TE Vwgh Beschluss 2021/12/16 Ra 2020/08/0162

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1
AlVG 1977 §38
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice St. Pölten in 3100 St. Pölten, Daniel Gran-Straße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2020, W262 2198316-1/34E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: A E in G), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 7. März 2018 sprach die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG seinen Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 14. Februar bis 27. März 2018 verloren habe. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 17. Mai 2018 als unbegründet ab. Der Mitbeteiligte habe das Zustandekommen einer Beschäftigung als Transitarbeitskraft vereitelt, indem er trotz Aufforderung zu einem Vorstellungsgespräch am 14. Februar 2018 nicht erschienen sei. Dabei habe der Mitbeteiligte sich mit einer Erkrankung entschuldigt. In Anbetracht früherer ähnlich gelagerter Behauptungen sei seine Entschuldigung nicht glaubhaft.

2        Zur Vorgeschichte wird im Übrigen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Mai 2019, Ro 2019/08/0009, verwiesen, mit dem das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben wurde, weil das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hatte.

3        Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerdevorentscheidung vom 17. Mai 2018 ersatzlos behoben. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte sei zu einem Vorstellungsgespräch am 14. Februar 2018 bei einem potentiellen Dienstgeber eingeladen worden. Aufgrund einer Erkrankung sei er nicht in der Lage gewesen, zu diesem Vorstellungsgespräch zu erscheinen. Die für den 14. Februar 2018 ausgestellte Bestätigung der Erkrankung des Mitbeteiligten durch seinen Hausarzt sei daher begründet gewesen und habe - entgegen den Annahmen des AMS - nicht etwa bloß auf unrichtigen Angaben des Mitbeteiligten beruht. Dem Mitbeteiligten könne daher keine Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG zur Last gelegt werden.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision des AMS wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 29.9.2021, Ra 2021/08/0093, mwN).

9        Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Beweiswürdigung neben der vorgelegten schriftlichen Krankenstandsbestätigung sowie den Aussagen des Mitbeteiligten und seiner Lebensgefährtin insbesondere auf die Angaben des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Hausarztes des Mitbeteiligten gestützt. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass auf dieser Grundlage die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der ausgestellten Bestätigung der Erkrankung sei nicht ein vom Mitbeteiligten bloß vorgeschobener, sondern ein tatsächlich bestehender Leidenszustand zugrunde gelegen, unvertretbar gewesen wäre.

10       Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht hätte sich durch „aktuelle Befunde“ des Mitbeteiligten ein Bild von seinen allfällig gegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen machen müssen. Dazu wäre der Mitbeteiligte zur Vorlage derartiger Unterlagen aufzufordern gewesen. Auch wäre es erforderlich gewesen, einen weiteren Verhandlungstermin anzuberaumen. Dort wären der Mitbeteiligte und seine Lebensgefährtin, die bei einem ersten Verhandlungstermin einvernommen wurden, neuerlich zu befragen und mit den - nach einem zweiten Verhandlungstermin gewonnenen - Ermittlungsergebnissen zu konfrontieren gewesen.

11       Die Zulässigkeit der Revision aufgrund einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens setzt - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel - voraus, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen, für die revisionswerbende Partei günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - konkret dargetan wird (vgl. etwa VwGH 29.6.2021, Ra 2020/08/0032). Diesen Anforderungen wird die Revision, die nicht konkret erkennen lässt, was sich durch die genannten Ermittlungsschritte ergeben hätte, nicht gerecht. Insbesondere legt die Revision nicht dar, warum eine Vorlage „aktueller Befunde“ Rückschlüsse auf die Fähigkeit des Mitbeteiligten, am 14. Februar 2018 zu einem Vorstellungsgespräch zu erscheinen, bzw. die Richtigkeit seiner damaligen Angaben erlaubt hätte.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080162.L00

Im RIS seit

18.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten