Index
L82005 Bauordnung SalzburgNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg in 5024 Salzburg, Schloss Mirabell, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 3. Juli 2018, 405-3/329/1/15-2018, betreffend teilweise Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: J S in S, vertreten durch die Fussenegger & Hacker Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Mirabellplatz 6/II; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 8. Mai 2000 wurde S.L. (im Folgenden: Bauwerberin) gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) die Ausnahmebewilligung erteilt, den erforderlichen Mindestabstand des auf Grundstück Nr. A, KG S., befindlichen Hofgebäudes samt Stiegenhausturm bei einer Traufenhöhe von 10,87 m im Ausmaß von 8,15 m bis auf 0,0 m an die Bauplatzgrenzen zu den Grundstücken Nr. B, Nr. C und Nr. D, alle KG S., zu unterschreiten.
2 Das Grundstück Nr. D steht im Eigentum des Mitbeteiligten.
3 Ferner wurde mit dem genannten Bescheid die Baubewilligung für Baumaßnahmen erteilt. Für das in Rede stehende Hofgebäude wurden Umbaumaßnahmen verbunden mit der Errichtung eines Stiegenhausturmes bewilligt. Hinsichtlich der Unterschreitung des Mindestabstands durch diesen Bauteil wurde auf das Gutachten des bautechnischen Sachverständigen verwiesen, wonach sich durch diese Unterschreitung für das unmittelbar angrenzende Nachbargrundstück Nr. D keine Beeinträchtigungen der Belichtungsverhältnisse ergäben.
4 Der Sachverständige hatte in der Bauverhandlung am 8. Februar 2000 zum Stiegenhausturm ausgeführt, dass für die Aufschließung des ersten und zweiten Obergeschosses des rückwärtigen Hofgebäudes ein frei aufgestellter Stiegenhausturm geplant sei, der als obersten Abschluss ein transparentes Schutzdach (Glas) erhalten solle. Die seitlichen Umschließungen der Stiegenläufe sollten mittels transparenten Streckmetallgittern erfolgen. Als oberstes Gesimse werde die Höhe von 10,87 m über Niveau im Einreichplan angeführt. Der erforderliche Mindestabstand von 8,15 m werde zur Bauplatzgrenze bis auf 0,0 m unterschritten. Aufgrund der Ausführungsart werde davon ausgegangen, dass auch hier für das angrenzende Grundstück Nr. D keine Beeinträchtigung gegeben sei. Hinsichtlich des Stiegenhausturmes sei vom Planverfasser noch eine Planergänzung in Aussicht gestellt worden, welche auf die Bestandsmauer an der Grundgrenze zum Grundstück Nr. D sowie auf die mit der Nachbarschaft einvernehmlich festgelegte Abgrenzung eingehe.
5 Diese Planergänzung erfolgte mit der im Spruch des genannten Baubescheides erwähnten „Hof Nord-West-Ansicht 1:100“.
6 Mit Eingabe vom 20. Juni 2002 suchte die Bauwerberin um Erteilung der Baubewilligung für Umbaumaßnahmen unter anderem hinsichtlich des Stiegenhausturmes im Hofbereich an. In der Einreichplanung wurde dazu ausgeführt:
„Die Streckmetall-Einhausung wurde reduziert - und dafür zwei zur Spindelwand parallele Sichtbetonscheiben hochgezogen. Im 1. OG und DG wurde nachbarseitig - im Podestbereich - eine Verglasung ausgeführt - der Stiegenturm mit einer VSG-Verglasung gedeckt.“
7 Diese Umbauten - sowie andere Baumaßnahmen im Haupt- und Nebengebäude - wurden mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (Revisionswerber) vom 6. Dezember 2017 baubehördlich bewilligt.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) wurde der vom Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Revisionswerbers vom 6. Dezember 2017 erhobenen Beschwerde Folge gegeben und das Ansuchen der Bauwerberin vom 20. Juni 2002 hinsichtlich der westlichen und östlichen Umschließung der Stiegenläufe in Betonausführung beim „Stiegenhausturm“ anstelle der mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 8. Mai 2000 baubehördlich bewilligten Ausführung als transparente Tragkonstruktion mit Streckmetallfüllungen abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
9 In seinen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, gemäß § 25 Abs. 3 BGG müssten die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, dass ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben.
10 Im gegenständlichen Fall weise das sogenannte Hofgebäude samt Stiegenhausturm, dessen Außengestaltung mit der angestrebten Bewilligung verändert werden solle (Betonwand statt Streckmetallgitter), zum (Grundstück des) Mitbeteiligten hin einen Abstand von 0,0 m auf.
11 Für die ursprüngliche Baubewilligung dieses Bauteils aus dem Jahr 2000 liege eine Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 BGG vor. Nach unzutreffender Ansicht der belangten Behörde (Revisionswerber) gelte diese Ausnahmebewilligung auch für die nunmehr in Rede stehenden Maßnahmen, zumal dadurch keine Änderungen an der Kubatur des Gebäudes erfolgten.
12 Eine solche Ausnahmebewilligung sei jedoch auch bei Änderungen schon mittels Ausnahmebewilligung baubewilligter Bauten neuerlich erforderlich, auch wenn die Kubaturen selbst - etwa wegen bloßer Verwendungszweckänderung - nicht verändert würden (Verweis unter anderem auf VwGH 14.9.1995, 93/06/0021; 17.11.1994, 93/06/0246).
13 Durch die Ausführung des oberen Bereiches des Stiegenhausturmes in Betonbauweise statt (begrüntem) Streckmetallgitter ergäben sich für den unmittelbar nordwestlich angrenzenden Nachbarn (den Mitbeteiligten) theoretisch nachteilige Auswirkungen hinsichtlich Tageslicht und Besonnung, weil ein (wenn auch ganzjährig begrüntes) Streckmetallgitter immer andere Lichtabsorbtionseigenschaften aufweise als eine Betonwand. Ob eine diesbezügliche erhebliche Beeinträchtigung vorliege oder nicht, sei neben den anderen Kriterien des § 25 Abs. 8 BGG in einem neuerlichen Ausnahmebewilligungsverfahren zu prüfen. Jedenfalls stelle dieser Aspekt für den Mitbeteiligten ein subjektiv-öffentliches Recht im gegenständlichen Bauverfahren dar und habe er dies auch rechtzeitig (Verweis auf die Verhandlungsschrift vom 7. November 2002) moniert und damit seine diesbezüglichen Parteienrechte gewahrt.
14 Da somit eine Voraussetzung für eine positive Erledigung des Ansuchens um Baubewilligung nicht gegeben gewesen sei und mangels entsprechenden Ansuchens um Ausnahmebewilligung auch nicht vom LVwG nachgeholt werden könne, sei der diesbezügliche Teil der Baubewilligung zu versagen gewesen. Unberührt davon - da auch nicht von den Beschwerdeausführungen umfasst - bleibe die Bewilligung für die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen beim Hauptgebäude.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Amtsrevision zunächst ausgeführt, die abweichende Bauausführung beziehe sich nur auf das äußere Erscheinungsbild bezüglich des verwendeten Materials für einen kleinen Teil einer Fassade im Nachbarabstand. Es gebe diesbezüglich keine Rechtsprechung, ob dafür eine neue Ausnahmebewilligung erforderlich sei oder nicht.
20 Mit Bescheid vom 8. Mai 2000 sei rechtskräftig eine Ausnahmegenehmigung bis auf 0,00 m erteilt worden. Das LVwG sei jedoch der Ansicht, dass aufgrund der Änderung des äußeren Erscheinungsbildes die erteilte Ausnahmegenehmigung keine Wirksamkeit mehr hätte. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 2007, 2003/06/0077, von dem das Erkenntnis des LVwG abweiche, die Baubewilligung aufgrund der bestehenden Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne.
21 Nach dem zitierten Erkenntnis 2003/06/0077 bestehe eine dem § 9 Abs. 7 Z 1 Sbg. BauPolG 1997 (wonach eine Baubewilligung erlösche, wenn mit der Ausführung der baulichen Maßnahme nicht binnen drei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides begonnen worden sei) entsprechende Bestimmung hinsichtlich Bewilligungen gemäß § 25 Abs. 8 BGG nicht und es erlösche demnach eine Ausnahmegenehmigung auch durch Nichtkonsumation nicht. Diesem Erkenntnis sei ein Fall zugrunde gelegen, bei dem mit Bescheid eine ausdrücklich auf § 25 Abs. 8 BGG Bezug habende Ausnahmegenehmigung bezüglich Abstandsunterschreitung (bis auf 2,60 m) zur nördlichen Bauplatzgrenze rechtskräftig erteilt worden sei, der diesbezügliche Bau aber nicht bewilligungskonform errichtet worden sei. Für die Erteilung einer neuen Baubewilligung habe aber nur eine weitere Ausnahmegenehmigung ab 2,60 m bis auf 2,21 m (und nicht von 4 m auf 2,21 m) erteilt werden müssen.
22 Nach der bereits im angefochtenen Erkenntnis des LVwG zitierten hg. Judikatur kann sich die Rechtskraft allfälliger früherer Ausnahmebewilligungen (hier: der Abstandsnachsicht gemäß § 25 Abs. 8 BGG) nur auf jene Umstände erstrecken, die von einer später beantragten Änderung nicht berührt sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. September 1995, 93/06/0021, zu § 25 Abs. 8 BGG ausgesprochen hat, ist die neuerliche Erteilung einer Abstandsnachsicht dann und soweit erforderlich, als sich die Änderung auf die subjektiven Rechte der Nachbarn auswirken kann.
23 Der Beurteilung des LVwG, wonach sich durch die Ausführung des oberen Bereiches des Stiegenhausturmes in Betonbauweise statt (begrüntem) Streckmetallgitter für den Mitbeteiligten theoretisch nachteilige Auswirkungen ergäben bzw. dessen subjektiv-öffentliche Recht berührt werden könnten, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegengetreten, womit aber auch ein Abweichen von der hg. Judikatur nicht nachvollziehbar dargelegt wird.
24 Der dem in der Zulässigkeitsbegründung erwähnten hg. Erkenntnis 2003/06/0077 zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, ging es dort doch um die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 25 Abs. 8 BGG bezüglich eines - wie sich nachträglich herausstellte - in noch geringerem Abstand zum Nachbargrundstück (als durch eine entsprechende Abstandsnachsicht bewilligt) errichteten Wohnhauses. Eine Aussage, dass eine einmal erteilte Abstandsnachsicht nach § 25 Abs. 8 BGG ohne neuerliche Beurteilung der diesbezüglichen Kriterien auch für eine geänderte, gesetzlich normierte subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn möglicherweise berührende Ausführung eines Baues gilt, ist diesem Erkenntnis nicht zu entnehmen.
25 Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision einen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG zur Judikatur, wonach eine Baubewilligung ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt sei, weshalb nur das beantragte Bauvorhaben bewilligt oder nicht bewilligt, aber keinesfalls teilweise bewilligt werden könne, zu erkennen vermeint, legt sie nicht dar, weshalb die vom LVwG angenommene Trennbarkeit der im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses beschriebenen Umbaumaßnahme (betreffend die westliche und östliche Umschließung der Stiegenläufe beim Hofgebäude) einerseits und der (auch nicht von den Beschwerdeausführungen umfassten) Umbau- und Sanierungsmaßnahmen beim Hauptgebäude der Bauwerberin andererseits unzutreffend bzw. eine von dem in Rede stehenden Bauvorhaben gesonderte baubehördliche Bewilligung der zuletzt genannten Umbau- und Sanierungsmaßnahmen nicht möglich sein sollte (vgl. zur Trennbarkeit von Teilen einer Bauausführung etwa VwGH 30.9.2021, Ro 2018/06/0013; 3.12.2020, Ra 2018/06/0073).
26 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2021
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060202.L00Im RIS seit
18.01.2022Zuletzt aktualisiert am
25.01.2022