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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
BAO §116 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des T in W, vertreten durch die Dkfm. Othmar Wacha Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1190 Wien, Raimund-Zoder-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Dezember 2018, Zl. RV/7101706/2013, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2006, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber bezog in den Streitjahren neben lohnsteuerpflichtigen Bezügen von der Pensionsversicherungsanstalt Einkünfte aus in der Schweiz veranlagtem Kapitalvermögen. Am 5. November 2012 erstattete der Revisionswerber eine Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG beim zuständigen Finanzamt betreffend Kapitalerträge der Jahre 2003 bis 2012. Gleichzeitig wurden mit der Selbstanzeige Steuererklärungen für diese Jahre vorgelegt.
2 Das Finanzamt erließ Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2012. Begründet wurden diese Bescheide damit, dass die Veranlagungen aufgrund der abgegebenen Abgabenerklärungen sowie der Offenlegung der Schweizer Kapitalerträge für jedes einzelne der Streitjahre im Zuge der Selbstanzeige vom 5. November 2012 erfolgt seien.
3 Der Revisionswerber erhob gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2006 Berufung (nunmehr Beschwerde) mit der Begründung, dass keine Steuerhinterziehung, für die die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO gelte, vorliege. Nach der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO seien die Streitjahre zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Bescheide bereits verjährt. Der Vorsatz fehle, weil die Schweizer Einkünfte in diesen Jahren fast ausschließlich aus Zinserträgen aus Schweizer Anleihen, in geringem Ausmaß auch aus Dividendenerträgen von Schweizer Aktiengesellschaften resultieren würden. Da der Revisionswerber bei Gutschrift dieser Zinsen bzw. Dividenden Abrechnungen der Schweizer Zahlstelle mit Ausweis des Abzugs von 35% Steuer von diesen Erträgen erhalten habe, hätte er von der Steuerpflicht dieser Erträge in der Schweiz ausgehen können, sodass diese Erträge in Österreich nicht nochmals versteuert werden müssten. Da dem Revisionswerber mangels juristischer und steuerrechtlicher Vorbildung nicht bewusst gewesen sei, dass durch Art. 10 und 11 DBA Schweiz gesonderte Zuteilungsregeln für die Besteuerung dieser Einkünfte bestehen würden, liege ein Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG nicht vor. Wider Vorsatz spreche auch die Selbstschädigung in den Streitjahren, weil der Revisionswerber in diesen Jahren die Zinsen- und Dividendenerträge in der Schweiz mit der 35%igen Verrechnungssteuer und nunmehr in Österreich mit 25%, zusammen somit mit 60% versteuert habe. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte der Revisionswerber einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es traf folgende Feststellungen: Der Revisionswerber habe eine Handelsschule/Handelsakademie absolviert und habe am Anfang seiner Berufslaufbahn insgesamt rund fünf Jahre als Buchhalter bei Firmen in Wien gearbeitet. In weiterer Folge sei er als beruflicher Außendienstmitarbeiter bei verschiedenen Firmen für die Einrichtung und Überwachung von Baustellen in Österreich tätig gewesen. In den Streitjahren habe der Revisionswerber abgesehen von lohnsteuerpflichtigen Pensionsbezügen Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Schweiz erzielt. Aufgrund der Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2006 sei dem Finanzamt erst mit der Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG vom 5. November 2012 der Bestand einer Einkunftsquelle in der Schweiz für die Jahre ab 2002 offen gelegt worden. Das Schweizer Kapitalvermögen, aus dessen Veranlagung der Revisionswerber die in Österreich steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Streitjahre erzielt habe, habe u.a. aus einem Lotteriegewinn im Jahr 1993 in Österreich bestanden, den der Revisionswerber sukzessive auf das Konto bei der Schweizer Bank transferiert und in Wertpapieren veranlagt habe. Das Konto sei aufgrund der Kontobewegungen in Form von laufenden Gutschriften als Folge von Einzahlungen in regelmäßigen Abständen ein aktives Konto gewesen. Die Schweizer Bank sei als Universalbank hauptsächlich in den standardisierten Basisbankdienstleistungen, in der Immobilienfinanzierung, der Unternehmensfinanzierung und im Private Banking tätig, deren Tochtergesellschaft betätige sich ausschließlich im Anlagegeschäft und habe als Zielgruppen vermögende Privat- und institutionelle Kunden in EU-Staaten.
5 Das Bundesfinanzgericht führte weiters aus, die vorsätzliche Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht sei gemäß § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG als Finanzordnungswidrigkeit strafbar. Eine schuldhafte Verletzung solcher abgabenrechtlichen Pflichten sei ein Tatbestandselement u.a. der Tathandlung der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinn des § 207 Abs. 2 BAO nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Für die Verwirklichung eines Vorsatzdelikts durch den Revisionswerber sei erforderlich gewesen, dass dieser gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG einen Sachverhalt verwirklichen wollte, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche; dazu genüge es, dass der Revisionswerber diese Verwirklichung ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden habe. Dem Revisionswerber könne gemäß § 9 FinStrG weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet werden, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlaufen wäre, der ihm das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht hätte erkennen lassen; wäre der Irrtum unentschuldbar gewesen, so wäre dem Revisionswerber Fahrlässigkeit zuzurechnen gewesen.
6 Der Revisionswerber habe die Voraussetzung für die Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 für die Streitjahre erfüllt und wäre daher gegenüber dem für ihn zuständigen inländischen Wohnsitzfinanzamt verpflichtet gewesen, die Art und Höhe der Schweizer Einkünfte für die Streitjahre in den dafür vorgesehenen Steuerformularen fristgerecht offen zu legen. Da der Revisionswerber unter Verletzung der ihm obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO durch das Nichterklären von Einkünften eine Verkürzung von Abgaben bewirkt habe, sei die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG iVm § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt. Für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung sei es erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch kenne und wisse, dass er in Form der Nichtabgabe der Steuererklärungen unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen mache und dadurch der Steueranspruch beeinträchtigt werde. Der Revisionswerber habe hinsichtlich der Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts mindestens mit Eventualvorsatz gehandelt. Es sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber gewusst habe, dass die Einnahmen aus Schweizer Kapitalvermögen gegenüber dem Finanzamt anzeigepflichtig gewesen seien und dass er es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, dass dadurch Steuern hinterzogen worden seien.
7 Das Vorliegen des Eventualvorsatzes und der Ausschluss eines Rechtsirrtums wurden von Seiten des Bundesfinanzgerichts wie folgt begründet: Der Revisionswerber sei Absolvent der Handelsakademie und als Buchhalter tätig gewesen. Daher seien rudimentäre Kenntnisse des Revisionswerbers u.a. über das österreichische und schweizerische Abgabenrecht anzunehmen gewesen. Da der Revisionswerber mit Absicht und sukzessiv Gelder in die Schweiz transferiert habe, um sich aus der Veranlagung dieser nach und nach aus Österreich abgeflossenen Gelder in der Schweiz fortlaufende Einnahmen aus Kapitalvermögen zu verschaffen, sei die Nichtabgabe der Steuererklärungen für die Streitjahre beim für den Revisionswerber in Österreich zuständigen Finanzamt als eine regelmäßig wiederkehrende (Unterlassungs)Handlung des Revisionswerbers in dem Bewusstsein, dass der Abgabepflichtige möglicherweise ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen werde und sich mit diesem Erfolg (Hinterziehung von Abgaben) abgefunden habe, zu werten gewesen. Der Revisionswerber habe jahrzehntelange Beziehungen zur Schweiz gehabt und schon seine Ersparnisse aus nicht selbständiger Arbeit in der Schweiz veranlagt. Die intensive Berichterstattung über die Steueramnestie 1982 in den österreichischen Medien habe Gewissheit darüber verschafft, dass die österreichische Bevölkerung (und damit auch der Revisionswerber) nachweislich Kenntnis davon gehabt habe, dass Einkünfte aus ausländischen Kapitalvermögen in Österreich stets zu den steuerpflichtigen Einkünften gehört hätten und damit dem österreichischen Finanzamt offen zu legen gewesen seien.Der Lotteriegewinn im Jahr 1993 sei in das Jahr jener Steueramnestie gefallen, mit der in Österreich die damals noch 22-prozentige Kapitalertragsteuer (KESt) eingeführt und Steuerrückstände aus der damit abgeschafften 10-prozentigen Zinssteuer und der Vermögenssteuer auf Sparbuchguthaben im Zuge der Umstellung auf die Endbesteuerung amnestiert worden seien. Auch die Medienberichterstattung über die Steueramnestie 1993, das Endbesteuerungsgesetz und den Stand der Bestimmungen der Endbesteuerung im Verfassungsrang sei sowohl intensiv gewesen, als auch öffentlichkeitswirksam und habe damit Gewissheit darüber verschafft, dass die österreichische Bevölkerung (und damit auch der Revisionswerber als Lotteriegewinner) über die Offenlegungspflicht der Einkünfte aus ausländischen Kapitalvermögen gegenüber dem Finanzamt in Österreich im Streitjahr 1993 informiert gewesen sei. Der sukzessive Transfer von Geldmitteln zur Kapitalveranlagung in der Schweiz trotz allgemeiner Bekanntheit der Rechtsfolgen der Steueramnestie 1993 und des Endbesteuerungsgesetzes in Österreich bei der Kapitalvermögensveranlagung im Ausland schließe daher die Sachverhaltsvariante, wonach ordnungsgemäß ausgefüllte Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2006 auf Grund eines Rechtsirrtums des Revisionswerbers nicht abgegeben worden wären, aus. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergebe sich, dass die Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG vorrangig das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse des Revisionswerbers gewesen sei, wonach der geldwerte Vorteil der Anzeige gemäß § 29 FinStrG die Kosten (samt Folgekosten) dieser Selbstanzeige übersteigen würde. Das Verhalten des Revisionswerbers lasse den Rückschluss zu, dass es ihm darauf angekommen sei, die Abgaben (für die Jahre 2003 bis 2006) in Österreich solange, als es unwahrscheinlich gewesen sei, dass das Finanzamt Kenntnis von dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen und den daraus resultierenden Einkünften erhalte, zu verkürzen. Auch aufgrund zahlreicher anderer medialer Berichterstattung zum Thema Bankgeheimnis/Kapitalflucht sei davon auszugehen, dass dem Revisionswerber die Steuerpflicht seiner Kapitalerträge in Österreich bekannt gewesen sei. All dies zeige, dass der Unrechtsgehalt der Verschweigung von „CH-Einkünften“ eines in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Abgabepflichtigen gegenüber dem inländischen Finanzamt dem Durchschnittsmenschen leicht, das heißt ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Aufgrund der Aktenlage sei daher die Annahme, der Revisionswerber habe es für möglich gehalten, dass er bei der Veranlagung des Kapitalvermögens in der Schweiz eine Abgabenverkürzung verwirkliche, sie aber nicht herbeiführen wolle, auszuschließen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es bestehe eine uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (bzw. des unabhängigen Finanzsenates) zur Frage, wann eine vorsätzliche Verkürzung von Einkommensteuer wegen Nichtoffenlegung von ausländischen, einem Quellensteuerabzug unterliegenden Kapitaleinkünften vorliege. Es bestehe auch ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die verfehlte Anwendung eines DBA den Vorwurf vorsätzlichen Handelns im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO nicht zu rechtfertigen vermöge. Weiters bestehe ein Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Zweifelsgrundsatz, weil sich das Bundesfinanzgericht nur auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung gestützt habe. Zudem liege ein Begründungsmangel vor, weil nur auf die vorsätzliche Verletzung einer Offenlegungspflicht und nicht auf das vorsätzliche Bewirken einer Abgabenverkürzung eingegangen worden sei. Im Anschluss werden verschiedenen Verfahrensmängel und die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung gerügt.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision bringt zunächst vor, es liege eine uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts bzw. des unabhängigen Finanzsenates vor. Mit dem Hinweis auf eine uneinheitliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan (vgl. VwGH 29.6.2021, Ra 2021/06/0068; 10.12.2019, Ra 2016/15/0054).
13 Wenn die Revision ausführt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine verfehlte Anwendung eines DBA den Vorwurf vorsätzlichen Vorgehens gemäß § 207 Abs. 2 BAO nicht rechtfertigen, ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof eine derartige Aussage in dem angeführten Judikat vom 17. Dezember 2003, 99/13/0036, nicht getätigt hat. Der Vorsatz wurde in diesem Erkenntnis vielmehr in einer Einzelfallbetrachtung aus einer Vielzahl von Gründen verneint.
14 Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO im Allgemeinen fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO zehn Jahre.
15 Nach § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
16 Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
17 Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln (vgl. VwGH 21.12.2011, 2009/13/0159). Im Falle eines Freispruches besteht aber keine solche Bindung (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/15/0044), und zwar schon wegen der anders gearteten Beweisregeln (vgl. VwGH 19.10.2016, Ro 2014/15/0007, mwN).
18 Im Falle eines Freispruches im Strafverfahren sowie in jenen Fällen - wie hier vorliegend -, in denen es kein Strafverfahren gibt, ist es damit Sache des Finanzamtes, die maßgebenden Hinterziehungskriterien nachzuweisen.
19 Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. wobei ein Eventualvorsatz genügt. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. VwGH 27.2.2014, 2012/15/0168; 31.1.2018, Ro 2017/15/0015; 14.9.2017, Ro 2015/15/0027, und schon 26.5.1993, 90/13/0155).
20 Wenn die Revision rügt, das Bundesfinanzgericht habe gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, weil es nur den Grundsatz der freien Beweiswürdigung angewandt habe, ist sie daher nicht im Recht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 207 Abs. 2 BAO gilt für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Das von der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis betraf nicht § 207 Abs. 2 BAO, sondern den hier nicht einschlägigen § 74 ZollR-DG aF. Ungeachtet dessen gelänge es der Revision mit ihrem Vorbringen auch nicht darzulegen, dass das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis gegen den Zweifelsgrundsatz oder die Unschuldsvermutung verstoßen hätte.
21 Die Revision bringt zudem einen Begründungsmangel vor, weil die Nachvollziehbarkeit des Erkenntnisses „massiv beeinträchtigt“ sei. Ein Begründungsmangel führt nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentliche Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/13/0011, mwN). Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht ersichtlich.
22 Mit ihrem übrigen Vorbringen wendet sich die Revision im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes.Eine in einem Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 19.3.2021, Ra 2021/13/0034, mwN).
23 Der Revision gelingt es nicht, die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Beweiswürdigung als unschlüssig erscheinen zu lassen, weil sie in den Überlegungen - gesamthaft - weder einen Verstoß gegen die Denkgesetze noch einen Widerspruch zur Lebenserfahrung aufzuzeigen vermag.
24 Im Gegensatz zum Revisionsvorbringen hat das Bundesfinanzgericht sich auch mit dem vorsätzlichen Bewirken einer Abgabenverkürzung auseinandergesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der im Einzelfall getroffenen Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, der Revisionswerber habe mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt, im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten.
25 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2021
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130038.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
24.02.2022