TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/11 LVwG-2021/37/2842-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2022
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Entscheidungsdatum

11.01.2022

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWG 2002 §1
AWG 2002 §2
AWG 2002 §15
AWG 2002 §73
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §28

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y (= belangte Behörde) vom 23.09.2021, Zl ***, betreffend einen Behandlungsauftrag gemäß § 73 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002),

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Durch ein E-Mail vom 11.05.2021, dem zwei Lichtbilder beigefügt waren, wurde die Bezirkshauptmannschaft Y auf die Ablagerung von „Plastikmüll“ im Gebiet der Gemeinde X aufmerksam gemacht. Aufgrund der nachfolgenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Ablagerungen auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, dessen Eigentümer AA, Adresse 1, **** Z, durchgeführt hat.

Am 12.07.2021 hat die Bezirkshauptmannschaft Y auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, einen Lokalaugenschein durchgeführt. Dabei konnten über das ganze Feld verstreut Kunststoffe – Folienteile, kleine Gummiteile etc – gefunden werden. Mit Schriftsatz vom 13.07.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y AA aufgefordert, sämtliche auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, befindlichen Abfälle zu entfernen, ordnungsgemäß entsprechend den abfallrechtlichen Vorschriften zu entsorgen und der Behörde bis spätestens 15.08.2021 einen Entsorgungsnachweis sowie Lichtbilder, auf welchen die Reinigung des Feldes sowie das gereinigte Feld ersichtlich sind, vorzulegen.

Dazu hat sich AA im Schriftsatz vom 08.08.2021 geäußert und darin wörtlich ausgeführt:

Bei dem auf meiner Wiese Abgelagerten Material handelt es sich um das Shreddermaterial (Baum- und Strauchschnitt) das bei der Aufgabe der Kompostierung noch nicht fertig war so habe ich es zur Nachrotte auf die Wiese gefahren und dachte nach einer guten Zeit (Holzmaterial braucht länger) könnte ich es auf die Wiese streuen habe aber gesehen das der Stöhrstoffanteil sehr hoch ist. Obwohl mir von den Gemeinden Stöhrstofffreie anlieferung zugesagt wurde. Ich habe dann mit viel Handarbeit und mit dem Heurechen und Heuladewagen den größten Teil aufgesammelt weiters noch bei der Grasernte mitgenommen und aus den Futterbarn gesammelt. Den Rest würde ich gerne Herbst oder spätestens im Frühjahr absieben lassen den Siebrest fachgerecht entsorgen und den gesiebten Kompost auf die Wiese streuen.

Mit Bescheid vom 23.09.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs 1 Z 1 Abfallwirtschafts-gesetz 2002 (AWG 2002) aufgetragen, die auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, ausgebrachten Plastikabfälle (Folienteile, kleine Gummiteile) und Kompostabfälle unverzüglich, spätestens vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen, ordnungsgemäß entsprechend den abfallrechtlichen Vorschriften zu entsorgen und der Behörde darüber einen Entsorgungsnachweis eines befugten Abfallentsorgers vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2021, bei der Bezirkshauptmannschaft Y am 19.10.2021 eingelangt, hat AA, Adresse 1, **** Z, unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 23.09.2021, Zl ***, „Einspruch“ gegen die Darstellung des Sachverhaltes erhoben. In dem von AA verfassten Schriftsatz heißt es wörtlich:

Wie ich schon mit Schreiben vom 8.8.2021 mitgeteilt habe, habe ich am 13.10.2021 die Kompostmiete von meiner Wiese auf den Kompostplatz gefahren und werde den Kompost bei trockener Witterung sieben lassen und den Siebrest von einem befugten Unternehmen entsorgen lassen so wie ich es 20 Jahre lang im Dienste der Gemeinden gemacht habe. Sie können es sich jederzeit ansehen. E-Mail habe ich leider nicht aber Whats App. Wenn Sie mir eine Nummer geben könnte ich Ihnen Fotos schicken über die Miete und die ganze Tätigkeit. Ich bitte darum, dass ich nach 20 Jahren Mullklauben das noch gut zu Ende bringen darf.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den behördlichen Akt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde des AA vom 17.10.2021 gegen den Bescheid vom 23.09.2021, ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.

II.      Sachverhalt:

AA, Adresse 1, **** Z, ist Alleineigentümer des Gst Nr **1, GB ***** X. Auf diesem Grundstück betrieb BB vormals eine Kompostieranlage.

Am 11.05.2021 befand sich auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, ein Kompost, der einen hohen Anteil an Störstoffen, insbesondere Kunststoffgegenstände, aufwies. Für die Aufbringung dieses, einen hohen Anteil an Störstoffen aufweisenden Komposts war AA verantwortlich.

Am 12.07.2021 waren nach wie vor Kunststoffgegenstände – Folienteile, kleine Gummiteile etc – über das gesamte Feld auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, verstreut.

Einen Teil der auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, aufgebrachten Kompostmieten hat der Beschwerdeführer am 13.10.2021 entfernen lassen, um das Material zu sieben.

III.     Beweiswürdigung:

Der am 11.05.2021 auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, befindliche Kompost mit einem hohen Anteil an Störstoffen ist auf den an die Bezirkshauptmannschaft Y übermittelten Lichtbildern erkennbar. Dem Schriftverkehr zwischen der Bezirkshauptmannschaft Y und der Gemeinde X ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Aufbringung dieses Kompostes veranlasst hat.

Die am 12.07.2021 auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, über das gesamte Feld verstreuten Kunststoffgegenstände sind auf den an diesem Tag angefertigten Lichtbildern ersichtlich. Der Beschwerdeführer selbst hat in seinem Schriftsatz vom 08.08.2021 eingeräumt, Schreddermaterial aus der Kompostierung auf dem Gst Nr **1, GB ***** X, aufgebracht und bei der Verteilung auf der Wiese festgestellt zu haben, dass das Material einen hohen Störstoffanteil aufgewiesen hat.

Der Beschwerdeführer hat das Vorhandensein verschiedenster Gegenstände aus Kunststoff am 12.07.2021 weder im Schriftsatz vom 08.08.2021 noch in seiner Beschwerde vom 17.10.2021 bestritten. In den beiden Schriftsätzen gibt der Beschwerdeführer lediglich bekannt, dass ein Teil der aufgebrachten Kompostmieten am 13.10.2021 vom genannten Grundstück entfernt worden sei, um das Material sieben und den Siebrest von einem befugten Unternehmer entsorgen zu lassen.

IV.      Rechtslage:

1.       Abfallwirtschaftsgesetz 2002:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 200/2021, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Ziele und Grundsätze

§ 1. […]

(3) Im öffentlichen Interesse ist die die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.     die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.     Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.     die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigte werden kann,

4.     die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.     Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.     Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.     das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.     die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.     Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

[…]“

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1.   deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.   deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

1.   eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.   sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

[…]

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1.   ist ‚Abfallbesitzer‘

a)       der Abfallerzeuger oder

b)       jede Person, welche die Abfälle innehat

2.   ist ‚Abfallerzeuger‘

a)       jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder

b)  jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Abfallbehandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

[…]“

„Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. […]

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1.   hiefür genehmigten Anlagen oder

2.   für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

[…]

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a)   die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -behandler übergeben werden und

b)   die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird.

(5b) Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

[…]“

„Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

[…]

(7) Für Behandlungsaufträge ist ? sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt ist ? die zuständige Behörde die Bezirksverwaltungsbehörde.

[…]“

2.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 138/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.   der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.   die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.   wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.“

„Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…].“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 29.09.2021 zugestellt. Die gegen den Bescheid vom 23.09.2021, Zl ***, erhobene Beschwerde vom 17.10.2021 ist am 19.10.2021 und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt. Die Erhebung der Beschwerde erfolgte somit fristgerecht.

2.       In der Sache:

2.1.    Zum Abfallbegriff:

Der subjektive Abfallbegriff ist dann erfüllt, wenn jemand eine Sache loswerden will und somit insoweit eine Entledigungsabsicht besteht (VwGH 23.04.2015, 2013/07/0043). Ob eine Entledigungsabsicht gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 und somit Abfall im subjektiven Sinn vorliegt, hat das Verwaltungsgericht aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen (vgl VwGH 16.03.2016, Ra 2016/05/0012).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, ob eine Entledigungsabsicht vorliegt, nicht nach dem tatsächlichen Willen des Besitzers oder auf Grundlage seiner Aussage hinsichtlich seiner Absichten zu treffen, sondern anhand sämtlicher Umstände zu prüfen ist. Der Abfallbesitzer kann den Anwendungsbereich des Abfallrechtes nicht dadurch einschränken, dass er den Begriff der Entledigungsabsicht nach seinen eigenen Erfordernissen definiert (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 2002, K11 zu § 2 AWG 2002).

Der Beschwerdeführer hat auf dem in seinem Eigentum stehenden Gst Nr **1, GB ***** X, Kompost aufgebracht, der allerdings einen sehr hohen Anteil an Störstoffen enthielt. Bei diesen Störstoffen handelt es sich um verschiedenste Gegenstände aus Kunststoff, deren sich die ehemaligen Besitzer entledigt haben.

Das vom Beschwerdeführer auf dem in seinem Eigentum stehenden Gst Nr **1, GB ***** X, abgelagerte Material war im Hinblick auf den hohen Störstoffanteil für eine Verwertung nicht geeignet. Das aufgebrachte Material ist daher als Abfall im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 zu qualifizieren.

2.2.    Zum Begriff des Abfallbesitzers:

Gemäß § 2 Abs 6 Z 1 lit b AWG 2002 ist Abfallbesitzer (oa) jede Person, die die Abfälle innehat. Es reicht somit bereits die Innehabung der Abfälle aus, wobei der Begriff „Abfallbesitzer“ weit auszulegen ist. Auf einen „Besitzwillen“ (des Inhabers) kommt es somit nicht an.

Gemäß § 309 erster Satz Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) heißt, wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, ihr Inhaber. Innehabung ist nicht bloß räumlich/ körperlich zu verstehen, sondern als äußere Erscheinung der Herrschaft über den Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung. Vorausgesetzt ist somit nur, dass sich eine Sache in der Herrschaft einer Person befindet, wobei für die Gewahrsame die Nähe zur Sache und die Möglichkeit der Einflussnahme darauf erforderlich sind (vgl VwGH 24.04.2018, Ra 2016/05/0100, mit Hinweisen auf die Judikatur und Literatur).

Der Beschwerdeführer ist jedenfalls Inhaber der im Spruch des angefochtenen Bescheides als Abfälle zu qualifizierenden beweglichen Sachen. Gegenteiliges hat der Beschwerdeführer auch in seinem Rechtsmittel nicht vorgebracht.

2.3.    Zum Tatbestand des § 15 Abs 3 AWG 2002:

Der Begriff „lagern“ im AWG 2002 beutet etwas Vorübergehendes, der Begriff „ablagern“ hingegen etwas Langfristiges. Unter der Lagerung von Abfällen iSd § 15 Abs 3 AWG 2002 ist daher die vorübergehende Lagerung von Abfällen zu verstehen (VwGH 15.09.2011, Zl 2009/07/0154, mit weiteren Hinweisen).

Das AWG 2002 unterwirft jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs 3 AWG 2002, auch die Lagerung von Abfällen über kurze Zeiträume. Eine Ausnahmebestimmung für „besonders kurzfristige“ Lagerungen von Abfällen ist dem AWG 2002 nicht zu entnehmen. Auch für Lagerungen „aus einer faktischen Notwendigkeit heraus“ gelten die allgemeinen Pflichten von Abfallbesitzern. Ergibt sich eine solche faktische Notwendigkeit einer Abfalllagerung, so hat diese ebenfalls an einem für die Sammlung geeigneten Ort zu erfolgen. Auch eine kurzfristige Lagerung von Abfällen entgegen der Vorschrift des § 15 Abs 3 AWG 2002 verwirklicht somit den Straftatbestand des § 79 Abs 2 Z 3 AWG 2002 (vgl VwGH 15.09.2011, 2009/07/0154).

Das Ausbringen der vom Spruch des angefochtenen Bescheides erfassten Abfälle – insbesondere Kunststoffgegenstände und verunreinigter Kompost – ist daher als Lagerung im Sinn des § 15 Abs 3 AWG 2002 zu qualifizieren.

Gemäß § 15 Abs 3 Z 1 und 2 AWG 2002 dürfen Abfälle außerhalb von genehmigten Anlagen (Z 1) oder für die Sammlung und Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten (Z 2) nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen ist nur in genehmigten Deponien zulässig.

Beim Gst Nr **1, GB ***** X, auf das der Beschwerdeführer die vom angefochtenen Bescheid erfassten Abfälle aufgebracht hat, handelt es sich um keine genehmigte Anlage für Abfälle. Allerdings ist gemäß dem Wortlaut des § 15 Abs 3 AWG 2002 nicht von vornherein auszuschließen, dass eine Lagerung von Abfällen keiner behördlichen Bewilligung bedarf. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002 (vgl VwGH 21.04.2014, 2013/07/0269).

Ein Ort ist jedenfalls dann geeignet im Sinn des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002, wenn durch die Sammlung, Lagerung oder Behandlung keine Schutzgüter im Sinn des § 1 Abs 3 AWG 2002 beeinträchtigt werden können und nicht gegen andere bundes-, landes- oder unionsrechtliche Vorschriften verstoßen wird [vgl die Erläuternden Bemerkungen zur RV 672 BlgNR 22. GP 14; Schleich/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 15 Rz 18]. Als für die Sammlung oder Behandlung geeignete Orte gelten etwa Abfallbehälter im Haushalt oder auf der Straße (vgl die Erläuternden Bemerkungen zur RV 984 BlgNR 21. GP 92) oder Müllsammelinseln (vgl die Erläuternden Bemerkungen zur RV 2293 BlgNR 24. GP 6). Ein Ort, bei dem es zu einer Verletzung von Schutzinteressen nach § 1 Abs 3 AWG 2002 kommen kann, ist als ungeeignet im Sinn des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002 anzusehen (vgl VwGH 18.02.2010, Zl 2009/07/0131).

Selbst wenn im gegenständlichen Fall von einer bloß zeitweiligen Lagerung auszugehen ist, ist der Tatbestand des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002 – Lagerung an einem geeigneten Ort – nicht erfüllt. Durch das Aufbringen von Kunststoffen oder von in hohem Maße mit Kunststoffen verunreinigten Kompost ist nicht sichergestellt, dass die Schutzgüter im Sinn des § 1 Abs 3 AWG 2002 nicht beeinträchtigt werden können. Der Anforderung im Sinn des § 15 Abs 3 Z 2 AWG 2002 hätte nur eine zeitweilige geordnete Zwischenlagerung Rechnung getragen.

Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Lagerung der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten, als Abfälle zu qualifizierenden beweglichen Sachen widerspricht der Vorschrift des § 15 Abs 3 Z 1 und 2 AWG 2002.

2.4.    Zum Behandlungsauftrag nach § 73 Abs 1 AWG 2002:

§ 73 AWG 2002 spricht vom „Verpflichteten“. Ihm ist der Behandlungsauftrag zu erteilen. Für ihn besteht aber auch bereits vorher die Pflicht, den gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen. Es liegt daher auch schon vor der Erlassung des Behandlungsauftrages eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung vor (vgl VwGH 07.10.2021, Ra 2020/05/0128, mit Hinweis auf VwGH 21.11.2012, 2009/07/0118).

Für die Eigenschaft des „Verpflichteten“ im Sinn des § 73 Abs 1 AWG 2002 ist wesentlich, ob derjenige in zurechenbarer Weise Abfälle entgegen dem AWG 2002 oder einer nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnung gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt hat. Für einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs 1 AWG 2002 ist Voraussetzung, dass eine abfallrechtswidrige Verhandlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird (VwGH 07.10.2021, Ra 2020/05/0128, mit Hinweis auf VwGH 28.11.2013, 2010/07/0109).

Der Beschwerdeführer hat durch die Lagerung der im angefochtenen Bescheid als Abfall zu qualifizierenden Gegenstände – Kunststoffe sowie in hohem Maße mit Kunststoffen verunreinigter Kompost – die Rechtsvorschrift des § 15 Abs 3 AWG 2002 verletzt und damit eine abfallrechtswidrige Handlung gesetzt. Folglich war die Bezirkshauptmannschaft Y berechtigt, gegenüber dem Beschwerdeführer als Abfallbesitzer einen auf § 73 Abs 1 Z 1 AWG 2002 gestützten Behandlungsauftrag zu erteilen.

3.       Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Der Beschwerdeführer hat trotz eines entsprechenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.09.2021, Zl ***, keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Die Bezirkshauptmannschaft Y hat in ihrem Vorlageschreiben vom 21.10.2021, Zl ***, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht beantragt.

Zudem kann das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066 bis 0068, mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entfernungsauftrages ist geklärt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen lediglich vorgebracht, am 13.10.2021 die Kompostmiete auf den Kompostplatz gefahren zu haben, um den Kompost sieben und den Siebrest von einem befugten Unternehmer entsorgen zu lassen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte daher lediglich zu prüfen, ob die im angefochtenen Bescheid angeführten beweglichen Sachen als Abfälle zu qualifizieren sind, ob deren Lagerung abfallrechtlichen Vorschriften widerspricht bzw widersprach und folglich die belangte Behörde zu Recht einen Entfernungsauftrag erlassen hat. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Verfahren widerspricht folglich nicht Art 6 EMRK und Art 47 GRC.

4.       Ergebnis:

Die vom Beschwerdeführer auf dem Gst **1, GB ***** X, gelagerten beweglichen Sachen – verunreinigter Kompost und Kunststoffgegenstände – sind als Abfälle zu qualifizieren. Die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Lagerung widerspricht der Verpflichtung des § 15 Abs 3 AWG 2002. Die belangte Behörde war daher berechtigt, gegenüber dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid einen Behandlungsauftrag zu erlassen.

Im gegenständlichen Fall ist auch nicht entscheidungsrelevant, dass allenfalls der im angefochtenen Bescheid erteilte Auftrag bereits umgesetzt worden ist. Die Herbeiführung des mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Zustandes bildet nämlich keine für das Beschwerdeverfahren relevante Änderung des Sachverhaltes. In diesem Fall ist die Sachlage nicht anders zu sehen, als ob nach Erlassung des verpflichtenden Bescheides nichts geschehen wäre [Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 (Stand: 1.7.2007, rdb.at)].

Die Beschwerde des AA gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.09.2021, Zl ***, war daher als unbegründet abzuweisen. Die Frist zur Umsetzung des Entfernungsauftrages war nicht neu zu bestimmen, da die Vollstreckbarkeit des Bescheides erst vier Wochen ab Rechtskraft und damit ab Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses gegeben ist.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Auslegung der entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AWG 2002 erfolgte anhand des klaren Wortlautes. Die Entscheidung weicht auch nicht von der zu den abfallrechtlichen Bestimmungen ergangenen einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Diesbezüglich ergaben sich keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (VwGH 13.12.2018, Ro 2018/37/0048, mit weiteren Nachweisen).

Die ordentliche Revision wird daher in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses für nicht zulässig erklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

subjektiver objektiver Abfallbegriff
Lagerung
Entfernungsauftrag
Behandlungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.37.2842.1

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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