TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/21 W161 2246315-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2021
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Entscheidungsdatum

21.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch


W161 2246315-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Kosovo alias Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.8.2021, Zl. 1281721609-211051789, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Kosovo, wurde am 31.07.2021 im Zug NJ40236 aus Salzburg in Fahrtrichtung München kommend einer grenzpolizeilichen Einreisekontrolle unterzogen und konnte keine gültigen Ausreisedokumente vorweisen. Eine Überprüfung ergab, dass sie keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Deutschland besitzt und bereits am 30.06.2021 nach Österreich zurückgewiesen worden war.

Die Beschwerdeführerin gab bei ihrer Beschuldigtenvernehmung in Freilassing am 31.07.2021 an, sie heiße XXXX , sei am XXXX in Mitrovica/Kosovo geboren und besitze die Bosnisch-Herzegowinische Staatsangehörigkeit. Als Anschrift gab sie eine Adresse in Köln/Deutschland an, ihren Familienstand bezeichnete sie als ledig. Sie gab an, mit der Verständigung ihrer konsularischen Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland nicht einverstanden zu sein und gab weiters befragt zum Tatvorwurf an, ihr Mann XXXX , geb. XXXX ) wohne in Köln bei seiner Mutter. Sie besitze Dokumente für Deutschland. Er werde es beweisen. Mehr möchte sie nicht aussagen. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie sich strafbar mache, wenn sie ohne die notwendigen Grenzübertrittdokumente versuche, nach Deutschland einzureisen. Sie habe sich mit dem Zug verfahren. Sie habe nicht nach Österreich ausreisen wollen. Sie habe in Österreich nichts zu suchen. Sie habe dort keine Familie und keine Freunde. Sie habe 6 Kinder und Familie in Deutschland. Sie wolle nicht zurück nach Österreich und gebe den Versuch der unerlaubten Einreise nicht zu.


Die Beschwerdeführerin wurde in der Folge von der deutschen Grenzpolizei an die österreichische Polizei übergeben und festgenommen.

Eine durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung ergab das Vorliegen einer EURODAC-Treffermeldung der Kategorie 1 für Deutschland (17.09.2015) und eines SIS-Treffers von Frankreich (abgängiger Volljähriger).

Anlässlich einer ebenfalls am 31.07.2021 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Salzburg gab die Beschwerdeführerin über Befragen an, ihr Name sei XXXX , sie sei am XXXX geboren, verheiratet, ihre Staatsangehörigkeit sei Bosnien. Ihr Ehepartner heiße XXXX , sie sei sorgepflichtig für 6 Kinder, Hausfrau und wohne in Köln in der XXXX . Über Vorhalt des Ergebnisses einer Search Only Abfrage, welche den Datensatz XXXX , geboren XXXX ergab, gab die Beschwerdeführerin an, dass es sich hiebei um einen Alias-Datensatz handle, den sie früher verwendet habe. XXXX sei der richtige Datensatz.

Sie sei am Vortag, den 30.07.2021 zwischen 19:00 und 20:00 Uhr in Österreich eingereist. Sie wäre in München gewesen und eine Freundin hätte gemeint, sie solle die S-Bahn nehmen. Sie habe dann den falschen Zug genommen und sei nach Österreich gekommen. Sie habe schon gesehen, dass etwas nicht in Ordnung sei und sei dann in Salzburg ausgestiegen, um wieder zurück nach Deutschland zu fahren. Sie sei mit der beabsichtigten aufenthaltsbeendenden Maßnahme einverstanden und stelle in Österreich keinen Asylantrag. Sie leide an keiner schwerwiegenden Krankheit. Sie habe einen Wohnsitz in Deutschland (Köln, XXXX ). In der Folge gab sie den Namen ihres Ehemannes sowie von 4 Töchtern und 2 Söhnen an, alle wohnhaft in Köln, Deutschland. Sie gab weiters an es gäbe in Österreich keine Personen, bei denen sie während ihres fremdenpolizeilichen Verfahrens wohnen könnte. An Barmittel führe sie einen Betrag von Euro 79,36 mit sich. Sie habe in Deutschland einen Asylantrag gestellt, sie müsse auf die Antwort warten. Sie sei noch von keinem Mitgliedstaat in ihren Herkunftsstaat im Zuge eines Asylverfahrens zurückverbracht worden. Sie sei auch nicht Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitution gewesen und besitze keinen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates. Würde sie am heutigen Tag aus der Haft entlassen werden, würde sie sofort zurück nach Köln zu ihrer Familie reisen, wo sie wohne. Sie habe kleine Kinder. Am Montag habe sie in Deutschland einen Termin bei der Ausländerbehörde. Sie würde alles geben, um zurück zu ihrer Familie und ihren Kindern zu kommen. Es sei einfach nur ein Fehler gewesen, dass sie einen falschen Zug genommen habe. Sie werde auch nie wiederkommen. Sie habe einen Fehler gemacht und möchte zurück zu ihrer Familie.

Mit Mandatsbescheid vom 31.07.2021 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über die Beschwerdeführerin die Schubhaft.

Aus einem Abgleichsbericht des Bundesministeriums für Inneres und einem Ergebnisbericht zum nationalen AFIS-Abgleich ergibt sich, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um XXXX , geboren am XXXX , Nationalität Kosovo handelt. Als Aliasidentität scheint XXXX , geboren XXXX auf.

Anfragen in Deutschland ergaben, dass die Beschwerdeführerin keinen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland besitzt. Ihre Ersteinreise in das Bundesgebiet der Republik Deutschland erfolgte am 17.01.2011. Ein von ihr in Deutschland gestellter Asylantrag wurde am 14.08.2012 abgelehnt. Am 17.09.2015 stellte sie in Deutschland einen Asylfolgeantrag zu dem es keine weiteren Eintragungen gibt. Nach dem Meldestatus in Deutschland ist sie am 13.10.2016 aus Deutschland nach unbekannt verzogen. Die Beschwerdeführerin wird in Deutschland mit 5 verschiedenen Aliasidentitäten geführt.

Am 31.07.2021 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausgefolgt und ihr die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme binnen 5 Tagen eingeräumt.

In der Folge wurde von ihr keine Stellungnahme dazu abgegeben.

Am 24.08.2021 wurden von ihrer Vertretung BBU schlecht lesbare Kopien von Urkunden vorgelegt und mitgeteilt das diese Unterlagen bestätigen würden, dass diese einen Aufenthaltstitel in Frankreich gehabt hätte bzw. habe.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (richtig: Aufenthaltstitel besonderer Schutz) gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführerin erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise nach § 55 Abs. 4 FPG wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung des Bescheides wird festgestellt, die Beschwerdeführerin sei nicht österreichische Staatsbürgerin, unterliege den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes und befinde sich laut eigenen Angaben seit 30.07.2021 in Österreich. Sie könne kein gültiges Reisedokument vorweisen und befinde sich unrechtmäßig im Bundesgebiet. Sie könne Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen, sei noch nie an einem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet gewesen und gehe keiner rechtmäßigen Beschäftigung nach. Sie verfüge über keine Sozialversicherung und sei mittellos. Familienangehörige oder nahe Verwandte im Bundesgebiet seien nicht vorgebracht worden und hätten solche auch nicht festgestellt werden können. Auch ein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu in Österreich legal aufhältigen Personen habe nicht ausgemittelt werden können. Die öffentlichen Interessen der Republik Österreich würden allenfalls bestehende private Interesse ihrer Person überwiegen.

Da ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen sei und eine Interessensabwägung im Sinne des § 9 Abs. 3 BFA-VG zu deren Lasten ausginge, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Mangels Vorliegens einer relevanten Gefährdung sei unter Bedachtnahme auf die Lage im Herkunftsstaat die Abschiebung in den Kosovo, einen sicheren Herkunftsstaat, zulässig.

Zur Begründung des Einreiseverbotes wurde erwogen, die Beschwerdeführerin habe die Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts nicht nachgewiesen. Sie habe auch keine Möglichkeit sich auf legalem Wege Geld zu leihen. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere gem. § 53 Abs. 2 FPG das Vorliegen einer Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Es können nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin wiederum versuchen werde, unrechtmäßig in einen Schengen-Staat zu reisen bzw. über einen Schengen-Staat unrechtmäßig nach Deutschland zu reise. Die familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletze in casu nicht Artikel 8 EMRK. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände, sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung zu begegnen.

Aus dem gleichen Grund sei die sofortige Ausreise der Genannten im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, sodass einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei.

3. Gegen den dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, in welcher ausgeführt wird, der Name der Beschwerdeführerin laute XXXX . XXXX sei nicht ihr offizieller Name. Sie sei in Berlin geboren, ihre Eltern seien beide bosnische Staatsangehörige, sie verfüge weder über einen bosnischen Reisepass noch sei sie jemals in Bosnien und Herzegowina registriert gewesen. Sie lebe seit 2012 in Frankreich, ihre 6 Kinder seien in Frankreich geboren und würden dort leben. Der Vater der Beschwerdeführerin verfüge ebenfalls über einen gültigen Aufenthaltstitel in Frankreich. Sie selbst habe in Frankreich bis 27.12.2017 über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt und fristgerecht eine Verlängerung beantragt, diese sei jedoch bisher nicht möglich gewesen, da die französischen Behörden entweder den bosnischen Reisepass oder eine Bestätigung darüber, dass sie nicht über einen solchen verfüge, verlangt hätten. Mittlerweile habe sie eine solche Bestätigung und habe zur Vorlage dieser bereits einen Termin bei der zuständigen Behörde in Frankreich vereinbart. Die Behörde habe die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt, da sie sich mit der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin näher hätte auseinandersetzen müssen. Die Beschwerdeführerin sei keine kosovarische Staatsangehörige. Zu der eingeräumten Möglichkeit eine schriftliche Stellungnahme einzureichen werde angeführt, dass die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin nicht ausreichend seien, um die schriftliche Verständigung zu verstehen bzw. zu den gestellten Fragen Stellung zu nehmen. Da die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit gegeben habe, mündlich einvernommen zu werden, habe diese sich nicht zu ihrem bestehenden Familienleben in den Mitgliedstaaten der europäischen Union äußern können. Die 6 Kinder sowie der Ehemann der Beschwerdeführerin würden in Frankreich leben. Zudem hätten die Eltern der Beschwerdeführerin ein gültiges Aufenthaltsrecht in Frankreich. Die Beschwerdeführerin verfüge daher über ein schützenwertes Familienleben in Frankreich. Das Einreiseverbot stelle für die Beschwerdeführerin, welche Familienangehörige im Schengen-Raum habe, einen gravierenden Eingriff dar, und sei keinesfalls verhältnismäßig. Auch seien die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und damit zusammenhängend die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise im vorliegenden Fall zu Unrecht erfolgt.

Beiliegend übermittelt wurden Unterlagen zum Aufenthalt und Familienleben der Beschwerdeführerin in Frankreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Kosovo, reiste am 30.07.2021 illegal in das Bundesgebiet an. Sie gab bisher vor den österreichischen, deutschen und französischen Behörden mehrere unterschiedliche Identitäten an. Sie ist nicht österreichische Staatsangehörige und fällt daher unter das Fremdenrecht. Sie hat weder für Deutschland noch für Frankreich einen aufrechten (aktuell gültigen) Aufenthaltstitel.

Sie leidet an keinen schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen.

1.2. Die in Österreich strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführerin hat sich lediglich zur Durchreise in Österreich aufgehalten und plante keinen längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hat in Österreich nie einen Wohnsitz besessen, hat hier keine zum Aufenthalt berechtigten Angehörigen oder sonstigen sozialen Bindungen, ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und erbrachte keinen Nachweis über vorhandene Deutschkenntnisse. Eine Integration im österreichischen Bundesgebiet wurde nicht behauptet.

1.3. Die Beschwerdeführerin verfügte zum Zeitpunkt ihres Aufgriffs im Bundesgebiet über EUR 79,36 an Bargeld und keine legalen Möglichkeiten zur Erlangung darüberhinausgehender finanzieller Mittel.

1.4. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass im im Kosovo eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht. Aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustandes ist sie zu einer eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhalts im Kosovo in der Lage.

1.5. Die Beschwerdeführerin reiste am 17.01.2011 in das deutsche Bundesgebiet und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher am 14.08.2012 abgelehnt wurde. Am 17.09.2015 stellte sie einen Asylfolgeantrag. Im Melderegister in Deutschland ist bezüglich der Beschwerdeführerin am 13.10.2016 Verzug ins Ausland vermerkt. Die Beschwerdeführerin wird in Deutschland mit 5 verschiedenen Alias-Identitäten geführt. Deutschland lehnte ein Konsultationsverfahren explizit ab.

Laut dem französischen Ausländersystem sind für die Beschwerdeführerin unter dem Namen XXXX eine unerlaubte Einreise im Jahr 2006 bzw. eine abgelaufene Aufenthaltsbescheinigung, gültig von 28.09.2017 bis 27.12.2017 eingetragen. Ein Antrag auf Verlängerung wurde abgelehnt. Die Beschwerdeführerin ist in Frankreich wegen Bandendiebstählen und falscher Namensangaben bekannt. Nach ihr wird derzeit in Frankreich gefahndet.

Aus der vorgelegten bosnischen Bestätigung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in Bosnien-Herzegowina nie als Bürger(in) registriert war.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Inhalt der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere auch aus dem beigeschafften Schubhaftakt des Bundesverwaltungsgerichtes W 171 2246174-1.

Die aufscheinende EURODAC-Treffermeldung ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt dokumentierten Ergebnis eines EURODAC-Abgleichs (AS 2 f).

Die Feststellungen zu ihren Reisebewegungen im Vorfeld der Einreise nach Österreich und der in Deutschland festgestellten Einreiseverweigerung ergeben sich aus den im Verwaltungsakt diesbezüglich in Kopie einliegenden Unterlagen, insbesondere dem Bericht der Bundespolizeidirektion München vom 31.07.2011 (AS 18 ff), dem Bericht der LPD Salzburg (AS 1ff) sowie den sichergestellten Zugfahrkarten (AS 25 ff).

Dass die nunmehrige Beschwerdeführerin sich lediglich zur Durchreise in Österreich befunden hat und keinen längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet plante, ergibt sich aus ihren nachvollziehbaren Angaben anlässlich ihrer Einvernahmen in Deutschland (AS 21 ff) und vor der Landespolizeidirektion Salzburg am 31.07.2021 (AS 3 ff).

Die Feststellungen zu den fehlenden Bindungen der Beschwerdeführerin zu Österreich ergeben sich aus ihrer ausdrücklichen diesbezüglichen Angaben im Verfahren und in der Beschwerde.

Ihre Festnahme im Bundesgebiet und die Verhängung von Schubhaft ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung über die nicht vorhandene behördliche Wohnsitzmeldung in Österreich ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Aus der Aktenlage geht nicht hervor, dass die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet verfügt hätte. Im Zentralen Fremdenregister scheinen keine diesbezüglichen Vermerke auf und wurde von der Beschwerdeführerin auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit wird durch die Einsicht in das Strafregister belegt.
Mangels eines entsprechenden Vorbringens respektive der Vorlage medizinischer Unterlagen war festzustellen, dass die Beschwerdeführerin an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, welche sie in ihrer Möglichkeit zur Teilnahme am Erwerbsleben maßgeblich einschränken würden. Im Übrigen ist diese auch haftfähig.

Die Feststellung über ihre finanziellen Verhältnisse resultiert aus den Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Salzburg, anlässlich derer sie festhielt, im Besitz von lediglich EUR 79,36 zu sein und keine Möglichkeiten zur Erlangung darüberhinausgehender finanzieller Mittel zu haben (AS 6). Eine finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige oder eine Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin wurde im Verfahren auch nicht behauptet oder nachgewiesen.

2.4. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren keine Rückkehrbefürchtungen bezogen auf den Kosovo, einen sicheren Herkunftsstaat im gemäß § 1 Z 2 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), geäußert. Da es sich bei der Beschwerdeführerin um eine volljährige Frau handelt, welche an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, können keine exzeptionellen Umstände erkannt werden, vor deren Hintergrund anzunehmen wäre, dass sie zur Erwirtschaftung ihres Lebensunterhaltes im Kosovo nicht in der Lage sein und konkret gefährdet sein würde, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Im Kosovo herrschen zudem keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Demnach konnte auch von Amts wegen kein Hinweis auf eine im Fall einer Abschiebung drohende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit der Beschwerdeführerin erkannt werden.

2.5. Zur Identität der Beschwerdeführerin ist auszuführen:

Der Beschwerdeführerin ist es im Verfahren nicht gelungen, ihre tatsächliche Identität durch Vorlage unbedenklicher Urkunden unter Beweis zu stellen.

Die durchgeführten Erhebungen und das Ergebnis der durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung ergaben aber, dass die Beschwerdeführerin, die sich in Deutschland und Österreich nunmehr XXXX nennt, zuvor in den Datenbanken als XXXX geführt wurde und als solche offenbar auch in Frankreich aufgetreten ist. Die Beschwerdeführerin ist in Deutschland unter 5 verschiedenen Alias-Identitäten bekannt, in Frankreich ist sie ebenfalls wegen falscher Namensangaben aktenkundig.

Die Beschwerde ist im Namen von XXXX verfasst und behauptet, dass es sich hierbei um den richtigen Namen der Beschwerdeführerin handelt. Tatsächlich gab die Beschwerdeführerin selbst sowohl vor den Behörden in München als auch vor den Behörden in Salzburg ihren Namen mit XXXX an und unterschrieb auch sämtliche Einvernahmeprotokolle in Deutschland und Österreich mit diesem Namen. Über ausdrücklichen Vorhalt, dass eine Abfrage den Namen XXXX ergeben hätte, gab die Beschwerdeführerin an, dass es sich hierbei um einen Aliasdatensatz handle, den sie früher verwendet habe. XXXX sei der richtige Tatensatz (siehe AS 4).

Die Beschwerdeführerin macht somit in ihrer Beschwerde völlig konträre Angaben zur ihren eigenen bisherigen Angaben.,

2.6. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich einerseits aus der durchgeführten erkennungsdienstlichen Behandlung sowie aus der vorgelegten Bescheinigung der bosnischen Behörden vom 15.08.2018, wonach XXXX nach Einsicht in das Geburtenbuch und das Bürgerregister dort nicht aufscheint.

2.7. Den Angaben der Beschwerdeführerin vor den deutschen und österreichischen Behörden kann nur wenig Glauben geschenkt werden. Ihre Angaben sind widersprüchlich, wurden von ihr im Laufe des Verfahrens ständig verändert und konnte sie für ihre Angaben keinerlei unbedenkliche und stichhaltige Beweis- oder Bescheinigungsmittel vorlegen.

So gab sie bei ihrer Beschuldigtenvernehmung vor der Bundespolizeidirektion München zunächst den Familienstand mit ledig an, um in der Folge von ihrem Mann zu sprechen. In Österreich gab sie den Familienstand mit verheiratet an.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich bei der Einvernahme vor der LPD Salzburg nannte die Beschwerdeführerin als Heimatadresse eine Adresse in Köln, obwohl es keine aufrechte Meldung für sie in Deutschland gibt. Auch ihre Behauptung sie besitze Dokumente für Deutschland wurde durch die Angaben der deutschen Behörden widerlegt.

Ob die Beschwerdeführerin wie von ihr behauptet tatsächlich 6 Kinder hat, kann nicht festgestellt werden. Lediglich für 2 Kinder ( XXXX und XXXX ) wurden von ihr Kopien von Geburtsbescheinigungen vorgelegt, wobei hier auffällt, dass die Beschwerdeführerin dort als Mutter mit dem Namen XXXX , geboren in Berlin (Deutschland) aufscheint. Dieser Geburtsort ist im Übrigen auch in der vorgelegten Urkunde von Bosnien-Herzegowina vom 15.08.2018 erwähnt. Zuletzt gab sie in Deutschland und Österreich den Geburtsort mit Mitrovica/Kosovo an.

Auch wird in der Beschwerde widersprüchlich zum eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin nunmehr behauptet, diese würde seit 2012 in Frankreich leben. Ihre 6 Kinder seien in Frankreich geboren und würden dort leben. Zum Vater der Kinder und dessen Aufenthaltsrecht in Frankreich äußert sich die Beschwerdeführerin nicht, sie führt allerdings aus, der Vater der Beschwerdeführerin verfüge ebenfalls über einen gültigen Aufenthaltstitel in Frankreich. Auch diese Behauptung widerspricht völlig den Angaben der Beschwerdeführerin vor den Behörden in Österreich, wo sie angegeben hat, ihr Vater sei bereits verstorben.

Aufgrund des EURODAC-Treffers aus dem Jahr 2015 (Asylfolgeantrag) aus Deutschland ist schwer vorstellbar, dass die Beschwerdeführerin seit 2012 in Frankreich lebe. Sie ist dort wegen illegaler Einreise im Jahr 2006 aktenkundig und hatte lediglich eine Aufenthaltsbescheinigung mit einer Gültigkeit von 28.09.2017 bis 27.12.2017. Im Übrigen ist sie, wie oben dargelegt, dort zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben und auch bekannt wegen Bandendiebstählen und falscher Namensangaben.

Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin weder einen gültigen Aufenthaltstitel für Frankreich noch für Deutschland und im Verfahren offensichtlich bewusst falsche Angabe zur Verschleierung ihrer Identität getätigt.

Auch der von der Beschwerdeführerin behauptete Termin in Deutschland bei der Ausländerbehörde war offensichtlich falsch. Zu dem in der Beschwerde behaupteten Termin mit den französischen Behörden wurde kein Nachweis vorgelegt.

Aus den dargelegten Erwägungen und aufgrund der vorliegenden Widersprüche und Ungereimtheiten kann somit weder den Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren noch den Beschwerdeausführungen gefolgt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellen sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen wie folgt dar:

3.2.1.1. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.

[…]

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) – (4) […]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) – (13) […]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

„Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) – (6) [...]

[...]

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) – (5) […]

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) [...]

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) […]

[...]

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) – (3) […]

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) […]“

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) [...]“

3.2.1.2. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer kosovarischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.       wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.       wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.       wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.       solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5.       bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6.       wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7.       wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8.       wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9.       soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

3.2.1.3. Die Beschwerdeführerin ist als kosovarische Staatsbürgerin nicht von der Visumpflicht befreit. § 31 Abs. 1 Z 3 FPG iVm Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und Art. 6 Abs. 1 lit. b Schengener Grenzkodex (SGK) verlangen im fallbezogenen Zusammenhang für die rechtmäßige Einreise und den rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, dass die Beschwerdeführerin entweder über einen gültigen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates (vgl. § 2 Abs. 4 Z 7 FPG) verfügte oder dass sie im Besitz eines gültigen Visums war. Beides traf nicht zu.

Da sich nicht ergeben hat, dass die Beschwerdeführer im Sinn des § 52 Abs. 6 FPG im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, hat die Erlassung einer auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gegründeten Rückkehrentscheidung (und damit auch eines Einreiseverbotes) nicht vorausgesetzt, dass dieser (erfolglos) aufgefordert worden wäre, sich unverzüglich in diesen Staat zu begeben, oder seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

3.2.1.4. Gemäß dem vom BFA als Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung herangezogenen § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung - zu ergänzen: vorbehaltlich ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 9 BFA-VG - zu erlassen, wenn ihm von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird. Ergänzend ermöglicht § 52 Abs. 1 Z 2 FPG unter der Voraussetzung, dass das Verfahren binnen sechs Wochen ab der Ausreise eingeleitet wird, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auch gegen Drittstaatsangehörige, die sich im Bundesgebiet unrechtmäßig aufgehalten haben, die also nach einem unrechtmäßigen Aufenthalt bereits ausgereist sind oder abgeschoben wurden. Die Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist somit die Reaktion auf den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen (vgl. dazu VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128; sowie VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rn. 10; zum Zweck des Tatbestandes der Z 2 siehe im Übrigen noch Rn. 11 und zur Frage der Bedachtnahme auf eine während des Verfahrens erfolgte Ausreise/Abschiebung Rn. 12 sowie Rn. 18 bis 21).

Mit dem gegenständlichen Bescheid wurde demnach zulässigerweise eine Rückkehrentscheidung auf Grundlage des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG beurteilt.

Wie sogleich aufzuzeigen sein wird, haben im Falle der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt – weder bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, noch zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt – Umstände vorgelegen, die im Sinne des § 9 Abs. 3 BFA-VG zu einer Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung führen würden.

3.2.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.2.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lagen zu keinem Zeitpunkt vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig war, noch die Beschwerdeführerin ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat diese das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Die Behörde hat daher zu Recht ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Zeitpunkt der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht vorgelegen haben. Aktuell liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 bereits mangels eines aktuellen Inlandsaufenthaltes nicht vor.

3.2.4. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.2.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.2.4.2. Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Bindungen. Die ausgesprochene Rückkehrentscheidung ist demnach nicht geeignet, einen Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens zu begründen.

3.2.4.3.1 Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

3.2.4.3.2. Die Beschwerdeführerin war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig, verfügt hier über keine engen sozialen Bindungen, hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet oder sonstige Ausbildungen absolviert. Es wurden im gesamten Verfahren keine Aspekte einer Integration der Beschwerdeführerin in gesellschaftlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht ersichtlich. Diese brachte vor, sich erstmals und lediglich kurzfristig zur Durchreise in Österreich aufgehalten zu haben und keinen längerfristigen Verbleib beabsichtigt zu haben. Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nannte sie im gesamten Verfahren nicht.

Die Beschwerdeführerin hatte ihren Lebensmittepunkt laut eigenen nicht bewiesenen Angaben zuletzt in Deutschland (laut ihren Angaben vor der Polizei in Deutschland und Österreich) bzw. in Frankreich (laut ihrem Beschwerdevorbringen), sodass eine Rückkehrentscheidung einen Eingriff in ihr dort geführtes Privatleben begründet, welcher sich jedoch im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen als gerechtfertigt erweist. Ihr musste bewusst sein, dass sie nicht zum Aufenthalt und Reisebewegungen im Bereich der Schengen-Staaten berechtigt war, zumal sie weder in Frankreich noch in Deutschland über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt. Der Beschwerdeführerin steht es offen, sich vom Herkunftsstaat aus um die neuerliche Erlangung eines Einreise- und Aufenthaltstitels für Deutschland bzw. Frankreich zu bemühen.

3.2.4.4. Allfälligen privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Aufenthalt in Österreich und anderen Mitgliedstaaten stehen im Übrigen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

3.2.5. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren, wie dargelegt, kein konkretes Vorbringen hinsichtlich einer im Herkunftsstaat befürchteten Verletzung in relevanten Grundrechten (insb. Art. 3 EMRK) erstattet.

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des Covid-19-Erregers besteht unter Zugrundelegung der Entwicklungen auch im Herkunftsland keine derartige Situation, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt. Der Kosovo hat Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gesetzt und es ist eine Einreise aktuell bei Erfüllung der „3-G-Regel“ möglich. Seit 13.07.2020 gilt ein allgemeines Gebot, außerhalb seines Eigenheimes, einen Gesichtsschutz (Maske) zu tragen sowie eine Distanz von 2m zu anderen Personen einzuhalten (vgl. https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kosovo/). Unabhängig davon liegen sowohl im Hinblick auf das Alter als auch den Gesundheitszustand keine Anhaltspunkte vor, wonach die Beschwerdeführerin, bei einer allfälligen Covid-19-Infektion einer Hoch-Risikogruppe für einen schwerwiegenden Verlauf angehören würde.

Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

3.4. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und Nichtfestlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Int

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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