Entscheidungsdatum
22.12.2021Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §217Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir aus Anlass des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 11.09.2019, Zl ***, über die Beschwerde der AA, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 13.08.2019, Rechnungsnummer: ***, mit dem hinsichtlich eines Erschließungsbeitrages nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz - TVAG eine Mahnung erfolgt ist sowie ein Säumniszuschlag und eine Mahngebühr vorgeschrieben wurden,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid vom 13.08.2019, Rechnungsnummer: ***, aufgehoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 05.12.2018, Zl ***, wurde – wie in diesem Bescheid ausgeführt - für das mit „Baubescheid“ vom 30.08.2018, Zl ***, genehmigte Bauvorhaben (Aufstellung Lagercontainer) ein Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz - TVAG in der Höhe von insgesamt Euro 4.533,62 (Bauplatzanteil: Euro 4.373,27; Baumassenanteil: Euro 160,36) festgesetzt und binnen eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides zur Zahlung vorgeschrieben.
Dieser Bescheid ist an „BB und AA“ adressiert und wurde auch so versendet.
Die dagegen von AA und BB erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19.03.2019, Zl LVwG-***, als unzulässig zurückgewiesen und die Entscheidung zusammengefasst damit begründet, dass der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, in einer Briefsendung welche an "BB und AA" adressiert war, mit Rsb versendet wurde und am 11.12.2018 von einer Mitbewohnerin der damaligen Beschwerdeführer (Mutter bzw Schwiegermutter) als Ersatzempfänger übernommen wurde. Der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, hat auch keinen Hinweis iSd § 101 BAO enthalten. Es war daher ein Zustellmangel gegeben, der auch nicht geheilt ist, und galt der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, daher als nicht erlassen und damit rechtlich auch nicht existent.
Der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, wurde dann im Weiteren aber weder ordnungsgemäß zugestellt und noch ist ein neuer Bescheid ergangen, mit dem gegenüber AA (in der Folge: Beschwerdeführerin) ein Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz - TVAG in der Höhe von insgesamt Euro 4.533,62 festgesetzt und zur Zahlung vorgeschrieben worden wäre.
Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 13.08.2019, Rechnungsnummer: ***, bezeichnet als „Nebengebührenbescheid“, erfolgte hinsichtlich des mit Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, festgesetzten Erschließungsbeitrages in der Höhe von Euro 4.533,62 gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin eine Mahnung und wurde weiters ein Säumniszuschlag in der Höhe von Euro 90,67 sowie eine Mahngebühr in der Höher von Euro 22,67 vorgeschrieben.
Dagegen erhob die nunmehrige Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde vom 02.09.2019 und brachte darin insbesondere auch zusammengefasst vor, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Beschluss vom 19.03.2019, Zl LVwG-***, bereits festgestellt habe, dass ihr der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, nie zugestellt worden sei und daher die Mahngebühr usw ins Leere gehen würden. Weiters erfolgten zudem umfassende Ausführung betreffend baurechtliche Belage, des dem vorgeschriebenen Erschließungsbeitrag zu Grunde liegenden Bauvorhabens.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 11.09.2019, Zl ***, wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung begründend ausgeführt, dass die gesetzlichen Erschließungskosten mit Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, vorgeschrieben worden seien und der Empfang dieses Bescheides von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann in der damaligen Beschwerde bestätigt worden sei. Da bis dato kein Zahlungseingang vermerkt worden sei, sei die Ausstellung des Nebengebührenbescheides (Mahnung) erforderlich geworden.
Dagegen brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin fristgerecht den Vorlageantrag vom 30.09.2019 ein und brachte mit näheren Ausführung ua auch vor, dass bei vollständiger Ermittlung bzw Beachtung des Beschlusses des Landesverwaltungsgerichts Tirol der bekämpfte Bescheid nie ergehen hätte dürfen.
II. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten Abgabenakt der belangten Behörde sowie den vom Landesverwaltungsgericht Tirol bei der belangten Abgabenbehörde ergänzend eingeholten Unterlagen und Mitteilungen.
Daraus ergibt sich, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren bereits aufgrund der Aktenlage feststeht und eine mündliche Erörterung, wie im Folgenden im Detail dargetan, eine weitere Klärung der Rechtssache im Umfang der gegenständlichen Prüfbefugnis nicht erwarten lässt.
Es waren keine Fragen der Beweiswürdigung im Umfang der maßgeblichen Entscheidungserwägungen zu klären, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden (vgl EGMR 10.05.2007, Nr 7401/04; EGMR 03.05.2007, Nr 17.912/0518; VwGH 18.10.1999, Zl 96/10/0199; VwGH 27.08.2014, Zl 2013/05/0169; VwGH 16.10.2019, Ra 2019/07/0095; uva).
Es konnte daher die Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen, die im Übrigen auch von keiner der Parteien beantragt worden ist.
III. Rechtslage:
Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:
Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl Nr 104/2019:
„§ 227
(1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.
(2) Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.
(…)
§ 227a
Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:
1.
Im Falle einer Mahnung nach § 227 ist eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30 Euro, zu entrichten. Die Mahngebühr wird bei Zustellung des Mahnschreibens mit der Zustellung, bei Einziehung des Abgabenbetrages durch Postauftrag mit der Vorweisung des Postauftrages fällig.
2.
Wird eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit erstmals eingemahnt, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre, so kann eine Mahngebühr festgesetzt werden; Z 1 gilt sinngemäß.
§ 217
(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
(…)
§ 217a
Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:
1.
§ 217 Abs. 3 ist nicht anzuwenden,
2.
Säumniszuschläge werden im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig,
3.
abweichend von § 217 Abs. 10 erster Satz sind Säumniszuschläge, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen.“
IV. Erwägungen:
1. Soweit von der Beschwerdeführerin ein umfassendes Vorbringen bezüglich baurechtlicher Belange hinsichtlich des der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages zu Grunde liegenden Bauvorhabens vorgebracht wird, ist dazu zunächst Folgendes auszuführen:
"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist – wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt - nur jene Angelegenheit, die normativer Inhalt der vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Entscheidung war und dies zudem nur insoweit als dieser durch die Beschwerde bekämpft wurde.
Im gegenständlichen Fall ist der Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 13.08.2019, Rechnungsnummer: ***, mit dem hinsichtlich eines Erschließungsbeitrages nach dem TVAG eine Mahnung erfolgt ist sowie ein Säumniszuschlag und eine Mahngebühr vorgeschrieben wurde "Sache" dieses Beschwerdeverfahrens.
Es war daher seitens des Landesverwaltungsgerichts im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren auf die Ausführungen in der Beschwerde zu Angelegenheiten des Baurechts nicht weiter einzugehen und diesbezüglich auch keine Prüfung vorzunehmen.
2. Soweit mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 13.08.2019, Rechnungsnummer: ***, der als „Nebengebührenbescheid“ bezeichnet ist, ein Erschließungsbeitrag in der Höhe von Euro 4.533,62 eingemahnt wurde, ist dazu zunächst grundsätzlich anzumerken, dass eine Mahnung gemäß § 227 Abs 1 BAO durch Zustellung eines Mahnschreibens (Mahnerlagscheines) vollzogen wird und nicht wie im gegenständlichen Fall mittels Bescheid (vgl VwGH 09.06.1989, 89/17/0006; ua).
3. Soweit gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid weiters ein Säumniszuschlag in der Höhe Euro 90,67 sowie eine Mahngebühr in der Höher von Euro 22,67 vorgeschrieben wurden, ist dazu Folgendes weiter auszuführen:
Wie in § 227 Abs 1 BAO ausdrücklich normiert, können grundsätzlich nur vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten eingemahnt und dafür eine Mahngebühr vorgeschrieben werden.
Säumniszuschläge nach § 217 bzw § 217a BAO sind gemäß diesen Bestimmungen nur dann zu leisten, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.
Zusammengefasst ergibt sich daher aufgrund vorstehend angeführter Bestimmungen der BAO, dass es nicht zulässig wäre, eine noch nicht vollstreckbare Abgabenschuldigkeit einzumahnen und dafür eine Mahngebühr vorzuschreiben sowie einen Säumniszuschlag für eine Abgabenschuldigkeit noch vor Eintritt des Fälligkeitstags vorzuschreiben.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen war daher zu klären, ob gegenständlich diese Voraussetzungen in Bezug auf einen mit Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, festgesetzten Erschließungsbeitrag in der Höhe von Euro 4.533,62 gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin gegeben war oder nicht.
4. Abgabenschuldner sind hinsichtlich eines Erschließungsbeitrages gemäß § 8 TVAG die Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, besteht bzw bei Neubauten oder Gebäuden auf fremdem Grund der Eigentümer des Neubaus bzw des Gebäudes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte.
Bei mehreren Eigentümern des Bauplatzes bzw des Gebäudes wäre ein Gesamtschuldverhältnis gegeben, dh mehrere Personen schulden dieselbe abgabenrechtliche Leistung.
5. In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom 11.09.20219, führt die belangte Behörde aus, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in ihrer damaligen Beschwerde den Empfang des Bescheides vom 05.12.2018, Zl ***, mit dem ihnen beiden gegenüber ein Erschließungsbeitrag festgesetzt und binnen eines Monats zur Zahlung vorgeschrieben worden sei, bestätigt hätten, und die Ausstellung des Nebengebührenbescheides (Mahnung) erforderlich geworden sei, da bis dato kein Zahlungseingang vermerkt worden sei.
Von der Beschwerdeführerin wird demgegenüber zusammengefasst vorgebracht, dass mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19.03.2019, Zl LVwG-***, bereits festgestellt worden sei, dass ihr der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, nie zugestellt worden sei und bei vollständiger Ermittlung bzw Beachtung dieses Beschlusses der bekämpfte Bescheid nie ergehen hätte dürfen und daher zu beheben sei.
6. Wie im Beschluss des Landesverwaltungsgericht Tirol vom 19.03.2019, Zl LVwG-***, mit umfassender Begründung dargelegt, wurde der dem gegenständlichen Bescheid zu Grund liegenden Abgabenbescheid vom 05.12.2018, Zl ***, an „BB und AA" adressiert und auch so versendet und dann am 11.12.2018 von einer Mitbewohnerin der damaligen Beschwerdeführer (Mutter bzw Schwiegermutter) übernommen.
7. Ist eine schriftliche Ausfertigung – wie auch im gegenständlichen Fall erfolgt - an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind (Gesamtschuldverhältnis), und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung gemäß § 101 Abs 1 BAO an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung ausdrücklich hingewiesen wird.
Grundsätzlich wäre daher die Abgabenbehörde berechtigt einen einheitlichen Abgabenbescheid gegenüber zwei (oder mehreren) Abgabenschuldner als Gesamtschuldnern zu erlassen, wenn im Bescheid auch ausdrücklich auf die Rechtsfolge iSd § 101 Abs 1 BAO hingewiesen wird.
Da jedoch im Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, der ausdrücklich gesetzlich geforderte Hinweis iSd § 101 BAO fehlt, wäre es zur wirksamen Erlassung dieses Bescheides erforderlich gewesen, abweichend von der materiellen Adressierung („BB und AA") die Zustellung je einer Ausfertigung dieses Bescheides an jeden von ihnen beiden zu verfügen und auch so durchzuführen.
Zusammengefasst ergibt sich daher, dass mangels Hinweises iSd § 101 BAO der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, an beide damaligen Beschwerdeführer jeweils separat zugestellt werden hätte müssen.
8. Da der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, keinen Hinweis iSd § 101 BAO enthält und im gegenständlichen Fall nicht an die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann die Zustellung je einer Ausfertigung dieses Bescheides an jeden von ihnen separat verfügt und auch so durchzuführt wurde, ist ein Zustellmangel gegeben.
Wie der VwGH nämlich in ständiger Rechtsprechung ausführt, kann eine einzige Ausfertigung eines Bescheides grundsätzlich nicht für zwei Adressaten bestimmt sein.
In diesem Zusammenhang ist lediglich der Vollständigkeit halber ergänzend anzumerken, dass grundsätzlich auch jede Partei des Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Zustellung des das Verfahren abschließenden Bescheides besitzt (zB auch Nachbarn in einem Baubewilligungsverfahren).
Die Zustellung zB eines Bescheides, Ladung usw, die an beide Ehegatten adressiert ist, und von einem Ehegatten übernommen wurde, kann nicht als Ersatzzustellung für den anderen Ehegatten rechtswirksam sein (vgl VwGH 06.09.1977, 1423/76; VwGH 04.11.1983, 83/04/0078; uva).
9. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Zustellgesetz die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Von der belangten Behörde wird die Begründung der Beschwerdevorentscheidung wohl auf diese Bestimmung des Zustellgesetzes gestützt.
Im Falle der Zustellung nur eines Bescheides an zwei Personen sind jedoch – wie im Folgenden dargetan – im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung diesbezüglich Besonderheiten gegeben.
10. Eine Heilung des Zustellmangels bei einer fälschlichen Zustellung nur eines Bescheides an zwei Personen (zB Herrn und Frau bei Ehepaaren) wäre allerdings nach § 7 ZustellG nur gegenüber jenem der beiden Kuvertadressaten möglich, dem das Schriftstück als ersten tatsächlich zukommt, weil - wie sich aus der bloß alternativen Wirksamkeit der Zustellverfügung ergibt - nur dieser Vorgang der Heilung des Zustellmangels einem Verhalten der Behörde zurechenbar ist.
Eine Weitergabe des Schriftstückes (zB Bescheid) durch die Partei, der die einzige Ausfertigung zuerst zugekommen ist, an eine andere Partei kann daher eine Heilung des Zustellmangels gegenüber der zweiten Partei nicht bewirken (vgl VwGH 24.05.1996, 94/17/0320; uva).
Hätte daher im gegenständlichen Fall die Beschwerdeführerin zB als erste den Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, persönlich vom Zusteller übernommen, wäre der Zustellmangel ihr gegenüber geheilt gewesen, nicht jedoch auch gegenüber ihrem Ehemann, wenn sie diesen Bescheid dann an ihn weitergegeben hätte (bzw umgekehrt).
11. Im gegenständlichen Fall wurde jedoch der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, weder von der Beschwerdeführerin noch von ihrem Ehemann selbst vom Zusteller übernommen, sondern ist eine „Ersatzzustellung“ iSd § 16 Abs 2 ZustG erfolgt (Mutter bzw Schwiegermutter).
Wie der VwGH ebenfalls in ständiger Rechtsprechung ausführt, führt die Übernahme eines an zwei Adressaten gemeinsam gerichteten RSb-Briefes durch eine dritte Person im Rahmen einer Ersatzzustellung - mangels Angabe, für wen der Ersatzempfänger die Sendung übernommen hat – keine Heilung des Zustellmangels herbei (vgl VwGH 24.05.2012, 2012/07/0013; uva).
12. Aus dem Rückschein der im gegenständlichen Fall erfolgten nachweislichen Übermittlung des Bescheides vom 05.12.2018, Zl ***, ergibt sich kein Hinweis darauf, für wen der beiden angeführten Bescheidadressaten das Schriftstück von der Ersatzempfängerin übernommen wurde.
Damit ist im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im gegenständlichen Fall weder gegenüber der Beschwerdeführerin noch ihrem Ehemann eine Heilung des Zustellmangels eingetreten (vgl VwGH 24.05.1996, 94/17/0320 ua).
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19.03.2019, Zl LVwG-***, wurde daher die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, da der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, in rechtlicher Hinsicht aufgrund des Zustellmangels, hinsichtlich dessen auch keine Heilung eingetreten ist, nicht erlassen und damit auch rechtlich nicht existent geworden ist.
Es konnte daher den Ausführungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin in ihrer damaligen Beschwerde selbst zugestanden habe, dass sie den Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, erhalten habe, im Licht der vorangeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung im gegenständlichen Fall keine Relevanz zukommen, da die Beschwerdeführerin das Poststück mit dem Bescheid nicht als erste selbst von Zusteller übernommen hat sowie auf dem Rückschein der nachweislichen Zustellung auch nicht ausdrücklich vermerkt ist, dass die „Ersatzempfängerin“ das Poststück damals ausschließlich nur für die Beschwerdeführerin allein übernommen hat.
13. Gemäß § 12 Abs 3 TVAG ist der Erschließungsbeitrag bei bewilligungspflichtigen und anzeigepflichtigen Bauvorhaben nach dem erfolgten Baubeginn mit Bescheid vorzuschreiben.
Das im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass im gegenständlichen Fall der Bescheid vom 05.12.2018, Zl ***, aber weder im Weiteren dann ordnungsgemäß zugestellt wurde, noch ein neuer Bescheid ergangen ist, mit dem gegenüber der Beschwerdeführerin ein Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungs- und Ausgleichsabgabengesetz - TVAG in der Höhe von insgesamt Euro 4.533,62 festgesetzt und ihr zur Zahlung binnen einer bestimmten Frist vorgeschrieben worden wäre.
14. Wie vorstehend bereits ausgeführt, kann eine noch nicht vollstreckbare Abgabenschuldigkeit weder eingemahnt noch dafür eine Mahngebühr vorgeschrieben werden und kann auch vor Eintritt des Fälligkeitstags kein Säumniszuschlag für eine Abgabenschuldigkeit vorgeschrieben werden.
Zusammengefasst ergibt sich daher im gegenständlichen Fall, dass – wie von der Beschwerdeführerin zutreffend geltend gemacht - hinsichtlich eines Erschließungsbeitrages in der Höhe von Euro 4.533,62 mangels (rechtswirksamer) Zustellung eines entsprechenden Abgabenbescheides keine Säumnis eingetreten ist und daher diesbezüglich eine Mahnung unzulässig war und der nunmehrigen Beschwerdeführerin dafür keine Mahngebühr und auch kein Säumniszuschlag vorgeschrieben werden durfte.
Es war daher aus diesem Grund der Beschwerde Folge zu geben und der gegenständlich bekämpfte Bescheid aufzuheben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Dazu kann insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen werden.
Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.
Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision zu entrichtende Eingabegebühr beträgt Euro 240,00.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Gstir
(Richterin)
Schlagworte
Nebengebührenbescheid;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2019.36.2068.3Zuletzt aktualisiert am
17.01.2022