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L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten WienNorm
VStG §45 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. Dezember 2019, Zl. VGW-002/007/12051/2019-11, betreffend Übertretung nach dem Wiener Wettengesetz (mitbeteiligte Partei: S in S, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 46a), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 8. Juli 2019 wurde die mitbeteiligte Partei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH, und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft, schuldig erachtet, er habe es zu verantworten, dass diese Gesellschaft, welche in der näher genannten Betriebsstätte die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Buchmacherin, ausübe, insofern gegen § 25 Abs. 1 Z 5 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016, idgF, wonach die Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer während eines laufenden Ereignisses (Livewetten), ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis, verboten sei, verstoßen habe, als diese die Livewette „FC Shirak Gyumri 2 - Ararat Yerev, 24.09. 14:00, 1 Hz Hc 2 1:0“ (Ticket Nummer: 34863), zugelassen habe, obwohl es sich um eine verbotene Livewette, nämlich um eine Handicapwette, die keine Wette auf das Endergebnis oder Teilergebnis darstelle, handle, da auf ein vom Teilergebnis abgeleitetes Ergebnis gewettet worden sei. Über die mitbeteiligte Partei wurde ein Geldstrafe von € 4.400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage und 10 Stunden) gemäß § 24 Abs. 1 Z 16 Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 idgF iVm § 9 Abs. 1 VStG idgF verhängt. Die genannte Gesellschaft wurde zur Haftung für die Geldstrafe samt Kosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobenen Beschwerde Folge, hob das Straferkenntnis vom 8. Juli 2019 in seinem gesamten Umfang auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht Wien stellte fest, dass am 24. September 2018 am angegebenen Tatort eine Kontrolle nach dem Wiener Wettengesetz im dort betriebenen Lokal durchgeführt worden sei. Es seien zwei Handicapwetten auf ein näher bezeichnetes Fußballspiel bezogen auf den Halbzeit-Spielstand, Unentschieden bzw. Führung der Gastmannschaft jeweils unter Zugrundelegung eines „Handicaps“ (= fiktiver/hinzugedachter Torrückstand zum Spielbeginn) von 1:0 für die Heimmannschaft platziert worden.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht weiters zusammengefasst aus, dass im gegenständlichen Fall eine Handicapwette auf einen bestimmten Spielstand (Torvorspung) zur Halbzeitpause abgegeben worden sei („1. Hz Hc X 1:0“ sowie „1. Hz Hc 2 1:0“). Ein solcher Halbzeitspielstand im Fußball sei - so auch ausdrücklich die Erläuterungen - Teilergebnis, die Halbzeit eine anerkannte Spieleinheit. Auch eine Handicapwette auf das Endergebnis (Spielendstand im Fußball mit einer bestimmten Mindestdifferenz bei den erzielten Toren durch die Siegermannschaft) lasse sich unmittelbar aus dem Endergebnis ableiten. Das Ergebnis, auf das gewettet werde, werde dabei auch nicht durch ergebnisunabhängige Faktoren bestimmt. Ein entscheidungsrelevanter Unterschied zwischen „normaler“ Livewette und Handicapwette könne nicht gesehen werden. Auch aus Sicht des Spielerschutzes könne mangels relevanten Unterschiedes kein dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundeliegender Verbotsweck des § 25 Wiener Wettengesetz erkannt werden.
5 Das Verwaltungsgericht Wien kam zum Schluss, dass bei den gegenständlichen Wetten keine unzulässige Livewette angeboten bzw. abgeschlossen worden sei. Weder dem Gesetzeswortlaut, noch dem Gesetzeszweck oder den Materialien - jeweils des § 25 Wiener Wettengesetz - lasse sich entnehmen, dass die gegenständlichen Wetten unzulässig gewesen seien. Es handle sich um keine verbotenen Wetten.
6 Gegen diese Entscheidung erhob die revisionswerbende Partei vorliegende Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof.
7 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision unter anderem für zulässig, weil das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Begründung verkenne, dass es sich bei der gegenständlichen Handicapwette lediglich um eine Wette auf ein von einem Teil- oder Endergebnis abgeleitetes Ergebnis und nicht um eine Wette auf ein Teil- oder Endergebnis handle. Bereits aus der vom Verwaltungsgericht Wien zitierten Definition der Handicapwette ergebe sich, dass es sich dabei nicht um eine Wette auf ein Teil- oder Endergebnis, sondern um eine Wette auf ein fiktives Ergebnis handle, die nicht unter die Ausnahmetatbestände von verbotenen Livewetten nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz subsumiert werden könne.
9 Im gegenständlichen Fall handle es sich um die Frage, ob auch von Teil- oder Endergebnissen abgeleitete Ergebnisse als Teilergebnisse oder das Endergebnis gewertet werden können. Aufgrund der unmissverständlichen Formulierung des Gesetzestextes („[...], ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis“) könne man jedoch nur zum Schluss kommen, dass Wetten auf abgeleitete Ergebnisse - wie im gegenständlichen Fall in Form einer Handicapwette - nicht von der Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz umfasst seien. Diese Auffassung habe der Verwaltungsgerichtshof offensichtlich im Erkenntnis vom 29.3.2019, Ra 2019/02/0025 vertreten.
10 Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass auch von anerkannten Teil- oder Endergebnissen abgeleitete Ergebnisse vom Ausnahmetatbestand von Livewetten nach § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz umfasst seien, würde auf eine Vielzahl vergleichbarer Wettarten anwendbar sein, sodass die Klärung der gegenständlichen Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfalte. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes spreche der eindeutige Gesetzeswortlaut für den Rechtsstandpunkt der revisionswerbenden Partei und decke die angeführte Rechtsprechung (VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0025) gerade nicht die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes.
11 Die Revision erweist sich aufgrund dieses Vorbringens als zulässig und auch als berechtigt.
12 Gemäß § 25 Abs. 1 Z 5 (nunmehr Z 4) Wiener Wettengesetz ist die Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmerin und Wettunternehmer während eines laufenden Ereignisses (Livewetten), ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis, verboten.
13 Zu § 25 leg.cit. wird in den Erläuterungen (ErläutRV LT 3/2016 9f von 15, LG - 02293-2015/0001) dazu u.a. Folgendes ausgeführt:
„Livewetten weisen ein besonderes Suchtpotential auf. Hinsichtlich des Suchtpotentials gilt (sowohl für Glücksspiele als auch für Wetten) ganz allgemein, dass die schnelle Abfolge von einzelnen Spielen mit schneller Entscheidung über Gewinn und Verlust ein erhöhtes Spielsuchtpotential in sich birgt. Beim traditionellen Wettangebot endet die Möglichkeit zur Abgabe der Wette in der Regel mit dem Beginn des Wettereignisses (z.B. mit Beginn des Fußballspiels). Die Entscheidung über Gewinn und Verlust fällt in der Regel am Ende des Wettereignisses. Somit liegt zwischen der Wettabgabe und der Gewinn- oder Verlustentscheidung ein gewisser Zeitraum. Bei sogenannten Livewetten wird dieser - im Hinblick auf das Suchtpotential - bedeutende Zeitraum maßgeblich verkleinert.
Bei Livewetten kann noch während des laufenden Spiels auf viele verschiedene Ereignisse gewettet werden, etwa welche Fußballmannschaft das erste Tor schießt, welcher Spieler als erster die gelbe Karte sieht, welche Mannschaft die nächste Ecke tritt, u.dgl. Der Reiz für die wettende Person liegt in der schnellen Abfolge der Wettmöglichkeiten und der vermeintlich besseren Einschätzbarkeit des Ereignisses anhand des gesehenen Ablaufs. Neben dem besonderen Suchtpotential können Livewetten auch die Manipulation von Spielen und somit den Wettbetrug erleichtern (z.B. Bestechung von Fußballspielern, Schiedsrichtern usw.). Vor diesem Hintergrund werden Livewetten - wie beispielsweise auch in Deutschland (siehe § 21 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag) - künftig verboten. Ausgenommen sind lediglich Livewetten auf Teilergebnisse (z.B. Halbzeit im Fußball, Drittel im Eishockey, Satz im Tennis udgl.) sowie auf das Endergebnis.“
14 Bei einer Handicapwette handelt es sich, wie die Revision zu Recht vorbringt, nicht um eine zulässige Wette auf ein End- oder Teilergebnis iSd § 25 Wiener Wettengesetz, sondern um eine Wette auf ein fiktives, von einem solchen Ergebnis abgeleitetes Ergebnis. Durch die Handicapwette wird somit eine weitere Möglichkeit zum Abschluss einer Wette - neben der Wette auf das offizielle End- oder Teilergebnis - angeboten. Gerade solche (weiteren) Livewetten wollte der Gesetzgeber mit dem Verbot von Livewetten, (ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis) unterbinden.
15 Insbesondere aufgrund des klaren Willens des Gesetzgebers, Livewetten - ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis - u.a. zum Schutz der Wettkundinnen und Wettkunden zu verbieten, da in diesem Zusammenhang erhöhtes Suchtpotential besteht, und auf dem Boden der bestehenden Rechtsprechung über die Zulässigkeit von Livewetten (vgl. VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0025, sowie VwGH 4.3.2020, Ro 2019/02/0018, sowie zur Zulässigkeit einer Wette auf ein Ergebnis der einzelnen Halbzeit VwGH 21.5.2021, Ra 2021/02/0042) war die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens rechtswidrig.
16 Das angefochtene Erkenntnis war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Gemäß § 47 Abs. 3 VwGG waren dem Mitbeteiligten keine Kosten zuzusprechen.
Wien, am 15. Dezember 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020054.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022