TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/13 W212 2216542-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W212 2216542-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch Mag. Dr. Astrid WAGNER, Rechtsanwältin in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, Zl. 751575909-180496612, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2021 zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird gemäß den §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 8, 10 Abs. 1 Z 4, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9, 55 und FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG und § 9 Abs. 4 BFA-VG insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Staatsangehörigen des Kosovo, wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.11.2005 in Stattgabe eines durch seinen Vater als seinen damaligen gesetzlichen Vertreter am 22.09.2005 eingebrachten Asylantrages gemäß §§ 7 iVm 10 Abs. 2 AsylG 1997 im Familienverfahren (bezogen auf das Verfahren seines Vaters) in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Infolge wiederholter Straffälligkeit des Beschwerdeführers (vgl. dazu die Feststellungen) leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein, in welchem am 03.10.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des mittlerweile volljährigen Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs stattgefunden hat. Der Beschwerdeführer gab in deutscher Sprache zu Protokoll, er sei gesund, ledig und kinderlos und lebe und arbeite seit dem Jahr 2011 in Österreich, nachdem er im Alter von 12 oder 13 Jahren Asyl erhalten hätte. Im Heimatland XXXX habe er die Volks- und Hauptschule besucht. In Serbien habe er sich noch nie aufgehalten, im Kosovo sei er einen Monat zuvor gewesen, als in das Haus seiner Familie, welches seinem Großvater gehöre und leer stehe, eingebrochen worden sei. Wie oft er bereits im Kosovo gewesen sei, wisse er nicht. Er halte sich dort nicht regelmäßig auf, sondern nur, wenn es – wie infolge des Einbruchs – notwendig sei. Im Kosovo habe er lediglich noch einen Onkel, er habe dorthin keine Kontakte. Der Beschwerdeführer arbeite seit etwa drei Monaten bei einer näher bezeichneten Firma. Seit er hier sei, arbeite er. Er wohne bei seinem Vater und es befinde sich auch seine gesamte weitere Familie – seine Mutter und vier Geschwister – in XXXX . Der Beschwerdeführer befinde sich in keiner Lebensgemeinschaft und sei kein Mitglied in Vereinen, seine Freizeit verbringe er mit seiner Familie. Zu seiner Straffälligkeit wolle er sich nicht äußern, da er dies hinter sich habe. Gegen eine Rückkehr in sein Heimatland spreche, dass im Jahr 2004 auf seinen Vater geschossen worden sei. Er könne dort nicht länger als zwei, drei Tage als Tourist bleiben, für ihn bzw. seine Familie bestehe Lebensgefahr. Befragt, von wem die Gefährdung ausginge, erwiderte der Beschwerdeführer, bei ihnen sei es so, dass im Fall der Gefährdung des Vaters die gesamte Familie in Gefahr sei. Seit dem Vorfall sei kein Mensch verhaftet worden. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zur herangezogenen Berichtslage zur Situation im Kosovo und gab nach Rückübersetzung der Niederschrift an, staatenlos, nicht Staatsbürger des Kosovo zu sein; bei der kosovarischen Botschaft im Kosovo sei ihm gesagt worden, dass er mit dem Konventionsreisepass in den Kosovo reisen dürfe; dasselbe sei ihm bei der österreichischen Botschaft im Kosovo gesagt worden.

Mit Schreiben vom 17.10.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass seitens der Behörde festgestellt worden sei, dass er die kosovarische Staatsbürgerschaft besitze und übermittelte ihm unter einem eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich des Erwerbs der kosovarischen Staatsbürgerschaft. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 04.11.2005 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), weiters wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung „nach Serbien bzw. in den Kosovo“ gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt VII.).

In der Entscheidungsbegründung wurde zunächst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer „Staatsangehöriger von Serbien, geboren im heutigen Kosovo“ sei und es wurden dem Bescheid Länderfeststellung sowohl zu Serbien als auch zum Kosovo, hier auch zu den Voraussetzungen für die Erlangung der kosovarischen Staatsbürgerschaft, zugrunde gelegt.

Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde auf die drei vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers gestützt. Bei den vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten wegen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB sowie der schweren Erpressung nach § 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall StGB handle es sich um ein besonders schweres Verbrechen. Der Beschwerdeführer habe sich ein ihm überlassenes KFZ angeeignet und den Besitzer in der Folge zur Herausgabe einer Geldsumme erpresst und diesen damit bedroht, ihm Verstümmelungen zuzufügen. Später habe er gemeinsam mit seinen Mittätern mindestens zehnmal auf diese Person eingestochen, wodurch diese zahlreiche Schnittverletzungen erlitten hätte. Aufgrund seines strafrechtswidrigen Verhaltens sei evident, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle und auch künftig nicht bereit sein werde, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Von einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers ginge demnach eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, welche auch die Erlassung eines Einreiseverbotes erforderlich mache.

Desweiteren habe der Beschwerdeführer sich durch seine wiederholten Aufenthalte im Kosovo selbst wieder unter den Schutz seines früheren Heimatgebietes, des ehemaligen Serbien und Montenegro und nunmehrigen Kosovo, gestellt. Dem Beschwerdeführer stünde es frei, die kosovarische Staatsbürgerschaft zu beantragen, zumal er die diesbezüglichen Voraussetzungen aufgrund seiner Geburt und seines Schulbesuchs im Gebiet des heutigen Kosovo sowie seiner durch die Vereinten Nationen ausgestellten Geburtsurkunde erfülle. Der Beschwerdeführer habe zudem nach wie vor die serbische Staatsbürgerschaft, wobei eine allfällige Zurücklegung derselben aus eigenem Entschluss nicht zu einem Bleiberecht in Österreich führen könne. Als staatenlos würde der Beschwerdeführer erst im Fall der Vorlage unbedenklicher und überprüfbarer Schriftstücke gelten, wonach sowohl die serbischen als auch die kosovarischen Behörden ihm die Staatsbürgerschaft nachweislich verweigerten.

Dem Beschwerdeführer stünde eine Rückkehr demnach sowohl nach Serbien als auch in den Kosovo offen, zumal es sich bei beiden Staaten mittlerweile um sichere Herkunftsstaaten handeln würde und der Beschwerdeführer, welcher seinen Schutzstatus als der Volksgruppe der Kosovoalbaner zugehöriger serbischer Staatsbürger erhalten hätte, von keiner asylrelevanten Verfolgung bedroht sei. Hinsichtlich des Staatsgebiets des Kosovo bestünde derzeit kein Schutzstatus, da sich dieser lediglich auf Serbien richten würde. Der Beschwerdeführer gehöre der größten im Kosovo lebenden Volksgruppe der Albaner an und bekenne sich wie die Mehrheitsbevölkerung im Kosovo zum moslemischen Glauben. Seine Aussagen hinsichtlich einer Gefährdung aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft zu seinem Vater, auf welchen im Jahr 2004 geschossen worden wäre, seien nicht glaubhaft, zumal dieser Vorfall 15 Jahre in der Vergangenheit liegen würde und nicht davon auszugehen sei, dass die Täter nach wie vor Interesse an der Familie des Beschwerdeführers hätten oder den damals erst fünfzehnjährigen Beschwerdeführer persönlich erkennen würden. Zudem sei es auch einem Bruder seines Vaters möglich, im Kosovo zu leben, ohne von Racheakten aufgrund der Angehörigeneigenschaft betroffen zu sein. Der Beschwerdeführer habe überdies selbst angegeben, bereits mehrmals offiziell in den Kosovo gereist zu sein, um sich um das Haus seiner Familie zu kümmern. Schließlich bestünden keine Hinweise darauf, dass die kosovarischen Behörden nicht willens oder in der Lage wären, dem Beschwerdeführer Schutz im Hinblick auf allfällige kriminelle Handlungen zu gewähren.

Dem Beschwerdeführer stünde eine Rückkehr sowohl nach Serbien als auch in den Kosovo offen, zumal er nach dem kosovarischen Staatsbürgerschaftsrecht berechtigt wäre, die kosovarische Staatsbürgerschaft zu erlangen und es sich bei beiden Staaten um sichere Herkunftsstaaten handeln würde.

Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos. In Österreich lebe sein Vater, der Beschwerdeführer habe hier immer wieder für unterschiedliche Baufirmen gearbeitet, jedoch nie für einen langen Zeitraum für das gleiche Unternehmen. Zwischendurch habe er wiederholt Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen. Dieser bewege sich auch in Österreich vorwiegend in einem kosovarischen sozialen Umfeld. Gesamtbetrachtend würden die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung demnach die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet überwiegen.

4. Mit am 20.03.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch den damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fristgerecht die verfahrensgegenständliche vollumfängliche Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde ginge fälschlicherweise von einer serbischen bzw. kosovarischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers aus, tatsächlich sei dieser staatenlos. Die Gefahrensituation im Kosovo sei unverändert aufrecht, sodass ihm eine Beantragung der dortigen Staatsbürgerschaft nicht möglich wäre. Weiters übersehe die Behörde, dass der Beschwerdeführer den Asylstatus bereits im Alter von zwölf Jahren erhalten hätte und sich nunmehr seit 16 Jahren durchgehend in Österreich aufhalten würde. Die Kurzaufenthalte des Beschwerdeführers im Kosovo könnten im Hinblick auf das Gefahrenpotential keinesfalls mit einem dauernden Aufenthalt verglichen werden, zumal im Kosovo teilweise immer noch die Blutrache existieren würde. Überdies sei der weit überwiegende Teil der Familienmitglieder des Beschwerdeführers in Österreich wohnhaft. Die Behörde stützte ihre Gefährlichkeitsprognose alleine auf die bisher einzige Verurteilung des Beschwerdeführers und lasse außer Acht, dass dieser sich seither wohlverhalten habe.

5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 27.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung G313 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

6. Am 05.07.2021 fand zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine nunmehr bevollmächtigte Vertreterin sowie die Verlobte des Beschwerdeführers als Vertrauensperson teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung.

Am gleichen Datum hat zuvor auch im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Bruders des Beschwerdeführers eine mündliche Beschwerdeverhandlung stattgefunden, zu welcher auch der Vater des Beschwerdeführers als Zeuge im Hinblick auf die Fluchtgründe der Familie und eine allenfalls anhaltende Verfolgung geladen worden war. Der Vater des Beschwerdeführers ist jedoch unentschuldigt nicht zu Verhandlung erschienen.

Der Beschwerdeführer gab über Befragen in deutscher Sprache zusammengefasst an, er leide an keinen Krankheiten und sei mit einer namentlich bezeichneten Frau verlobt, deren genaues Geburtsdatum und -jahr ihm nicht bekannt wären. Der Beschwerdeführer lebe mit dieser seit über einem Jahr zusammen in einer Mietwohnung und erwarte in zwei Monaten sein erstes Kind. Der Beschwerdeführer gehöre keiner Volksgruppe an, er sei quasi in XXXX aufgewachsen. Er sei geborener Moslem, übe seine Religion jedoch nicht aus. Im Herkunftsstaat habe er nur die achtjährige Volksschule besucht, sein weiterer Schulbesuch habe in Österreich stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei im Alter von zwölf Jahren wegen des Krieges nach Österreich gekommen. Darauf angesprochen, dass ausgehend vom Geburtsjahr des Beschwerdeführers und dessen aktenkundiger Einreise im Jahr 2005 dieser zu diesem Zeitpunkt bereits ein Alter von 15 Jahren erreicht haben müsste, erklärte der Beschwerdeführer, er wisse, dass er mit 12 oder 13 Jahren hergekommen sei. Im Jahr 2005 habe er den Asylbescheid erhalten. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer, solange dieser da gewesen wäre, mit seinem Vater gelebt, danach seien sie zu seiner Mutter gezogen, welche in der gleichen Stadt gelebt hätte; seine Eltern seien geschieden. Im Kosovo würden noch ein Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits leben. Der Beschwerdeführer erachte sich als staatenlos, da sie keine Einrichtung gehabt hätten, dass sie eine Staatsangehörigkeit haben könnten. Ursprünglich habe dieser die serbische Staatsbürgerschaft gehabt, er sei jedoch noch nie in Serbien gewesen; würde er dorthin gehen, würden sie ihn „zerlegen.“ Einen Beleg für die Zurücklegung der serbischen Staatsbürgerschaft habe er nicht.

Durch die erkennende Richterin wurde sodann auf Art. 32 des Staatsangehörigengesetzes der Republik Kosovo Nr. 04/L-215 verwiesen, wonach dem Beschwerdeführer die kosovarische Staatsbürgerschaft per Gesetz zustehe. Das neue Staatsangehörigengesetz der Republik Kosovo Nr. 04/L-215 sei am 17.09.2013 in Kraft getreten; die zugehörige Verwaltungsvorschrift Nr. 26/2013 sei am 04.12.2013 erlassen worden. Dabei seien die Voraussetzungen des Art. 29 des früheren Gesetzes im neuen Art. 32 unverändert übernommen worden; zur Registrierung und Feststellung der Staatsangehörigkeit müsse daher weiterhin eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:

1)       Geburt im Kosovo vor dem 1. Januar 1998 oder die Geburt eines Elternteils im Kosovo vor diesem Stichtag;

2)       Eine Person hat vor dem 1. Januar 1998 mindestens 5 Jahre ununterbrochen im Kosovo gelebt;

3)       O.g. Kriterien konnten nicht erfüllt werden, da der oder die Betroffene gezwungen war, den Kosovo vor dem 1. Januar 1998 zu verlassen;

4)       Der oder die Betroffene war am 1 Januar 1998 unter 18 oder

5)       (sofern noch in Ausbildung) unter 23 Jahre alt und seine /ihre Eltern erfüllen o.g. Kriterien oder sind als Permanent resident of Kosovo registriert.

Der Beschwerdeführer sei auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren worden und habe dort 15 Jahre gelebt, somit seien Punkt 1 und 2 erfüllt. Am XXXX .2005 sei ihm eine Geburtsurkunde der Vereinten Nationen ausgestellt worden, welche seine Geburt auf dem heutigen kosovarischen Staatsgebiet bestätige. Es stehe daher die Registrierung durch UNMIK fest, womit ihm die kosovarische Staatsbürgerschaft ex lege zustehe.

Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass ihm diesfalls auch die serbische Staatsbürgerschaft zustehe. Sie würden ihn anschießen. Er wisse nicht, ob er die serbische oder kosovarische Staatsbürgerschaft habe, sei jedoch der Meinung, dass ihm die kosovarische Staatsbürgerschaft nicht zustünde. Befragt, weshalb sein Bruder seiner Ansicht nach die kosovarische Staatsbürgerschaft besitzen würde, meinte der Beschwerdeführer, er sei Wiener und nicht Angehöriger des Kosovo oder Serbe. Der Beschwerdeführer sei nie politisch tätig gewesen und habe seinen Herkunftsstaat 2004/2005 verlassen. Er sei seither ein- oder zweimal wieder im Kosovo gewesen, wann zuletzt, wisse er nicht mehr.

Zu seiner Situation in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Eltern, sein Onkel mit Familie, seine Cousins, Tanten und Cousinen allesamt in Österreich seien. Er sei auch unterwegs mit Österreichern. Seine besten Freunde seien seine Lebensgefährtin und sein Vater. Darauf angesprochen, dass der Beschwerdeführer laut vorliegendem Versicherungsdatenauszug immer wieder kurzfristig, jedoch nie längere Zeit durchgehend, beschäftigt gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass mehrere Firmen in Konkurs gegangen seien. Der Beschwerdeführer habe oft Probleme gehabt und sei auch vor Gericht gewesen, weil manche Firmen ihn nicht angemeldet hätten. Auch bei der jetzigen Firma habe es das Problem gegeben, dass er während des Krankenstandes abgemeldet worden sei. Derzeit ginge er seit etwa sechs Monaten einer Beschäftigung bei einer Transport- und Montagefirma im Ausmaß von 20 Stunden nach. Der Beschwerdeführer sei Bauleiter und verdiene EUR 1.200,-, was für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes ausreichen würde. Der Beschwerdeführer verbringe seine Zeit ausschließlich mit seiner Lebensgefährtin oder arbeiten, er sei in keinen Vereinen Mitglied und betreibe keinen Sport.

Zu seiner Verurteilung gab der Beschwerdeführer an, nur dem österreichischen Staat zu glauben; er habe dafür gebüßt und habe alle erforderlichen Therapien absolviert. Er habe einen Anti-Aggressionskurs gemacht und sei auch bei Neustart gewesen. Seine Taten könne er nicht rückgängig machen. Wenn er seine Frau und seine Familie schon gehabt hätte, wäre so etwas nicht passiert. Befragt, aus welchem Grund er die Straftaten begangen habe, meinte der Beschwerdeführer: „Mitgegangen mitgefangen.“ Befragt, was er damit meine, erklärte der Beschwerdeführer, das Gericht habe entschieden, dass er es gemacht hätte. Wenn er könnte, würde er seine Unschuld beweisen, er habe das nicht gemacht. Er habe nichts getan und 18 Monate seines Lebens vergeudet. Wenn der Staat aber entscheide, dass er ins Gefängnis gehen soll, dann tue er das. Der Beschwerdeführer habe zudem einige Verwaltungsstrafen erhalten, welche er jeweils sofort bezahlt hätte. Für den Fall, dass er in Österreich bleiben könnte, würde er sich vorstellen, seinen Sohn aufwachsen zu sehen, ein Haus zu kaufen und zu arbeiten. Er habe den Krieg erlebt und möchte seinem Sohn ein besseres Leben bieten. Zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat unterhalte er nur selten Kontakt.

Zu seinen Fluchtgründen und seiner Rückkehrsituation gab der Beschwerdeführer an, sie seien geflüchtet, da sein Vater vor ihrer Tür angeschossen worden sei. Ein Freund seines Vaters sei vor etwa zwei Monaten angeschossen und im Auto verbrannt worden. Die Leute, die seinen Vater angeschossen hätten, seien nie geschnappt worden. Wenn man ihm ein sicheres Land garantieren würde, würde er mit seiner Frau und seinem Kind dorthin gehen. Seine Lebensgefährtin sei in der Buchhaltung einer ihm namentlich nicht bekannten Firma beschäftigt und werde in Kürze in Karenz gehen.

Befragt, ob er jemals persönlich bedroht worden wäre, fragte der Beschwerdeführer, wer ihn bedrohen könnte, zumal er ja in Österreich leben würde. Befragt nach einer damaligen Bedrohung erwiderte der Beschwerdeführer, ob es nicht genügend sei, dass sein Vater angeschossen worden wäre; ihr Haus sei verbrannt worden. Befragt, von wem er konkret bedroht worden wäre, wiederholte der Beschwerdeführer, dass ihr Haus verbrannt worden wäre. Von dem Haus, welches er im Herkunftsstaat mit seinem Vater bewohnt hätte, gebe es nur noch das Erdgeschoss, dieses gehöre seinem Onkel. Der Beschwerdeführer habe nichts. Derzeit lebe niemand in dem Haus. Befragt, was ihm passieren würde, wenn er wieder in seinen Herkunftsstaat zurückkehren müsste, antwortete der Beschwerdeführer, er könnte nicht mehr als drei Monate leben. Nach dem Grund gefragt, gab der Beschwerdeführer an, er sehe am Computer die Sachen, die passieren. Menschen würden angeschossen und verbrannt werden. Sein Vater sei angeschossen worden und niemand sei geschnappt worden. Der Beschwerdeführer würde nicht mehr als drei Monate leben. Man müsse den Tatsachen ins Auge sehen. Sein Vater erzähle ihm nichts. Befragt, woher er diesfalls die Gewissheit nehmen würde, nicht mehr als drei Monate im Kosovo leben zu können, gab der Beschwerdeführer an, er sei ein Kind gewesen. Die Leute, die jemanden umgebracht hätten bzw. die Leute, die seinem Vater dies angetan hätten, seien bisher nicht geschnappt worden. Wenn er heute zurückkehren würde, dann würde er umgebracht werden. An ihm selbst würden die gleichen Personen ein Interesse haben. Auf die Frage, ob er diese Personen kennen würde, erwiderte der Beschwerdeführer, wenn er das wüsste, hätte er sie schon vor Gericht gebracht. Über Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Ausreise aus dem Heimatland laut seinen Aussagen 12 Jahre alt gewesen wäre und aufgrund seines zwischenzeitigen Alters von 32 Jahren gar nicht mehr wiederzuerkennen wäre, gab der Beschwerdeführer an, damals ein verwirrter Jugendlicher gewesen zu sein, der den Krieg erlebt hätte. Sein Leben sei zerstört gewesen, jetzt habe er alles, was er haben wollte. Er habe eine Frau und bekomme ein Baby, alle seien gesund.

Die erkennende Richterin verwies auf die dem Beschwerdeführer bereits übermittelten Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat Kosovo und brachte zusätzlich die Information über Wirtschaftslage und Maßnahmen in Zusammenhang mit Covid-19 im Kosovo vom 01.07.2021 (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-kosovo.html) in das gegenständliche Verfahren ein. Desweiteren wurde darauf hingewiesen, dass die derzeitige tägliche Infektionszahl von ca. 10 (John- Hopkins-Universität) verhältnismäßig keine höhere Fallzahl als in Österreich anzeige. Das Gesundheitssystem sei intakt und die Impfungen seien am Laufen. Weiters wurden Kopien der Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage in Serbien sowie Informationen über Wirtschaftslage und Maßnahmen in Serbien vom 01.07.2021 (https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-serbien.html) ausgefolgt und für eine allfällige schriftliche Stellungnahme eine Frist von drei Wochen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer gab dazu an, wenn der Staat ihm garantieren könne, dass er dort leben könnte, dann ginge er dort hin. Es gebe dort aber kein Leben. Darauf angesprochen, dass sein Onkel bereits sein gesamtes Leben dort leben würde und befragt, ob dieser verfolgt werde, erwiderte der Beschwerdeführer, sie wollten seinen Vater und seine Familie. Sein Onkel habe mit niemandem Probleme gehabt. Sein Vater sei angeschossen und sein Haus verbrannt worden; der beste Freund seines Vaters sei vor kurzem angeschossen worden.

Über Befragen seiner Rechtsvertreterin gab der Beschwerdeführer an, dass es im Kosovo Sippenhaft geben würde. Seine Lebensgefährtin sei im sechsten Monat schwanger, aufgrund einer vorliegenden Risikoschwangerschaft könnte das Kind bereits vor dem voraussichtlichen Geburtstermin Ende Oktober auf die Welt kommen. Seine Lebensgefährtin sei österreichische Staatsbürgerin, der Beschwerdeführer wolle künftig wieder Vollzeit arbeiten und bereue seine Straftaten.

Mit Eingabe vom 22.07.2021 wurden durch die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers diverse Medienberichte aus dem Kosovo vorgelegt, in denen von der Ermordung des UCK-Kämpfers XXXX berichtet werde, welcher am 27.02.2020 in seinem ausgebrannten Auto in einem Dorf nahe der kosovarischen Stadt XXXX tot aufgefunden worden wäre. Bei diesem habe es sich um einen Freund des Vaters des Beschwerdeführers gehandelt. Für den Fall der Abschiebung würde daher auch den Söhnen des besten Freundes des Ermordeten der Tod drohen. Außerdem werde über zwei Polizisten berichtet, welche gegen die Mörder ermittelt hätten, und dann ermordet worden seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, Angehöriger der Volksgruppe der Albaner und bekennt sich zum moslemischen Glauben.

Der Beschwerdeführer wurde auf dem Gebiet des heutigen Kosovo geboren, er wuchs in der Stadt XXXX auf und besuchte dort acht Jahre eine Grundschule. Seine Muttersprache ist Albanisch.

Der Vater des Beschwerdeführers hatte am 07.01.1999 einen Asylantrag in Österreich gestellt, welcher zunächst mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.01.1999 abgewiesen worden war. Mit Bescheid vom 02.06.1999, Zahl: 207.901/0-III/09/99, hat der Unabhängige Bundesasylsenat der eingebrachten Berufung des Vaters des Beschwerdeführers stattgegeben und diesem gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt sowie gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater ein aus Peje/Kosovo stammender Staatsangehöriger der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien albanischer Nationalität sei. Aus den zugrunde gelegten Länderberichten ergebe sich, dass die dort festgestellten Ermordungen, Brandschatzungen, Vertreibungen und Deportationen in zielgerichteter Weise die ethnische Säuberung von Albanern ohne Unterscheidung bezweckt hätten. Beim Vater des Beschwerdeführers handle es sich um einen ethnischen Albaner aus dem Kosovo, weshalb für ihn schon aus diesem Grund eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr bestehe. Durch das systematische Vorgehen der serbischen Seite wäre dieser jedenfalls der Gefahr ausgesetzt, allein wegen seiner kosovo-albanischen Nationalität unabhängig von sonstigen individuellen Momenten unmittelbar von Eingriffen erheblicher Intensität bis hin zur Ermordung betroffen zu sein.

Diese Verfolgungsgefahr ist zum Entscheidungszeitpunkt weggefallen; weder im Kosovo noch in Serbien findet eine systematische Verfolgung von Personen mit kosovo-albanischer Nationalität statt.

Ein den Vater des Beschwerdeführers betreffendes Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeleitet und ist derzeit vor der Behörde anhängig.

Der damals minderjährige Beschwerdeführer ist (spätestens) im September 2005 aus seinem Herkunftsstaat nach Österreich zu seinem Vater nachgereist und stellte am 21.09.2005 durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter einen Asylantrag. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.11.2005 wurde dem Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 stattgegeben, diesem in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. In der Entscheidungsbegründung wurde im Wesentlichen auf das vorliegende Familienverfahren nach § 10 AsylG 1997 verwiesen.

1.2. Der Beschwerdeführer ist im Kosovo keiner gezielten Verfolgung aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft zu seinem Vater ausgesetzt. Dieser hat nicht glaubhaft gemacht, dass er durch unbekannte Personen, welche im Jahr 2004 im Kosovo ein Schussattentat auf seinen Vater verübt hätten, bei einer Rückkehr bedroht werden würde.

Der Beschwerdeführer unterliegt im Kosovo auch sonst keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Kosovo festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Kosovo in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer hat sich nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zumindest zweimal für mehrtägige Zeiträume zu seinem Elternhaus im Kosovo begeben und hat während seiner Reisebewegung und Aufenthalte im Heimatort keine Probleme erlebt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium, die im Kosovo nicht behandelbar wären.

1.3. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines Landesgerichts vom 21.11.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass ein Mittäter im Dezember 2016 ein ihm geliehenes Kfz im Wert von EUR 2.000,- einer anderen Person mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich sowie den Beschwerdeführer und einen weiteren Mittäter (den Bruder des Beschwerdeführers) dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Kfz nicht zurückstellte, sondern in den Gewahrsam des Beschwerdeführers brachte, welcher in weiterer Folge den Übergeber des Fahrzeugs erpresste und zur Zahlung von EUR 4.000,- nötigte. Der Beschwerdeführer hat in der Folge die erwähnte Person durch die Ankündigung, diese werde das Kfz nicht zurückerhalten, wenn er den geforderten Geldbetrag nicht zahle, sowie durch die Aussagen „nehme ich deine Zunge weg“ und „ich finde dich und ich finde dein Haus“, sohin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Vermögen und einer erheblichen Verstümmelung, zu einer Handlung genötigt, die das Opfer am Vermögen schädigte, nämlich zur Zahlung eines Geldbetrages von EUR 4.000,-, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich sowie die beiden weiteren Täter durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers als mildernd und keinen Umstand als erschwerend.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines Landesgerichts vom 30.01.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 21.11.2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt.

Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer und zwei weitere Täter (darunter ein Bruder des Beschwerdeführers) am 18.12.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter einer Person eine schwere Körperverletzung absichtlich zufügten, indem sie mit Messern mindestens zehnmal auf diese einstachen und einer der Mittäter das Opfer mit dem Griffstück einer Pistole gegen das Gesicht und den Körper schlug, wodurch das Opfer eine Prellung mit Blutergussbildung an der linken Ohrmuschel, eine Prellung mit oberflächlicher Hautabschürfung an der rechten Ohrmuschel, sechs oberflächliche Stich- und Schnittwunden am linken Oberschenkel, eine oberflächliche Schnittwunde am linken Oberschenkel, eine oberflächliche Stichwunde am rechten Oberschenkel, drei oberflächliche Stich- und Schnittwunden am linken Unterschenkel, einen Bruch des Nasenbeins mit Verschiebung der Bruchstücke sowie beidseitige Brüche des Unterkiefers mit Verschiebung der Bruchstücke erlitt.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers sowie als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen sowie die brutale Vorgehensweise.

Der Beschwerdeführer zeigt sich weiterhin nicht schuldeinsichtig und bestreitet die Begehung der dargestellten Straftaten. Ein weiterer Aufenthalt seiner Person würde eine erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen an der Verhinderung von Straftaten gegen die Rechtsgüter Leib und Leben sowie fremdes Vermögen darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist. Ein Wegfall der von seiner Person ausgehenden Gefährdung kann zum Entscheidungszeitpunkt frühestens nach einem Ablauf von fünf Jahren prognostiziert werden.

1.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im September 2005 annähernd durchgehend im Bundesgebiet auf und ist seit 27.10.2005 mit einem Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Von 21.03.2017 bis 30.07.2018 befand dieser sich in Haft in österreichischen Justizanstalten.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit etwa einem Jahr in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, mit welcher er in einer Mietwohnung lebt und laut seinen unbelegten Angaben Ende Oktober 2021 ein Kind erwartet. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin waren sich der Unsicherheit eines weiteren Aufenthalts des Beschwerdeführers, gegen den mit am 22.02.2019 erlassenen (nicht rechtskräftigen) Bescheid eine Rückkehrentscheidung und ein siebenjähriges Einreiseverbot ausgesprochen wurden, bewusst und sie konnten nicht auf die Möglichkeit zur Begründung eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich vertrauen. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ging zuletzt einer Vollzeit-Berufstätigkeit im Bereich der Buchhaltung nach, befindet sich derzeit in Mutterschutz und wird den Lebensunterhalt für sich und ihr erwartetes Kind künftig eigenständig bestreiten können. Dem Beschwerdeführer steht es offen, im Kosovo eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und künftig finanziell zum Unterhalt seines Kindes beizutragen. Seiner Lebensgefährtin wird es möglich sein, den Beschwerdeführer nach Geburt des Kindes gemeinsam mit dem Kind regelmäßig im Kosovo zu besuchen.

Im Bundesgebiet befinden sich überdies die Eltern und Geschwister sowie Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers. Die beiden Brüder des Beschwerdeführers sind im gleichen Umfang wie er selbst von einer Aufenthaltsbeendigung bedroht. Seinem Bruder XXXX wurde der Status eines Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt, zugleich wurde gegen diesen eine Rückkehrentscheidung und ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen; jener Bruder verbüßt derzeit eine sechsjährige Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX . Das Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes seines Bruders XXXX ist gegenwärtig ebenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht (Zahl: W212 2232467-1) anhängig.

Der Beschwerdeführer steht zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Angehörigen seiner Herkunftsfamilie in keinem besonderen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis und wird den Kontakt zu diesen nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat telefonisch und über das Internet sowie Besuche in Drittstaaten aufrechterhalten können.

Der Beschwerdeführer hat sich Deutschkenntnisse angeeignet. Eine Berufsausbildung oder sonstige Ausbildung hat er in Österreich nicht absolviert. Dieser ging immer wieder kurzfristigen Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach und bezog zwischendurch wiederholt Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Derzeit geht er einer Teilzeitbeschäftigung für ein Transportunternehmen nach und verdient etwa EUR 1.200,-. Er ist in keinen Vereinen Mitglied, geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach und verbringt seinen Alltag seinen Angaben zufolge mit seiner Familie. Zudem hat er einen Freundeskreis in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat sich wiederholt besuchsweise im Kosovo aufgehalten. Ein Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben unverändert in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Kosovo.

1.5. Zur Lage im Kosovo:

1.5.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Country of Origin Information – Content Management System):

Politische Lage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung Kosovos an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. In Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020)

Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).

Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).

[…]

Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).

Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020).

Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).

Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 16.06.2020

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).

Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).

Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).

Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).

Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).

Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).

Die 'Free Legal Aid Agency' (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).

Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).

Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).

Der Kanun / Blutrache

Letzte Änderung: 16.06.2020

Historisch bedingt existierte in der kosovarischen Gesellschaft eine grundsätzliche Distanz gegenüber staatlichen Strukturen. Dies führte zur Ausbildung umfangreicher Prozesse der Gemeinschaftsbildung, welche u. a. in der Entwicklung von Stämmen, Clans, Patenschaften und Blutsverwandtschaft Ausdruck fand. Insbesondere in der albanischen Bergwelt basierte die Ordnung auf mündlich tradiertem Gewohnheitsrecht. Diese sogenannten Kanune variierten regional, wobei die bekannteste dieser Rechtsordnungen der Kanun Lekë Dukagjini ist. Die grundlegende soziale Einheit, auf der der Kanun basiert, ist die Großfamilie unter Führung des männlichen Familienältesten (Senioritätsprinzip). Der Kanun ist ein umfassendes Regelwerk und befasst sich mit weiten Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Kirchen-, Ehe-, Erb-, Schuld-, Handels- und Strafrecht. Zentral für dieses Rechtsverständnis ist der Begriff der Ehre, was sich u.a. in der Bedeutung der Blutrache, aber auch des umfassenden Gastrechts ausdrückt. Die Rolle der Frauen im Kanun ist eine nachgeordnete und charakterisiert die marginale Stellung der Frau in der traditionellen albanischen (Hochland-)Gesellschaft (GIZ 3.2020b).

Die Blutrache, die teils Ausdruck Jahrzehnte alter Konflikte ist, war bis in die 1980er Jahre ein weit verbreitetes Phänomen in Albanien und im Kosovo. 1990 nahmen unter Führung von Anton Çetta, einem Professor für Ethnologie, ca. 100.000 Personen aus dem Kosovo, aus Albanien, Mazedonien und Montenegro an einer großen Aussöhnung von Familien teil, bei der ca. 2.000 Fälle der Blutrache versöhnt wurden. Obwohl er zunehmend an Bedeutung verliert, spielt der Kanun in entlegenen Regionen bis heute eine Rolle bei der Rechtsinterpretation. Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Albanien 1997 kam es zu einer Renaissance der Blutrache, allerdings nicht nach den Regeln des Kanuns. Waren traditionell Frauen und Kinder vor der Blutrache geschützt, sind heute auch diese Personengruppen von der Verfolgung betroffen. Bei der Bewertung krimineller Handlungen bzw. Formen der organisierten Kriminalität (in der Diaspora) spielen Aspekte des Gewohnheitsrechts aktuell eine Rolle (GIZ 3.2020b).

Insbesondere außerhalb der größeren Städte sind nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als 'Blutrache' bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun - der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt - beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen bzw. tödlichen Folgen. Bei diesen Racheakten ist die Hemmschwelle, eine Schusswaffe zu benutzen, oft sehr niedrig. Beteiligte an solchen Taten werden verfolgt, angeklagt und verurteilt (AA 21.3.2019).

Blutrache stellt im Westen des Kosovo (und im Norden Albaniens) nach wie vor ein Problem dar und wird infolge der Migrationsbewegung von Albanern und Kosovo-Albanern hin und wieder auch ins Ausland getragen. Eine Grundregel ist, dass eine Ehrverletzung mit Blut vergolten werden muss – sonst werden der Geschädigte und seine Familie von der Dorfgemeinschaft geächtet, was den gesellschaftlichen Tod bedeutet. Dieser gesellschaftliche Zwang ist ein Grund, weshalb sich die Blutrache in einigen Gegenden von Albanien und Kosovo zäh halten kann. Da eine Tötung stets die Revanche der anderen Familie herausfordert, können sich die Kettentötungen einer Blutfehde über Jahrzehnte hinziehen und ganze Familien auslöschen. Ursprünglich verlangte der Ehrenkodex des Kanuns, dass nur an männlichen Familienmitgliedern Blutrache geübt werden darf – doch heute sind in Nordalbanien durchaus auch Frauen gefährdet. Nur innerhalb des eigenen Hauses sind betroffene Familien vor der Blutrache sicher. Eine Blutfehde kann aber durch Verhandlungen und ein Sühnegeld beendet werden, wenn die (zuletzt) geschädigte Familie einwilligt. Diese Sühne wird im albanische Kanun Blutgeld genannt (GRA 2015).

Es bestehen keine Zufluchtsmöglichkeiten in anderen Landesteilen oder größeren Städten. Wegen der geringen Größe des Kosovo ist es leicht möglich, eine Person auch in größeren Städten sehr schnell zu finden, zumal Neuankömmlinge meist in einen Stadtteil ziehen, in dem bereits andere Personen aus ihrem Dorf oder Clan leben. Die größeren Städte setzten sich daher sozusagen aus 'ethnischen' Vierteln zusammen, in denen Familien Verwandtschaftsbeziehungen zu ihrem Heimatort und ihrem patrilinearen Clan bewahrten. Ferner ist es nicht möglich, von einem in einen anderen Landesteil zu ziehen und einfach unterzutauchen, da jede kosovo-albanische Person ihre Herkunft auf einen der zwölf Gründungsclans der Albaner in Kosovo zurückführen kann. Eine falsche Identität zu erfinden, die einer Überprüfung standhalten würde, ist daher kaum möglich. Zusätzlich werden Neuankömmlinge stets in einem Kontext sozialer Beziehungen eingeordnet, und Höflichkeitsnormen schreiben vor, sich bereits bei der ersten Begegnung nach Herkunft, Familienbeziehungen und Freunden einer Person zu erkundigen. Auch die Ombudsperson des Kosovo bestätigt, dass es kaum möglich ist, in anderen Landesteilen oder größeren Städten vor Blutrache Schutz zu finden (SFH 1.7.2016).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 16.06.2020

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).

Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).

Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regional­kommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 16.06.2020

Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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