TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/3 W164 2215499-2

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Veröffentlicht am 03.12.2021
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Entscheidungsdatum

03.12.2021

Norm

APG §15
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8

Spruch


W164 2215499-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin aufgrund der von XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Telos Law Group, Winalek, Nikodem, Weinzinger Rechtsanwälte GmbH, Wien, gem. Art 130 Abs 1 Z 3 und Art 132 Abs 3 B-VG erhobenen Säumnisbeschwerde vom 30.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Jahresbeitragsgrundlage des Beschwerdeführers für das Jahr 1980 beträgt € 10.577,24.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Zur Vorgeschichte:

Der nunmehrige Beschwerdeführer hatte mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom 23.12.2016 eine Kontoerstgutschrift gem. § 15 Allgemeines Pensionsgesetz (APG) zum 01.01.2014 erhalten.

Der BF hatte daraufhin Klage an das Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht erhoben, mit der er sich gegen die Berechnung der Kontoerstgutschrift gewendet hatte: Die Berechnung sei unter Anwendung der falschen Rechtsgrundlagen und ohne Berücksichtigung der Anpassungsfaktoren vorgenommen worden.

Das LG Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht hatte sein Verfahren XXXX mit Beschluss vom 03.10.2017 zwecks Überprüfung der Beitragsgrundlagen bei der Krankenkasse unterbrochen.

Mit Schreiben vom 30.04.2018 ersuchte der BF durch seine damalige Rechtsvertretung die Wiener Gebietskrankenkasse (nun Österreichische Gesundheitskasse) im folgenden WGKK, um Richtigstellung seiner Versicherungsdaten bzw. für den Fall der Ablehnung um Bescheiderlassung.

Im Detail führte der BF soweit hier wesentlich aus:

-        Er habe von 03.10.1977 bis 31.05.1978 in Wien den Präsenzdienst abgeleistet. Der BF verwies zum Beweis auf sein Wehrdienstbuch.

-        Er habe von 16.08.-08.09.1980 beim AMS Wien Arbeitslosengeld bezogen. Zum Beweis verwies der BF auf amtliche Bestätigungen des AMS 901.

Hinsichtlich beider Zeiträume seien die Beitragsgrundlagen zu berichtigen.

Mit Einlangensdatum 27.12.2018 gab die nunmehrige Rechtsvertretung des BF ihre Bevollmächtigung bekannt, erhob Säumnisbeschwerde und verwies auf das genannte Schreiben vom 30.4.2018, mit dem eine bescheidmäßige Erledigung beantragt worden sei. Es wurde eine Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Wien gem. § 28 Abs 7 VwGVG beantragt.

Mit Bescheid vom 08.01.2019 GZ VA-BR/ XXXX , somit innerhalb der in § 16 Abs 1 VwGVG vorgesehenen Frist, wies die WGKK

1.) den Antrag des BF auf bescheidmäßige Feststellung der Beitragsgrundlage für seinen Präsenzdienst im Zeitraum 03.10.1977 bis 31.05.1978 und

2.) den Antrag des BF auf bescheidmäßige Feststellung der Beitragsgrundlage für die in der zentralen Versicherungsdatenspeicherung des Hauptverbandes (nun Dachverbandes) der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Zeiten eines Arbeitslosengeldbezuges für den Zeitraum 16.08.1980 bis 08.09.1980 zurück.

Begründend verneinte die WGKK ihre Zuständigkeit zur Vornahme der geforderten Entscheidung: Weder für die bescheidmäßige Feststellung von Beitragsgrundlagen für Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld noch für die Feststellung von Beitragsgrundlagen für Zeiten der Wehrdienstableistung wäre aus § 409 ASVG eine Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers abzuleiten.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF, durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Beschwerde mit Erkenntnis W164 2215499-1/6E vom 24.04.2020, soweit sie die Zuständigkeit der ÖGK zur Entscheidung über Beitragsgrundlagen aus Zeiten des Wehrdienstes betraf, abgewiesen. Soweit die Beschwerde die Zuständigkeit der ÖGK zur Entscheidung über Beitragsgrundlagen aus Zeiten der Arbeitslosigkeit betraf hat das BVwG den angefochtenen Bescheid gem. § 28 Abs 3, zweiter Satz VwGVG behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die ÖGK zurückverwiesen.

Die vom BF gegen diese Entscheidung erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis Ra 2020/08/0098 vom 12.11.2020 zurückgewiesen.

Zum nun vorliegenden Verfahren:

Mit Einlangensdatum 30.03.2021 brachte der BF bei der Österreichischen Gesundheitskasse, ÖGK, eine Säumnisbeschwerde gem. Art 130 Abs 1 Z 3 und Art 132 Abs 3 B-VG ein und führte zur Begründung aus, die ÖGK habe mehr als sechs Monate nach der oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2020 über die Zurückverweisung der Angelegenheit betreffend Feststellung der Beitragsgrundlage für Zeiten der Arbeitslosigkeit (16.08.1980 bis 08.09.1980) keine Entscheidung erlassen. Die Entscheidungspflicht sei verletzt. Beantragt wurde eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache selbst.

Die ÖGK legte diese Beschwerde samt dem Bezug habenden Akt mit Einlangensdatum 19.06.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte soweit hier wesentlich die Zurückweisung in eventu die Abweisung der Säumnisbeschwerde. Die ÖGK vertrat weiterhin die Rechtsmeinung, für die geforderte Entscheidung nicht zuständig zu sein. Im Übrigen habe das AMS für die gegenständliche Zeit keine Beitragsgrundlage gemeldet. Recherchen hätten ergeben, dass das AMS über keine Beitragsgrundlagen diesbezüglich mehr verfüge. Es sei der ÖGK daher weder rechtlich noch faktisch möglich die Beitragsgrundlagen festzustellen.

Mit Schreiben vom 01.09.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Pensionsversicherungsanstalt um Stellungnahme einerseits zu einem im Verwaltungsakt befindlichen Pensionskontoauszug vom 04.08.2010, der für das Jahr 1980 als Summe der Beitragsgrundlagen € 11.126,67 nennt und andererseits zum ebenfalls im Akt aufliegenden Versicherungsdatenauszug (unverdichtete Basisdaten) vom 23.12.2016, in dem für das Jahr1980 Beitragsgrundlagen aus Dienstverhältnissen bei den Firmen XXXX und XXXX berücksichtigt wurden wobei die Summe der diesbezüglich angeführten Beträge nur € 10.577,24 ergibt.

Die PVA wurde um Stellungnahme ersucht, weshalb in diesen zwei Auszügen (Pensionskontoauszug vom 04.08.2010 einerseits und Versicherungsdatenauszug vom 23.12.2016 andererseits) für das Jahr 1980 verschiedene Beitragsgrundlagen aufscheinen würden und 1) aus welchem Grund sowie 2) auf welcher rechtlichen Grundlage die Zahlungen des AMS aus dem von 16.08.1980 bis 08.09.1980 bezogenen Arbeitslosengeld laut Versicherungsdatenauszug vom 23.12.2016 nicht für die Berechnung der Jahresbeitragsgrundlage berücksichtigt wurden.

Mit aufgetragener Stellungnahme vom 14.10.2021 hat die Pensionsversicherungsanstalt folgendes vorgebracht: Mit Inkrafttreten des 2. Stabilitätsgesetzes 2012 (9. Novelle zum APG) sei die bis dahin geltende Parallelrechnung durch die neue Kontoerstgutschrift ab dem 01.01.2014 abgelöst und ein neues Pensionskonto eingeführt worden. Mit der Kontoerstgutschrift seien zum Stichtag 01.01.2014 erworbene Versicherungszeiten (sowohl aus dem Altrecht als auch aus dem Neurecht) berücksichtigt und abgegolten worden. Die ermittelte Kontoerstgutschrift bilde daher gleichzeitig die Gesamtgutschrift für das Kalenderjahr 2013. Frühere Teil- und Gesamtgutschriften hätten durch die ihre Gültigkeit verloren.

Im genannten Pensionskontoauszug aus dem Jahr 2010 seien die Teilgutschriften der Jahre 1974 bis 2010 abgebildet. Diese Teilgutschriften seien nur bis 01.01.2014 für eine Pensionsberechnung im Rahmen der Parallelrechnung essentiell gewesen. Mit der angesprochenen Novelle seien alle bis zum 31.12.2013 erworbenen Versicherungszeiten in der Kontoerstgutschrift zusammengefasst worden.

Laut Versicherungsdatenauszug seien im Jahr 1980 zwei Dienstverhältnisse vorgelegen. Hinsichtlich beider Dienstverhältnisse weise der Versicherungsdatenauszug insgesamt € 10.577,24 incl. Sonderzahlungen als Beitragsgrundlage aus.

Versicherungszeiten des Arbeitslosengeldbezuges seien aufgrund der damals [Anm.: 1980] geltenden Rechtslage Ersatzzeiten iSd § 227 Abs 1 Z 5 ASVG gewesen. Ersatzzeiten seien bei der Berechnung der Pensionshöhe zwar wie Beitragszeiten berücksichtigt worden, allerdings sei ihnen keine „eigene“ Beitragsgrundlage zugeordnet worden. Aus diesem Grund weise der Versicherungsdatenauszug beim Arbeitslosengeld für das Jahr 1980 keine eigens ausgewiesene Beitragsgrundlage auf. Dies sei kein Versehen, sondern habe jahrzehntelang der Rechtsprechung entsprochen.

Mit Einführung der Parallelrechnung ab 01.01.2005 sei es erforderlich geworden, rückwirkend auch den ehemaligen Ersatzzeiten (wie etwa für Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld) eine Beitragsgrundlage zuzuweisen. Dazu seien 70% der um ein Sechstel erhöhten Tagesbeitragsgrundlage des letzten vor dem Bezug liegenden Beitragsmonats herangezogen worden. Für den BF sei aus der Jahresbeitragsgrundlage 1979 (€ 10.530,29 durch die Teilung durch 360 eine Tagesbeitragsgrundlage von € 29,25 errechnet worden. Diese sei um 1/6 auf € 34,1259 erhöht worden, davon seien 70% gebildet worden, somit € 23,8881. Der BF habe von 16.08. bis 08.09.1980, somit 23 Tage Arbeitslosengeld bezogen, was zu einer Beitragsgrundlage von € 549,43 für diesen Zeitraum geführt habe. Diese Summe sei den Jahresbeitragsgrundlagen aus Erwerbstätigkeit (€ 10.577,24) hinzugefügt worden.

Die Parallelrechnung sei mit 01.01.2014 wieder abgeschafft worden, sodass es seither nicht mehr erforderlich sei, den ehemaligen Ersatzzeiten eine Beitragsgrundlage zuzuweisen.

Im Zuge des dazu gewährten Parteiengehörs wendete der BF durch seine Rechtsvertretung ein, er habe im Jahr 2008 einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Stichtag sei der 01.11.2008. Die Pension sei im Jahr 2010 zuerkannt worden und beziehe der BF seitdem eine Pension. Es habe daher die Rechtslage aus dem Jahr 2008 (67 ASVG-Novelle, 32.GSVG-Novelle, 32. BSVG-Novelle und 4. APG-Novelle) zur Anwendung zu kommen. Der Arbeitslosengeldbezug hätte bei der Berechnung der Kontoerstgutschrift für den BF mit einer Beitragsgrundlage berücksichtigt werden müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der nach dem 31.12.1954 geborene Beschwerdeführer bezog von 16.08.1980 bis 08.09.1980 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Dieser Leistungsbezug löste zeitraumbezogen eine Ersatzzeit aus.

Von 01.01.2005 bis 31.12.2013 wurde diesem Leistungsbezug im Rahmen der in diesem Zeitraum für nach dem 31.12.1954 geborene Personen (die die bis 31.12.2004 mindestens einen Versicherungsmonat nach den Sozialversicherungsgesetzen erworben haben) vorgesehene Parallelrechnung eine Beitragsgrundlage zugeordnet und diese Beitragsgrundlage zur sonst sich ergebenden Jahresbeitragsgrundlage hinzugefügt.

Der BF erhielt während der Geltung dieser Gesetzeslage von der Pensionsversicherungsanstalt eine Teilkontoerstgutschrift, welche für das Jahr 1980 eine zusätzliche Beitragsgrundlage von € 549,43 für 23 Tage des Bezugs von Arbeitslosengeld in der Zeit von 16.08.- 08.09.1980 auswies und die Jahresbeitragsgrundlage 1980 auf den Betrag von € 11.126,67 erhöhte.

Der BF beantragte und bezog vor dem 01.01.2014 eine Berufsunfähigkeitspension.

Mit BGBl I 86/2013, in Kraft ab 01.01.2014, wurde § 15 APG grundlegend novelliert:

Die Parallelrechnung wurde abgeschafft. Die für den BF gemäß der neuen Rechtslage erstellte Kontoerstgutschrift enthält für das Jahr 1980 keine Beitragsgrundlage für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosenversicherungsgelt sondern ausschließlich Beitragsgrundlagen aus seine 1980 ausgeübten Erwerbstätigkeit. Die Summe ergibt € 10.577,24.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere den Versicherungsdatenauszug des BF, weiters durch Einsichtnahme in die Beschwerde samt den der Beschwerde angeschlossenen Bestätigungen über seinen Bezug von Arbeitslosengeld im Zeitraum 16.08.1980 bis 08.09.1980.

Der Sachverhalt ist soweit hier wesentlich unbestritten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erscheint nicht geboten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 grundsätzlich durch EinzelrichterInnen und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Der hier vorliegende Fall ist von dieser Bestimmung erfasst; es wurde aber kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zufolge § 8 Abs 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, [...] entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Zufolge § 8 Abs 2 Z 2 ist in diese Frist die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht einzurechnen.

Im vorliegenden Fall hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis W164 2215499-1/6E vom 24.04.2020, der ÖGK zugestellt am 27.04.2020, den angefochtenen Bescheid soweit hier wesentlich (Entscheidung über Beitragsgrundlagen aus Zeiten der Arbeitslosigkeit) gem. § 28 Abs 3, zweiter Satz VwGVG behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die ÖGK zurückverwiesen. Die Entscheidungsfrist für die ÖGK begann damit neu zu laufen. Da der BF gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W164 2215499-1/6E, vom 24.04.2020 mit Einbringungsdatum 12.06.2020 Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, war die Entscheidungsfrist während der Zeit dieses Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof (12.06.2020 bis 12.11.2020) unterbrochen. Auch unter Herausrechnung dieser Frist waren zum Zeitpunkt der Säumnisbeschwerde sechs Monate ab der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts W164 2215499-1/6E vom 24.04.2020 vergangen. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache ist daher auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Im Fall einer Säumnisbeschwerde entscheidet das Verwaltungsgericht nach Maßgabe ders § 28 Abs 7 VwGVG ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage, Manz, RZ 10 zu §8 mit Verweis auf VwGH Ra 2015/19/0075 vom 27.05.2015 und Ra 2016/06/0023 vom 24.10.2017).)

Zu A)

Im vorliegenden Fall begehrt der BF eine auf ihn bezogene Weiteranwendung des APG in der vor dem 01.01.2014 geltenden Fassung, somit vor Inkraftreten der Novelle, BGBl. I Nr. 86/2013. Die vom BF begehrte Anwendung der alten Rechtslage und die aktuelle Rechtslage des APG unterscheiden sich im Wesentlichen in § 15 APG:

Parallelrechnung:

§ 15 APG in der vor dem 01.01.2014 geltenden Fassung sah für nach dem 31.12.1954 geborene Personen (die die bis 31.12.2004 mindestens einen Versicherungsmonat nach den Sozialversicherungsgesetzen erworben haben) die Parallelrechnung vor.

§ 15 Abs 2 Z 1 lit d sublit aa APG in der vor dem 01.01.2014 geltenden Fassung sah vor, dass bei der Berechnung der APG-Pension im Rahmen der Parallelrechnung als Beitragsgrundlage für Ersatzzeiten nach § 227 Abs 1 Z 5 ASVG bei Bezug von Arbeitslosengeld [...] für Zeiträume vor dem Jahr 2005 70% der um ein Sechstel ihres Betrages erhöhten Tagesbeitragsgrundlage (§ 242 Abs 2 Z 1 ASVG) des letzten vor dem Bezug liegenden Beitragsjahres […] als Beitragsgrundlage gelten sollte.

Kontoerstgutschrift zum 01.01.2014:

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 86/2013 wurde § 15 APG grundlegend abgeändert und lautet nunmehr wie folgt:

(1) Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1954 geboren sind und bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 mindestens einen Versicherungsmonat nach diesem Bundesgesetz, dem ASVG, GSVG, FSVG oder BSVG erworben haben, wird eine Kontoerstgutschrift zum 1. Jänner 2014 ermittelt.

(2) Zur Ermittlung der Kontoerstgutschrift ist (als Ausgangsbetrag) das Ausmaß der Alterspension nach dem ASVG, GSVG, FSVG und BSVG, das sich unter der Annahme des Vorliegens des Regelpensionsalters und eines Pensionsstichtages zum 1. Jänner 2014 ergibt, so zu berechnen, dass

1. als Bemessungsgrundlage abweichend von den §§ 238 Abs. 1 erster Satz ASVG, 122 Abs.
1 erster Satz GSVG und 113 Abs. 1 erster Satz BSVG die Summe der 336 höchsten
monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen, geteilt durch 392, heranzuziehen ist;

2. die §§ 238 Abs. 2 ASVG, 122 Abs. 2 GSVG und 113 Abs. 2 BSVG über die Verminderung der
Zahl der Gesamtbeitragsgrundlagen nicht anzuwenden sind;

3. für die Bildung der Bemessungsgrundlage auch Versicherungszeiten nach diesem
Bundesgesetz, die vor dem 1. Jänner 2014 erworben wurden, zu berücksichtigen sind;
dabei sind Versicherungszeiten auf Grund einer Pflichtversicherung nach den §§ 8 Abs. 1
Z 2 lit. a bis g ASVG, 3 Abs. 3 GSVG und 4a BSVG wie die entsprechenden Ersatzzeiten
nach den §§ 227 und 227a ASVG, 116 und 116a GSVG sowie 107 und 107a BSVG zu
behandeln, und zwar unter Anwendung des § 243 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG in der am
31. Dezember 2004 geltenden Fassung;

[…]

(3) Die nach Abs. 2 ermittelte Pensionshöhe, gerundet auf Cent, bildet den Ausgangsbetrag für die Berechnung der Kontoerstgutschrift.

Vergleichsbetrag:

Zufolge § 15 Abs 4 APG ist zur Ermittlung der Kontoerstgutschrift weiters (als Vergleichsbetrag) das Ausmaß der Alterspension, das sich bei Anwendung der Parallelrechnung nach der am 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage sowie unter der Annahme des Vorliegens des Regelpensionsalters und eines Pensionsstichtages zum 1. Jänner 2014 ergibt, so zu berechnen, dass

1. ein besonderer Steigerungsbetrag nach den §§ 248 Abs. 1 ASVG, 141 Abs. 1 GSVG und 132
Abs. 1 BSVG nicht zu berücksichtigen ist;
2.noch nicht nachbemessene (vorläufige) Beitragsgrundlagen
a) nach dem GSVG in Höhe der jeweiligen Mindestbeitragsgrundlagen als
Beitragsgrundlagen nach § 25 Abs. 2 GSVG unter Anwendung des § 26 Abs. 3 bis
5 GSVG zu berücksichtigen sind;
b) nach dem BSVG in der zum 1. Jänner 2014 festgestellten Höhe zu berücksichtigen
sind;
die §§ 25 Abs. 7 GSVG und 23 Abs. 12 BSVG sind in diesen Fällen nicht anzuwenden, es sei denn, die Pensionsleistung wird vor der Nachbemessung der (vorläufigen) Beitragsgrundlagen in Anspruch genommen.

Zufolge § 15 abs 5 APG bildet die nach Abs. 4 ermittelte Pensionshöhe auf Grund der Parallelrechnung, gerundet auf Cent, den Vergleichsbetrag für die Berechnung der Kontoerstgutschrift.

Zufolge § 15 Abs 6 APG bildet das 14-fache des Ausgangsbetrages die Kontoerstgutschrift, es sei denn, der Ausgangsbetrag ist niedriger oder höher als der für den jeweiligen Geburtsjahrgang mit Prozentsätzen nach Abs. 7 vervielfachte Vergleichsbetrag.

§ 15 Abs 7 APG regelt Folgendes:

Ist der Ausgangsbetrag einer Person, die einem in der linken Spalte genannten Jahrgang angehört,

niedriger als der mit dem in der mittleren Spalte genannten Prozentsatz vervielfachte Vergleichsbetrag, so bildet das 14-fache dieses prozentuell vervielfachten Vergleichsbetrages die Kontoerstgutschrift;

höher als der mit dem in der rechten Spalte genannten Prozentsatz vervielfachte Vergleichsbetrag, so bildet das 14-fache dieses prozentuell vervielfachten Vergleichsbetrages die Kontoerstgutschrift:

1955 …………….. 98,5 % …………….. 101,5 %

1956 …………….. 98,3 % …………….. 101,7 %

1957 …………….. 98,1 % …………….. 101,9 %

1958 …………….. 97,9 % …………….. 102,1 %

1959 …………….. 97,7 % …………….. 102,3 %

1960 …………….. 97,5 % …………….. 102,5 %

1961 …………….. 97,3 % …………….. 102,7 %

1962 …………….. 97,1 % …………….. 102,9 %

1963 …………….. 96,9 % …………….. 103,1 %

1964 …………….. 96,7 % …………….. 103,3 %

ab 1965 ………..... 96,5 % …………….. 103,5 %

Zufolge § 15 Abs 8 APG ist die Kontoerstgutschrift als Gesamtgutschrift für das Jahr 2013 bis längstens 31. Dezember 2014 in das Pensionskonto aufzunehmen und der kontoberechtigten Person mitzuteilen. Frühere Teil- und Gesamtgutschriften verlieren damit ihre Gültigkeit und werden durch die Gesamtgutschrift 2013 ersetzt.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Zeiten des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sind nach der ab 01.01.2014 geltenden Fassung des § 15 APG jedenfalls als Ersatzzeiten zu behandeln. Ihnen ist keine Beitragsgrundlage zuzuordnen (§ 15 Abs 2 Z 3 APG).

Die Parallelrechnung findet allerdings mittelbar Eingang in die mit BGBl I 86/2013 novellierte Fassung des § 15 APG und zwar in der Form eines Vergleichsbetrages:

Unter den in § 15 Abs 5, Abs 6 und Abs 7 APG genannten Voraussetzungen findet die bis zur Novelle BGBl. I Nr. 86/2013 geltende Parallelrechnung (hier wurde Zeiten der Arbeitslosenversicherung Beitragsgrundlagen zugeordnet) bei Erstellung der Kontoerstgutschrift in Form des Vergleichsbetrages mit ein und bildet unter genau festgelegten Voraussetzungen eine Unter- bzw. Obergrenze für den Ausgangsbetrag. Die Parallelrechnung findet in diesen Fällen daher mittelbar Eingang in das Ergebnis der Kontoerstgutschrift – ohne dass die nach der Parallelrechnung geltenden Beitragsgrundlagen einzeln in der Kontoerstgutschrift aufscheinen würden.

Anzuwendende Rechtslage:

Die Frage, ob ein Rechtsfall, der in die Vergangenheit zurückreicht, nach geltendem Recht oder aber zeitraumbezogen beurteilt werden muss, ist nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur und Lehre eine Interpretationsfrage.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, 898/75, VwSlg. 9.315 A, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Rechtsmittelbehörde bzw. das Verwaltungsgericht im Allgemeinen das zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids bzw. Erkenntnisses geltende Recht anzuwenden hat (VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066). Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist (VwGH 19.2.1991, 90/08/0177; 6.6.1991, 91/09/0077).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

§ 15 Abs 8 APG normiert eindeutig, dass die nach seiner aktuellen Fassung zu ermittelnde Kontoerstgutschrift 2014 (=Gesamtgutschrift 2013) frühere Teil- und Gesamtgutschriften ersetzt. Der Gesetzgeber ordnet somit ausdrücklich keine Rückwirkung an.

Eine zeitraumbezogene Anwendung des vor dem 01.01.2014 geltenden § 15 Abs 2 Z 1 lit d sublit aa APG auf nach dem 31.12.1954 geborene Personen, die vom APG der vor 01.01.2014 geltenden Fassung erfasst waren und bereits vor dem 01.01.2014 eine Berufsunfähigkeitspension beantragt bzw. bezogen haben, ergibt sich weder aus § 15 APG noch aus den im APG enthaltenen Übergangsbestimmungen.

Im vorliegenden Fall findet sich daher keine Grundlage für die vom BF vertretene Rechtsaufassung. § 15 APG ist auf den BF in der aktuellen Fassung anzuwenden.

Soweit der BF einwendet, dass er bereits vor dem 01.01.2014 eine Pension aus dem Grund der geminderten Arbeitsfähigkeit beantragt und bezogen habe, will er offenbar auf die in den Sozialversicherungsgesetzen vorgesehene Stichtagsregelung verweisen (§ 223 ASVG). Dazu ist folgendes auszuführen: Das APG bildet gegenüber den Sozialversicherungsgesetzen zufolge § 1 Abs 2 APG eine lex specialis und genießt damit Anwendungsvorrang. Die vom BF offenbar ins Auge gefasste Regelung des Stichtages im ASVG berührt § 15 APG daher nicht. Zufolge § 10 Abs 2 APG beginnt die Kontoführung mit jenem Kalenderjahr, in dem erstmals ein Versicherungsverhältnis in der Pensionsversicherung begründet wird, und endet mit Ablauf jenes Kalenderjahres, in das der Stichtag für die (vorzeitige) Alterspension oder der Tod der versicherten Person fällt. Im letzten Jahr der Kontoführung sind nur Versicherungsdaten bis zum Stichtag oder Todeszeitpunkt zu berücksichtigen. Das Pensionskonto ist jährlich nach den §§ 11 und 12 zu aktualisieren.

Zusammenfassend war der vom BF begehrten Feststellung der Jahresbeitragsgrundlage für das Jahr 1980 die aktuelle Fassung des APG zu Grunde zu legen. Daraus ergab sich eine Jahresbeitragsgrundlage von € 10.577,24.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die jeweilige Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und zu der es noch an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Entscheidungsfrist Ersatzzeiten Rechtslage Revision zulässig Säumnisbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2215499.2.00

Im RIS seit

17.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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