TE Vwgh Beschluss 2021/12/16 Ra 2021/14/0318

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Grünstäudl, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des M H, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2021, G305 2206783-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 22. Jänner 2016 als Minderjähriger gemeinsam mit seinem Vater einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 12. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich ausschließlich gegen die Rückkehrentscheidung (und die rechtlich davon abhängigen Aussprüche) richtet. Sie bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK abgewichen. Es habe nämlich die zukünftig erwartbare Selbsterhaltungsfähigkeit durch eine erlaubte Beschäftigung nicht in seine Prüfung einbezogen. Es habe außerdem nicht auf das Kindeswohl abgestellt, nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber im Bundesgebiet in die Schule gehe, europäisch sozialisiert worden sei und ab Sommer 2022 eine mindestens dreijährige Lehrausbildung als Metalltechniker starten könne. Im Heimatstaat müsse er in einer niedrigeren Schulstufe starten, es seien sein erworbenes Wissen und die sozialen Fertigkeiten in Bagdad überflüssig und nutzlos. Im Verhältnis zu seinem Alter von 16 Jahren sei der bisherige Aufenthalt des Revisionswerbers nicht von bloß kurzer Dauer, die illegale Einreise in das Bundesgebiet und dessen Konsequenzen könnten ihm als Minderjährigen nicht vorgeworfen werden.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/14/0275, mwN).

9        Eine Unvertretbarkeit der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK, bei welcher das BVwG die Sozialisierung im Herkunftsstaat, Sprachkenntnisse, den bereits erfolgten Schulbesuch im Irak und die dortigen Familienangehörigen berücksichtigte, legt die Revision in ihren Zulässigkeitsausführungen jedoch nicht dar. Gewisse Integrationserfolge des Revisionswerbers (und seines Vaters) hat das BVwG anerkannt, jedoch durch die Kürze des Aufenthaltes in Österreich und das Bewusstsein über die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus als relativiert angesehen. Es hat weiters darauf abgestellt, dass die im Herkunftsstaat verbliebenen Familienangehörigen - darunter auch die minderjährige Schwester des Revisionswerbers - ein unbehelligtes, von äußeren Einflüssen gleich welcher Art befreites Leben führten und dass das bestehende familiäre Netzwerk den Revisionswerber und seinen Vater auffangen würde. Welche weiteren Aspekte im Rahmen der Prüfung des Kindeswohls zu berücksichtigen gewesen wären, führt die Revision nicht konkret aus.

10       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140318.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten