TE Vfgh Beschluss 1994/11/28 B1640/94

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit dem am 1. August 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1994, Zl. 4.317.265/2-III/13/91, mit dem der Berufung gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 31. Juli 1991 keine Folge gegeben wurde.

Mit demselben Schriftsatz wurde die entsprechende Beschwerde sowie der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe eingebracht.

II. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Einschreiter damit, daß er gegen den abweisenden Berufungsbescheid der belangten Behörde erst die Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof beantragt habe und damit die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof versäumt habe. Die Versäumung sei erst bekannt geworden, als der Rechtsanwalt den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes über die Bewilligung der Verfahrenshilfe erhalten hatte (Zustelldatum 18. Juli 1994). Zur Begründung dieses Antrags wird ausgeführt:

"... daß sich der rechtsunkundige Beschwerdeführer nach Erhalt des abweislichen Berufungsbescheides an die Ausländerberatungsstelle der Caritas Wien gewendet hat, wo ihm geraten wurde, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Gemeinsam mit dem Referenten der Ausländerberatungsstelle wurde ein Vermögensbekenntnis erstellt und an den Verwaltungsgerichtshof adressiert, bei welchem Gericht der Beschwerdeführer demzufolge seinen Verfahrenshilfeantrag einbrachte. Daß hiemit die Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht unterbrochen würde, konnte er nach der erhaltenen Information mangels Kenntnis der unterschiedlichen Anfechtungsgründe nicht erkennen, sodaß die Fristversäumung für den Beschwerdeführer auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückging. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer eine weitergehende Erkundigungspflicht auferlegen wollte, beruhte die Fristversäumung doch jedenfalls auf einem minderen Grad des Versehens."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Der vom Beschwerdeführer im Ergebnis geltend gemachte Rechtsirrtum über die Möglichkeit, durch Stellung eines Verfahrenshilfeantrages (auch) beim Verfassungsgerichtshof die Beschwerdefrist zur Bekämpfung des letztinstanzlichen Asylbescheides vor diesem Gerichtshof zu wahren, ist aber nicht als solcher Fehler einzustufen. Es obliegt jedermann selbst, sich rechtzeitig Kenntnis von den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, einschließlich der außerordentlichen Rechtsschutzinstrumente, wie der Beschwerdeführung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes, Kenntnis zu verschaffen. Das Vorliegen ganz besonderer Umstände, die es dem Einschreiter unmöglich gemacht hätten, sich fristgerecht über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren, wurde nicht geltend gemacht.

Der Einschreiter hat es also aus Gründen, die nicht bloß als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sind, verabsäumt, sich über die Rechtslage, insbesondere über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten, zu informieren.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

IV. Die unter einem eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG zurückzuweisen.

V. Bei diesem Ergebnis war auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, weil die vom Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

VI. Diese Beschlüsse wurden gemäß §33 zweiter Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1640.1994

Dokumentnummer

JFT_10058872_94B01640_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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