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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
KFG 1967 §101 Abs1 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der Z in H, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. August 2020, LVwG-S-1431/001-2019, betreffend Übertretungen des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, d.h. soweit damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 23.5.2019 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 23. Mai 2019 wurden der Revisionswerberin als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Beauftragte der H. GmbH zwei Verwaltungsübertretungen nach dem KFG zur Last gelegt. Sie habe als Verantwortliche der H. GmbH, die Zulassungsbesitzerin eines bestimmten Kraftfahrzeuges sei, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des genannten Kraftfahrzeuges den Vorschriften des KFG entspreche, weil das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von einer näher bezeichneten Person gelenkt worden sei, wobei festgestellt worden sei, dass 1.) das „höchste zulässige Gesamtgewicht“ des Sattelkraftfahrzeuges von 42.000 kg durch die Beladung um 680 kg überschritten worden sei und 2.) beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Gesamtgewichte gemäß § 4 Abs. 7a KFG für Kraftwagen mit Anhänger von 40 Tonnen um 2.680 kg überschritten worden sei.
2 Die Revisionswerberin habe dadurch zu 1.) § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 101 Abs. 1 lit a KFG und § 9 Abs. 2 VStG sowie zu 2.) § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 7a KFG und § 9 Abs. 2 VStG verletzt, weshalb über sie gemäß § 134 Abs. 1 KFG zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.000,-- (sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Weiters wurde der Revisionswerberin gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag auferlegt.
3 Mit Erkenntnis vom 7. August 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines Kostenbeitrages im Beschwerdeverfahren und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht führte in seiner Begründung zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei bis Ende des Jahres 2018 verantwortliche Beauftragte der H. GmbH gewesen. Zum Tatzeitpunkt am Tatort sei das auf die H. GmbH zugelassene Sattelkraftfahrzeug (Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger) von einem näher bezeichneten Bediensteten der H. GmbH gelenkt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe das tatsächliche Gesamtgewicht des Sattelkraftfahrzeuges 42.680 kg betragen. Laut Zulassung des Sattelzugfahrzeuges und des Sattelanhängers habe das „höchste zulässige Gesamtgewicht“ des Sattelkraftfahrzeuges 42.000 kg betragen, die Summe der Gesamtgewichte gemäß § 4 Abs. 7a KFG 40.000 kg. Die Revisionswerberin habe somit den objektiven Tatbestand hinsichtlich beider Verwaltungsübertretungen erfüllt. Eine Glaubhaftmachung dahingehend, dass ein Verschulden im Sinn des § 5 VStG nicht vorliege, sei nicht gelungen, weshalb die Revisionswerberin die Verwaltungsübertretungen auch zu verantworten habe.
5 Mit der vorliegenden außerordentlichen Revision wird das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts insofern angefochten, als damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses abgewiesen wurde.
6 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revisionswerberin macht in der Zulässigkeitsbegründung einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG geltend, weil das für eine Übertretung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG maßgebliche Tatbestandsmerkmal der Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte des Sattelkraftfahrzeuges in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht aufscheine.
9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
10 Nach § 44a Z 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. Die Umschreibung der Tat hat nach ständiger hg. Rechtsprechung bereits im Spruch - und nicht erst in der Begründung - so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist, und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (vgl. zum Ganzen VwGH 2.6.2021, Ra 2021/02/0039, mwN).
11 Mit dem vom Verwaltungsgericht übernommenen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses wurde der Revisionswerberin eine Übertretung des § 101 Abs. 1 lit a KFG angelastet, weil das „höchste zulässige Gesamtgewicht“ des Sattelkraftfahrzeuges überschritten worden sei.
12 Gemäß § 101 Abs. 1 lit. a KFG ist die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 u. a. nur zulässig, wenn die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte eines Kraftfahrzeuges mit Anhänger, bei Sattelkraftfahrzeugen abzüglich der größeren der höchsten zulässigen Sattellasten beider Fahrzeuge, wenn diese gleich sind, einer dieser Sattellasten durch die Beladung nicht überschritten wird.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass § 101 Abs. 1 lit. a KFG nicht auf ein „höchst zulässiges Gesamtgewicht“ eines Sattelkraftfahrzeuges an sich abstellt, sondern auf die Überschreitung der „Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“ (vgl. VwGH 16.1.2019, Ra 2018/02/0300).
14 Weder dem Straferkenntnis, noch dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, lässt sich eine Berechnung dieser „Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“ entnehmen.
15 Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses - welcher vom Verwaltungsgericht bestätigt wurde - wird dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG somit nicht gerecht, weil der Revisionswerberin damit eine Übertretung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG vorgeworfen wird, ohne dass das für dieses Delikt - im gegebenen Zusammenhang - maßgebende Tatbestandsmerkmal der „Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“ des Sattelkraftfahrzeuges in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat aufscheint.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem Umfang, als damit über Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 23. Mai 2019 abgesprochen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Dezember 2021
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020225.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
01.02.2022