TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/10 LVwG-2021/20/1924-8

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Veröffentlicht am 10.01.2022
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Entscheidungsdatum

10.01.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht

Norm

StVO 1960 §44b Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, **** Z, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt BB, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 05.06.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die Übertretungsnorm lautet § 52 lit a Z 10a Straßenverkehrsordnung (StVO), BGBl 159/1960 idF BGBl I Nr 37/2019. Die Strafnorm lautet § 99 Abs 2e StVO, BGBl 159/1960 idF BGBl I Nr 39/2013.

3.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 96,00 zu leisten.

4.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer folgende Übertretungen der StVO vorgeworfen:

„Datum/Tatzeit:           04. 03.2021, 18.27 Uhr

Tatort:                    Y, Adresse 1 Str.km 1.450, Richtung X

Betroffenes Fahrzeuq:  PKW, Kennzeichen ***

Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 59 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 52 lit. a Zif. 10 a StVO“

Auf Grund dieser Übertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs 2e StVO eine Geldstrafe in Höhe von Euro 480,-- verhängt. Weiters wurden ein Verfahrenskostenbeitrag und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 16.07.2021 wurde durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Begründung dieser Beschwerde wurde vor allem vorgebracht, dass der Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h keine entsprechende Verordnung zugrunde gelegen sei bzw nicht durch eine Verordnung gedeckt sei. Die Geschwindigkeitsbeschränkung sei im Zusammenhang mit Ausreisekontrollen (COVID-19) auf der W- Autobahn Adresse 1 in V veranlasst worden. Die Ausreisekontrollen seien jedoch zügig auf zwei Spuren erfolgt. Der Beschwerdeführer sei – wie andere Verkehrsteilnehmer – durchgewunken worden. Es hätte an der Grenze und auch davor keinen Stau gegeben.

Die von der Behörde herangezogene Verordnung des BMVIT vom 03.01.2007 regle die Bedingungen, unter welchen mit Hilfe der auf der Adresse 1 befindlichen Verkehrsbeeinflussungsanlagen Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt werden könnten. Diese Bedingungen (zB Verkehrsharmonisierung bei hoher Verkehrsbelastung, Stau, Nässe, Nebel und Geschwindigkeitstrichter) seien in der Verordnung klar definiert. Eine Verkehrsbeeinflussungsanlage schalte abhängig von bestehenden Parametern selbständig nach Programmen.

Eine temporäre Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h für den Fall von Einreisekontrollen aufgrund von COVID-19 sehe die Verordnung vom 03.01.2007 nicht vor. In der Verordnung sei auch keine temporäre Geschwindigkeitsbeschränkung „für den Fall einer Staugefahr“ vorgesehen. Die in der Verordnung näher angeführten Parameter, welche eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit rechtfertigen würden (wie etwa eine Verkehrsstärke bei zwei Fahrspuren von 3.500 bis 5.300 Pkw-Einheiten pro Stunde bzw von 4.800 bis 7.200 Pkw-Einheiten bei drei Fahrspuren), wären nicht vorgelegen.

Im Ergebnis, so wurde in der Beschwerde abschließend ausgeführt, sei die Festsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h im Tatortbereich rechtswidrig gewesen, weil in der hier maßgeblichen Verordnung der Fall einer Herabsetzung der Geschwindigkeit im Hinblick auf Ausreisekontrollen nicht vorgesehen sei. Allenfalls wäre bei einer Staugefahr eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von maximal 80 km/h anzuzeigen gewesen.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtfertigung vom 15.06.2021 ein Tatsachengeständnis abgelegt. Dies habe die Behörde bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt. Es sei auch unberücksichtigt geblieben, dass kein Geschwindigkeitsrichter vorordnet gewesen sei. Nur deshalb sei der Beschwerdeführer, der ein Elektrofahrzeug gelenkt habe, mit einer für ihn absolut unüblich hohen Geschwindigkeit unterwegs gewesen.

Mit Schreiben vom 20.07.2021 wurde der gegenständliche Akt samt Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 18.08.2021 wurde die CC GmbH vom Landesverwaltungsgericht Tirol um Abgabe einer Stellungnahme zu den Einwendungen des Beschwerdeführers ersucht, dies insbesondere zur Frage, inwieweit die Festsetzung einer höchstzulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h (im Tatortbereich) zulässig gewesen wäre.

Mit Schreiben vom 21.09.2021 wurde seitens der ASFINAG Service GmbH eine Stellungnahme abgegeben. In der Folge wurde mit Email vom 20.10.2021 vom Landesverwaltungsgericht eine Ergänzung der Stellungnahme eingefordert. Dem wurde Seitens der ASFINAG mit Email vom 24.11.2021 entsprochen.

Aufgrund dieser Beschwerde wurde am 21.12.2021 am Sitz des Landesverwaltungsgerichtes Tirol eine Verhandlung durchgeführt, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen.

II.      Sachverhalt:

Am 10.02.2021 wurde die Covid-19-Virusvariantenverordnung (BGBl Nr. II 63/2021) erlassen, welche am 12.02.2021 in Kraft getreten ist. Diese Verordnung führte pandemiebedingt zur Einführung von Ausreisekontrollen an den Grenzen Österreichs, so auch auf der W- Autobahn Adresse 1 im Bereich der Grenze Y-V. Parallel dazu wurden die Einreisebestimmungen Xs verschärft, was ua auf der W- Autobahn Adresse 1 zur Einrichtung von Grenzkontrollen bei der Ausreise von Österreich nach X führte.

Auf Grund dieser verordneten Ausreisekontrollen ersuchte die Landesverkehrsabteilung der Landespolizeidirektion Tirol den Straßenerhalter ASFINAG, auf der Adresse 1 in Fahrtrichtung X nach der Autobahnanschlussstelle Y Nord eine Kontrollstelle einzurichten. Dem kam die ASFINAG nach und wurde diese Kontrollstelle am 12.02.2021 in Betrieb genommen. Bei km 0,7 der Adresse 1 (in Richtung X) wurden die Fahrspurbreiten eingeschränkt. Auf dem ersten Fahrstreifen wurde ein Container errichtet. Der Verkehr des ersten Fahrstreifens wurde im Vorfeld verschwenkt und über den Pannenstreifen geführt. Es wurden die dafür erforderlichen Verkehrsbeschränkungen eingerichtet und entsprechende Straßenverkehrszeichen angebracht.

Die W- Autobahn Adresse 1 ist mit einer Verkehrsbeeinflussungsangabe (VBA) ausgestattet. Bedingt durch die Einführung der Kontrollen war mit Rückstauerscheinungen zu rechnen und wurde daher auf dem VBA-Portal bei km 2,975 (Fahrtrichtung X) beginnend mit dem 12.02.2021, 10:43 Uhr, eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 60 km/h „geschalten“. Ergänzend dazu wurde das Allgemeine Gefahrenzeichen iSd § 50 Z 16 StVO mit dem Hinweis „Staugefahr“ angezeigt. Bei km 0,953 wurde ebenfalls eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 60 km/h „geschalten“, welche am 15.02.2021 um 11:53 Uhr auf 40 km/h reduziert wurde. Diese Sonderschaltung war erforderlich, da nach dem VBA-Portal bei km 2,975 aus technischen Gründen keine automatisierte Stauerkennung erfolgen konnte. Ein etwaiger Rückstau vor dem VBA-Portal bei km 2,975 wurde von der Anlage automatisch erkannt und wurde entsprechend standardisierter VBA-Programme im Falle eines Staus bei km 5,727 eine entsprechend herabgesetzte Geschwindigkeit geschalten. Die Veranlassung der angeführten Geschwindigkeitsbeschränkung und deren Aufhebung ist durch Schaltprotokolle der ASFINAG dokumentiert.

Die im Zusammenhang mit der Ausreise notwendig gewordene Kontrolltätigkeit verursachte letztlich je nach Kontrollintensität und Verkehrsaufkommen auch tatsächlich Stauerscheinungen auf der Hauptfahrbahn der Adresse 1 vor dem Grenzübergang nach X. Die Covid-19-Virusvariantenverordnung (BGBl Nr. II 63/2021) trat zunächst mit Ablauf des 21.02.2021 außer Kraft. Mit BGBl II Nr. 85/2021 wurde ihr zeitlicher Geltungsbereich auf den 03.03.2021 und schließlich mit BGBl II Nr. 98/2021 bis zum 10.03.2021 verlängert.

Eine Erlassung einer Verordnung durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, mit welcher die Geschwindigkeit vor dem Grenzübergang Y /V herabgesetzt worden wäre, hätte auf Grund der für die Erlassung einzuhaltenden Verfahrensschritte einen Zeitraum von zumindest drei bis vier Wochen in Anspruch genommen. Am 11.03.2021 wurden die Kontrolleinrichtungen wieder abgebaut und wurde beim VBA-Portal bei km 2,975 (Fahrtrichtung X) um 11:50 Uhr die Anordnung einer höchstzulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h wieder deaktiviert.

Am 04.03.2021, um 18:27 Uhr lenkte der Beschwerdeführer einen PKW mit dem Kennzeichen in Y auf der Adresse 1 bei Strkm 1,450, in Fahrtrichtung X. Dabei lenkte er das Kraftfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 119 km/h, obwohl die Verkehrsbeeinflussungsanlage auf Grund der am 12.02.2021 erfolgten Schaltung bei km 2,975 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h angezeigt hat. Die Geschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkws wurde mit einem mobilen Radargerät der Verkehrsabteilung der Landespolizeidirektion Tirol mit 126 km/h gemessen. Beim zur Last gelegten Geschwindigkeitswert von 119 km/h ist die Messtoleranz bereits abgezogen.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie durch Einsichtnahme in den Akt der Verwaltungsbehörde und des Landesverwaltungsgerichts, insbesondere in die Anzeige der Landesverkehrsabteilung Tirol vom 20.04.2021 samt Lichtbild und in den Schriftverkehr des Landesverwaltungsgerichtes mit der ASFINAG.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem mobilen Radarmessgerät festgestellt und durch ein Lichtbild (mit Messdateneinblendung) festgehalten. Der Geschwindigkeitswert wird nicht bestritten.

Die ASFINAG legte der Verwaltungsbehörde die Bezug habenden Schaltprotokolle vor. Damit wurde die Herabsatzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mittels Verkehrsbeeinflussungslage dokumentiert. Die näheren Umstände, die zu dieser Herabsetzung führten, wurden von der ASFINAG gegenüber dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) BGBl I 159/1960 idF BGBl I 37/2019 maßgeblich:

§ 44b. Unaufschiebbare Verkehrsbeschränkungen

(1) Im Falle der Unaufschiebbarkeit dürfen die Organe der Straßenaufsicht, des Straßenerhalters, der Feuerwehr, des Bundesheeres oder des Gebrechendienstes öffentlicher Versorgungs- oder Entsorgungsunternehmen (zB Gasgebrechendienste) nach Erfordernis eine besondere Verkehrsregelung durch Anweisungen an die Straßenbenützer oder durch Anbringung von Verkehrsampeln oder Signalscheiben veranlassen oder eine der in § 43 Abs1 litb Z1 und 2 bezeichneten Maßnahmen durch Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen mit der Wirkung treffen, als ob die Veranlassung oder Maßnahme von der Behörde getroffen worden wäre. Dies gilt insbesondere,

a) wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,

b) bei unvorhersehbar aufgetretenen Straßen- oder Baugebrechen u. dgl.,

c) bei unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen, wie zB Brände, Unfälle, Ordnungsstörungen u. dgl., die besondere Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen oder eine besondere Verkehrsregelung (zB Einbahnverkehr, abwechselnder Gegenverkehr, Umleitungen u. dgl.) erfordern.

(2) Ist der Grund für die Veranlassung oder Maßnahme weggefallen, so hat das nach Abs. 1 tätig gewordene Organ oder dessen Dienststelle die Veranlassung oder Maßnahme unverzüglich aufzuheben.

(3) Von der Veranlassung oder Maßnahme und von deren Aufhebung ist die Behörde von der Dienststelle des nach Abs. 1 tätig gewordenen Organs unverzüglich zu verständigen. Die Behörde hat diese Verständigungen in einem Aktenvermerk (§ 16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991) festzuhalten.

(3a) Von der Verpflichtung zur Verständigung der Behörde gemäß Abs. 3 ausgenommen sind die von den Organen des Straßenerhalters veranlassten Verkehrsbeschränkungen gemäß Abs. 1. Das nach Abs. 1 tätig gewordene Organ des Straßenerhalters hat in diesem Fall die Veranlassung oder Maßnahme und deren Aufhebung zu dokumentieren. Die Behörde kann in diese Dokumentation bei dem nach Abs. 1 tätig gewordenen Organ Einsicht nehmen. Diese Dokumentation ersetzt den von der Behörde gemäß Abs. 3 anzulegenden Aktenvermerk.

(4) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 hat die Behörde von der Dienststelle des nach Abs. 1 tätig gewordenen Organs die Aufhebung der Veranlassung oder Maßnahme zu verlangen, wenn der Grund dafür weggefallen ist oder die Veranlassung oder Maßnahme gesetzwidrig oder sachlich unrichtig ist.

§ 52 Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a)   Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b)   Gebotszeichen oder

c)   Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

(…)

Z 10a “Geschwindigkeitsbeschränkung (Erlaubte Höchstgeschwindigkeit)

Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.

(…)

V.       Rechtliche Erwägungen:

§ 44b Abs 1 StVO 1960 sieht für den Fall der Unaufschiebbarkeit erforderlicher Verkehrsmaßnahmen unter anderem für Organe des Straßenerhalters die Ermächtigung vor, je nach Erfordernis eine besondere Verkehrsregelung durch Anweisungen an die Straßenbenützer oder durch Anbringung von Verkehrsampeln oder Signalscheiben zu veranlassen oder eine der in § 43 Abs 1 lit b Z 1 und 2 StVO 1960 bezeichneten Maßnahmen durch Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen mit der Wirkung zu treffen, als ob die Veranlassung oder Maßnahme von der Behörde getroffen worden wäre. Diese Maßnahmen dürfen insbesondere getroffen werden, wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, bei unvorhersehbar aufgetretenen Straßen- oder Baugebrechen, bei unvorhersehbar eingetretenen Ereignissen, wie zB Bränden, Unfällen und Ordnungsstörungen, die besondere Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen oder eine besondere Verkehrsregelung erfordern.

§ 44b StVO 1960 stellt demnach durch den Verweis auf § 43 Abs 1 lit b Z 1 und 2 StVO 1960 eine besondere Ermächtigung zur Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen iSd § 43 Abs 1 lit b Z 1 und 2 StVO 1960 dar. Demnach können Verkehrsbeschränkungen - in einem vereinfachten Verfahren – ua auch vom Straßenerhalter veranlasst und umgesetzt werden. Sie sind allerdings auf den Fall der Unaufschiebbarkeit der Maßnahme beschränkt.

Der VfGH hat in einem Erkenntnis vom 16.12.1981, V54/79 (VfSlg. 9310/1981), ausgesprochen, dass jedenfalls kurzfristig erforderlich werdende Maßnahmen zu dieser Gruppe von Maßnahmen zu zählen sind. Es können jedoch auch jene Verkehrsbeschränkungen für Straßenerhaltungsarbeiten, die zwar vorhersehbar sind und dementsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Durchführung der Erhaltungsarbeiten erforderlichen Beschränkungen nicht exakt örtlich und zeitlich vorherbestimmt werden können, auf diese gesetzliche Ermächtigung gestützt werden.

Die hier maßgebliche Verkehrsbeschränkung ist auf Grundlage des § 44b Abs 1 StVO 1960 erlassen worden. In § 44b Abs 1 StVO 1960 sind - unter lit a bis c - demonstrativ Ereignisse aufgezählt, bei deren Eintritt bzw unmittelbaren Bevorstehen jedenfalls eine Unaufschiebbarkeit iS dieser Gesetzesbestimmung gegeben ist. Das im gegenständlichen Fall maßgebliche Ereignis, nämlich die „Einrichtung einer Kontrollstelle“ und die damit jedenfalls für den Abschnitt zwischen km 2,976 und km 0,953 bestehende Gefahr eines Rückstaus ist unter den demonstrativ angeführten (unvorhersehbaren) Ereignissen nicht dezidiert angeführt. Allerdings ist das im gegenständlichen Fall zu beurteilende Ereignis, nämlich die mit der Covid-19-Virusvariantenverordnung (BGBl Nr. II 63/2021) erfolgte kurzfristige Einführung von Kontrollen bei der Ausreise durchaus mit den in § 44b Abs 1 lit a bis c StVO angeführten Ereignissen vergleichbar.

In Bezug auf die im gegenständlichen Fall konkret verfügte Verkehrsbeschränkung ist zu beachten, dass sich die Erforderlichkeit der Einrichtung von Ausreisekontrollen aufgrund der Covid-19-Virusvariantenverordnung, BGBl II 63/2021, kundgemacht am 10.02.2021, (BGBl II 63/2021) ergeben hat und bis zum Inkrafttreten am 12.02.2021, somit innerhalb kurzer Zeit, eine entsprechende Infrastruktur am Grenzübergang der Adresse 1 bei Y-V einzurichten war. Diese Anordnung und Einrichtung der Ausreisekontrollen erforderte (ebenso kurzfristig) eine besondere Verkehrsregelung. Daraus ergab sich die Berechtigung des Straßenerhalters zur kurzfristigen Setzung entsprechender Verkehrsbeschränkungen, insbesondere im Nahebereich der Kontrollstelle.

Zum Zeitpunkt der Erlassung der Covid-19-Virusvariantenverordnung (BGBl Nr. II 63/2021), die am 12.02.2021 in Kraft getreten ist, war nicht klar, für welchen Zeitraum die Ausreisekontrollen gelten sollte. Es gab zunächst eine Befristung bis zum 21.02.2021, dann bis zum 03.03.2021. Eine Maßnahme nach § 43 Abs 1 lit b StVO (Erlassung einer Verordnung durch die zuständige Bundesministerin) hätte auf Grund des diesbezüglich aufwändigeren Verfahrens einen längeren (mehrwöchigen) Vorlauf erfordert. Die Herabsetzung der höchstzulässigen Geschwindigkeit, so auch bei km 2,976, erfolgte daher aufgrund eines unvorhersehbar eingetretenen Ereignisses und war diese Verkehrsbeschränkung unaufschiebbar. Die Unaufschiebbarkeit der Maßnahme lag jedenfalls auch noch bis zum Tattag (04.03.2021) vor. Die hier in Rede stehende Maßnahme war daher durch § 44b Abs 1 StVO gedeckt.

Auf Grund der in § 44b Abs 3a StVO getroffenen Regelung war der Straßenerhalter von der Verpflichtung zur Verständigung der Behörde gemäß § 44b Abs 3 StVO ausgenommen. Der Verpflichtung, die Veranlassung der hier relevanten Maßnahmen und deren Aufhebung zu dokumentieren, ist die ASINAG durch die Erstellung (der übermittelten) Schaltprotokolle nachgekommen.

Die Beschränkung der höchstzulässigen Geschwindigkeit bei km 2,976 war von Fahrzeuglenkern unabhängig von der bei km 5,727 angeordneten Geschwindigkeit (100 km/h IG-L) zu beachten. Der Beschwerdeführer hat die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (deutlich) überschritten. Er hat damit gegen § 52 lit a Z 10a StVO verstoßen.

Der Beschwerdeführer hat die (deutlich kundgemachte) Geschwindigkeitsbeschränkung offenbar übersehen. Ihn trifft Fahrlässigkeit.

VI.      Strafbemessung:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und allfälligen Sorgepflichten des Beschwerdeführers sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 99 Abs 2e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 150 bis Euro 2.180, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen ist erheblich. Die vom Beschwerdeführer missachtete Bestimmung dient im hohen Ausmaß der Verkehrssicherheit. Im konkreten Fall ging es um die Verhinderung von Auffahrunfällen im Bereich des Autobahngrenzüberganges, an dem zum damaligen Zeitpunkt grundsätzlich Aus- bzw Einreisekontrollen (nach X) stattfanden. Diesem Interesse hat der Beschwerdeführer in einem erheblichen Ausmaß zuwidergehandelt. Dazu reicht bereits eine abstrakte Gefährdung aus. Dem Beschwerdeführer ist Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Der Verwaltungstrafvormerk des Beschwerdeführers weist eine einschlägige Bestrafung aus dem Jahr 2018 (zu Zahl ***) auf. Dies war erschwerend. Mildernd war nichts. Der Beschwerdeführer verdient monatlich Euro 4.000,-- brutto. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer (zum Teil noch mit Fremdmitteln belasteten) Wohnung. Ihn treffen keine Sorgepflichten.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungskriterien erweist sich die verhängte Geldstrafe nicht als unangemessen hoch.

VII.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Ergebnis war spruchgemäß zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Geschwindigkeitsübertretung
Ausreisekontrolle
Einreisekontrolle
Unaufschiebbare Maßnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.20.1924.8

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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