Entscheidungsdatum
16.11.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W240 1401184-3/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2021, Zl. 780355208-211148464, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, 57 AsylG, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 22.04.2008 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.08.2008 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde er gemäß § 10 AsylG nach Polen ausgewiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.08.2008 zu GZ S 5 401.184-1/2008/2E abgewiesen. Das Verfahren erwuchs am 02.09.2008 in Rechtskraft.
2. Der BF brachte am 09.08.2016 nach neuerlicher Einreise in das Bundesgebiet einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein.
Im Verfahren gab er an, dass er sich von 2009 bis 08.08.2016 in Polen aufgehalten habe und seine alten Gründe alle aufrecht bleiben würden. Eine Eurodac-Abfrage ergab zu diesem Zeitpunkt Treffer der Kategorie 1 zu Österreich vom 22.04.2008 und zu Polen vom 16.03.2007. Die polnischen Dublin Behörden teilten mit, dass der BF subsidiärer Schutz gewährt worden sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch BFA) vom 21.11.2016 wurde auch dieser Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß
§ 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der BF nach Polen zurückzubegeben habe. Weiters wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß
§ 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach
§ 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge auch BVwG) vom 30.01.2017 gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
3. Am 11.10.2019 stellte der BF einen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des BFA vom 22.11.2019 ebenfalls gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen wurde, da er ihm in Polen subsidiärer Schutz gewährt worden war. Seine Außerlandesbringung wurde angeordnet. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde nicht erhoben.
4.1. Am 16.08.2021 reiste der BF unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
4.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.08.2021 gab der BF im Wesentlichen an, er sei fast 70 Jahre alt und könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Einer seiner Söhne lebe in Frankreich, ein weiterer in Österreich. Er habe seinen Herkunftsstaat erstmals 2007 verlassen und zuletzt vor einem Monat. Österreich sei sein Zielland gewesen, da einer seiner Söhne seit 2009 in Österreich lebe. Er verfüge über einen von der russischen Botschaft in Warschau ausgestellten Reisepass und über einen polnischen Aufenthaltstitel. Nach Österreich sei er von Polen aus über Tschechien und die Slowakei eingereist. Er gab an, bereits zwei Asylanträge in Österreich und einen in Polen gestellt zu haben. Seine in den Vorverfahren angeführten Fluchtgründe würden weiter aufrecht bleiben.
4.3. Mit 31.08.2021 verzichtete der BF auf Leistungen der Grundversorgung und zog privat zu seinem Sohn und seiner Schwiegertochter (AS 127), dort ist er seit dem 14.09.2021 amtlich gemeldet.
4.4. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.09.2021 gab der BF im Wesentlichen an, sich psychisch und physisch in der Lage fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren machen zu können und bisher im gegenständlichen Verfahren Angaben wahrheitsgemäß gemacht zu haben. Er gab an, nach Hause gereist zu sein, da ihm versprochen worden sei, dass er seine Wohnung zurück erhalte, was sich aber nicht bewahrheitet habe. Er legte diverse Dokumente in russischer Sprache vor und verwies auf Stempel in seinem Reisepass. Er sei nach einem Monat direkt nach Österreich gereist. Er habe Probleme mit seinen Zähnen, sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. In Österreich lebe sein Sohn mit dessen Familie, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Sein Sohn sei krank und seine Schwiegertochter werde demnächst operiert. Auf die Frage, ob er von seinem Sohn und dessen Familien finanziell oder sonst abhängig sei, erklärte der BF, er müsse nicht abhängig sein, wenn er eine Arbeitserlaubnis bekomme. Befragt, ob sein Sohn und dessen Familie von ihm abhängig seien, gab der BF an, auf die Kinder zu schauen und sie aus dem Kindergarten abzuholen. Über Vorhalt der beabsichtigten Zurückweisung seines Asylantrags aufgrund der Schutzgewährung in Polen, gab der BF an, in Polen in 15 Jahren nur EUR 2.500,- erhalten zu haben, eine Unterkunft oder Arbeit habe er nicht bekommen. Er könne in Polen nicht überleben. Er habe fast gar nicht in Polen gewohnt, weil er immer zu seinen Söhnen gereist sei. In Polen habe er nichts. Zu den Länderinformationsblättern zu Polen gab er an, dass alles gelogen sei.
Vorgelegt und zum Akt genommen wurde ein Schreiben des magistratischen Bezirksamtes für den 21. Bezirk mit einem vermerkten Termin sowie verschiedene Dokumente in russischer Sprache.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.09.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.08.2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass er sich nach Polen zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gegen ihn gemäß § 61 Abs 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet sowie festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei
(Spruchpunkt III.).
1. Allgemeines zum Asylverfahren
1.1. Verfolgung durch Dritte
Es wird von tschetschenischen Antragstellern immer wieder vorgebracht, sie fürchten in Polen von Agenten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, sogenannten Kadyrowzy, drangsaliert zu werden. ACCORD zitiert dazu in einer Anfragebeantwortung vom 22.11.2013 verschiedene Quellen, aus denen hervorgeht, dass es diese Berichte zwar gibt, jedoch keine greifbaren Beweise, wie dokumentierte Fälle oder ähnliches. Die polnischen Behörden dementieren derartige Vorgänge strikt (ACCORD 22.11.2013, vgl. auch: borderline 4.11.2013).
Die NGO Pax Christi hat im September 2010 eine Fact Finding Mission nach Polen zu dem Thema durchgeführt und gab an, es falle auf, dass es wenig Schriftliches gebe, obwohl Rechtsberater, Sozialhelfer, Anwälte und NGO-Mitarbeiter in verschiedenen EU-Ländern bei ihrer Arbeit mit tschetschenischen AW dieselben Geschichten zu hören bekämen. Die Berichte seien aber oft unspezifisch und es gebe kaum Zeugen und auch sonst keine Beweise (Pax Christi 1.12.2011).
Jedenfalls gibt es in Polen keine eigene Gesetzgebung, die speziell Asylwerber aus der Russischen Föderation unter besonderen Schutz stellen würde. Bei Vorliegen einer strafbaren Handlung gehen Polizei und Gerichte entsprechend der polnischen Rechtsordnung vor, wie bei jeder anderen Person auch. Es gibt auch keine eigene Statistik bezugnehmend auf Kriminalität unter Asylwerbern bzw. unter diversen Ethnien und es sind auch keine Berichte zu diesem Problemfeld bekannt (VB 11.2.2013).
Die Polizei und Grenzwache sorgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages. Kommt es zu strafrechtlichen Handlungen werden diese von den Sicherheitskräften den Gerichten ausnahmslos angezeigt. Die Polizei/Grenzwache vollzieht ausnahmslos die Anordnungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (VB 3.2.2010).
Quellen:
- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (22.11.2013): Anfragebeantwortung zu Polen: Aktivitäten des russischen Geheimdienstes in polnischen Flüchtlingslagern, https://www.ecoi.net/local_link/270018/398486_de.html, Zugriff 1.4.2016
- borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.(4.11.2013): Rückführungen im Rahmen von Dublin II nach Polen. Eine Ist-Stand-Erhebung zur Situation Geflüchteter, http://www.borderline-europe.de/sites/default/files/background/Bericht_Polen_2013.pdf, Zugriff 1.4.2016
- Pax Christi (1.12.2011): Safety of Chechen asylum seekers in Poland, http://www.paxchristi.be/wp/wp-content/uploads/2012/01/PaxChristi_SafetyofChechenasylumseekersinPoland_2011_def.pdf, Zugriff 1.4.2016
- VB des BM.I Polen (3.2.2010): Auskunft des VB, per E-Mail
- VB des BM.I Polen (11.2.2013): Auskunft des VB, per E-Mail
2. Schutzberechtigte
Subsidiär Schutzberechtigte, humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete, die nochmals um Asyl ansuchen, sind nicht zu materieller Versorgung berechtigt, wie sie AW normalerweise zukommt. Subsidiär Schutzberechtigte und andere Fremde mit Aufenthaltsberechtigung sind hingegen zu staatlichen Unterstützungsleistungen des allgemeinen Sozialhilfesystems berechtigt, wie polnische Staatsbürger. Humanitär Aufenthaltsberechtigte und Geduldete haben lediglich das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, notwendige Bekleidung und eine spezielle Zulage (AIDA 11.2015).
Amnesty International kritisiert, dass Polen Ende 2015 noch immer über keine umfassende Integrationsstrategie verfügte und bezeichnet die Integrationsmaßnahmen als ungenügend (AI 24.2.2016).
Die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte umfassen individuelle Integrationsprogramme, die u.a. auf Sprachtraining und persönliche Beratung fokussieren. Eine umfassende Integrationsstrategie abseits des Erwerbs der Polnischen Sprache gibt es nicht, es wird aber an einer solchen gearbeitet. Die Dauer der individuellen Integrationsprogramme (12 Monate) wird von den Betroffenen als zu kurz beschrieben. Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird von den Betroffenen als der kritischste Punkt betrachtet (ECRI 9.6.2015).
UNHCR kritisiert die polnischen Leistungen zur Integration anerkannter Flüchtlinge. So waren 2013 laut Schätzungen 20-30% der anerkannten Flüchtlinge in Polen zumindest zeitweise von Obdachlosigkeit betroffen. Dabei ist es anerkannten Flüchtlingen nach Erhalt der Entscheidung auf internationalen oder subsidiären Schutz für weitere 2 Monate gestattet in der AW-Unterkunft zu bleiben und um das individuelle Integrationsprogramm (IPI) anzusuchen, in dessen Rahmen ihnen die zuständige regionale Stelle (Family Support Center) für ein Jahr lang finanzielle Hilfe ausbezahlt. Personen mit einem lediglich tolerierten Aufenthalt haben keinen Anspruch auf die IPI, sie können aber um Sozialhilfe ansuchen. Unter Kennern der polnischen Flüchtlingsszene ist es aber umstritten, ob Tolerierte deswegen ein höheres Risiko der Obdachlosigkeit haben. Einige sind der Meinung, für diese sei der Anreiz zur Integration sogar höher und führe zu stabileren Verhältnissen betreffend Arbeit und Wohnen. Die Zahl der Nutznießer der IPI ist in den 2 Jahren davor außerdem um etwa 50% zurückgegangen, was es einfacher macht den verbliebenen Berechtigten zu helfen. Der Bericht nennt auch von europäischem Flüchtlingsfonds und polnischem Staat kofinanzierte Services von NGOs, die Schutzberechtigten, deren IPI am Auslaufen ist, bzw. die obdachlos geworden sind, Übergangswohnungen zur Verfügung stellt - für einen Zeitraum von 12-18 oder gar 36 Monaten – und ihnen beim Finden von dauerhafter Wohnung hilft. Die Herangehensweise der lokalen Behörden bezüglich der Hilfe bei Obdachlosigkeit von Flüchtlingen hat sich laut dem Bericht auch verbessert. Als Beispiele genannt wird die Stadt Warschau, die nicht nur Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge unter dafür eingelangten Anträgen kompetitiv vergibt, sondern einige auch nach sozialen Gesichtspunkten an Härtefälle. Wenn in Warschau ein anerkannter Flüchtling in einem Zentrum lebt, kann er um eine Gemeindewohnung ansuchen und wird diese angeblich auch erhalten. In Lublin haben beispielsweise subsidiär Schutzberechtigte seit Juni 2012 Zugang zu Gemeindewohnungen. Als besonders schlecht werden die Wohnverhältnisse von Rückkehrern aus anderen europäischen Ländern geschildert, wobei unklar ist, ob damit Dublin-Rückkehrer gemeint sind (UNHCR 06.2013).
Quellen:
- AI – Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/319771/458965_de.html, Zugriff 1.4.2016
- AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016
- ECRI - European Commission against Racism and Intolerance (9.6.2015): ECRI Report Poland, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1441097708_pol-cbc-v-2015-20-eng.pdf, Zugriff 1.4.2016
- UNHCR (06.2013): Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Poland, http://www.refworld.org/docid/51b57ce74.html, Zugriff 1.4.2016
Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass seine Identität feststehe und keine schweren psychischen bzw. schweren oder ansteckenden Krankheiten beim BF hätten festgestellt werden können. Der BF sei in Polen subsidiär schutzberechtigt und habe dort Schutz vor Verfolgung gefunden. Es seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass der BF tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Polen Folter oder unmenschlicher respektive erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, oder dass ihm eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. In Österreich verfüge der BF durch seinen volljährigen Sohn, der anerkannter Flüchtling sei, und dessen Familie über familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und lebe mit diesen seit kurzer Zeit in einem gemeinsamen Haushalt. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Die Außerlandesbringung stelle keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens dar. Die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet sei relativ kurz und es hätten sich keine Hinweise auf eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich ergeben. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG seien in seinem Fall nicht gegeben.
6. Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht durch die Rechtsvertretung des BF eingebrachte Beschwerde, worin im Wesentlichen geltend gemacht wurde, dass die Behörde keine ausreichenden Ermittlungen, insbesondere zum Familienleben des BF und den wechselseitigen Abhängigkeiten der Familienmitglieder vorgenommen habe. Der BF sei altersbedingt geschwächt und finanziell von seiner Familie abhängig. Die Einvernahme des Sohnes des BF werde zum Nachweis des Familienlebens beantragt. Die Behörde habe auch keine Ermittlungen zu den Auswirkungen der Ausweisung des BF auf sein Familienleben, insbesondere auf seine Enkelkinder, durchgeführt. Die Familienmitglieder und der BF hätten keine Möglichkeit im jeweiligen Aufenthaltsstaat der anderen Familienmitglieder Aufenthalt zu nehmen. Zudem könne der Familie des BF der Schutzstatus aberkannt werden, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in einem anderen Staat haben würden. Eine alternative Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG scheitere bereits an der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit des BF. Das Kindeswohl der Enkelkinder der BF sei außer Acht gelassen worden.
Angeschlossen an die Beschwerde war ein Absonderungsbescheid der MA 15 der Stadt Wien betreffend den BF vom 30.09.2021.
7. Die Beschwerdevorlage langte am 12.10.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Mit Urkundenvorlage vom 13.10.2021 wurden ein Unterstützungsschreiben der Schwiegertochter des BF, ein Befund vom 20.07.2021 sowie eine Terminbestätigung betreffend die „Multidektor-Spiral CT der Bauchdecke“ der Schwiegertochter sowie ein Nachweis für einen Operationstermin des Sohnes des BF (orthopädische Operation, ua. Infiltration) vorgelegt.
9. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.10.2021 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein Staatsangehöriger der russischen Föderation, stellte am 22.04.2008 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.08.2008 gemäß
§ 5 AsylG zurückgewiesen und der BF gemäß § 10 AsylG nach Polen ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.08.2008 abgewiesen. Das Verfahren erwuchs am 02.09.2008 in Rechtskraft.
Am 09.08.2016 brachte der BF nach neuerlicher Einreise in das Bundesgebiet einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein. Betreffend den BF liegt ein Eurodac-Treffer der Kategorie 1 mit Polen vom 16.03.2007 aufgrund Stellung eines Asylantrags vor. Mit dem Bescheid des BFA wurde auch dieser Antrag gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist. Die erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 30.01.2017 gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1,
57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Der BF stellt am 11.10.2019 einen dritten Asylantrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des BFA vom 22.11.2019 ebenfalls zurückgewiesen wurde, da ihm in Polen subsidiärer Schutz gewährt worden war. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde nicht erhoben.
Am 16.08.2021 reiste der BF zuletzt unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen weiteren – den gegenständlichen – Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Dem BF wurde in Polen subsidiärer Schutz gewährt und er verfügt über einen bis 27.05.2023 gültigen Aufenthaltstitel.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde zur Allgemeinsituation Schutzberechtigter im Mitgliedstaat Polen an. Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass der BF bei einer Überstellung nach Polen als Subsidiär Schutzberechtigter in Polen in eine existenzielle Notlage geraten könnte und/oder ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung und/oder zum Arbeitsmarkt und/oder zu einer Unterkunft verwehrt werden würde.
Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Überstellung nach Polen Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Festgestellt wird, dass der polnische Staat für den BF als in Polen Subsidiär Schutzberechtigter hinreichende Versorgungsleistungen bietet.
Auch ist die medizinische Versorgung für Subsidiär Schutzberechtigte in Polen gewährleistet. Festgestellt wird, dass der BF gesund ist und weder an körperlichen noch an psychischen Erkrankungen leidet, die einer Überstellung nach Polen aus gesundheitlichen Gründen entgegenstünden.
Der BF verfügt im österreichischen Bundesgebiet über einen vorjährigen Sohn, eine Schwiegertochter und sechs Enkelkinder. Seinem Sohn ist in Österreich anerkannter Flüchtling. Es besteht ein gemeinsamer Haushalt. Eine finanzielle oder sonstige Abhängigkeit zwischen dem BF und seiner Familie kann nicht festgestellt werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte für besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen respektive eine fortgeschrittene Integration.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 11.11.2021, 911.175 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 11.577 Todesfälle; in Polen wurden zu diesem Zeitpunkt 3.143.725 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 78.250 Todesfälle bestätigt (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Abfrage vom 11.11.2021).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Aufgrund seines Alters gehört der BF der Risikogruppe der älteren Personen an.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen betreffend die Einreise in das Bundesgebiet und die Antragstellungen auf internationalen Schutz beruhen auf den Angaben des BF. Die Feststellungen zum gegenständlichen Antrag sowie den Vorverfahren ergeben sich aus dem diesem Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsakt.
Dass dem BF in Polen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde und dass seine Aufenthaltserlaubnis bis zum gültig ist, ergibt sich insbesondere aus dem in Vorlage gebrachten polnischen Fremdenreisepass und dem polnischen Aufenthaltstitel sowie dem im Vorverfahren erhaltenen Schreiben der polnischen Dublin-Behörden vom 19.09.2016.
Die Gesamtsituation von subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in Polen resultiert aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Unterbringung von Schutzberechtigten auch Feststellungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung getroffen. Zudem trat der BF den Feststellungen zur Lage in Polen weder vor der Verwaltungsbehörde noch im Beschwerdeverfahren entgegen und hat sich auch nicht ergeben, dass sich die entscheidungswesentliche Situation in Polen geändert hätte. Die Aussage des BF in dessen niederschriftlichen Einvernahme am 09.09.2021, wonach die Länderinformationen gelogen seien, ist in keiner Weise geeignet diese in Zweifel zu ziehen. Darüber hinaus ist den Schilderungen des BF kein ausrechend begründetes Vorbringen zu entnehmen. Dem Vorbringen in der Unterstützungserklärung der Schwiegertochter vom 12.10.2021, wonach der BF in Polen am Bahnhof schlafen müsse, war nicht zu folgen, da der BF selbst im gegenständlichen Verfahren kein Vorbringen zu seiner vermeintlichen Obdachlosigkeit erstattete.
Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben vor der Verwaltungsbehörde. Bis dato wurden über das Vorbringen, dass er Probleme mit seinen Zähnen habe, keine gesundheitlichen Probleme oder Beeinträchtigungen geltend gemacht.
Die Feststellung zu den familiären Anknüpfungspunkten beruht auf den dahingehend nicht zu bezweifelnden Angaben des BF. Dass zwischen dem BF und seinem Sohn bzw. dessen Familie keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten festgestellt werden konnten, ergibt sich aus seinen Angaben und den vorliegenden Unterlagen. Der BF hat mit 31.08.2021 freiwillig auf die Leistungen der Grundversorgung verzichtet und ist seit 14.09.2021 in der Wohnung seines Sohnes gemeldet. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 09.09.2021 beantwortet der BF die Frage nach einem bestehenden finanziellen Abhängigkeitsverhältnis damit, dass er nicht abhängig sein müsse, sondern arbeiten gehen könne. Auch wenn der BF in der Zwischenzeit im gemeinsamen Haushalt mit seinem Sohn und dessen Familie wohnt, war darin noch keine existenzielle Abhängigkeit zu erblicken, die einer Überstellung des BF nach Polen entgegenstehen würde. Es bestehen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn und die Schwiegertochter des BF hinsichtlich der Betreuung der Enkelkinder oder aufgrund ihrer eigenen gesundheitlichen Beschwerden auf den BF angewiesen wären, zumal sie auch während seiner Abwesenheit die Kinderbetreuung bewerkstelligen konnten. Die vorgebrachten medizinischen Eingriffe und Behandlungen betreffend den Sohn und die Schwiegertochter des BF sind nicht in einem derartigen Ausmaß, dass anzunehmen wäre, der Sohn und die Schwiegertochter wären diesbezüglich auf den BF angewiesen. Insbesondere da der Sohn und die Schwiegertochter sich jeweils um ihre Kinder kümmern können, wenn der andere dazu gerade gesundheitlich nicht in der Lage wäre. Darüber hinaus sind die Enkelkinder zwischen 18 und vier Jahren alt, sodass auch die älteren Enkelkinder des BF einen Beitrag zur Betreuung ihrer jüngeren Geschwister leisten können.
Dass keine Anhaltspunkte für besonders ausgeprägte private oder berufliche Bindungen respektive eine fortgeschrittene Integration bestehen, ergibt sich daraus, dass der BF kein entsprechendes Vorbringen erstattete – wie etwa sonstige soziale Kontakte, Teilnahme an Deutschkursen, ehrenamtliche Tätigkeiten oder Vereinsmitgliedschaften. Im Übrigen ist auf die kurze Aufenthaltsdauer in Österreich zu verwiesen und insbesondere auf den Umstand, dass der BF vor dem gegenständlichen bereits drei Asylanträge in Österreich stellte. Er trat den Feststellungen der Verwaltungsbehörde, wonach keine weiteren wesentlichen sozialen Kontakte bestehen würden und keine besondere Integrationsverfestigung seiner Person vorliege, auch nicht im Rahmen der Beschwerde entgegen.
Die Gesamtsituation von Schutzberechtigten in Polen resultiert aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgung von Schutzberechtigungen auch Feststellungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zur medizinischen Versorgung getroffen, die letztlich auch durch das im Verfahren erstattete Vorbringen hinsichtlich etwaiger negativ empfundener Vorerfahrungen in Polen nicht entkräftet werden konnten.
Der Umstand, dass der BF in Polen über einen subsidiären Schutzstatus verfügt und damit in Polen Schutz vor Verfolgung gefunden hat, wird im Übrigen nicht in substantiierter Weise bestritten und ergibt sich aus dem vorgelegten polnischen Fremdenreisepass und gültigen Aufenthaltstitel. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Polen nicht zu beanstanden; aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Polen für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben.
Dass der polnische Staat für den BF nicht ausreichend gesorgt hat, lässt sich den Aussagen des BF nicht entnehmen. Das Vorbringen des BF, wonach er in Polen kaum Geld und keine Wohnung erhalten habe, ist im Hinblick darauf zu bewerten, dass der BF selbst angab „in Polen fast gar nicht gewohnt“ zu haben. Er sei immer gereist, was annehmen lässt, dass sich der BF nicht in besonderem Maße um Begründung einer Existenz in Polen durch eine Unterkunft, Versorgungsleistungen oder Integrationsmaßnahmen bemüht habe. Es besteht folglich kein Grund an der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des polnischen Staates zu zweifeln.
Auch sonst wurde vom BF kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern und Schutzberechtigten in Polen, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Fall bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben oder hatten bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist festzustellen, dass Überstellungen dann durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Die Feststellungen zu den derzeitigen Informationen betreffend COVID-19 sind amtsbekannt und der weltweiten Gesamtberichterstattung zu entnehmen. Die Feststellungen hinsichtlich der Anzahl der erkrankten und verstorbenen Personen in Polen bzw. in Österreich stammen von der John Hopkins University & Medicine (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 11.11.2021).
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:
„§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
…
§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
…“
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
…“
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)“
Dem BF wurde in Polen subsidiärer Schutz zuerkannt und ihm wurde zuletzt ein bis zum 27.05.2023 gültiger Aufenthaltstitel ausgestellt. In diesem Zusammenhang ist Folgendes festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0049) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und dieser dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener in § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann, stellt § 4a AsylG 2005 darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei der Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen könnte oder diesem etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könnte, ist gemäß § 4a AsylG 2005 somit nicht zu prüfen.
Aus dem festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus dem im Vorakt enthaltenen Schreiben der polnischen Dublin-Behörden vom19.09.2016 sowie dem vorgelegten Fremdenreisepass und Aufnahmetitel des BF, ergibt sich zweifelsfrei, dass der BF in Polen bereits als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, sein Verfahren dort rechtskräftig abgeschlossen und sein Aufenthaltstitel bereist verlängert wurde. Aus diesem Grund gelangt gegenständlich unzweifelhaft § 4a AsylG 2005 zur Anwendung.
Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin-III-VO (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/19/0072).
Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellung, wonach der BF in Polen aufgrund seiner dort erfolgten Asylantragstellung vom 16.03.2007 bereits subsidiär schutzberechtigt ist und somit in Polen Schutz vor Verfolgung gefunden hat, ging das BFA zutreffend davon aus, dass sich der gegenständliche in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz im Lichte des § 4a AsylG 2005 wegen Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig erweisen.
Es ist auf die kurze Aufenthaltsdauer in Österreich und die bereits zurückgewiesenen Asylanträge des BF in Österreich zu verwiesen. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs wäre allerdings dann unzulässig, wenn der BF dadurch in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt würde. Dies trifft allerdings gegenständlich aus den folgenden Erwägungen nicht zu:
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:
Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes – vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK – das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat kann jedoch ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden, rechnen muss. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben.
Es entspricht ebenfalls ständiger Judikatur des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ. Es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung – seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen – verschlimmert wird, wofür die Behörden verantwortlich gemacht werden können (EGMR 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rz 29; 28.02.2008 (GK), 37201/06, Saadi/Italien, Rz 134).
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.9.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 9.5.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl auch 16.7.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.1.2007, 2006/01/0949).
Im Urteil vom 19.03.2019 in den verbundenen Rechtssachen C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17, setzte sich der Europäische Gerichtshof mit den Lebensbedingungen von subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auseinander und kam zum Schluss, dass Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig im Sinne des Art. 33 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU (VerfahrensRL) wegen Gewährung von subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat abgelehnt werden können, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren. Der Umstand, dass Personen, denen solch ein subsidiärer Schutz zuerkannt wird, in dem Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne jedoch insofern anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser Antragsteller dort tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Antragsteller aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände.
Wie der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19.03.2019, C-163/17, Jawo, ausgeführt hat, wäre diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen wird diese Schwelle nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Jedenfalls kann der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits subsidiären Schutz gewährenden Mitgliedstaat, nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren.
Der angefochtene Bescheid enthält – wie oben dargestellt – Feststellungen zur Lage von Personen mit Schutzstatus in Polen. Vor dem Hintergrund dieser Länderberichte und der erstinstanzlichen Erwägungen kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Drittstaatsangehörige, die von Österreich nach Polen überstellt werden, aufgrund der polnischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines „real risk“ für den Einzelnen bestehen würde.
Wie aus den Feststellungen zur Situation in Polen hervorgeht, gewährleistet Polen grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge. Subsidiärer Schutz wird unbefristet erteilt. Schutzberechtigte haben die Möglichkeit binnen 60 Tagen nach Statuszuerkennung an Integrationsprogrammen teilnehmen, haben Zugang zum Arbeitsmark und zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger sowie Recht auf medizinische Versorgung.
Der BF machte weder vor der Verwaltungsbehörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht systemische Mängel hinsichtlich der Lebensbedingungen für Schutzberechtigte in Polen in substantiierter Weise geltend und führte auch keine konkreten Umstände hinsichtlich der dortigen Lebensbedingungen ins Treffen, die einer Rückkehr entgegenstehen würden. Vielmehr berief sich der BF allein darauf, dass sein Sohn und dessen Familie in Österreich leben würden. Die pauschal erhobene Behauptung, in Polen zu wenig Geld, keine Arbeit und keine Wohnung bekommen zu haben sowie das Vorbringen der Schwiegertochter in ihrem Unterstützungsschreiben, wonach der BF in Polen obdachlos sei, erweist sich einerseits als zu unkonkret und unsubstantiiert, als daraus keine Verletzung des Art. 3 EMRK abgeleitet werden kann und findet andererseits in den Länderfeststellungen keine Deckung.
Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt, gewährleistet Polen grundsätzlich ausreichend Schutz für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und ist somit nicht zu erkennen, dass der BF im Falle seiner Überstellung nach Polen Gefahr laufen würde, in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. Nach den Länderberichten zu Polen kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Polen konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.
Jedenfalls hätte der BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen seiner Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des
Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Polen und letztlich beim EGMR geltend zu machen.
Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Polen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR, des VfGH sowie des VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil desselben gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten bzw. dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).
Der 68jährige BF leidet – wie festgestellt – unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Zu den im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme des BF vom 09.09.2021 vorgebrachten Zahnproblemen sind keine medizinischen Unterlagen oder weitere Ausführungen vorgelegt worden, weshalb kein akutes oder schweres Leiden anzunehmen ist.
Es ist von einer ausreichenden medizinischen Behandlung für Schutzsuchende in Polen auszugehen. Die Gesetze in Polen gewährleisten Asylwerbern und Schutzberechtigten den Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie polnischen Staatsbürgern mit Krankenversicherung. Die Krankenversicherung wird von der öffentlichen Hand, dem etwaigen Arbeitgeber, dem zuständigen Arbeitsamt oder dem Schutzberechtigten selbst finanziert. Die polnische Krankenversicherung deckt die meisten medizinischen Behandlungen ab, jedoch einige Zahnbehandlungen, Medikamentenkosten, einige Heilbehelfe und Altenpflege sind nicht umfasst (AIDA 4.2020). In Polen sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Da nach den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheids in Polen der Zugang zur Gesundheitsversorgung somit gesichert ist und es auch keine anderslautenden substantiierten Ausführungen dazu gibt, kann davon ausgegangen werden, dass für den Fall, dass der BF im Zielstaat eine Behandlung benötigen sollte, eine solche gewährleistet ist.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.
Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass es sich bei dem BF um einen Mann von 68 Jahren handelt, der, wie dargestellt, gesund ist und nicht unter die Risikogruppen der Personen mit schweren Vorerkrankungen fällt. Aufgrund seines Alters fällt der BF zwar in die Risikogruppe der älteren Personen, die Infektionszahlen sind jedoch zuletzt weltweit, so auch in Europa und in Österreich, wieder signifikant gestiegen. Eine mögliche Ansteckung des BF mit dem Corona-Virus kann daher auch in Österreich nicht ausgeschlossen werden. Ein im Falle einer Überstellung nach Polen vorliegendes individuelles „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist demnach auch insofern nicht erkennbar.
Auch im Übrigen konnte der BF keine auf sich selbst bezogenen konkreten Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel / Tante und Neffen / Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art 8 Abs 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.1.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.7.2003, 53441/99, Benhebba Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Me