TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/20 LVwG-2021/25/3271-1

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohnenhorst über die Beschwerde von AA, geb am **.**.****, wohnhaft Adresse 1, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte BB und CC, Adresse 2, **** Y, vom 10.12.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.11.2021, Zl ***, betreffend Verfahren nach § 19 GewO 1994,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die Bezirkshauptmannschaft Y gemäß § 19 GewO 1994 fest, dass die individuelle Befähigung von AA, geb am **.**.****, Adresse 1, **** Z, für die Ausübung des Gewerbes „Fußpflege“ nicht vorliegt.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Frau AA durch ihre Rechtsvertretung im Wesentlichen ausführt, dass sie den gemäß § 18 GewO vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das reglementierte Gewerbe der Fußpflege nicht erbringen könne, da ihr die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung fehle. Die Ausführung der Landesinnung sei nicht schlüssig und könne darauf aufbauend alleine keine abweisende Entscheidung begründet werden. Der Antragstellerin mangle es im Sinne des § 1 Z 3 Fußpflegeverordnung an der erfolgreich abgelegten Befähigungsprüfung. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob ihre 20-jährige fachliche Tätigkeit bei geforderter mindestens 3-jähriger fachlicher Tätigkeit die fehlende Befähigungsprüfung nicht als gleichwertig ersetzen könne. Sie sei vom 21.04.1999 bis 05.09.2020 handelsrechtliche Geschäftsführerin der DD gewesen, welche vom 22.07.1999 bis 30.07.2001 im Besitz der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Fußpflege“ war. Die Beschwerdeführerin sei vom 30.07.2001 bis 14.06.2021 Gewerbeinhaberin mit einer befähigten Arbeitnehmerin des Gewerbes „Fußpflege“ gewesen. Die belangte Behörde übersehe, dass der vormalige Betrieb DD als integrierter Betrieb im Gewerbe „Friseur und Perückenmacher“ und „Kosmetik“ bis zur amtlichen Löschung mit Schreiben vom 16.06.2021 geführt worden sei. Daraus folge, dass die Beschwerdeführerin über 20 Jahre in leitender Tätigkeit fungiert und in dieser Zeit die erforderliche fachliche Befähigung im Gewerbe „Fußpflege“ erworben hätte. Sie habe damit die für die gegenständliche Gewerbeausführung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen, die den in der Fußpflegeverordnung geforderten Qualifikationen gleichwertig seien. Das Verwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, dass das Vorliegen der individuellen Befähigung für das Gewerbe Fußpflege gemäß § 94 Z 23 GewO festgestellt wird.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin AA bestand am 03.12.1980 die Meisterprüfung für das Friseur- und Perückenmachergewerbe mit gutem Erfolg. Sie war in der Zeit vom 21.04.1999 bis 05.09.2020 handelsrechtliche Geschäftsführerin der DD in **** X, Adresse 3. Der Geschäftszweig dieser Gesellschaft bestand im Betrieb von Sonnenstudio, Massagepraxis. Die DD war vom 22.07.1999 bis 30.07.2001 im Besitz der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Fußpflege“. AA war vom 30.07.2001 bis 14.06.2021 Inhaberin der integrierten Betriebe „Fußpflege“ und „Kosmetik“ mit ihrem Gewerbe „Friseur und Perückenmacher“ gemäß § 94 Z 36 GewO 1994 am Standort **** X, Adresse 4, mit der befähigten Arbeitnehmerin EE, geb **.**.****.

Am 22.09.2021 beantragte AA der Bezirkshauptmannschaft Y die Feststellung der individuellen Befähigung für das Gewerbe „Fußpflege“. Als Nachweis der Befähigung wurden von der Antragstellerin ihr Meisterbrief Friseur– und Perückenmacher sowie der Firmenbuchauszug der DD vorgelegt.

Die Landesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure in der Wirtschaftskammer Tirol führte in ihrer Stellungnahme vom 06.10.2021 dazu zusammengefasst aus, dass aufgrund der eingereichten Unterlagen die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht nachgewiesen sind. Hinsichtlich der Fußpflege könne keine fachliche Ausbildung nachgewiesen werden, weshalb die Ablegung der Befähigungsprüfung sowie der Nachweis einer entsprechenden Grundausbildung und fachlicher Erfahrungen empfohlen würden.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Y und des Landesverwaltungsgerichts Tirol.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen maßgeblich:

Gewerbeordnung 1994:

Individueller Befähigungsnachweis

§ 19. Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.“

Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Fußpflege (Fußpflege-Verordnung):

„Auf Grund des § 18 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002, wird verordnet:

Zugangsvoraussetzungen

§ 1. Die fachliche Qualifikation zum Gewerbe der Fußpflege (§ 94 Z 23 GewO 1994) wird erbracht durch Belege über

1. den erfolgreichen Abschluss der Studienrichtung Medizin/Humanmedizin/Zahnmedizin und die Unternehmerprüfung, soweit diese nicht auf Grund einer Verordnung gemäß § 23 Abs. 3 GewO 1994 entfällt, und eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit oder

2. die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fußpfleger oder die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege und eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung oder

3. eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung oder

4. den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 1 festgesetzten Lehrganges über die Grundausbildung der Fußpfleger und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit und den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 2 festgesetzten Lehrganges über die weiterführende Fachausbildung der Fußpfleger, mit dem nicht vor Ablauf von einem Jahr der fachlichen Tätigkeit begonnen wurde, und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung.“

V.       Erwägungen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Judikatur bereits zutreffend angeführt. Diese besagt zusammengefasst, dass beim individuellen Befähigungsnachweis im Sinn des § 19 GewO der gemäß § 18 Abs 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt wird, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung dieser Nachweise hat am Maßstab der für den Befähigungsnachweis im Sinn des § 18 Abs 1 festgelegten Vorschriften zu erfolgen, sohin sich an den Zugangsvoraussetzungen zu orientieren. Ein sonstiger Nachweis kann die erforderliche Befähigung nur insofern belegen, als die vom Antragsteller absolvierte Ausbildung das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht wie jene in der jeweiligen Zugangsvoraussetzung. Es muss somit die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass der Antragsteller über solche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, wie sie in der Regel von den Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden. Die individuelle Befähigung stellt nur eine andere Möglichkeit dar, den Befähigungsnachweis zu erbringen, die inhaltlichen Erfordernisse im Hinblick auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen sind dabei jedoch nicht geringer als beim vorgeschriebenen Befähigungsnachweis.

Frau AA nimmt für sich in Anspruch, dass sie die fachliche Qualifikation im Sinn des § 1 Z 3 der Fußpflegeverordnung erfüllen würde. Dies läge darin begründet, dass sie handelsrechtliche Geschäftsführerin der DD war, welche von 1999 bis 2001 das Gewerbe der Fußpflege innehatte. Sie habe von 2001 bis 2021 dieses Gewerbe mit einer befähigten Arbeitnehmerin ausgeübt. Diese 20-jährige leitende Tätigkeit würde im Vergleich zu der in den Zugangsvoraussetzungen geforderten mindestens 3-jährigen fachlichen Tätigkeit die fehlende erfolgreiche abgelegte Befähigungsprüfung kompensieren.

Tatsache ist, dass die Antragstellerin keinerlei fachliche Ausbildung im Hinblick auf das Gewerbe der Fußpflege nachgewiesen hat. Sämtliche vier Punkte des § 1 der Fußpflegeverordnung verlangen in unterschiedlicher Weise eine erfolgreich bestandene Ausbildung (Studienabschluss, Lehrabschlussprüfung, Befähigungsprüfung) bzw den erfolgreichen Besuch der in den Anlagen genannten Lehrgänge. Sämtliche vier Punkte der Zugangsvoraussetzungen verlangen neben der Ausbildung zusätzlich eine unterschiedlich lange einschlägige fachliche Tätigkeit. Ein Zugang zum Gewerbe der Fußpflege wird ohne erfolgreich abgeschlossene Ausbildung nicht ermöglicht. Die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung muss zusätzlich durch eine fachliche Tätigkeit ergänzt werden. Es lässt sich aus festgelegten Zugangsvoraussetzungen somit nicht ableiten, dass der Verordnungsgeber den Weg eines Zugangs zu diesem Gewerbe ohne erfolgreich abgeschlossene Ausbildung ermöglichen hätte wollen.

Frau AA war ca 20 Jahre lang als handelsrechtliche Geschäftsführerin einer GmbH, die das Gewerbe der Fußpflege innehatte, bzw selbst Gewerbeinhaberin eines intergrierten Betriebes, der mit einer befähigten Arbeitnehmerin das Gewerbe der Fußpflege ausgeübt hat. Sie übte das als integrierten Betrieb im Gewerbe „Friseur und Perückenmacher“ aus, wofür Frau AA die Meisterprüfung abgelegt hat. Die Antragstellerin hat keinerlei Nachweise darüber vorgelegt, inwieweit sie sich als Unternehmensleiterin in diesen 20 Jahren in fachlicher Hinsicht nicht nur im Gewerbe des Friseurs und Perückenmacher betätigt hat, sondern auch im Bereich der Fußpflege, für welche EE als befähigte hauptberuflich beschäftigte Arbeitnehmerin tätig war. Der Umstand, dass Frau AA in kaufmännischer Hinsicht über 20 Jahre das Gewerbe der Fußpflege geführt hat, bedingt nicht die automatische Schlussfolgerung, dass sie auch persönlich in fachlicher Hinsicht unter Anleitung der befähigten Arbeitnehmerin das Gewerbe an Kunden ausgeübt hätte. Dafür war schließlich die befähigte Arbeitnehmerin EE beschäftigt worden. Diesbezüglich hat Frau AA keinerlei Beweismittel vorgelegt, weshalb sie nicht nachgewiesen hat, die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für das Gewerbe der Fußpflege erlangt zu haben. Die Ausführungen in der Stellungnahme der Landesinnung vom 06.10.2021, dass keine fachliche Ausbildung nachgewiesen werden konnte und deshalb die Ablegung der Befähigungsprüfung sowie der Nachweis der Grundausbildung und fachlichen Erfahrung vorgeschlagen wird, sind daher nachvollziehbar, berechtigt und begründet, womit die belangte Behörde sich begründender Maßen darauf bezogen hat. Somit ist auch die von der belangten Behörde abschließend gezogene Schlussfolgerung, dass aufgrund des Fehlens einer fachlich einschlägigen Ausbildung im Bereich der Fußpflege bei Frau AA nicht davon auszugehen ist, dass sie jene den Zugangsvoraussetzungen gleichwertigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, welche für die ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes erforderlich sind, aufweise, zutreffend und in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, weshalb ihr dagegen erhobenes Rechtsmittel nicht zum Erfolg führen konnte.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Individueller Befähigungsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.3271.1

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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