Entscheidungsdatum
02.12.2021Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
W151 2246569-1/9E
W151 2246569-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Höttinger Vlasich Partner Steuerberatung GmbH, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Burgenland, vom 16.07.2021, Zl: XXXX , sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde vom 22.10.2021:
A)
I. beschlossen:
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.07.2021 stellte diese die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer für Beitragsrückstände auf dem Beitragskonto der „ XXXX “ gemäß § 67 Abs. 10 ASVG fest.
2. Der Bescheid wurde laut Rückschein am 19.07.2021 von der Gattin des Beschwerdeführers übernommen.
3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Höttinger Vlasich Partner Steuerberatung GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführervertreter), eine mit 17.08.2021 datierte Beschwerde, die am 18.08.2021 bei der Österreichischen Gesundheitskasse einlangte.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von der belangten Behörde mit Schreiben vom 14.09.2021, eingelangt beim BVwG am 21.09.2021, vorgelegt.
5. Mit Parteiengehör vom 22.09.2021 wurde dem Beschwerdeführervertreter aufgetragen, mitzuteilen, ob diese Vertretungsvollmacht auch im Behördernverfahren eine Zustellvollmacht beinhaltete.
6. Mit Schreiben vom 01.10.2021 teilte der Beschwerdeführervertreter mit, dass zu keinem Zeitpunkt eine Zustellvollmacht vorlag oder vorliegt, sondern lediglich eine Vertretungsvollmacht.
7. Mit Verspätungsvorhalt durch das BVwG vom 06.10.2021 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ausweislich des Rückscheins die Zustellung an den Beschwerdeführer am 19.07.2021 erfolgt sei. Die Beschwerde sei laut Datum des Schriftsatzes am 17.08.2021 erstellt worden. Ausgehend vom obigen Zustelldatum habe die vierwöchige Beschwerdefrist am 16.08.2021 geendet und erweise sich die Beschwerde daher als verspätet.
8. Mit E-Mail vom 22.10.2021 bestätigte der Beschwerdeführervertreter, dass die Beschwerde per Einschreiben am 17.08.2021 eingebracht wurde. Laut Auskunft des Beschwerdeführers sei ihm der Bescheid am 20.07.2021 zugestellt worden. Für den Fall eines Irrtums auf Seiten des Beschwerdeführers, werde gem. § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, zumal diesen nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Begründend wurde lediglich auf ein anhängiges Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht aufgrund eines Exekutionsantrages der ÖGK betreffend einen Pfändungsbescheid der PVA verwiesen und mit mitgeteilt, die ÖGK habe aufgrund der Klage, welche am 27.09.2021 eingebracht wurde, dann wieder den Exekutionsantrag zurückgezogen.
9. Mit neuerlichem Parteiengehör wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass mit dem Vorbringen bezüglich des Pfändungsantrages der ÖGK nicht dargelegt sei, wodurch dies Auswirkungen auf den Verschuldensgrad in Hinblick auf die Fristwahrung der Beschwerdeeinbringung nach sich ziehe. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei aufgrund der derzeitigen Ermittlungsergebnisse abzuweisen. Dem Schreiben wurde auch eine Kopie des Rückscheins zum bekämpften Bescheid zur Kenntnis beigelegt, aus dem ersichtlich ist, dass der Bescheid am 19.07.2021 der Gattin des Beschwerdeführers rechtswirksam zugestellt wurde.
10. Der Beschwerdeführer gab hierzu keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Burgenland, vom 16.07.2021 stellte diese die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer für Beitragsrückstände auf dem Beitragskonto der „ XXXX “ gemäß § 67 Abs. 10 ASVG fest.
Der Bescheid wurde laut Rückschein am 19.07.2021 von der Gattin des Beschwerdeführers für diesen übernommen. Es bestand schon im Behördenverfahren keine Zustellvollmacht des Beschwerdeführervertreters, es liegt und lag lediglich eine Vertretungsvollmacht vor. Der Bescheid wurde somit am 19.07.2021 rechtskonform und rechtswirksam lediglich dem Beschwerdeführer zugestellt, sodass die Beschwerdefrist am 19.07.2021 zu laufen begann und mit Ablauf des 16.08.2021 endete.
Die Beschwerdeführervertretung bestätigte mit E-Mail vom 22.10.2021, die Beschwerde am 17.08.2021 per Einschreiben eingebracht zu haben. Damit wurde die Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht und erweist sich als verspätet.
Der Bescheid vom 16.07.2021 ist rechtskräftig.
Es wurden mit dem Vorbringen eines anhängigen Verfahren des Beschwerdeführers vor dem Arbeits- und Sozialgericht aufgrund eines Exekutionsantrages der ÖGK betreffend einen Pfändungsbescheid der PVA und der darauffolgenden Zurückziehung des Exekutionsantrages keine Gründe vorgebracht und glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, wobei den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Versehens getroffen hätte, an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und dem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren des erkennenden Gerichts.
Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides ergeben sich aus dem aktenkundigen Rückschein, auf dem ausgewiesen ist, dass der Bescheid am 19.07.2021 von einem/r Mitbewohner/in des Beschwerdeführers übernommen wurde. Auf dem Rückschein ist handschriftlich vermerkt, dass es sich dabei um die Gattin des Beschwerdeführers handelte.
Die Feststellungen zur mangelnden Zustellvollmacht des Beschwerdeführervertreters folgt aus seinem Schreiben vom 01.10.2021, wonach zu keinem Zeitpunkt eine Zustellvollmacht vorlag oder vorliegt, sondern lediglich eine Vertretungsvollmacht.
Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde durch diesen ergeben sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.2021, in dem die Parteienvertretung des Beschwerdeführers ausdrücklich angab, die Beschwerde per Einschreiben am 17.08.2021 eingebracht zu haben.
Für das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Seitens der Beschwerdevertretung wurde lediglich vorgebracht, dass nach Auskunft des Beschwerdeführers der Bescheid erst am 20.07.2021 zugestellt worden sei und im Fall eines Irrtums des Beschwerdeführers diesen ein Versehen minderen Grades treffe (vgl. Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.2021). Ein weiteres Vorbringen, welches einen allfälligen Irrtum des Beschwerdeführers erläutert und Aufschluss über dessen Verschuldensgrad gegeben hätte, wurde trotz diesbezüglichen Parteiengehörs nicht erstattet.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat.
Gegenständlich wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.3. Maßgebende Rechtsvorschriften in der Sache:
§ 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, StF BGBl. I Nr. 33/2013, (VwGVG) lautet:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) …
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) …“
§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, StF BGBl. Nr. 51/1991, (AVG) lautet:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71.
(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“
Zu A) I. Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).
Ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020).
Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/01/0125, - 14 - u.a.). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 71 AVG, E 96 ff).
Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 07.06.2000, 99/01/0337). Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, ist so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71 Rz 44, samt zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur; VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Rechtsanwalt selbst verantwortlich (vgl. VwGH 28.01.2004, 2003/12/0166). Die Einhaltung der Rechtsmittelfrist erfordert von der Partei und von ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt. Dabei muss sich der Vertretene das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen (VwGH 26.01.2014, 2012/13/0051).
3.4. Fallbezogen folgt daraus:
Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde gegenständlich lediglich vorgebracht, dass nach Auskunft des Beschwerdeführers der Bescheid erst am 20.07.2021 zugestellt worden sei und im Fall eines Irrtums des Beschwerdeführers diesen ein Versehen minderen Grades treffe (vgl. Wiedereinsetzungsantrag vom 22.10.2021). Ein weiteres Vorbringen, welches einen allfälligen Irrtum des Beschwerdeführers erläutert und Aufschluss über dessen Verschuldensgrad gegeben hätte, wurde trotz diesbezüglichen Parteiengehörs nicht erstattet.
Mit dem Vorbringen des Pfändungsantrages der ÖGK betreffend die Pension des Beschwerdeführers und ein daraufhin anhängig gewordenes Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht ist nicht dargelegt, wodurch dies Auswirkungen auf den Verschuldensgrad in Hinblick auf die Fristwahrung der Beschwerdeeinbringung nach sich ziehen soll.
Es wurde somit nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, wobei den Beschwerdeführer nur ein minderer Grad des Versehens getroffen hätte, an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war.
Infolge dessen war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand somit abzuweisen.
Zu A) II. Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung:
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß Z 1 leg.cit., wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Werktag der letzte Tag der Frist. Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24.00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (vgl. VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN).
Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 16.07.2021 dem Beschwerdeführer am 19.07.2021 zugestellt, da für den Beschwerdeführervertreter keine Zustellvollmacht vorlag. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des 16.08.2021. Die am 17.08.2021 vom Beschwerdeführervertreter eingebrachte Beschwerde, eingelangt bei der belangten Behörde am 18.08.2021, erweist sich somit als verspätet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Partei zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Somit war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif und konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist rechtswirksame Zustellung Verspätung Wiedereinsetzungsantrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2246569.1.00Im RIS seit
17.01.2022Zuletzt aktualisiert am
17.01.2022