TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/16 W178 2246332-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2021
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Entscheidungsdatum

16.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
PG 1965 §41

Spruch


W178 2246332-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn Hofrat i.R. Dr. XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch RIEDL und Partner Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der BVAEB, Pensionsservice vom 22.06.2021, Zl. PS- XXXX /1, betreffend § 41 Abs. 1, 2 und Abs. 6 Pensionsgesetz 1965 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 22.06.2021 wurde auf den Antrag vom 19.02.2021 festgestellt, dass Herrn Dr. XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführer oder Bf) vom 01.01.2019 bis 31.12.2019 ein monatlicher Ruhebezug von brutto € 4.188,66 und vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 von € 4.264,06 gebühre.

Unter Hinweis auf § 41 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) sei die Erhöhung seines Ruhebezuges ab 01.012019 gemäß § 728 Abs. 1 Z 3 ASVG um 1,8 % zu erhöhen, das ergebe eine Erhöhung um € 75,40, sodass ab 01.01.2020 ein Ruhebezug von € 4.264,06 gebühre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts der Beamten durch den Gleichheitsgrundsatz ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offen gelassen; der Gesetzgeber sei lediglich gehalten, das Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältnis zu den dem Beamten obliegenden Dienstpflichten stehe; der VfGH habe bereits anlässlich von Beschwerden zu früheren Pensionsanpassungen die Behandlung von Beschwerden, wonach höhere Pensionen nur um einen Fixbetrag und nicht um einen Anpassungsfaktor erhöht wurden, mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt.

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung erhoben und Folgendes ausgeführt.:

Er stehe als Beamter (letzte Dienststelle XXXX ) in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund, seine Ruhestandsversetzung sei mit 01.09.2018 erfolgt. Er sehe es als unakzeptabel an, dass die erste Pensionserhöhung nicht mit 01.01.2019, sondern erst mit 01.01.2020 erfolgt sei. Weiters sei die prozentuelle Erhöhung seines Ruhebezuges mit 1,8 % deutlich niedriger ausgefallen, als nach der allgemeinen Pensionsanpassung nach dem PG 1965 und dem ASVG (insbesondere § 108h) sowie im Vergleich zum Monatsbezug von Beamten im Aktivstand.

Der angefochtene Bescheid entspreche der gesetzlichen Regelung, diese sei jedoch als verfassungswidrig und unionsrechtswidrig anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht werde angeregt, einen Antrag an den VfGH iSd Art. 140 B-VG auf Aufhebung des letzten Satzes des § 41 Abs. 2 PG 1965 zu stellen. Der zur Pensionserhöhung herangezogene § 728 ASVG führe darüber hinaus zu einer unsachlichen Benachteiligung höherer Bezüge gegenüber geringeren Pensionen. Der Bf verweist zusätzlich auf das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren (Beschluss des VwGH vom 31.07.2020,Ro 2019/12/0005) betreffend die Thematik rund um die Pensionserhöhung 2018.

3. Der Beschwerdeakt wurde am 26.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Die belangte Behörde gab zur Beschwerde eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist seit 01.09.2018 Beamter im Ruhestand und hat im Jahre 2018 einen monatlichen Brutto-Ruhebezug von € 4.188,66 bezogen. Für 2019 fand keine Erhöhung des Ruhebezuges statt („Wartejahr“), die Pensionserhöhung für 2020 betrug in seinem Fall 1,8 %, sodass er im Jahre 2020 einen monatlichen Ruhegenuss von € 4.264,06 bezog. Die richtige Umsetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und die rechnerische Richtigkeit des Ruhebezugs werden nicht in Zweifel gezogen.
2. Beweiswürdigung:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus dem vorgelegten Akt des BVAEB-Pensionsservice und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1 Gesetzliche Bestimmungen

§ 41 PG 1965 idFd BGBl. I Nr. 98/2019 (Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020) lautet wie folgt:

(1) Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

(2) Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1. vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder

2. sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.

Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.

[…]

(6) Die in § 728 ASVG für das Kalenderjahr 2020 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2019 nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, und dem Bundesbahn-Pensionsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2001, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2020 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 728 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen.

Gemäß § 728 Abs. 1 ASVG ist abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 2 und 2a die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2020 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 1 111 € monatlich beträgt, um 3,6%;

2. wenn es über 1 111 € bis zu 2 500 € monatlich beträgt, um jenen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 3,6% auf 1,8% linear absinkt;

3. wenn es über 2 500 € bis zu 5 220 € monatlich beträgt, um 1,8%;

4. wenn es über 5 220 € monatlich beträgt, um 94 €.

(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am 31. Dezember 2019 in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch vor Anwendung von Ruhens- und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 86 Abs. 3 Z 2 dritter und vierter Satz. Ausgenommen sind Kinderzuschüsse, die Ausgleichszulage, Pensionen, die nach § 108h Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2020 nicht anzupassen sind, befristete Pensionen, deren Anspruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2019 endet, sowie Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2019 durch die Anwendung des § 264 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2019 darauf Anspruch hat. Zum Gesamtpensionseinkommen sind heranzuziehen:

1. eine Hinterbliebenenpension in der Höhe, in der sie im Dezember 2019 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer Erhöhung nach § 264 Abs. 6 oder einer Verminderung nach § 264 Abs. 6a gebührt hat;

2. eine Invaliditäts(Berufsunfähigkeits)pension in der Höhe, in der sie im Dezember 2019 bei Zutreffen der Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer sich nach § 254 Abs. 6 und 7 ergebenden Teilpension gebührt hat.

(3) Bezieht eine Person zwei oder mehrere Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen, so ist der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 auf die einzelne Pension im Verhältnis der Pensionen zueinander aufzuteilen.

(4) Bei Hinterbliebenenpensionen, für die sich am 31. Dezember 2019 durch die Anwendung des § 264 Abs. 2 oder 6a kein Auszahlungsbetrag ergibt, ist abweichend von den Abs. 1 und 2 die mit dem Hundertsatz von 60 bemessene Pension mit dem Anpassungsfaktor für das Kalenderjahr 2020 zu vervielfachen.

(5) Abweichend von § 293 Abs. 2 sind die Ausgleichszulagenrichtsätze einschließlich der Richtsatzerhöhung für Kinder für das Kalenderjahr 2020 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern mit dem Faktor 1,036 zu vervielfachen.

(6) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger mitzuteilen. Der Pensionsversicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.

(7) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2020 von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs. 2) nicht überschreiten.

Gemäß § 108h ASVG sind mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres
a) alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt,

b) alle Hinterbliebenenpensionen, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) am 1. Jänner dieses Jahres liegt, wenn diese Pensionen von der Pension bemessen wurden, auf die der Verstorbene am Todestag Anspruch hatte,

mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Lit. b ist nicht anzuwenden, wenn der Stichtag für die Pension des Verstorbenen gleichfalls am 1. Jänner dieses Jahres liegt.

Abs.2 leg.cit.:

Der Anpassung nach Abs. 1 ist die Pension zugrunde zu legen, auf die nach den am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage sowie des Bonus nach § 299a und vor Anwendung von Ruhens- und Wegfallsbestimmungen sowie der Bestimmungen nach § 86 Abs. 3 Z 2 dritter und vierter Satz. Sie erfasst im gleichen Ausmaß alle Pensionsbestandteile.

[…]

3.2 Zu den Beschwerdeausführungen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich einerseits auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Pensionsanpassung 2020 bzw. ob diese Bestimmungen mit dem EU-Recht konform sind, andererseits auf die nicht erfolge Erhöhung im Jahr 2019 („Wartejahr“).

Die konkrete Anwendung der genannten Normen wird ausdrücklich nicht bestritten, ebenso wenig wie der Rechenvorgang.

3.3 Zur Pensionserhöhung 2020

Gemäß § 41 Abs. 6 PG 1965 ist § 728 ASVG auch auf Ruhegenussbezieher anzuwenden.

Grundlage des die Erhöhung seiner Leistung 2020 betreffenden Beschwerdevorbringens ist, dass nach § 728 ASVG ein Gesamtpensionseinkommen wie das des Bf von € 4.188,66, das also über € 2.500 und bis zu € 5.220 monatlich betrug, um 1,8 % zu erhöhen war, während geringere Leistungen mit 3,6 % bzw. linear absinkend bis 1,8 % erhöht wurden; höhere Leistungen wurden mit dem Fixbetrag von € 94 erhöht.

Der Bf macht Gleichheitswidrigkeit dieser Norm geltend.

3.3.1 Hinsichtlich der Motive des Gesetzgebers (688 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI.GP, S. 2) zum Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020 (Initiativantrag), ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien Folgendes:

„Zu Art 1 Ziffer 5 (§ 728 ASVG) sowie Art 2 bis Art. 9:

Der Anpassungsfaktor für das Jahr 2020 wird durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den Richtwert mit 1,018 festgesetzt werden. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Seniorenorganisationen darauf verständigt, dass an die Bezieher/innen kleinerer und mittlerer Pensionen zur Kaufkraftstärkung auf gesetzlichem Weg zusätzliche Zahlungen geleistet werden sollen.

Die vorgeschlagene, nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung für das Jahr 2020 trägt eine soziale Komponente in sich. So ist vor allem vorgesehen, Pensionen in der Höhe von nicht mehr als 1 111 € monatlich mit dem Faktor 1,036 zu vervielfachen. Damit im Zusammenhang sollen die Ausgleichszulagenrichtsätze ebenfalls um 3,6% erhöht werden.

Die Mehrkosten im Vergleich zur gesetzlich vorgesehenen Anpassung mit 1,8% betragen im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung im Jahr 2020 rund 344 Mio. €. Die gesetzlich vorgesehene Anpassung (1,8% linear) würde im Jahr 2020 Kosten von rund 720 Mio. € nach sich ziehen.

Nach § 41 Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965 sind die Ruhe- und Versorgungsbezüge der Bundesbeamtinnen und -beamten grundsätzlich zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen. Die Mehrkosten im Vergleich zur gesetzlich vorgesehenen Anpassung mit 1,8% betragen in diesem Bereich (UG 23) für 2020 rund 23 Mio. €. Die gesetzlich vorgesehene Anpassung (1,8% linear) würde im Jahr 2020 Kosten von rund 169 Mio. € mit sich bringen. […]“

3.3.2 Dem XXXX ist implizit zu entnehmen, dass die Erhöhung der Leistung des Bf, wie die aller Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, deren Leistungshöhe zwischen € 2.500 und € 5.220 lagen, jener entspricht, die sich aus den Grundregeln des ASVG über die Pensionsanpassung ergibt. Wie in den oben zitierten Materialien dargelegt, wurde nach § 108f. ASVG iVm der Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, mit der der Anpassungsfaktor für das Jahr 2020 festgesetzt wird, BGBl. II Nr. 308/2019, der Wert für das Jahr 2020 mit 1,018 festgesetzt.

Wenn sich der Bf daher auf eine aus der Erhöhung um 1,8 % resultierende Gleichheitswidrigkeit beruft, so ist dieses Faktum zu berücksichtigen bzw. besteht die Gleichheitswidrigkeit nur in der Besserstellung der Bezieherinnen und Bezieher niedrigerer Leistungen durch das PAG 2020, nicht in seiner Schlechterstellung gegenüber den Bestimmungen über den Anpassungsfaktor im ASVG (§§ 108f und fortfolgende).

3.3.3 Das Gericht verweist auch auf die Ausführungen im Erk des VfGH B 525/06 vom 29.11.2006:

„Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 17.254/2004 S 1201 mwN) die Auffassung, dass keine Verfassungsvorschrift den Schutz erworbener Rechtspositionen gewährleistet, sodass es im Prinzip in den politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Die Aufhebung oder Abänderung von Rechten, die der Gesetzgeber zunächst eingeräumt hat, muss jedoch jeweils sachlich begründbar sein. Auch an sich unbedenkliche Eingriffe in bestehende Rechtspositionen können aber nicht die Minderung erworbener Rechte jedweder Art und in jedweder Intensität sachlich rechtfertigen. Unter diesem zuletzt genannten Gesichtspunkt verletzt ein Gesetz den Gleichheitssatz, wenn es bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift. Diesem - aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten - Vertrauensschutz kommt gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zu. Bei der Änderung von Regelungen, die Pensionen betreffen, ist nämlich zu beachten, dass sich die in Betracht kommenden Personen schon während ihres Erwerbslebens im Vertrauen darauf eingerichtet haben, später eine am Erwerbseinkommen orientierte Pensionsleistung zu beziehen. Eine Missachtung dieses Vertrauens durch plötzliche, die (künftige) Lebensführung direkt treffende Maßnahme des Gesetzgebers wiegt bei Pensionsbeziehern besonders schwer, weil es diesem Personenkreis meist nicht mehr möglich ist, sich im Nachhinein auf geänderte Umstände einzustellen.“

Nach Auffassung des Gerichts sind diese, im öffentlichen Interesse liegenden Zielsetzungen geeignet, Regelungen über die verminderte Leistungsanpassung, wie die hier in Rede stehenden, sachlich zu rechtfertigen.

Auch wenn der Ruhebezug einen Teil des Entgeltes darstellt, das für während der Aktivzeit geleistete Arbeit steht, ist dieses vor einer Kürzung nicht gefeit, wenn diese im Rahmen bleibt (vgl. unten).

In vergleichbaren Fällen hat der Verfassungsgerichtshof (vgl. Erk vom 12.10.2016, G478/2015 mwH) bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in laufende Pensionsansprüche gegen den gebotenen Vertrauensschutz verstößt, als Grenze für eine, ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Rechtfertigungsgründe, anzunehmende Unbedenklichkeit des Eingriffes rd. 10% des Nettobezuges als maßgeblich angesehen (vgl. einerseits VfSlg 18.010/2006 – Wr. Dienst- und Pensionsordnung und andererseits VfSlg 17.254/2004 – Kürzungen der Notarpensionen um 20-28%).

Mitunter wurde auch berücksichtigt, ob es sich um den Teil eines, auch viele andere Personengruppen treffenden und so die Lasten gleichmäßig verteilenden, Maßnahmenpaketes gehandelt hat (VfSlg 14.867/1997 – Kürzung von Dienstzulagen von Richtern sowie VfSlg 18.010/2006 – Wr. Dienst- und Pensionsordnung). Die Nettokürzungen durch die Besteuerung von Unfallrenten, die für einen Großteil der Rentenbezieher zwischen 10% und 24% des Renten- und Pensionseinkommens betragen hat, wurde wegen Fehlens von Übergangsfristen für zwei Kalenderjahre als verfassungswidrig aufgehoben (VfSlg 16.754/2002; vgl. auch den Überblick bei Siess-Scherz, Vertrauensschutz im Sozialrecht, DRdA 2015, 433 ff).

Damit hat der VfGH den Spielraum des Gesetzgebers in der Richtung definiert, dass ein Eingriff bis zu 10% einer Kürzung (hier der nach Auffassung des Beschwerdeführers zustehenden Ruhebezug-Erhöhung, wenn nach §§ 108 und 108h ASVG angepasst worden wäre) zulässig ist; die verfassungsmäßige Prüfung - sowohl im Hinblick auf den Eigentumsschutz als auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz - der einfachgesetzlichen Regelungen hat nach diesen Gesichtspunkten zu erfolgen.

Da die gegenständliche Regelung der Pensions- (Ruhegenuss-) Anpassung für 2020 nach § 41 PG 1965 iVm § 728 ASVG im gegenständlichen Fall weit unter diesem Wert liegt und auch keine Leistungskürzung, wenn auch eine Kaufkraftminderung, sondern nominell eine Nichterhöhung vorliegt, hat das Gericht keine Bedenken in Richtung Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

Ebenso ist aus diesen Argumenten heraus ein Eingriff in das Eigentumsrecht in dieser Höhe gerechtfertigt.

Wenn allerdings die Anpassung von höheren Leistungen in den kommenden Jahren weiterhin unter dem Anpassungsfaktor/der Inflationsrate liegen sollte, könnte nach einigen Jahren die oben genannte Grenze erreicht werden. Dabei ist auch zu bedenken, dass die geringere Erhöhung Berechnungsgrundlagen-relevant ist, d.h. dass bei der nächsten jährlichen Pensionsanpassung (und den folgenden) die Basis für die prozentuelle Erhöhung geringer ist.

Diese Frage steht aber im konkreten Fall nicht zur Entscheidung.

Ob die Pensionserhöhung in Zeiten guter Konjunktur für alle oder bestimmte Personengruppen eine andere zu sein hat als in Zeiten der Krise, ist nach Ansicht des Gerichts primär eine Frage der politischen Entscheidung, wenn der Gesetzgeber den oben dargelegten - eher weiten - rechtspolitischen Spielraum nicht verletzt.

Einzuräumen ist, dass entgegen den Ausführungen in der „Wirkungsorientierten Folgenabschätzung“ das Ziel der Kaufkrafterhaltung mit der getroffenen Regelung für Personen mit Leistungsbezugshöhen wie jenen des Beschwerdeführers bei einer Inflationsrate von 2,08 (2017) nicht erreichbar war. Diese Folge hat der Gesetzgeber in einer politischen Verantwortlichkeit in Kauf genommen.

Zusammengefasst hat der Gesetzgeber mit den §§ 41 idF der Novelle BGBl. I Nr. 98/2019 iVm § 728 ASVG seinen Gestaltungsspielraum, den ihm die Verfassung zugesteht, nicht überschritten.
3.3.4 Vorbringen der Unionsrechtswidrigkeit wegen mittelbarer Diskriminierung

Unstrittig ist, dass aus§ 41 Abs. 6 PG 1965 iVm § 728 ASVG keine unmittelbare Diskriminierung resultiert. Daher ist zu prüfen, ob die Regelung eine mittelbare Diskriminierung darstellen kann.

Es ist unbestritten, dass von § 41 Abs. 6 PG 1965 und § 728 ASVG wesentlich mehr Männer als Frauen betroffen sind, weil in der Gruppe der höheren Pensionen (hier betroffen die mit monatlich € 2.500 bis zu € 5.220) mehr Männer vertreten sind als Frauen, vgl. https://www.oeffentlicherdienst.gv.at/fakten/publikationen/Einkommensbericht_2018.pdf.

Der Beschwerdeführer bezieht sich auch auf die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit und u.a. das Urteil des EuGH im Verfahren BRACHNER gegen PVA vom 20.10.2011, C-123/10 betreffend den Ausschluss der den Ausgleichszulagenrichtsatz unterschreitenden Pensionen von dieser Erhöhung.

Die Argumentation in der Beschwerde hinsichtlich der Diskriminierung von Männern, weil sie in der Gruppe mit den höheren Ruhegenüssen und den geringeren Pensionserhöhungen überrepräsentiert sind, führt aber nicht dazu, dass die Bestimmungen wegen Verletzung der Gleichbehandlungsrichtlinie nicht anwendbar wären.

Nach Auffassung des Gerichts sind die Aussagen des EuGHs im Fall BRACHNER auf den gegenständlichen Fall wegen des unterschiedlichen Sachverhaltes nicht übertragbar:

Der EuGH hat im Fall BRACHNER die im Vorlageverfahren gestellte Frage, ob Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Ausschluss einer bestimmten Gruppe von Kleinstpensionsbeziehenden von einer außerordentlichen Pensionserhöhung zur Folge hat und für diese eine geringere Erhöhung als für die übrigen Pensionsbeziehenden vorsieht, wodurch sehr viel mehr Frauen als Männer benachteiligt werden, bejaht.

Rechtliche Ausgangslage dafür war § 634 Abs. 10 ASVG:

§ 634 Abs. 10 ASVG beinhaltete, dass im Kalenderjahr 2008 eine Pension von mehr als € 746,99 bis zu € 1.050, um 21 € zu erhöhen war, von mehr als € 1.050 bis zu € 1.700, mit dem Faktor 1,020,- , bei mehr als € 1.700 bis zu € 2.161,50, war sie um einen Prozentsatz zu erhöhen, der zwischen den genannten Werten von 2,0% auf 1,7% linear absank, bei mehr als € 2.161,50, war sie um € 36,75 zu erhöhen.

Diese Bestimmung beurteilte der EuGH dahingehend, dass Frau Brachner, die eine den Ausgleichszulagenrichtsatz unterschreitende (Kleinst-)Pension, bezog, benachteiligt war, weil sie von der außerordentlichen Erhöhung ausgeschlossen war, die Personen mit höheren Pensionen (ab € 747) gewährt wurde; sie hatte nur Anspruch auf die in § 108h Abs. 1 ASVG vorgesehene geringere Erhöhung, die für das Jahr 2008 auf 1,7 % festgesetzt worden war. Personen mit einem Leistungsanspruch ab der Höhe der Ausgleichszulage konnten von einer höheren Pensionsanpassung profitieren, während höhere Pensionen (ab € 1.700) wieder mit einem geringeren Prozentsatz angepasst wurden.

Bei dieser Fallkonstellation hat man nach der Einschätzung des Gerichts von einer anderen Ausgangslage auszugehen und sie ist anders zu bewerten: Während im Fall BRACHNER die niedrigere Pensionserhöhung die Kleinstpensionen (bis € 747) betraf, während die Kleinpensionen in größerem Maße erhöht wurden, trifft sie hier die höheren Pensionen (ab 2.500,-- aufwärts), worauf ein anderer Maßstab anzulegen ist.

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die bessere Ausgangslage einer Gruppe (nachweislich im Schnitt höhere Pensionsbezüge der Männer), die dann eine Schlechterbehandlung/Benachteiligung bei der Leistungserhöhung nach sich zieht, keine Diskriminierung darstellt, sondern im Sinne eines Auslgeichsgedankens zu verstehen ist. Zudem trägt die nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung für das Jahr 2020 eine vom Gesetzgeber ausdrücklich intendierte soziale Komponente in sich, welche insbesondere die Kaufkraft kleinerer und mittlerer Pensionen stärken will – und eben nicht jene der hohen bzw. höchsten Bezüge (vgl. oben 688 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP, und Ausschussbericht 10247/BR d.B).

Eine Verletzung von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ist somit nicht festzustellen.

3.4 Zu § 41 Abs. 2 PG 1965 („Wartejahr“)

Der Bf wendet Verfassungswidrigkeit und Unionsrechtswidrigkeit ein, weil nach § 41 Abs. 2 PG 1965 in der hier anzuwendenden Fassung sein Ruhegenuss nicht bereits im Jahr 2019 erhöht wurde.

Er verweist darauf, dass seine Leistung aus 2 Komponenten besteht (Beamtenpension, APG-Leistung) und nicht nur der Teil der Beamtenpension nicht erhöht wurde, sondern auch der APG-Ast keine Erhöhung erfuhr, obwohl alle anderen ASVG/APG Pensionen bereits im ersten neuen Pensionsjahr angepasst werden. Es sei eine Schlechterstellung gegenüber den ASVG/APG Leistungsbezieherinnen und -bezieher.

Wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme zur Beschwerdevorlage ausführt hat der VwGH u.a. im Erk Z. 98/12/0489 vom 17.08.2000 ausgesprochen, dass hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Ruhegenüssen nach dem PG 1965 und dem Pensionssystem nach dem ASVG der VwGH davon ausgeht, dass es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (einschließlich Ruhestandsverhältnis) und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete handle, sodass aus dem „Quervergleich“ abgeleitete verfassungsrechtliche Bedenken ins Leere gingen […].

Zum Beschwerdevorbringen, dass auch ein APG-Ast in die Leistungsermittlung eingeflossen sei, ist darauf hinzuweisen, dass dieser beim Ruhegenuss des Bf nur einen geringen Teil, ca. 8 %, ausmacht (APG-Anteil laut Bescheid vom 09.01.2019: € 292,24 im Vergleich zu € 3.576,59 nach dem PG 1965, plus Erhöhungsbetrag und Nebengebührenzulage).

Auch zu dieser Frage ist auf den nach ständiger Rechtsprechung des VfGH verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes der öffentlich Bediensteten hinzuweisen, vgl. VfSlg. 11.193/1986, 12.154/1989, 13.558/1993, 16.176/2001, 17.451/2005, 17.452/2005, 19.255/2010, VfGH 07.06.2013, B 1345/2012, VfSlg. 20.108/2016, auch E 3155/2018-5 vom 27.11.2018.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.5 Es ist schließlich noch, wie schon vom Beschwerdeführer erwähnt, auf das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren zu EU 2020/0003 u.a. hinzuweisen.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 02.09.2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.04.2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Zu B) Zur Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es betreffend die gegenständliche Entscheidung, insbesondere zur Frage des „Wartejahres“ nach § 41 Abs 2 PG, an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Schlagworte

Diskriminierung Gleichheitsgrundsatz Pensionsanpassung Revision zulässig Ruhegenuss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2246332.1.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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