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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ArbIG 1993 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. Juli 1995, Zl. VwSen-220861/8/Schi/Ka, betreffend Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (mitbeteiligte Partei: P in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 17. Jänner 1994 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. Jänner 1994 wurde die mitbeteiligte Partei schuldig erkannt, als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter einer näher genannten Gesellschaft m.b.H. und Co KG insgesamt 42 Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen begangen zu haben. Über die mitbeteiligte Partei wurden drei Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,--, zwei Geldstrafen zu je S 2.500,--, sieben Geldstrafen zu je S 2.000,--, zehn Geldstrafen zu je S 1.800,--, acht Geldstrafen zu je S 1.500,-- und zwölf Geldstrafen zu je S 1.000,-- (sohin insgesamt S 70.000,--) sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 1995 wurde mit Spruchpunkt I der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung insofern Folge gegeben, als die Strafaussprüche zu den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen ersatzlos aufgehoben wurden.
In der Begründung führt die belangte Behörde im wesentlichen unter Hinweis auf die (ohne nähere Differenzierung) verhängte "Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt zwei Wochen" unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, daß die "Festsetzung einer einheitlichen Ersatzarreststrafe für mehrere Verwaltungsübertretungen" unzulässig sei. Unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/09/0049, sei es insbesondere im Hinblick auf das in § 51 Abs. 6 VStG festgehaltene Verbot der reformatio in peius mangels eines Maßstabes für die Aufteilung der (Ersatzfreiheits-)Strafen auf die einzelnen Fakten unzulässig, eine entsprechende Aufteilung der Ersatzfreiheitsstrafe vorzunehmen. Diese "Folge einer Fehlleistung" der Behörde erster Instanz habe jedenfalls von der belangten Behörde nicht mehr korrigiert werden können. Sie habe daher den Strafausspruch ersatzlos aufheben müssen.
In seiner auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (ArbIG) gestützten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der beschwerdeführende Bundesminister die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben eine Gegenschrift eingebracht und darin die Abweisung der Beschwerde (die mitbeteiligte Partei unter zusätzlicher Geltendmachung des Kostenersatzes) beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf die Ausführungen der mitbeteiligten Partei, mit denen zunächst die Zurückweisung der Beschwerde des Bundesministers wegen verspäteter Einbringung beantragt wird, ist festzuhalten, daß die Beschwerde rechtzeitig eingebracht, zulässig und mängelfrei ist. In einem Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG - um einen solchen handelt es sich bei einer sogenannten Amtsbeschwerde nach § 13 ArbIG (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0018) - beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG die sechswöchige Beschwerdefrist dann zu laufen, wenn der Bescheid aufgrund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, mit dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. u.a. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 1995).
Der beschwerdeführende Bundesminister führte in Entsprechung des Formerfordernisses nach § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG und unter Vorlage des diesbezüglichen mit entsprechendem Einlaufstempel versehenen Berichtes des zuständigen Arbeitsinspektorates aus, daß der Bescheid einschließlich des vorgenannten Berichtes am 4. August 1995 im Bundesministerium eingelangt ist. Die am 14. September 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerde wurde daher rechtzeitig erhoben. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist - entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei - für eine "verfassungskonforme und systematische" Auslegung, wonach die Beschwerdefrist entgegen der hg. Judikatur schon mit Zustellung der Berufungsentscheidung an das Arbeitsinspektorat (als Partei des Verwaltungsverfahrens) beginnen sollte, kein Raum.
Zutreffend rügt hingegen der beschwerdeführende Bundesminister, die belangte Behörde hätte auf die dem erstinstanzlichen Straferkenntnis anhaftende Rechtswidrigkeit, die in der undifferenzierten Festsetzung einer einheitlichen Ersatzfreiheitsstrafe für die 42 verhängten Geldstrafen bestehe, mit einer entsprechenden Änderung des Spruches des Straferkenntnisses reagieren müssen. Die ersatzlose Behebung des gesamten Strafausspruches verstoße gegen § 51 VStG und § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG.
Zur näheren Begründung bezüglich des Vorliegens einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides sowie hinsichtlich der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang angeführten hg. Judikatur - die nach Ansicht der belangten Behörde die im angefochtenen Bescheid geäußerte Rechtsansicht stützen soll - wird auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0018, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei ist auf die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit des Schuldspruches (insbesondere die Heranziehung der mitbeteiligten Partei als verantwortlicher Beauftragter) nicht mehr näher einzugehen, weil dies nicht Gegenstand des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist.
Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020425.X00Im RIS seit
20.11.2000