TE Bvwg Beschluss 2021/11/29 W196 2248198-1

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9

Spruch


W196 2248198-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Dr. Michael VALLENDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2021, Zl. 416589107-200369996, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Die Beschwerdeführerin reiste 2007 mit ihrer Mutter im Alter von sieben Jahren nach Österreich ein und ist seit dem 28.06.2007 im Bundesgebiet durchgehend gemeldet. Die Ehe der Mutter der Beschwerdeführerin mit dem Stiefvater wurde am 27.09.2003 geschlossen und am 28.02.2013 rechtskräftig geschieden.

Der Stiefvater hielt sich bis 2007 die Mutter bis 2017 in Österreich auf.

Die Beschwerdeführerin besuchte das Gymnasium, maturierte und war danach in Teilzeit berufstätig bei verschiedenen Firmen. Derzeit ist sie für das Wintersemester bei der FH Campus Wien für das Studium Computer Science and Digital Communications 0475 inskribiert und arbeitet seit 2017 für 30 Stunden die Woche bei der Firma Swarovski.
Von 29.06.2007 bis 29.06.2017 war sie im Besitz einer Daueraufenthaltskarte Nr. A1270814 ausgestellt durch die BH Amstetten.

Am 23.05.2017 stellte die Beschwerdeführerin beim Amt der Wiener Landesregierung, MA 35 einen Antrag auf Verlängerung als Angehörige eines EWR-Bürgers, abgeleitet von ihrem Stiefvater, welcher deutscher Staatsbürger ist.

Diesem Antrag wurde nach Überprüfung durch die MA35 mit Schreiben vom 29.04.2020 nicht stattgegeben.

Am 18.08.2021 wurde die Beschwerdeführerin zu einer schriftlichen Stellungnahme betreffend einer Rückkehrentscheidung aufgefordert der sie mit Schreiben vom 30.08.2021 nachgekommen ist.

Darin gab sie auf Befragung schriftlich an, dass sie gesund sei, dass sie ihren Lebensunterhalt derzeit durch Arbeit bei der Firma Swarovski bzw. ein Weiterbildungsgeld (Bildungskarenz) bestreite. Sie befinde sich seit 2007 in Österreich und sei ledig. Sie habe in keinem anderen Land einen Aufenthaltstitel oder eine Aufenthaltsberechtigung. Sie sei derzeit bei der österreichischen Gesundheitskasse versichert. Als Minderjährige sei sie über ihre Mutter bei Uniqa versichert gewesen. In Österreich und auch in der Russischen Föderation würden keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin leben. Ihre Mutter lebe in Deutschland und ihren leiblichen Vater habe sie nie getroffen. Sie sei kein Mitglied eines Vereins oder einer Organisation. Sie habe 2013 in Österreich die Matura an einer höheren Internatsschule des Bundes Wien 3 gemacht. In der Russischen Föderation sei sie nicht gemeldet. Dieser Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin Inskriptionsbestätigungen für das Studium Computer Science & die Digital Communication des FH Campus Wien für das Wintersemester 21/22 bei.

Nach Durchführung dieses Ermittlungsverfahrens sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 08.09.2021 aus, dass der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt wird. Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß §46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkte II. und III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG aberkannt und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkte IV. und V.).

Das Bundesamt ging im Wesentlichen davon aus, dass die Beschwerdeführerin die erlaubte Aufenthaltsdauer bei weitem überschritten hätte und kein schützenswertes Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich bestehe.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurde in vollem Umfang seitens der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin binnen offener Frist am 24.09.2021 Beschwerde erhoben.

Darin wurde der gegenständliche Bescheid in vollem Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswürdigkeit des Inhalts bekämpft, und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt.

Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass, nach Wiedergabe des wesentlichen Sachverhaltes, es unrichtig sei, dass die Beschwerdeführerin kein schützenswertes Privatleben in Österreich verfüge, wobei diese Feststellung schon aufgrund der 14-jährigen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht nachvollziehbar sei. Die Beschwerdeführerin verfüge über zahlreiche Freunde und Freundinnen nehme am sozialen Leben teil, was auch auf den Schulbesuch und die Arbeitsverhältnisse und das Studium zurückzuführen ist. Der Beschwerdeführerin sei zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthalts bekannt oder bewusst gewesen, dass ihr Aufenthalt unrechtmäßig sein könne. Ein allfälliger Fehler bei der Erteilung des Aufenthaltstitels und der Ausstellung der Daueraufenthaltskarte könne jedoch nicht insbesondere nicht nach 14-jährigem Aufenthalt zulasten der Beschwerdeführerin gewertet werden. Die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Ausstellung der Daueraufenthaltskarte noch minderjährig gewesen und nicht in das Erteilungsverfahren eingebunden gewesen. Die Beschwerdeführerin habe erstmalig bei der Antragstellung auf Verlängerung dieser Daueraufenthaltskarte seitens der MA 35 erfahren, dass die Ausstellung der Karte seinerzeit ungerechtfertigt erfolgt sein könnte, wobei die Bearbeitungsdauer bei der MA 35 rund drei Jahre gedauert habe. Für die notwendige Feststellung ob berücksichtigungswürdige Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen würden, werde der Antrag gestellt das Ermittlungsverfahren zu ergänzen und jedenfalls eine mündliche Verhandlung zur allfälligen Ergänzung des Vorbringens und zur Durchführung des Beweisverfahrens anzuberaumen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden, zumal insbesondere im Zusammenhang mit dem Privatleben der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 EMRK noch in einer mündlichen Verhandlung relevante Sachverhaltsermittlungen zu tätigen sind und in dieser besonderen Konstellation nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführerin ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen durch eine Abschiebung in den Zielstaat droht.

Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W196.2248198.1.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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