TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/20 W178 2242388-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2021
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Entscheidungsdatum

20.10.2021

Norm

AVG §68
B-VG Art133 Abs4
PG 1965 §14 Abs1
PG 1965 §19 Abs1

Spruch


W178 2242388-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB), Pensionsservice, vom 04.03.2021, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 16.04.2021, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 04.03.2021 wies die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (im Folgenden: BVAEB), Pensionsservice, den Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.12.2020 auf Zuerkennung der Hinterbliebenenversorgung nach ihrem früheren Ehegatten, Hofrat XXXX , wegen entschiedener Sache zurück.

Begründend führte die BVAEB aus, dass bereits mit Bescheid vom 15.01.2019 auf den Antrag der Beschwerdeführerin vom 16.10.2018 festgestellt worden sei, dass ihr als frühere Ehegattin des Verstorbenen kein Versorgungsgenuss gebühre. Der Bescheid vom 15.01.2019 sei in Rechtskraft erwachsen, und Umstände, die nach der Zeit des Todes zu einem etwaigen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verstorbenen geführt hätten, seien nicht mehr zu berücksichtigen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass eine Zurückweisung des Antrags vom 28.12.2020 unter Zugrundelegung der nach dem 15.01.2019 eingetretenen Umstände unrechtmäßig sei. Die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin habe sich seitdem gravierend verschlechtert und ein Unterhaltsanspruch habe dem Grunde nach immer und vor allem zum Todeszeitpunkt des Verstorbenen bestanden. Ob tatsächlich Unterhalt geleistet wurde oder nicht, sei insofern irrelevant, weil im Todeszeitpunkt ein gerichtlicher Vergleich über den Unterhaltsanspruch vorliege (vgl. OGH 26.06.2012, 10 ObS 65/12z). Im Vergleich vom 10.02.2005 liege eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin begründet, die insoweit bestünde, als das monatliche Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin unter eine kritische Grenze von € 1.350,- (mit einer Indexierung) falle. Diese Bedingung für die Leistung des Unterhaltsanspruchs sei nach dem 15.01.2019 eingetreten und nunmehr gebühre der Beschwerdeführerin eine Hinterbliebenenversorgung.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.04.2021 bestätigt die belangte Behörde den Bescheid vom 04.03.2021 über die Ablehnung der Zuerkennung einer Hinterbliebenenversorgung und Zurückweisung der Beschwerde wegen entschiedener Sache.

4. Die Beschwerdeführerin hat einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war einvernehmlich von ihrem Ehegatten geschieden. Es existiert ein entsprechender Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See und ein Vergleich vom 10.02.2005, der vor eben genanntem Gericht geschlossen wurde (6 C 150/05b).

Zur Frage des Unterhaltes wurde darin Folgendes vereinbart (Hervorhebungen des Gerichts):

„1. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau beginnend mit 1.3.2005 bis zum 21.6.2016 (Vollendung des 20. Lebensjahres des ehelichen Sohnes mj. XXXX , geb. XXXX ) jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein einen Unterhaltsbetrag von € 100,-- zu bezahlen. Für die Zeit dieser Unterhaltsverpflichtung verzichtet der Ehemann auf eine Herabsetzung des vereinbarten Unterhaltsbeitrages aus welchem Rechtsgrund auch immer. Die Ehefrau verzichtet nicht auf eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages. Für den Fall, dass ihr monatliches Nettoeinkommen (exklusive Sonderzahlungen) im Zeitraum 1.3.2005 bis 21.6.2016 geringer als € 1.200,-- ist, gilt folgendes: Es wird der angemessene Unterhalt berechnet nach der Formel 40% des Familieneinkommens abzüglich eigenem Einkommen der Ehefrau, bei Einkommenslosigkeit der Ehefrau 33% des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens des Ehemannes, geschuldet.

Ab 22.6.2016 wird der angemessene Unterhalt berechnet nach der Formel 40% des Familieneinkommens abzüglich eigenem Einkommen der Ehefrau, bei Einkommenslosigkeit der Ehefrau 33% des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens des Ehemannes, geschuldet. Für den Fall, dass ab 22.6.2016 das monatliche Nettoeinkommen (exklusive Sonderzahlungen) der Ehefrau € 1.350,-- zuzüglich einer einprozentigen Wertsteigerung dieses Einkommens pro Jahr ab 2017 übersteigt, verzichtet die Ehefrau für die Zeiträume der Übersteigung gegenüber dem Ehemann auf Unterhalt.

Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft (nicht aber einer Ehe) schmälert die Unterhaltsansprüche der Ehefrau – auch solche ab dem 22.6.2016 – nicht.

Der Unterhaltsbetrag wird anhand des Verbraucherpreisindex 2002 wertgesichert. Basis der Wertsicherung ist die für den Monat des Vergleichsabschlusses verlautbarte Indexzahl. Die Wertsicherung erfolgt jeweils zum 1.1. eines jeden Jahres.

Der Ehemann verzichtet bereits jetzt auf Unterhalt gegenüber der Ehefrau, aus welchem Titel immer. Dies gilt auch für den Fall der Krankheit, der unverschuldeten Not, geänderter Rechtslage oder geänderter Verhältnisse.

Bemessungsgrundlage ist ein monatliches Nettoeinkommen (14 mal jährlich) des Ehemannes von € 1.900,-- und der Ehefrau von € 1.400,-- 15 mal jährlich, jeweils bei einer weiteren Sorgepflicht für den mj. XXXX , geb. XXXX .“

Am 16.10.2018 langte bei der BVA (nunmehr BVAEB) ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Zahlung eines Versorgungsgenusses nach ihrem am 30.04.2018 verstorbenen früheren Ehegatten ein. Mit dem Bescheid der Behörde vom 15.01.2019, Z. 4567-260768, wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Beschwerdeführerin, auf Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 10.02.2005, wegen ihres Eigeneinkommens in der Höhe von über € 1.377,14 (Wertsteigerungsgrenze für das Jahr 2018) kein Unterhalt zusteht.

Unter Berücksichtigung des Vergleichs vom 10.02.2005 und der entsprechenden Wertsteigerung von einem Prozent ab dem Jahr 2017, ergibt sich für das Jahr 2019 eine Einkommensgrenze von € 1.390,91, unter welcher die Beschwerdeführerin auf den Unterhalt verzichtet. Im Jahr 2020 liegt diese Grenze bei € 1.404,81 und 2021 bei € 1.418,86.

Die Beschwerdeführerin ist derzeit arbeitslos und hat seit 17.12.2020 einen täglichen AMS-Leistungsanspruch in der Höhe von € 45,15. Das ergibt ein monatliches Einkommen von netto € 1.354,50 bei 30 Monatstagen.

Nach den obigen Feststellungen hat sich das Einkommen der Beschwerdeführerin in einem relevanten Ausmaß geändert, da es nun unter dem im Scheidungsvergleich angegebenen monatlichen Nettoeinkommen liegt und somit nicht mehr vom Unterhaltsverzicht gedeckt ist.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der BVAEB in Zusammenschau mit der Beschwerde, sowie den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Scheidungsvergleich vom 10.02.2005.

Die wesentlichen Fakten sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde

3.1 Rechtsgrundlagen

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gemäß § 14 Abs. 1 PG 1965 gebührt dem überlebenden Ehegatten ab dem auf den Todestag des Beamten folgenden Monatsersten ein monatlicher Versorgungsgenuss, wenn der Beamte an seinem Todestag Anspruch auf Ruhegenuss gehabt hat oder im Fall der mit Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte.

Gemäß § 19 Abs. 1 PG 1965 gelten die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten – ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 – soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte.

Die folgenden Absätze des § 19 PG 1965 lauten:

„1a) Abs. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der verstorbene Beamte auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung seinem früheren Ehegatten

1. zumindest für die Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod oder,

2. falls der Tod des Beamten früher als vor Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe eingetreten ist, durchgehend vom Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft bis zu seinem Tod

nachweislich regelmäßig Unterhaltszahlungen geleistet hat.

(2) Der Versorgungsgenuß gebührt dem früheren Ehegatten nur auf Antrag. Er fällt, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach dem Tod des Beamten gestellt wird, mit dem auf den Sterbetag folgenden Monatsersten an. In allen übrigen Fällen gebührt der Versorgungsgenuß von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an; wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, so gebührt der Versorgungsgenuß von diesem Tag an.

(3) Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistungen gehabt, so besteht der Versorgungsanspruch längstens bis zum Ablauf der Frist.

(4) Der Versorgungsbezug - ausgenommen die Ergänzungszulage - darf

1. die Unterhaltsleistung, auf die der frühere Ehegatte im Fall des Abs. 1 gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat, oder

2. die durchschnittlichen monatlichen Unterhaltszahlungen, die der verstorbene Beamte im Fall des Abs. 1a regelmäßig längstens in den letzten drei Jahren vor seinem Tod geleistet hat,

nicht übersteigen.

(4a) Abs. 4 gilt jedoch nicht, wenn

1. das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs. 3 des Ehegesetzes, deutsches RGBl. 1938 I S 807, enthält,

2. die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert und

3. der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzung entfällt, wenn

a) der frühere Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteiles erwerbsunfähig ist oder

b) aus der geschiedenen Ehe ein Kind hervorgegangen oder durch diese Ehe ein Kind legitimiert worden ist oder die Ehegatten gemeinsam ein Wahl- oder Stiefkind angenommen haben und das Kind am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des früheren Ehegatten angehört und Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat; das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit entfällt bei nachgeborenen Kindern.

(5) Versorgungsgenüsse mehrerer früherer Ehegatten dürfen zusammen 60% des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte Anspruch gehabt hätte, nicht übersteigen. Die Versorgungsgenüsse sind gegebenenfalls im gleichen Verhältnis zu kürzen.

(6) Eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten ist für die Bemessung eines Versorgungsgenusses nach Abs. 1 nur beachtlich, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat.

(7) Unterhaltsleistungen, die die Erben des verstorbenen Beamten auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen dem früheren Ehegatten erbringen, sind auf den Versorgungsbezug des früheren Ehegatten anzurechnen.

(8) Erlischt der Anspruch des überlebenden Ehegatten oder eines früheren Ehegatten auf Versorgungsgenuß, so ändert sich dadurch der Versorgungsbezug eines allenfalls noch verbleibenden früheren Ehegatten nicht.

(9) Ein Versorgungsgenuss nach Abs. 1a gebührt nur dann, wenn der Beamte nach dem 31. Dezember 1981 verstorben ist. Die der Bemessung des Versorgungsgenusses zugrunde gelegten Unterhaltszahlungen, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 1990 geleistet worden sind, vermindern oder erhöhen sich in dem Maß, das sich aus der Veränderung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Verbraucherpreisindex 1976 oder des an seine Stelle tretenden Index gegenüber dem Zeitpunkt der Erlangung des Versorgungsgenusses ergibt.“

3.2 Im konkreten Fall

3.2.1 Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist „Sache“ der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen (VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (VwGH 05.03.2020, Ra 2019/15/0114).

3.2.2 Der Bescheid der BVA (nunmehr BVAEB), Pensionsservice, vom 15.01.2019, mit dem festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführerin angesichts ihres Nettoeinkommens kein Versorgungsgenuss zusteht, ist mangels Erhebung eines Rechtsmittels rechtskräftig geworden. Die Beschwerdeführerin bestritt die Rechtskraft des Bescheides vom 15.01.2019 nicht.

Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist der konkrete Norminhalt des in Frage stehenden Bescheides, d.h. die im Bescheid getroffene Absprache über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 23.04.2003, 2000/08/0040).

3.3 Zur Frage der entschiedenen Sache

Eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache kommt daher nur in Frage, wenn Identität der Sache gegeben ist. Identität der Sache liegt laut ständiger Judikatur des VwGH dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (s. beispielsweise zuletzt VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255).

3.3.1 Es liegt keine entscheidungserhebliche Änderung der anzuwendenden Bestimmungen des PG 1965 vor, sodass Identität der Rechtslage unbestritten gegeben ist.

3.3.2 Wie aus dem festgestellten Sachverhalt hervorgeht, richtete sich das Begehren der Beschwerdeführerin sowohl im Antrag vom 16.10.2018 als auch im Antrag vom 28.12.2020 auf Gewährung des Witwenversorgungsgenusses. Die in diesen Anträgen gemachten Angaben decken sich jedoch insofern nicht, als die Beschwerdeführerin 2018/2019 erwerbstätig war und ein Nettoeinkommen über der im Scheidungsvergleich angegebenen Einkommensgrenze erhielt, sie aber seit Ende 2020 arbeitslos ist, mit einem Einkommen unterhalb der vereinbarten Verzichtsgrenze.

3.3.3 Strittig ist, ob eine wesentliche Änderung im Sachverhalt eingetreten ist. Das ist zu bejahen:

3.3.3.1 Zum Bestehen des Anspruches auf Hinterbliebenenversorgung zum gegenwärtigen Zeitpunkt:

Die belangte Behörde verkennt im Bescheid vom 04.03.2021 und in der Beschwerdevorentscheidung vom 16.04.2021, dass die Beschwerdeführerin auch im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen einen Unterhaltsanspruch dem Grunde nach besessen hat (vgl. Vergleich vom 10.02.2005, Bescheid vom 15.01.2019). Aufgrund der damaligen Einkommensverhältnisse bestand dieser Anspruch aber nicht der Höhe nach, was der Zuerkennung – unter Zugrundelegung des geänderten Einkommens der Beschwerdeführerin – jedoch keinen Abbruch tut (vgl. VwGH 2000/12/0280 vom 21.11.2001, unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 25.01.1982, Slg NF Nr 10640/A, vom 28.05.1997, ZI. 97/12/0127, vom 25.01.1995, ZI. 94/12/0295, vom 09.01.1968, ZI. 1587/67, sowie vom 16.01.1968, ZI. 1632/67.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 15.01.2019 führt dazu – und bezogen auf die damalige Sachlage – weiter aus (S 3f):

„Nach der vorgelegten Bezugsbestätigung haben Sie im Jahr 2016 und zwar bis 31.8.2016 Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich € 42,55 bezogen. Ab 1.9.2016 waren Sie bei der Firma Rossmann GmbH & Co KG beschäftigt und ab 26.6.2017 waren Sie als Sachbearbeiterin im Klinikum Austria mit einem monatlichen Nettoeinkommen von € 1986,40 tätig. Demnach haben Sie auch im Zeitraum April 2018 ein monatliches Nettoeinkommen (exklusive Sonderzahlungen) in der Höhe über € 1.377,14 bezogen. […]

Ab Juli 2017 war Herr XXXX unter Zugrundelegung des schriftlichen Vergleiches und des darin festgehaltenen Grenzbetrages aufgrund Ihres Eigeneinkommens nicht verpflichtet, an Sie Unterhalt zu leisten, da Ihr monatliches Nettoeinkommen den vereinbarten Betrag von € 1.377,14 überschritten hat, dies war auch im Monat des Ablebens des Beamten im April 2018 der Fall. […]

Da Sie im vorliegenden Vergleich erklärt haben, dass Sie auf den Unterhalt ab einer bestimmten Einkommensgrenze verzichten und Ihr monatliches Einkommen zum Zeitpunkt des Todes Ihres früheren Ehegatten über diesem Grenzbetrag liegt, sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung eines Versorgungsbezuges nach § 19 Abs. 1 PG 1965 nicht erfüllt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Es wird somit auch seitens der belangten Behörde der grundsätzliche Anspruch auf einen Unterhalt vom geschiedenen Gatten und damit auch auf Witwenversorgung nicht verneint und lediglich aufgrund des Überschreitens der im Vergleich vereinbarten Eigeneinkommensgrenze der Beschwerdeführerin versagt. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde im hier angefochtenen Bescheid kommt es darauf, ob zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten tatsächlich Unterhalt geflossen ist, nicht an (vgl. insbesondere VwGH 2000/12/0280 vom 21.11.2001:

„Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 PG 1965 stellt der Versorgungsbezug für die geschiedene Ehefrau eines verstorbenen Beamten einen Ausgleich dafür dar, dass die Ehefrau durch die rechtskräftige Scheidung die Anwartschaft auf den Witwenversorgungsgenuss verloren hat. Der Ausgleich wird in der Weise gewährt, dass bei einem Beamten der Dienstgeber in dessen Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen früheren Ehefrau mit der Maßgabe ‚eintritt‘, dass an die Stelle des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches gegen den verstorbenen Beamten ein gegen den Dienstgeber gerichteter öffentlich-rechtlicher [sic] Anspruch tritt. Der öffentlich-rechtliche Dienstgeber wird aber damit nicht Rechtsnachfolger des verstorbenen Beamten und tritt auch nicht in dessen Rechtsstellung ein. Nach § 19 Abs. 1 PG 1965 wird vielmehr ein neuer, rechtlich selbstständiger öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Witwenversorgung der geschiedenen früheren Ehefrau begründet, dessen Höhe an die im Zeitpunkt des Todes des Beamten in bestimmter schriftlicher Weise – um eine spekulative Ausnützung dieser Institution hintanzuhalten – geregelte Unterhaltsverpflichtung anknüpft (vgl. die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1982, Slg NF Nr 10640/A, oder vom 28. Mai 1997, Zl. 97/12/0127). Es kommt für den Anspruch auf den Versorgungsgenuss der früheren Ehefrau nicht auf den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil, die Unterhaltspflicht nach den Bestimmungen der §§ 66 ff Ehegesetz oder darauf an, ob der Beamte zur Zeit seines Todes seiner früheren Ehefrau tatsächlich Unterhalt leistete. Gesetzliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Versorgungsgenuss der früheren Ehefrau ist nach § 19 Abs. 1 PG 1965 vielmehr, dass der Verpflichtungsgrund für die Unterhaltsleistung in einem gerichtlichen Leistungsurteil, in einem gerichtlichen Vergleich oder in einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung besteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/12/0295, und vom 9. Jänner 1968, Zl. 1587/67, sowie vom 16. Jänner 1968, Zl. 1632/67, u.v.a.).“)

3.3.3.2 Zur Änderung der Sachlage

Aufgrund der Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin stand ihr bei der ersten Antragstellung am 16.10.2018 kein auszahlbarer Unterhalt zu und damit auch keine Versorgungsleistung als Witwe (siehe Bescheid vom 15.01.2019).

Mit der Antragstellung vom 28.12.2020 und der Darlegung ihres geänderten, reduzierten Einkommens aufgrund von Arbeitslosigkeit, hat sich eine wesentliche Änderung in der Sachlage ereignet. Da es sich um eine Reduzierung unter den im Vergleich vom 10.02.2005 angegebenen Betrag handelt (Wertsteigerungsgrenze 2020: € 1.404,81), ist sie als wesentlich zu bezeichnen.

Da somit eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes vorliegt, steht die Rechtskraft des Bescheides vom 15.01.2019 einer neuerlichen Entscheidung über den Hinterbliebenenversorgungsgenuss der Beschwerdeführerin nicht entgegen.

Die belangte Behörde hat aufgrund der Änderung der maßgeblichen Umstände eine inhaltliche Neubeurteilung der Angelegenheit vorzunehmen.

3.4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin zwar beantragt, aber da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage ergibt, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Der Sachverhalt ist in sämtlichen entscheidungswesentlichen Punkten unstrittig. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen vgl. dazu zuletzt auch den Beschluss des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitslosigkeit Einkommensgrenze entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Versorgungsanspruch wesentliche Sachverhaltsänderung Witwenversorgungsanspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2242388.1.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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