Entscheidungsdatum
29.12.2021Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §26 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb XX.XX.XXXX, wohnhaft Adresse 1, **** Z, vom 20.12.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 27.11.2021, Zl ***, betreffend Verfahren gem § 26 Abs 2 GewO 1994,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
AA suchte mit Eingaben vom 19.10.2021 und 21.10.2021 um die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss nach § 26 Abs 2 GewO 1994 iVm § 13 Abs 3 GewO 1994 für die Ausübung des Gewerbes „Handelsgewerbe (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe)“ bei der Bezirkshauptmannschaft Z an. Diese entschied im nunmehr bekämpften Bescheid darüber in der Weise, als gem § 26 Abs 2 GewO 1994 die Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen Vorliegens des Tatbestandes nach § 13 Abs 3 GewO für die Ausübung der Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe)“ nicht erteilt wurde.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher AA vorbringt, dass er weder Schulden noch laufende Verfahren habe. Er hätte Aufträge von ca 1,4 Mio Euro und seine Firma keinerlei Schulden. Er sende eine Beurteilung seines Steuerberaters über die laufende Situation und einen Ausblick für 2022 sowie einen Exekutionsauszug.
II. Sachverhalt:
In der Insolvenzdatei ist betreffend AA, geb XX.XX.XXXX der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 09.04.2021 zu Zl *** vorhanden, wonach das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet wird. Der Schuldner ist zahlungsunfähig. Dieser Beschluss ist seit 26.04.2021 rechtskräftig.
Im Zeitraum 2003 bis 2021 scheinen betreffend den Rechtsmittelwerber 42 Exekutionen auf. Dabei wurden fast jährlich neue Exekutionsverfahren gegen AA eingeleitet. Ein Großteil dieser wurde in der Zwischenzeit eingestellt, es bestehen nach wie vor zwei offene Exekutionen, die im Wege von Zwangsversteigerungen abgehandelt wurden. Dies betrifft eine vollstreckbare Verbindlichkeit der BB AG in der Höhe von Euro 2.000.000,00 und eine nicht beglichene Verbindlichkeit bei Land Tirol in der Höhe von Euro 4.685,00. Die Forderung der BB AG konnte durch die Zwangsversteigerung zweier Liegenschaften, die beide zusammen einen Erlös von Euro 1.733.000,00 erbrachten, nicht vollständig abgedeckt werden, ebenso offen ist die Verbindlichkeit gegenüber dem Land Tirol in der Höhe von Euro 4.685,00.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Z.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 maßgeblich:
§ 13
„…
(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn
1. das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde und
2. der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.
Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.
…“
§ 26
„5. Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben
(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.
(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.
(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.
(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.“
V. Erwägungen:
Da eine Bindung der Gewerbebehörden an die Beschlüsse des Insolvenzgerichtes besteht, ist aufgrund der rechtskräftigen Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung mit Beschluss des LG Innsbruck vom 09.04.2021 das Tatbestandsmerkmal des § 13 Abs 3 GewO 1994 erfüllt. Die Abweisung des Insolvenzverfahrens scheint nach wie vor in der Insolvenzdatei auf. Gegenständlich ist also unstrittig von der Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens des Beschwerdeführers und vom offenen Zeitraum für die Einsicht in den genannten Insolvenzfall im Rahmen der Insolvenzdatei auszugehen. Der Ausschlussgrund ist so lange wirksam, solange in der Insolvenzdatei Einsicht in die Nichteröffnung des Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens gewährt wird. Dieser Zeitraum beträgt nach § 256 Abs 4 IO drei Jahre.
Aus dem Wortlaut des § 26 Abs 2 GewO, „wenn … erwartet werden kann“, ergibt sich, dass keine Bedenken vorliegen dürfen, die eine derartige Erwartung ausschließen würden (VwGH 13.12.1988, 88/04/0137; 12.12.2001, 2001/04/0231). Die Erwartung, dass der Antragsteller den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen kann, setzt jedenfalls voraus, dass der Nachsichtswerber über die erforderlichen liquiden Mittel verfügt, um seine mit der beabsichtigten Gewerbeausübung in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten – und zwar bei Fälligkeit – abdecken zu können (VwGH 28.01.1993, 92/04/0207; 28.02.1989, 88/04/0224).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19.06.1990, 90/04/0020, beispielsweise ausgesprochen, dass es nicht rechtswidrig ist, wenn die belangte Behörde den bloßen de-facto-Stillstand der Exekutionsführung durch zwei Gläubiger, ohne dass die Schuld zur Gänze getilgt wurde, nicht als einen Sachverhalt wertete, der eine positive Erwartung im Sinn des § 26 Abs 2 GewO begründen könnte. Selbst die Gefahr der Vereitelung der Bezahlung von nur geringfügigen Verbindlichkeiten durch die Exekution eines Altgläubigers rechtfertigt die Verweigerung der Nachsicht (VwGH 12.12.2001, 2001/04/0231).
Im Verfahren gem § 26 Abs 2 besteht die Pflicht zur Mitwirkung der Partei zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere zur Feststellung der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage, weil dies notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbieten der Partei voraussetzt (VwGH 26.06.1984, 84/04/0055, maW).
Der Beschwerdeführer hat die von ihm in seinem Rechtsmittel erwähnte Beurteilung seines Steuerberaters über die laufende Situation und den Ausblick für 2022 und den Exekutionsauszug nicht vorgelegt.
§ 26 Abs 2 GewO normiert, dass die Nachsicht von dem Ausschluss gem § 13 Abs 3 nur zu erteilen ist, wenn aufgrund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers (unter diesen Überbegriff fallen natürliche Personen, juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften) erwartet werden kann, dass er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird. Gemäß der bereits von der belangten Behörde zutreffend zitierten Rechtsprechung muss dafür der Antragsteller über die erforderlichen liquiden Mittel verfügen, um seine mit der beabsichtigten Gewerbeausübung verbundenen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit abdecken zu können. Die dafür erforderlichen Unterlagen hat der Nachsichtswerber vorzulegen. Dieser konnte zwar beweisen, dass ein Großteil der eingeleiteten Exekutionsverfahren zwischenzeitlich wieder eingestellt wurde, er hat aber nicht belegen können, dass sich seine wirtschaftliche Situation grundlegend geändert hat und bei ihm die erforderlichen liquiden Mittel vorhanden sind, die es ermöglichen, alle offenen Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu begleichen. Wie sich bereits aus der obzitierten Judikatur ergibt, ist die bloße Verbesserung der wirtschaftlichen Situation mit einer teilweisen Abzahlung von Rückständen dafür nicht ausreichend. Mit dem Verwertungserlös der beiden Liegenschaften von zusammen Euro 1.733.000,00 konnte die Forderung der BB AG nur teilweise befriedigt werden, die Verbindlichkeit gegenüber dem Land Tirol in der Höhe von Euro 4.685,00 ist weiterhin offen.
In Anbetracht dieser Umstände ist die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass AA eine entsprechende Verbesserung seiner finanziellen Situation nicht belegen konnte und für die Behörde erhebliche Zweifel darüber bestehen, dass er neben den laufenden finanziellen Verpflichtungen auch den zukünftigen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, nicht zu beanstanden und rechtlich einwandfrei, weshalb dem dagegen erhobenen Rechtsmittel kein Erfolg zu kommen konnte.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Nachsicht vom GewerbeausschlussEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.3394.1Zuletzt aktualisiert am
17.01.2022