Entscheidungsdatum
11.01.2022Norm
EpidemieG 1950 §15Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Erkenntnis in gekürzter Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Dr. Maier als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch die B Rechtsanwälte in ***, ***, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten, pA Magistrat der Stadt St. Pölten vom 30.08.2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG), in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 16.11.2021 durch Verkündung der Entscheidung, zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 80,-- zu leisten.
3. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Zahlungshinweis:
Der zu zahlende Gesamtbetrag (verhängte Geldstrafe: € 400,--; Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde: € 40,--; Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich: € 80,--) beträgt € 520,-- und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnis einzuzahlen.
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nahm Beweis auf durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der der Beschwerdeführer unentschuldigt nicht erschien.
Demnach trat der Beschwerdeführer als Redner einer Demo-Veranstaltung am Tatort auf.
Der Beschwerdeführer hat im Zuge dieser Versammlung weder die zum Tatzeitpunkt gültigen Abstandsvorschriften noch die Verpflichtung des Tragens einer Schutzmaske eingehalten.
Der Zeuge konnte sich an die Amtshandlung erinnern und glaubhaft darlegen, dass der Beschwerdeführer ihm gegenüber einen 2m unterschreitenden Abstand einhielt und zudem keine Atemschutzmaske der Schutzklasse 2 trug.
Da der Zeuge kein Haushaltsangehöriger des Beschwerdeführers ist, wäre der Abstand jedenfalls einzuhalten gewesen.
Die Feststellungen beruhen auf den diesbezüglich unbedenklichen Aktenunterlagen in Zusammenschau mit den glaubwürdigen Zeugenaussagen.
Zum Befreiungsattest wird ausgeführt:
Gemäß § 18 Abs. 2 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung bedarf die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung von der FFP2 Masken/MNS-Tragepflicht einer ärztlichen Bescheinigung. Für die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung von der Tragepflicht von Masken ist somit eine ernsthafte und fachlich fundierte Begründung im Hinblick auf die konkreten gesundheitlichen Beschwerden des Betroffenen, insbesondere auch im Hinblick auf den Zweck der Befreiung, geboten. Dies ergibt sich aus § 55 Ärztegesetz 1998, wonach ärztliche Zeugnisse eine „gewissenhafte ärztliche Untersuchung“ sowie eine „genaue Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen" normiert ist. Diese Regelung gilt auch für ärztliche Gutachten, Bestätigungen oder Bescheinigungen (vgl. Aigner/Kierein/Kopetzki, Ärztegesetz 3. Aufl, § 55 FN 2).
Ein ärztliches Gutachten ist eine wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerung, die ein Arzt über den Gesundheitszustand oder funktionelle Einschränkungen einer Person oder andere medizinische Umstände erstellt. Die vom Gesetz geforderte gewissenhafte ärztliche Untersuchung soll Gefälligkeitsgutachten verhindern. Ein solches liegt zweifellos bei fehlender medizinischer Indikation oder der ungeprüften Entsprechung des vom Patienten geäußerten Wunschs vor. Allerdings bedarf es einer nachvollziehbaren Darstellung im ärztlichen Attest, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt wurde und wie sich die gesundheitlichen Beschwerden im konkreten Fall auswirken – etwa in welchem Ausmaß konkret das Tragen einer Maske unzumutbar ist.
Um die Schlüssigkeit des Gutachtens nachvollziehen zu können, muss der Verfasser darin klar anführen, auf welche Tatsachen er seine Stellungnahme gründet und wie er diese ermittelt hat. Schon grundsätzlich ist die formularmäßige Erstellung eines Gutachtens nur sehr eingeschränkt zulässig (vgl. Kröll, Rechtsfragen bei der Erstellung medizinischer Gutachten in Resch/Wallner (Hrsg), Handbuch Medizinrecht 3. Aufl., 1619).
Der Maßstab des VfGH bei der Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Krankheit aus Gefälligkeit ist auch bei Gefälligkeitsattesten zu medizinischen Gründen für die Ausnahme von der „Maskenpflicht“ anzuwenden (vgl. VfGH B 888/2013).
Bestehen Zweifel an der Richtigkeit seiner Beurteilung und an seiner Auskunft, weil z.B. eine Untersuchung nicht lege artis durchgeführt oder diese überhaupt unterlassen wurde, oder weil diese nicht in seinen Fachbereich fällt, so darf auf die Beurteilung und die Auskunft dieses Arztes nicht vertraut werden (vgl. u.a. etwa sinngemäß zur Einholung von - auf vollständigen Sachverhaltsgrundlagen basierenden - Auskünften kompetenter Stellen oder sonstiger sachkundiger Personen und der Folgen, wenn Zweifel an der Richtigkeit der eingeholten Auskünfte bestehen müssen u.a. VwGH 87/02/0018 und VwGH 2011/09/0188, sowie weiterführende Ausführungen bei Wolfgang Wessely, in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 § 5 VStG, Rz. 26 bis 28, S. 156f).
Diesen Überlegungen folgt, dass das „Maskenbefreiungsattest“ nicht den Erfordernissen des § 55 Ärztegesetz 1998 entspricht und somit nicht geeignet war, als Bescheinigung iSd § 18 Abs. 2 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung zu gelten.
Schon die optische Ausgestaltung des Attests lässt vermuten, dass es sich um einen Vordruck handelt und nur der Name händisch eingesetzt wird und keine fundierte Untersuchung erfolgt. Auch der Zeuge gab an, mehrere dieser Atteste schon vorgelegt bekommen zu haben. Der im Zuge der Verhandlung vorgelegte Befund lässt ebenso nicht auf eine Erkrankung erschließen, bei der es nicht einmal möglich wäre, eine mechanische Schutzausrüstung zu tragen. Insbesondere verhielt sich der Beschwerdeführer im Zuge der Rede bei der Demo als auch im Zuge der Festnahme keinesfalls so, dass von irgendwelchen körperlichen Einschränkungen auszugehen war.
Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass das vorliegende Attest des Beschwerdeführers nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
Der Beschwerdeführer hat somit die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen, der objektive Tatbestand ist erfüllt.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite (Verschulden) hat der Beschwerdeführer im Sinne des § 5 VStG keine Umstände geltend gemacht, die zu einer Exkulpierung führen würden.
Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung gehört, da zu ihrer Strafbarkeit weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr erforderlich ist, zu den sogenannten Ungehorsamsdelikten, bei denen im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG der Täter glaubhaft zu machen hat, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Der Beschwerdeführer muss daher zu seiner verwaltungsstrafrechtlichen Entlastung dartun und glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden traf (vgl. u.a. VwGH 2006/09/0086 und VwGH 2012/03/0139).
Wie bereits zuvor seitens des erkennenden Gerichts dargelegt worden ist, hätte der Beschwerdeführer aufgrund der Umstände der Attesterstellung bei gebotener gehöriger Aufmerksamkeit und der ihm zumutbaren Sorgfalt erkennen können und müssen, dass er sich im gegenständlichen Verfahren für seine behauptete Befreiung zur Tragung einer Schutzvorrichtung im Mund- und Nasenbereich auf dieses Attest nicht stützen hätte dürfen, und mussten ihm bei gebotener gehöriger Aufmerksamkeit und der ihm zumutbaren Sorgfalt aufgrund der zahlreichen Medienberichte auch die verfahrensgegenständlichen Rechtsvorschriften bekannt sein, sodass er bei einer ihm durchaus zumutbaren und gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt die erforderliche Verpflichtung zur Tragung einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard am verfahrensgegenständlichen Tatort zum verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt (er)kennen hätte müssen.
Aufgrund dieser Ausführungen steht für das erkennende Gericht daher fest, dass der Beschwerdeführer bei der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt Kenntnis über die fehlende Aussagekraft des von ihm im gegenständlichen Verfahren vorgelegten „Maskenbefreiungsattestes“ im verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt am verfahrensgegenständlichen Tatort haben hätte müssen, sodass er aufgrund dieses Attestes im verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt am verfahrensgegenständlichen Tatort verpflichtet war, eine den rechtlichen Vorschriften entsprechende Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.
Dem Beschwerdeführer ist die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung somit auch in subjektiver Hinsicht anzulasten und hat er dadurch die im Spruch angeführte Bestimmung verletzt.
Ausgangspunkt der Strafzumessung ist daher der durch die Tate verwirklichte, aus Handlungs- und Erfolgsunwert bestehende Tatunwert.
Wie bereits die belangte Behörde hinreichend und nachvollziehbar dargelegt hat, dienen die Bestimmungen über die Tragepflicht einer Schutzvorrichtung im Mund- und Nasenbereich der Verhinderung der Verbreitung der SARS-CoV-2 Erkrankung sowie zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung, sodass die zu schützenden Rechtsgüter somit als äußerst bedeutend anzusehen sind, und stellt ein Verstoß gegen diese Vorschriften einen nicht unerheblichen Eingriff in die Intensität der geschützten Rechtsgüter dar.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Strafzumessungsgründe gelangt das erkennende Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die von der belangten Verwaltungsbehörde festgelegte Strafhöhe in keiner Weise als überhöht angesehen werden können. Die Missachtung von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stellt nämlich keinen „geringen Sorgfaltsverstoß“ dar.
Im Hinblick auf die Verdeutlichung des Unrechtsgehaltes der Tat, der in einer Gefährdung der Verhinderung der Verbreitung der SARS-CoV-2 Erkrankung und somit der Gefährdung der Gesundheit anderer Menschen liegt, sowie unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe (ein Milderungs- und kein Erschwerungsgrund), der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe und des Verschuldens des Beschwerdeführers erscheint nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auch im Hinblick auf die zuvor getätigten Ausführungen die von der belangten Behörde konkret verhängte Geldstrafe und die Ersatzfreiheitsstrafe geeignet, dem Beschwerdeführer den Unrechtsgehalt der Tat vor Augen zu führen und ihn in Hinkunft von der Begehung gleichartiger, auf derselben schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen abzuhalten und gleichzeitig auch eine generalpräventive Wirkung zu erzeugen, weswegen die verhängte Strafe - im Hinblick auf den verwirklichten Tatunwert - tat- und schuldangemessen und ihre Verhängung erforderlich ist, um den Beschwerdeführer und Dritte von der Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen abzuhalten.
Da der Sachverhalt für das erkennende Gericht hinreichend geklärt war, konnte von der Einholung weiterer Beweisergebnisse Abstand genommen werden.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG, wonach der Beschwerdeführer im Falle einer Bestätigung des Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Verfahrenskosten in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch € 10,-- zu tragen hat.
Gemäß § 25a Abs. 4 VwGVG ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, weil vorliegend lediglich eine Geldstrafe bis zu € 500,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im gegenständlichen Fall lediglich eine Geldstrafe von € 400,-- verhängt wurde (§ 25a Abs. 4 VwGG; vgl. u.a. auch VwGH Ra 2021/02/0085 und VwGH Ra 2021/02/0136).
Im Übrigen ist für die belangte Behörde die ordentliche Revision nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es vorliegend bloß zu klären galt, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat, wobei die Beweiswürdigung auf jenen Grundsätzen aufbaut, wie sie in Lehre und Rechtsprechung anerkannt sind, und erfolgte auch die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Schlagworte
Gesundheitsrecht; COVID-19; Verwaltungsstrafe; Maskenbefreiung; Ausnahme; ärztliches Attest;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2358.001.2021Zuletzt aktualisiert am
17.01.2022