die Tatzeitformulierung zwar hinsichtlich des Endes der Tatzeit mit „bis zumindest 31.12.2019“ (vgl. dazu nochmals VwGH 16.10.2008, 2004/09/0192, oder auch 24.10.2019, Ra 2019/07/0094) deren Beginn ist jedoch entgegen § 44a Z 1 VStG zu ungenau umschrieben, da die genannte Formulierung einen nicht unbeachtlichen Interpretationsspielraum einräumt und verschiedenste Deutungen im Hinblick auf den Beginn des vorgeworfenen Tatzeitraumes offen lässt (so bleibt es etwa unklar, ob damit exakt der Beginn des Jahres 2017, also der 1. Jänner 2017, gemeint ist, oder ob die angelastete Tatzeit etwa schon an einem beliebigen Tag Ende des Jahres 2016 oder auch Anfang des Jahres 2017 begonnen haben soll). Insofern ist hinsichtlich des angelasteten Beginnes des Tatzeitraumes im gegenständlichen Fall nicht sichergestellt, dass dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Revisionswerbers entsteht und er keiner Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Aufgabe des LVwG wäre es gewesen, anhand der ihm vorliegenden Beweisergebnisse den sich daraus (im Zweifel zu Gunsten des Revisionswerbers spätestmöglich) ergebenden Beginn des Tatzeitraumes festzustellen und diese Feststellung entsprechend zu begründen (vgl. etwa VwGH 3.9.2019, Ra 2019/15/0070, mwN). Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich betreffend das Jahr 2017 nur entnehmen, dass beim zuständigen Tourismusverband im Zeitraum von „Juni bis November“ 48 Gäste mit 309 Nächtigungen gemeldet worden seien; eine Bestrafung für einen vor Juni 2017 liegenden Zeitraum ist somit von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht gedeckt. Insofern liegt jedenfalls auch ein gewisser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vor (vgl. dazu etwa VwGH 25.5.2018, Ra 2017/10/0013, Rz 21, mwN).
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund insoweit, als damit über den Revisionswerber eine Bestrafung nach der TBO 2018 verhängt wurde, sowie hinsichtlich des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Kostenausspruches zum Beschwerdeverfahren betreffend die Bestrafung nach der TBO 2018 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen näher einzugehen war.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Dezember 2021
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatzeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020060308.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022