TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/6 L515 2232297-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2021
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Entscheidungsdatum

06.12.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L515 2232297-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. der Republik Armenien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom „04.02.2020“ (vermutlich Schreibfehler im angefochtenen Bescheid, richtig: 02.04.2020), Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bezeichnet), ist eine weibliche Staatsangehörige der Republik Armenien und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 10.01.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nunmehr belangte Behörde (in weiterer Folge „bB“) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.01.2018 brachte die bP im Wesentlichen vor, dass ihr Leben von der armenischen Regierung insofern bedroht worden sei, dass sie Straftaten eingestehen hätte müssen, die sie nicht begangen hätte. Sie fürchte um ihr Leben und um das Leben ihrer Eltern. Der Vater der bP sei zweimal von der Behörde, bei der die bP gearbeitet hätte, abgeholt und verprügelt worden.

Ferner führte die bP aus, dass sie am 02.01.2018 direkt von Jerewan nach Österreich geflogen sei, wobei sie im Besitz eines Visums der XXXX Botschaft in Jerewan, gültig von 25.12.2017 bis 17.01.2018 gewesen sei. Den Pass habe sie verloren.

I.3. Nach Einsichtnahme in das Visainformationssystem konnte festgestellt werden, dass das genannte Visum am 23.10.2017 für ‚touristische Zwecke‘ erteilt wurde.

I.4. In weiterer Folge stellte die bB am 09.02.2018 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 der VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (infolge kurz: Dublin-III-VO) an Deutschland. Die deutschen Behörden stimmten mit Schreiben vom 07.03.2018 zu, die bP auf Grundlage des Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO zu übernehmen.

I.5. Die bP wurde am 19.03.2018 im Beisein eines Rechtsberaters vor der bB einvernommen. Die bP gab dabei an, an Multipler Sklerose (MS) zu leiden und dass eine Abschiebung und der damit verbundene Stress einen neuerlichen Schub auslösen könne. Medizinische Unterlagen wurden vorgelegt.

I.6. Mit Bescheid vom 23.04.2018 wurde der Antrag der bP auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die bP gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

I.7. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde an das ho. Gericht erhoben.

I.8. Mit Erkenntnis des ho. Gerichts vom 04.06.2018, GZ. W175 2196246-1/6E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

I.9. In Bezug auf das weitere verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen der bB im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (auszugsweise Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid, wobei die Formatierung nicht dem Original entspricht):

„…

?        Nach Zulassung Ihres Verfahrens wurden Sie am 18.3.2019 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser führten Sie an, dass Sie im Verfahren nicht vertreten werden. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich wie folgt:

LA: Bitte geben Sie einen kurzen Lebenslauf an, wo Sie geboren sind, wo und mit wem Sie gelebt haben, was Sie schulisch und beruflich gemacht haben!

VP: Ich bin in der Region XXXX in der Stadt XXXX geboren. Ich habe mich dort auch immer aufgehalten, bis zu meiner Ausreise. Im gemeinsamen Haushalt lebte ich zuletzt mit meinen Eltern und meinen Großeltern väterlicherseits. Ich selbst habe gearbeitet, auch meine Eltern haben gearbeitet. Meine Großmutter hatte eine Pension. Meine Eltern haben zusätzlich auch Invalidenpension bezogen. Ich selbst war Buchhalterin.

LA: Stehen Sie aktuell in Kontakt mit Ihren Verwandten aus dem Heimatland?

VP: Ja.

Auf Nachfrage, meinen Verwandten geht es gut.

LA: Welche Schule besuchten Sie?

VP: Ich habe 10 Jahre die Grundschule besucht, 4 Jahre Berufsschule (nun gilt das als Universität) und einen 3monatigen Kurs für die Ausbildung als Buchhalterin. Das war alles in Vanatzor.

LA: Wann verließen Sie Ihr Heimatland?

VP: In der Nacht von 2. Auf den 3. Jänner 2018.

Ich bin armenische Staatsangehörige, armenischer Volksgruppenzugehörigkeit und bin armenisch/apostolisch.

LA: Weshalb haben Sie Ihr Heimatland verlassen? Können Sie nun Ihren Fluchtgrund konkret und mit allen Details schildern bitte!

VP: Ich arbeitete als Buchhalterin bei der Polizei. Bei dem 4 Tageskrieg im Jahre 2016 sowohl aufgrund des Krieges als auch weil der 16. April Polizeitag in Armenien ist, haben wir Angestellten eine Prämie ausbezahlt bekommen. Mein Vorgesetzter hat die Angestellten versammelt und hat uns vorgeschlagen, unsere Prämie an ihn zu bezahlen, damit er die Summe nach Karabagh schicken kann, weil die Lage dort für die Soldaten nicht sehr gut gewesen ist. Obwohl die Prämie an jeden Angestellten bezahlt werden sollte, hatte nur ein Drittel der Angestellten diese erhalten. Die Prämie wurde prozentuell zum Gehalt bezahlt, deswegen waren die Angestellten, die diese Prämien bekommen haben, höhere Angestellte. Ich war bei diesen nicht dabei. Diejenigen, die diese Prämien bekommen hatten, haben das Geld wieder dem stellvertretenden Vorgesetzten zurückbezahlt. Dieser hat die Summe dem Vorsitzenden übergeben. Alle zwei Jahre bekommen wir eine Finanzprüfung, das ist bei uns üblich gewesen. Im Mai 2017 war wieder eine Routine-Finanzkontrolle. Die Prüfer wurden neu bestellt, es war eine neue Gruppe, die mit der Prüfung beauftragt wurde und sie waren sehr streng. Vorgesehen waren 20 Tage zur Prüfung. In der ganzen Region gibt es 8 Polizeidienststellen und diese Prüftruppe sollte die ganzen 8 Dienststellen prüfen. Zeitlich sind sich aber 2 Dienststellen, also meine und eine weitere Dienststelle in der Nachbarstadt nicht ausgegangen. Mein Vorgesetzter hat mich zu sich gerufen, weil er bereits gehört hatte, wie die Finanzprüfung in anderen Dienststellen vor sich gegangen ist. Er hat mich gefragt, ob die Liste der ausbezahlten Angestellten mit der Liste von denen, die Anspruch darauf gehabt hätten, übereinstimmen würde. Ich habe geantwortet, dass bis zur Prämienzahlung die beiden Listen übereinstimmen würden, jedoch nicht bei der letzten Prämienzahlung, weil wir nach seinem Auftrag gehandelt und nur an einen Teil der Angestellten ausbezahlt hatten. Er hat mich auch beauftragt, eine neue Liste vorzubereiten, dass er damit beweisen kann, dass alle, die einen Anspruch auf Prämie gehabt hatten, diese auch bekommen haben. Ich habe zugestimmt und habe auch eine neue Liste aufgestellt mit den Namen von allen Angestellten. Diese Liste mussten ich und er unterschreiben und abgestempelt werden. Ich habe ihm die Liste gebracht. Er sagte zu mir, dass ich seine Unterschrift löschen sollte, nur meine dort lassen sollte und auch dass die Liste nicht abgestempelt werden sollte. Ich habe mich geweigert, das zu tun, weil dann die Liste mit dem ausbezahlten Betrag bzw. mit der Zahlungsliste nicht übereinstimmen würde. Er wollte mich dazu überreden, aber ich wollte das nicht.

In den weiteren Monaten musste ich ihm einiges zum Unterschreiben vorlegen, und jedes Mal hat er mich auf die Liste aufmerksam gemacht, dass ich unterschreiben soll. Jedes Mal weigerte ich mich. Als ich die Gehaltslisten Ende Juni 2017 unterschreiben lassen wollte, sprach er wieder von der Prämienliste und sagte er, dass er dann für alles, was mir zustoßen könnte, nicht verantwortlich ist. Ich bin MS krank und sie wussten von meiner Krankheit. Sie wussten auch, dass meine Eltern beide Invaliden sind und dachten nach, was mir zustoßen könnte.

An einem Freitag im Juli 2017 kam meine Mutter von ihrer Arbeit zurück, mein Vater nicht. Ich möchte anmerken, dass beide in einer Textilfabrik zusammenarbeiten. Ich fragte meine Mutter, wo mein Vater sei. Sie sagte, dass alle Arbeiter rausgekommen sind und wie sonst üblich ist er nicht in den Bus eingestiegen. Mein Vater kam die ganze Nacht nicht nach Hause, wir hatten alle seine Freunde angerufen und niemand wusste, wo er sich befindet. Am Samstag in der Früh kam er nach Hause. Wir hatten gemerkt, dass er geschlagen wurde, weil er seine Hand auf der linken Körperseite im Bauchbereich gehalten hat. Er hat mir erzählt, dass nach dem Dienstschluss angesprochen und ihn gebeten hatten, mit ihm mitzufahren. Sie haben ihm vorgeschlagen, ihn nach Hause zu fahren,. Mein Vater sagte aber, dass er wie üblich mit dem Bus mit seiner Frau zusammen nach Hause fahren wollte. Die Männer sagten aber, dass er sich mit ihnen unterhalten sollte und ich angeblich irgendwo auf ihn warten würde. Daraufhin ist er mitgefahren. Natürlich war ich aber nicht dort, wo man ihn hingebracht hat. Er sollte dort auf einem Sessel sitzen und warten. Zu dem Zeitpunkt kam ein 3. Mann zu ihm in Polizeiuniform und hat begonnen, ihn zu schlagen. Mein Vater hatte dort sein Bewusstsein verloren und als er wieder zu sich kam, war er in dem Fahrzeug, mit dem er dort hingefahren wurde. Er wurde in die Stadt gefahren und er kam dann mit dem Taxi nach Hause.

Am Montag in der Arbeit musste ich wieder zu meinem Chef, um einiges unterschreiben zu lassen. Er fragte mich nach meinem Vater. Ich sagte zu ihm, dass er es genau wissen sollte, wie es ihm geht und warum er so etwas getan hat bzw. machen hat lassen. Er sagte mir, dass es wieder um die Unterschrift bei der Liste geht. Er drohte mir dann weiter, dass es meinem Vater schlechter gehen würde, wenn ich mich weiter weigern würde, die Liste zu unterschreiben. Auch im September 2017 kam mein Vater noch einmal nicht nach Hause und dieses Mal waren es 2 Tage, ich hatte panische Angst um ihn. Am 2. Tag gegen 19.00 Uhr, er wurde wieder geschlagen, er hatte überall blaue Flecken. Ich hatte große Angst und bei meiner Krankheit darf ich keinen Stress haben. Die Krankheit wirkt bei mir bei den Augen, meine Sehkraft wird weniger. Am Montag ging ich sofort zu meinem Arzt. Ich sollte wieder ein MRT machen, ich sollte Stress vermeiden. Er hat mir eine andere Untersuchung verordnet, dass man von meiner Wirbelsäule eine Flüssigkeit abnimmt und diese untersucht. Er sagte aber, dass es diese Untersuchung in Armenien nicht geben würde und dass ich sie im Ausland machen sollte.

Meine ersten Gedanken waren es, dass ich bei der Gelegenheit, wo ich diese Untersuchung brauche, auch aus Armenien zu flüchten, um mit meinem Vorgesetzten keine Probleme mehr zu haben und dadurch auch meine Eltern vor eventuellen Gefahren zu schützen.

Am Dienstag ging ich noch arbeiten. Ich hatte ihm versprochen, diese Liste nur mit meiner Unterschrift vorzubereiten. Ich wollte aber Zeit gewinnen und hatte ihn gebeten, mir im Dezember 2017 einen Urlaub von zwei Wochen zu bewilligen. Ich habe ihm auch versprochen, dass ich nach meinem Urlaub nach der durchgeführten Untersuchung die die Liste unterschreiben würde. Er war damit einverstanden. Die Liste sollte ich vorbereiten und er verlangte von mir, dass er die Liste bei sich hat. Zu diesem Zeitpunkt musste mein Vater im Bett bleiben, weil er durch die Schläge Schmerzen hatte. Ich habe mich übers Internet erkundigt, welche Botschaft mir den frühesten Termin geben würde und das wäre im Oktober gewesen. Ich habe einen Antrag auf Visum gestellt, haben diesen auch bewilligt bekommen. Ursprünglich war Österreich nicht mein Zielland, es war rein zufällig, dass ich ein österreichisches Visum beantragt habe. Ich wollte nicht nach Deutschland, weil die Schwiegereltern meines Vorgesetzten in Deutschland leben. Aus diesem Grund habe ich mich für Österreich entschieden und habe auch das Visum bekommen.

Am 24.10 habe ich das Visum bekommen. Am 28.10. habe ich mein Flugticket gekauft und am 3.1.2018 bin ich mit dem Flugzeug aus Armenien ausgereist. Meine Schwester ist in Russland verheiratet. Ich wollte, dass meine Eltern zu ihr nach Russland fahren. Mein Chef wusste aber, wo meine Schwester in Russland lebt. Ich habe meine Schwester gebeten, in eine andere Stadt zu ziehen. Das hat sie auch gemacht. Meine Eltern sind zurzeit bei ihr. Sie sind 3 Wochen nach meiner Ausreise nach Russland gefahren. Sie mussten aber aus Armenien illegal ausreisen, weil sie Angst hatten. Meine Großmutter, die sich immer noch in dem Elternhaus aufhält, hat mir am Telefon erzählt, dass immer wieder Männer von meiner Dienststelle, unter anderem auch der stellvertretende Chef zu ihr hingehen und nach mir fragen. Das ist mein Fluchtgrund,. Das Leben in Armenien ist für mich und auch meine Angehörigen sehr gefährlich.

LA: Ist das alles, was Sie zu Ihren Fluchtgründen sagen wollen?

VP: Ich habe hier in Österreich eine Therapie begonnen. Meine Krankheit wurde mir hier auch diagnostiziert. Im Falle einer Rückkehr in meine Heimat werde ich die entsprechende Therapie nicht bekommen und ich würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr laufen oder gehen können.

LA: Wann wurde die Krankheit überhaupt diagnostiziert?

VP: Das war im Mai 2015. Nein, 2016.

LA: Welche Behandlungen erfolgten in Armenien?

VP: Ich sah damals am rechten Auge gar nichts. Ich bin ins Krankenhaus und sie haben eine MRT Untersuchung gemacht. Dann hat man die Krankheit festgestellt und ich habe 5 Tage eine Cortisontherapie bekommen. Danach sollte ich Tabletten bekommen. In Österreich gibt es diese Tabletten unter dem Namen Arava, 4 bis 5 Monate lang musste ich diese Tabletten einnehmen, es ging mir aber gesundheitlich schlechter. Ich bin noch einmal zur MRT Untersuchung gegangen und ich habe dann 5mal Cortison Spritzen bekommen. Ich hatte normalerweise auch Vitamin D Tropfen bekommen. Ich hatte beschlossen, dieses Medikamente – Arava - nicht mehr einzunehmen. Ich habe nur mehr Vitamin D Tropfen genommen und bis zu meiner Ausreise war das die einzige Therapie, ich habe nur Vitamin D Tropfen genommen.

LA: Haben Sie die Arava Tabletten von sich aus abgesetzt?

VP: Ja, ich selbstständig. Hier haben die Ärzte diagnostiziert, dass sich meine Krankheit verschlechtert hat.

LA: Wie sieht die Behandlung in Österreich aus?

VP: (VP legt Befundberichte sowie die Medikation vor sowie eine Stellungnahme des armenischen Gesundheitsministeriums).

Ich habe einen Brief an das Gesundheitsministerium in Armenien geschickt. Ich habe diesen Brief aber nicht per Post geschickt, sondern habe diesen Brief einem Mann gegeben, der nach Armenien gefahren ist. Meine Tante väterlicherseits hat diesen Brief von diesem Mann entgegengenommen und hat per Post mit ihrer Wohnungsadresse an das Ministerium geschickt.

Auf Nachfrage, ich habe diesen Brief verfasst, als ich bereits in Österreich war, im Juli 2018 und am 1. August 2018 hat meine Tante die Antwort per Post erhalten, an meinen Namen gerichtet.

Die Niederschrift wird für 10 Minuten für eien Pause unterbrochen.

LA: Wie konkret sah Ihr Dienstverhältnis aus? Wo genau waren Sie angestellt?

VP: In der Region XXXX , Dorf XXXX . Straße Nr. XXXX

LA: Bei wem genau waren Sie angestellt?

VP: Das Innenministerium hat das Geld überwiesen und ich war für die Auszahlung der Gehälter zuständig. Ich habe dann auf das Konto der Angestellten der dort arbeitenden überwiesen. Übers Internet über das Programm Klient Treasury habe ich das Geld jeweils auf die Konten überwiesen.

LA: Ist das in Armenien so üblich?

VP: Seit 2015 ist es so, bis 2015, bevor dieses Programm installiert wurde, haben wir das Geld auf die Bank getragen und die Bank hat das auf die jeweiligen Konten überwiesen.

Auf Nachfrage, ich war beim Innenministerium angestellt, Abteilung Polizei. (VP legt eine Kopie des Dienstausweises vor).

LA: Wo befindet sich das Original?

VP: Jeder Angestellte, der auf Urlaub geht, muss den Originalausweis und auch diejenigen, die eine Waffe tragen, die Waffe, bei der Dienststelle abgeben.

LA: Wann und wie oft seien Personen zu Ihrer Großmutter gekommen, nachdem auch Ihre Eltern das Heimatland verlassen haben?

VP. Das erste Mal, als der Urlaub vorbei war und ich nicht im Dienst erschienen bin. Nach einer bestimmten Zeit zwei oder drei Monate später noch einmal. Insgesamt 3 bis 4 mal, glaube ich.

LA: Welche Personen seien erschienen?

VP: Einmal der Stellvertreter, zwei Mitarbeiter in Uniform und noch einmal der Stellvertreter.

LA: Woher wusste die Großmutter, dass es sich um den Stellvertreter handelt?

VP: Meine Großmutter kannte den Stellvertreter, weil er mich manchmal nach Hause gebracht hat, wenn ich nicht rechtzeitig oder wenn ich länger Dienst gemacht habe.

LA: Was wollte er?

VP: Wo ich sei, wann ich zurückkommen werde, ob sie Hilfe benötigen würde, ob sie alleine leben würde.

LA: Um auf die Auszahlung der Prämien zurückzukommen, Sie gaben an, dass jeder auf diese Prämie Anspruch gehabt hätte, wer hat diese erhalten und wer nicht und wer hat dies entschieden?

VP: Der Leiter hat mich zu sich geholt, er hat mich gebeten, eine Liste mit den höheren Gehältern aufzustellen. Das habe ich auch gemacht. Er hat selbst bei den Namen, die eine Prämie bekommen sollten, ein Pluszeichen gemacht.

LA: Erhielt jemand die Prämie ausbezahlt?

VP: Ja, ich selbst habe die Überweisung durchgeführt, sie haben die Prämie bekommen und dann wieder zurückbezahlt.

Auf Nachfrage, ich habe überwiesen und sie haben in Bar zurückbezahlt.

LA: An wen?

VP: An den Stellvertreter.

LA: Waren Sie dabei anwesend?

VP: Wir sind insgesamt 52 Diensthabende. Wir arbeiten in verschiedenen Abteilungen, sie haben das Geld an deren jeweiligen Leiter gegeben und der Leiter ist zu mir mit dem gesamten Prämiengeld. Ich sagte aber, dass ich es nicht übernehmen würde und wir gingen dann gemeinsamen zum Stellvertreter. Ich habe ihn gefragt, ob er Derjenige ist, der das Prämiengeld kassieren sollte. Er sagte ja. Er hat aber den Empfang nicht bestätigt. Ich war dabei.

LA. Wer war sonst dabei?

VP: Derjenige, der das Geld gebracht hat, ich und der Stellvertreter.

LA: Wer hat das Geld gebracht?

VP: Es war auch ein Leiter seiner Abteilung. Es gibt 3 Leiter, einer für die Verwaltung, einer ist für den Wehrdienst zuständig und der dritte für das Personal. Der Leiter, mit dem ich Probleme hatte, ist der Vorgesetzte von diesen 3 Leitern und auch mein Vorgesetzter.

LA: Benennen Sie bitte diese!

VP: Der oberste Vorgesetzte ist XXXX und sein Stellvertreter heißt XXXX .

LA: Wer war nun bei der Übergabe des Prämiengeldes anwesend?

VP: XXXX und der Abteilungsleiter XXXX (VP denkt nach), der Familienname fällt mir im Moment nicht ein. XXXX heißt er.

LA. Sie gaben an, dass der Leiter Sie zu sich geholt hätte, Sie gebeten, eine Liste mit den höheren Gehältern aufzustellen.

VP: Die Liste beinhaltete die Namen aller Angestellten. Er machte dann ein Pluszeichen nur bei denjenigen, die mehr verdienten.

LA: Wie konnte er dann entscheiden, dass nur diese Leute die Prämien erhalten?

VP: Er hatte das ganze Personal versammelt und er hat ihnen erklärt, dass diese Institution die Prämien weiterleiten nach Karabagh, er hat ihnen erklärt, dass er nur die Höchstverdienenden anführen würde, damit mehr zusammenkommen würde prozentuell gesehen. Das Personal war damit einverstanden.

LA: Wenn jede Person eine Prämie erhalten würde, wäre es dann doch mehr Geld. Gab es nur ein gewisses Budget?

VP: Das weiß ich nicht. Ich habe auf das Konto der Einrichtung, der Dienststelle ungefähr 2.300.000,-- Dram bekommen. Davon habe ich Steuern überwiesen, 26%, den Rest hat der Stellvertreter bekommen.

LA: Sie haben gesehen, dass der Stellvertreter das Geld übernommen hat?

VP: Ja.

LA: Wissen Sie, was dann weiter mit dem Geld geschehen ist?

VP: Er hat gesagt, dass er das Geld an den obersten Leiter weitergeben würde, damit er das nach Karabagh schickt. Mein Vorgesetzter XXXX wollte, dass ich die Lister unterschreibe. XXXX , der Stellvertreter der Dienststelle war zugleich der Leiter der Personalabteilung und die anderen Leiter haben mich jedes Mal gefragt, warum ich es nicht tue.

LA: Was genau hätte die Liste darstellen sollen, die Sie unterschreiben hätten sollen?

VP: Die Liste sollte herzeigen, dass alle Angestellten Geld bzw. Prämie erhalten hat.

LA: Warum befragten Sie der Stellvertreter und die 3 Leiter dazu?

VP: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Es kann sein, dass die anderen auch etwas von der Summe hatten.

Ich habe nicht nur Angst vor der Verschlechterung meines Gesundheitszustandes, sondern auch vor der Person. Sie würden sofort wissen, wenn ich zurückkehre.

LA: Vor welcher Person konkret haben Sie Angst?

VP: Die Leitung in der Dienststelle, in der ich tätig war.

LA: Vor wem genau?

VP: XXXX .

LA: Nur vor ihm?

VP: Auch vor XXXX .

LA: Wie oft finden Finanz-Kontrollen statt?

VP: Alle zwei Jahre, aber diesmal waren es aber drei Jahre, weil das Personal gewechselt wurde.

LA: Wann fand eine solche Kontrolle das letzte Mal statt?

VP: 2014, dann 2017, aber in unserer Dienststelle waren sie nicht, das ist sich zeitlich nicht ausgegangen.

LA: Weshalb wurde das nicht nachgeholt?

VP: Sie sollten, aber ich weiß nicht aus welchem Grund. Sie haben nach einem Plan geprüft, wie viele Männer, wie viele Stunden an einer Dienststelle. Diese Truppe der Prüfer hat in jeder Region geprüft.

LA: Woher wissen Sie, dass es sich zeitlich nicht ausgegangen ist?

VP: Zunächst als sie gekommen sind, haben sie die Buchhalter und Leiter zu sich gerufen. Sie haben angekündigt, dass sie 20 Tage lang in der Region alles prüfen würden. Sie haben auch gesagt, dass wir alles zusammenschreiben und prüfen sollten. Nach Ablauf von 20 Tagen waren sie weder bei uns noch bei einer anderen Dienststelle. Ich glaube weil diesmal 3 Jahre vergangen waren seit der letzten Prüfung haben sie länger gebracht bei jeder Dienststelle, deswegen ist es sich nicht ausgegangen.

LA: Wer war in Ihrer Dienststelle außer Ihnen für die Gehälterauszahlung bzw. in der Buchhaltung zuständig?

VP: Ich war alleine zuständig in meiner Dienststelle.

Auf Nachfrage, ich hatte keine Vertretung. Ich habe bei dem Urlaubsantrag, dass ich meinen Urlaub in Russland verbringen würde. Als Stellvertreter für mich haben sie dann die eine von den beiden Buchhaltern der gesamten Region der Person bestimmt.

LA: Wie war das bei vorangegangen Urlaubsantritten?

VP: Ich habe niemals meine Urlaube im Ausland verbracht, d.h. meine Arbeit habe ich immer selbst durchgeführt. Wenn es notwendig gewesen ist, bin ich wieder in die Arbeit gegangen und habe meinen Dienst erledigt.

LA: Warum haben Sie das getan?

VP: Es gab keinen Stellvertreter. Ich musste es so machen.

LA: Waren Sie im Krankenstand?

VP: Es war schon, dass ich im Krankenhaus gewesen bin, zweimal 5 Tage. Die Buchhalterin in der regionalen Zentrale hat dann als Unterstützung für einige Tage die Arbeit durchgeführt, aber nicht als Stellvertreterin.

LA: Wurden Überweisungen, die Sie unternahmen, dokumentiert?

VP: Ja.

LA: Inwiefern?

VP: Eine Liste von 52 Angestellten, Vor- und Nachname, Reisepassnummer, Kontonummer und wie viel ich überwiesen habe. Daneben der Grund der Überweisung. Diese Liste von mir und von dem Leiter unterschrieben und abgestempelt. Das Programm hat die einzelnen Überweisungsbelege auch. Es ist im Programm zu sehen gewesen, welchen Betrag ich auf welches Konto überwiesen habe. Ich habe die einzelnen Überweisungsbelege ausgedruckt und habe sie zur Liste dazu geheftet, auch die Sozialleistungen, auch die Steuerleistungen. Auch die Rekruten haben ein Tagesgeld bekommen, die in die Stadt geschickt wurden für eine Ausbildung usw.

LA: Wie war es bei der Prämienauszahlung?

VP: Ich hatte die Liste von diesen Personen, die die Prämie bekommen haben, habe ich alle Überweisungsbelege dazu geheftet.

Auf Nachfrage, auch diese Liste hätte von uns beiden unterschrieben und mit dem Stempel versehen werden. Er hat diese Liste aber nicht unterschrieben und wollte auch, dass ich seinen Namen weglösche. Die Liste hätte auch nicht mit dem Stempel versehen werden sollen.

LA: Wie viele Personen waren es, die die Prämie ausbezahlt bekommen haben?

VP: (denkt nach) Ich glaube, 18 oder 20 haben die Prämie ausbezahlt bekommen.

LA: Zu welchem Zeitpunkt wurden Überweisungen gegengezeichnet?

VP: Im Nachhinein.

LA: Wäre eine Gegenzeichnung nicht im Vorhinein notwendig gewesen?

VP: Der Leiter hat im Programm im Internet unterschreiben müssen, freigeben, damit ich überhaupt eine Überweisung veranlassen konnte. Dann habe ich das Ganze ausgedruckt und er hat unterschrieben. Vom 1. bis zum 10. des Monates mussten wir bestimmten, wer wie viel Gehalt bekommen würde. Es war so, dass ich die genaue Höhe der Gehälter ausgerechnet habe, das habe ich dann in einer Liste festgehalten, der Vorgesetzte hat diese gegengezeichnet und diese Liste wurde dann an das Ministerium geschickt, das wiederum dann das notwendige Geld an uns überwiesen hat, sodass wir das Geld in Form der Gehälter am Monatsende ausbezahlt haben.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Was konkret befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Die Drohungen würden weitergehen und mein Gesundheitszustand würde sich verschlechtern. Wenn ich zurückkehren würde, hätte ich auch Angst um meine Familie.

LA: Was war der ausschlaggebende Grund, der Sie zum Verlassen der Heimat bewogen hat?

VP: Dass man meinen Vater zum zweiten Mal mitgenommen hat. Ich hatte Angst, dass ich ihn nicht mehr sehen würde, wenn sie ihn zum dritten Mal mitnehmen würden.

LA: Haben Sie soziale Bindungen in Österreich?

VP: Ich habe keine Verwandten hier.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen

wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich habe nichts mehr zu sagen.

LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP: Ja.

Der VP werden die Feststellungen zu Armenien vom 12.12. 2018 ausgehändigt.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP: Nein.

?        Am 16.4.2019 erfolgte eine Anfrage an die Staatendokumentation, deren Ergebnis am 16.4.2019 einlangte.

?        Am 28.10.2019 fand eine ergänzende Einvernahme im Rahmen eines Parteiengehörs statt [:]

LA: Wie sieht Ihre derzeitige Situation aus?

VP: Ich wohne in XXXX , ich wohne bei der anwesenden Vertrauensperson in einer Unterkunft. Es befinden sich noch weitere drei Personen in der Wohnung.

LA: Wie sieht Ihr derzeitiger Gesundheitszustand aus? Wie oft gehen Sie zum Arzt? Welche Behandlung erhalten Sie? Welche Tabletten müssen Sie nehmen?

VP: Ich nehme Copaxone, Vitamn D3 Tropfen und Cipralex. Das letzte Mal war ich beim Arzt im August, weil mein Gesundheitszustand sich verschlechtert hat. Ich habe deswegen 5 Tage lang Cortison Tabletten eingenommen. Dann wurde bei mir eine MRT Untersuchung gemacht. Dann bin ich wieder zum Arzt gegangen und habe einen Befund vom Arzt bekommen, worin stand, welche Medikamente ich weiter nehmen soll.

LA. Haben Sie den diesbezüglichen Befund mit?

VP: Ja. Und noch weitere Unterlagen.

(VP legt diese vor). Ich lege auch diverse Unterlage bezüglich Integration vor. Ich habe auch den B1 Kurs bereits absolviert und die Prüfung abgelegt, diesbezüglich aber noch nicht das Ergebnis erhalten.

Ich möchte auch noch ein Schreiben vorlegen, wo mir eine Rehabilitation vorgelegt wurde.

LA: Wie oft finden im Allgemeinen Kontrollen beim Arzt statt?

VP: Es wurde mir gesagt, dass ich einmal im Jahr zum Arzt gehen soll. Wenn es mir schlechter gehen würde, könnte ich natürlich jederzeit einen Arzt aufsuchen.

LA: Stehen Sie in Kontakt mit Ihren Verwandten aus dem Heimatland?

VP: Ja.

Auf Nachfrage, täglich mit meinen Eltern.

LA: Worüber sprechen Sie mit Ihnen?

VP: Über den gesundheitlichen Zustand meiner Eltern und meiner Familie.

LA: Haben Sie Verwandte in Österreich?

VP: Nein.

LA: Wollen Sie sonst noch etwas zu integrationsfördernden Schritten sagen?

VP: Ich habe einen EDV Kurs hier besucht und im Sommer war ich in XXXX XXXX und habe mich für Geschichte interessiert. Ich habe mein Diplom in Armenien übersetzen lassen. Es wurde mir dann hergebracht. Ich möchte hier an der Universität studieren und später bei einer Bank oder ähnlichen Institution tätig sein.

Der VP wird nunmehr die Beantwortung der Staatendokumentation vom 12.4.2019 übersetzt.

LA: Möchten Sie sich dazu äußern?

VP: Ich habe Copaxone angefragt und in meiner Beantwortung steht, dass das Medikament in Armenien nicht erhältlich ist. Jetzt wundert mich, wenn eine Einzelperson nachfragt, die Antwort anders ist, als wenn eine Behörde nachfragt.

LA: Wann haben Sie nachgefragt?

VP: Voriges Jahr wurde mir das Medikament durch den Amtsarzt verschrieben. Ich habe dann eine Anfrage an die armenische Gesundheitsbehörde gemacht (Anmerkung VP legte das Schreiben bereits bei der letzten Einvernahme vor).

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen?

VP: Ich möchte nur sagen, dass abgesehen davon, dass Medikament in Armenien nicht vorhanden ist, ist es für mich zu gefährlich, nach Armenien zurückzukehren, da meinem Leben dort Gefahr droht.

LA: Haben Sie diesbezüglich aktuelle Informationen?

VP: Ich stehe in Kontakt zu zwei meiner Kolleginnen. Sie erzählen mir, dass ständig nach mir gefragt wird. Sie sagen natürlich nicht, dass sie über mich etwas wissen. Sie teilen mir jedoch mit, dass man nach mir und meinem Aufenthaltsort gefragt wird.

LA: Wie sieht der Kontakt zu Ihren Kolleginnen aus?

VP: Über WahtsApp und Messenger.

LA: Wie oft?

VP: Alle zwei bis drei Monate.

LA: Wann haben Sie zuletzt mit Ihren Kolleginnen kommuniziert?

VP: Mit einer dieser Kolleginnen habe ich vor ein paar Tagen gesprochen, sie hat mir zum Geburtstag gratuliert. Wir haben darüber nicht gesprochen. Und über dieses Thema, dass nach mir gefragt wird. Sie sagen das nicht am Telefon, sondern sie schreiben auf einem Zettel „es wird nach dir gefragt, du wirst gesucht“ und sie zeigen mir diesen handgeschriebenen Zettel am Bildschirm und ich kann das dann lesen.

LA: Welchen Unterschied würde das machen, wenn sie es darstellen?

VP: Die Vermutung, dass die Gespräche abgehört werden.

LA: Wäre es nicht auch schon zu gefährlich, bildlich etwas zu schicken?

VP: Das kann ich nicht sagen.

LA: Wer würde nach Ihnen suchen oder nach Ihnen fragen?

VP: Derzeit ist mein unmittelbarer Leiter nicht mehr im Amt, er hat aber mehrere Stellvertreter und einer dieser Stellvertreter fragt ständig meine Freundin XXXX nach mir.

LA: Wie ist der Name des Leiters, der nicht mehr im Amt ist?

VP: XXXX

LA: Warum ist er nicht mehr im Amt?

VP: Ich weiß es nicht, aber sein Bruder war in der Nationalversammlung. Er genoss viele Begünstigungen. Warum er nicht mehr im Amt ist, weiß ich nicht. Die Lage ändert sich ständig und er hat Angst, dass man auf ihn kommt, weil er so viele Begünstigungen genossen hat.

Auf Nachfrage, das steht in keinem Zusammenhang zu mir. Mit mir hat das nichts zu tun.

LA: Warum sollte grundsätzlich ein Problem für Sie bestehen, wenn doch die Leute freiwillig auf die Prämie verzichtet hatten?

VP: Die Leitung meiner Firma wollte, dass ich eine Liste verfasse mit allen Personen, die Prämien ausbezahlt bekommen haben und ich sollte die Liste mit meiner Unterschrift bestätigen,. Die Personen haben jedoch das Geld wieder zurückgegeben als Spende für Karabagh. Wenn diese Leute gefragt werden, so werden sie sagen, dass sie das Geld zurückbezahlt haben. Die Geschäftsleitung wollte jedoch, dass ich mit meiner Unterschrift die Liste bestätige, dass die Personen die Prämie und behalten haben. Das Geld ist aber nicht nach Karabagh gegangen. Im Zuge jetziger Situation werden alle Firmen überprüft. Ich weigerte mich, eine solche Liste zu erstellen und zu unterschreiben.

LA: Wer genau hätte Sie dazu bringen wollen, diese Liste zu unterschreiben?

VP: XXXX .

LA: Nunmehr ist er nicht mehr im Amt!

VP: Meines Wissens nach, das Geld hat XXXX nicht alleine bekommen, sondern mit dem Stellvertreter geteilt. Aus diesem Grund suchen seine Stellvertreter nach mir.

LA: Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?

VP: Ich bin in Armenien mit dem Medikament ARAVA (Wirkstoff Lefluonia) behandelt worden. Ich habe diesbezüglich mit den österreichischen Ärzten gesprochen und diese meinten, dass dieses Medikament die falsche Behandlung für meine Krankheit wäre. Jedoch das Gesundheitsministerium Armenien bestätigte mir in Beantwortung meiner Anfrage, dass meine Krankheit mit diesem Medikament behandelbar sei. Ich habe diesbezüglich das Schreiben nicht mit, aber ich habe es in Armenien.

…“

I.10. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Republik Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wurde mit 14 Tagen gesetzt.

I.10.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (auszugsweise Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid, insbesondere zur Person der bP, dem Verlassensgrund und der Rückkehrsituation, wobei die Formatierung nicht dem Original entspricht):

„…

Ihre Identität konnte aufgrund der im Rahmen der Visumsbeantragung vorgelegten Dokumente festgestellt werden. Die Feststellungen zu Ihrer Nationalität, Ihrem Familienstand, Ihrem Gesundheitszustand waren aufgrund Ihrer Angaben bzw. Vorlage von Unterlagen bestätigt werden.

Dass die medizinische Behandlung in Armenien gewährleistet ist, geht aus der Anfrage der Staatendokumentation vom 12.4.2019 hervor. Daraus ist ersichtlich, dass sämtliche Medikamente, die Ihnen in Österreich verabreicht werden, auch in Armenien verfügbar sind. Da es sich bei der Anfragebeantwortung um eine aktuellere Recherche handelt, war das von Ihnen in Vorlage gebrachte Schreiben des armenischen Gesundheitsministeriums keine Relevanz beizumessen.

Die Staatendokumentation des BFA ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen (AsylGH 24.05.2013, C2 431.777-1/2013).

Das besondere Gewicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl als Tatsacheninstanz ist auch vom Gesetzgeber des Asylgesetzes 2005 durch die in § 5 BFA-G getroffene Regelung betont worden, worin die Führung einer Staatendokumentation durch das Bundesamt vorgesehen wurde. Im vorliegenden Verfahren ist daher zweckmäßigerweise (jedenfalls auch) auf die in der Staatendokumentation gesammelten und in wissenschaftlicher Form aufbereiteten Tatsachen gemäß § 5 Abs. 2 BFA-VG zurückzugreifen, um die zur Weiterführung des Verfahrens erforderlichen Feststellungen zu treffen (AsylGH 05.08.2013, B1 432.789-1/2013).

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Die von Ihnen ins Treffen geführten Schwierigkeiten, nämlich dass Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Buchhaltern bei der armenischen Polizei eine Liste bezüglich Provisionsauszahlungen zu erstellen gehabt hätten und wegen einer Nichtableistung einer Unterschrift Schwierigkeiten zu erwarten hätten, waren als nicht glaubhaft zu bewerten. Vielmehr war davon auszugehen, dass Sie Armenien in der Hoffnung auf eine bessere Behandlungsmöglichkeit verließen.

Auch wenn man auf den ersten Blick auf das Protokoll der Einvernahme vor dem BFA am 18.3.2019 eine sehr ausführliche Schilderung erkennen kann, wenn Sie zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes befragt wurden, waren sowohl einige Ungereimtheiten zu erkennen, die Ihr Vorbringen als unglaubwürdig zu bewerten ließen als auch unpräzise Angaben.

Die von Ihnen ins Treffen geführte Thematik im Hinblick auf die Erstellung einer Liste betreffend Auszahlung von Prämien war schon vom Ursprung her nicht schlüssig dargelegt. Sie behaupteten diesbezüglich, dass jeder Dienstnehmer Recht auf eine Prämienauszahlung gehabt hätte, Ihr Vorgesetzter aber wollte nur die Ranghöheren auflisten, um so eine höhere Geldleistung zu erhalten, die wiederum nach Berg Karabach gespendet werden sollte. Würde aber jeder Dienstnehmer angeführt werden, sowohl jene des niedrigeren Ranges als auch jene höheren Ranges - eben alle Dienstnehmer - würde insgesamt eine höhere Prämie ausbezahlt werden. Schließlich erwähnten Sie nichts davon, dass nur ein gewisses Budget zur Verfügung gestanden hätte. Ihr Vorbringen wies daher schon einen unglaubwürdigen Kern auf.

Für die Unglaubwürdigkeit Ihrer Aussagen spricht unter anderem weiters, dass es völlig unplausibel scheint, dass Ihr Vorgesetzter Sie wegen der Leistung der Unterschrift über Monate hinweg unter Druck gesetzt hätte und sogar eine Mitnahme Ihres Vaters veranlasst hätte, obwohl Sie täglich für ihn greifbar gewesen wären, handelte es sich doch dabei um Ihren Vorgesetzten und hätten Sie laut eigenen Angaben den gleichen Dienstort gehabt. Es ist keinesfalls nachvollziehbar, dass Ihr Vorgesetzter Sie einerseits über Monate hinweg immer wieder „nur“ verbal darauf hingewiesen hätte, die Unterschrift zu leisten und Drohungen ausgesprochen hätte und Ihnen gegenüber keine weiteren Maßnahmen ergriffen hätte, wenn er Sie doch täglich persönlich am Arbeitsplatz getroffen hätte. Es ist daher auch keinesfalls plausibel, dass er eine Mitnahme Ihres Vaters veranlassen würde, also weitere Personen in die Angelegenheit miteinbeziehen würde, wenn Sie selbst am Arbeitsplatz gegenwärtig gewesen wären.

Zur Vagheit Ihres Vorbringen war auf Ihre Angaben zu verweisen, wenn Sie meinten (siehe dazu Seite 4 der Niederschrift beim BFA vom 18.3.2019), dass Sie „jedes Mal“ wenn Sie etwas zum Unterschreiben in Vorlage brachten, darauf aufmerksam gemacht worden seien, dass Sie Ihre Unterschrift leisten sollten. Im Fall von wahrheitsgetreuer Schilderung wäre jedoch damit zu rechnen, dass Sie von sich aus konkret ausführen, ob sich „jedes Mal“ auf tägliche, wöchentliche, etc. Aufforderungen beziehen würde.

Dass Sie die behauptete Mitnahme Ihres Vaters nur ungenau angeben konnten, nämlich, dass diese an einem Freitag im Juli 2017 erfolgt sei, war ebenfalls ein ganz wesentliches Indiz für das Konstruieren eines Fluchtgrundes, sei es zu zwei Mitnahmen gekommen, aufgrund dieser niedrigen Zahl erwartet werden könnte, dass Sie die exakten Daten der Mitnahmen nennen.

Besonders hervorzuheben war aber auch, dass Sie mit keinem einzigen Wort auf Ihr eigenes Verhalten während des gesamten Zeitraumes der angeblichen Schwierigkeiten eingingen. Ihrer Aussage zufolge, seien Sie über Monate hinweg immer wieder auf diese Liste aufmerksam gemacht worden, um diese mit Ihrer Unterschrift zu versehen. Obwohl Sie täglich arbeiten gingen und diese Angelegenheit ja im Raum gestanden sei, fanden Ihre Gefühle bzw. Ihr Verhalten, Ihre Reaktionen auf diese Gespräche keine Erwähnung, gerade aber das Wiedergeben von wahren Ereignissen durch Gefühlsbeschreibungen gekennzeichnet sind.

Auffällig dabei war auch Ihre Wortwahl, wenn Sie sagten, dass Sie „jedes Mal darauf aufmerksam gemacht wurden“, die Unterschrift zu leisten. Aus einer solchen Sprachweise aber noch lange kein „Unter-Druck-Setzen“ oder eine Bedrohung zu erkennen war. Ganz unscheinbar und eher nebensächlich beschrieben Sie, wenn Sie Ihren Vorgesetzten aufsuchen mussten, also persönlich trafen„…in den weiteren Monaten musste ich ihm einiges zum Unterschreiben vorlegen…“, war in feinster Weise nachzuvollziehen ist. Vielmehr wäre gerade in einer solchen Situation zu erwarten, dass Sie schon das persönliche Treffen mit Ihrem Vorgesetzten eingehend beschreiben, wie Sie sich dabei gefühlt hätten. Sei es, dass Ihnen die Angelegenheit nicht nahe ging und es Ihnen eher gleichgültig schien, ihn aufzusuchen oder aber schon mit einem unguten Gefühl begegneten. Spätestens jedoch zu jenem Zeitpunkt, als der Vorgesetzte Ihnen gegenüber erwähnte, dass, wenn Ihnen etwas zustoßen würde, er dafür nicht verantwortlich sei, hätte sich doch Ihr Empfinden gravierend ändern müssen. Aber selbst nach diesem angeblichen Gespräch war keine Änderung Ihrer Wortwahl festzustellen.

Der Umstand, dass eine Finanzprüfung nicht stattgefunden hätte, obwohl eine solche in dem Zeitraum erfolgten hätte sollen, muss auch aufgrund der doch höchst auffälligen Zufalls angezweifelt werden, ist jedoch nicht zur Gänze auszuschließen.

Wenn Sie - siehe dazu Seite der 8 der Niederschrift beim BFA vom 18.3.2019 - zu den Personen befragt wurden, die bei Ihrer Großmutter nach Ihrer Ausreise erschienen seien, aussagten, dass es sich dabei um den Stellvertreter gehandelt habe, so waren diese Aussagen ebenfalls in Frage zu stellen. Auf Nachfrage, woher Ihre Großmutter davon Kenntnis gehabt habe, dass es sich bei dieser Person um den Stellvertreter gehandelt habe, gaben Sie als Grund dafür an, dass Sie dieser nach Hause gebracht hätte, wenn Sie nicht rechtzeitig den Dienst beendet hätten. Da es sich bei einem solchen Umstand, nämlich dass es manchmal dazu gekommen sei, dass der Stellvertreter Sie nach Hause geführt hätte, um keinen alltäglichen handelt, konnte dies einzig als Ausrede gewertet werden, andernfalls Sie solche Begebenheiten schon früher angeführt hätten bzw. ausführlicher darauf eingehen würden, wie es dazu kommen würde, dass er Sie nach Hause bringen würde (sei es dass Sie nicht mehr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen wollten, oder der Stellvertreter in Ihrer Nähe wohnen würde, Ihr Wohnort auf dessen Nachhauseweg liegen würde oder es sich einfach um eine Gefälligkeit gehandelt hätte). Dass Sie darauf aber nur ganz knapp antworteten, dass es es manchmal dazu gekommen sei, dass er Sie nach Hause gebracht hätte, war nur ein weiteres Indiz dafür, dass Sie eben keine wahren Begebenheiten schilderten.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Sie mit rein konstruierten Angaben im Verfahren agierten, war auch jener, dass Sie bei der Frage, siehe Seite 8 der Niederschrift beim BFA vom 18.3.2019 aussagten, dass

Unplausibel sind ihre Ausführungen auch dann, wenn Sie angaben, dass Sie einen Urlaub beantragt und diesen auch genehmigt bekommen hatten, wenn Ihr Vorgesetzter Sie laut Ihren Ausführungen unter Druck gesetzt hätte und deswegen sogar Ihrem Vater Misshandlungen zugefügt hätte. Hätten Sie reale Erlebnisse zu schildern, wäre von Seiten Ihres Vorgesetzten doch

Wesentlich für die Unrichtigkeit Ihrer Ausführungen war auch, wenn Sie am Beginn der Einvernahme beim BFA am 18.3.2019 nach Befragung zum Wohlbefinden Ihrer Eltern meinten, dass es diesen gut ginge. Im Laufe der Niederschrift aber änderten Sie Ihre Meinung dahingehend, als Sie meinten, dass Ihre Eltern nicht mehr an der Wohnadresse aufhältig wären, sondern umgezogen seien. Würden Sie den Tatsachen entsprechende Angaben machen, wäre in jedem Fall zu erwarten, dass Sie von Beginn an ein solch ganz wesentliches Detail anmerken, zumal es sich dabei doch um Ihnen ganz nahestehende Personen handelt und für den Fall wahrheitsgetreuer Schilderungen davon auszugehen ist, dass insbesondere sämtliche Änderungen/Ereignisse den engen Familienkreis betreffend, anzumerken.

Aufgrund der oben angeführten Ausführungen war daher von rein konstruierten Angaben im Verfahren auszugehen.

Die Gründe für die Ausreise mögen im rein privaten Bereich, nämlich Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben, eine Verfolgung Ihrer Person konnte jedoch aus obigen Gründen nicht glaubhaft dargelegt werden.


Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Sie sind arbeitsfähig und verfügen über familiäre Anknüpfungspunkte in Ihrem Heimatland und werden daher im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat in der Lage sein, mit den bisher ausgeübten Tätigkeiten oder gegebenenfalls mit anderen ein ausreichendes Einkommen zu verschaffen.

Es bestehen keine Hinweise darauf, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten.

…“

I.10.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die bB Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Dass die medizinische Behandlung in Armenien gewährleistet ist sowie die entsprechende Medikation, die der bP in Österreich verabreicht wird, auch in Armenien verfügbar ist, stellte die bB mit Hilfe einer Anfrage an die Staatendokumentation vom 12.04.2019 fest.

I.10.3. Rechtlich führte die bB aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar, weshalb die Rückkehrentscheidung in Bezug auf Armenien und die Abschiebung dorthin zulässig sei.

I.11. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bB rechts- und tatsachenirrig vorging. So unterliege die Beweiswürdigung keiner unschlüssigen Begründung, ebenso habe es die bB unterlassen sich mit der grundsätzlichen Verfügbarkeit von angemessenen Behandlungs-möglichkeiten zum Krankheitsbild der bP in Armenien auseinanderzusetzen und die vorgelegten Beweismittel entsprechend zu würdigen. Daraus resultiere eine unrichtige rechtliche Beurteilung, die bei korrekter Bewertung zum Ergebnis hätte, dass die bP einer asylrelevanten Bedrohung aufgrund der ihr unterstellten politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Jedenfalls hätte der bP aber der Status einer subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der fehlenden medizinischen Behandlung erteilt werden müssen.

Aus den oa. Gründen wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung vor ho. Gericht anzuberaumen, der bP den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu eine auf Dauer unzulässige Rückkehrentscheidung mit einer Aufenthaltsberechtigung (plus) auszusprechen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen.

I.12. Die Rechtssache wurde vorerst der ho. Gerichtsabteilung L525 zugewiesen und in weiterer Folge aufgrund eines Beschlusses des ho. Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 der Gerichtsabteilung L525 abgenommen und der Gerichtsabteilung L515 zur weiteren Erledigung zugewiesen.

I.13. Das ho. Gericht ordnete für den 11.10.2021 eine Beschwerdeverhandlung an. Gemeinsam mit der Ladung wurden der bP und der bB Feststellungen zur abschiebungsrelevanten Lage in Armenien übermittelt. Weiters wurde die bP eingeladen, durch die vollständige Beantwortung eines mitgeschickten Fragenkataloges (im ho. Gerichtsakt aufliegend), welcher sich in Bezug auf die bP, insbesondere auf die Gründe des gegenständlichen Antrages, die gesundheitliche Situation, die aktuellen Rückkehrhindernisse, sowie die privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet bezieht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken und bereits vor dem Verhandlungstermin allfällige Bescheinigungsmittel vorzulegen bzw. ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.

Hierbei wurden nachfolgende Fragen an de bP gerichtet:

„1) Geben Sie bekannt, ob sich seit der Einbringung der Beschwerde Änderungen hinsichtlich Ihrer persönlichen Problemlage in Ihrem Herkunftsstaat ergeben haben, die aktuell im Falle der Rückkehr für Sie persönlich ein Rückkehrhindernis darstellen würden und machen Sie dazu gegebenenfalls - im Sinne Ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- u. Verfahrens-förderungspflicht - konkrete und vollständige Angaben.

2) Geben Sie Ihren letzten Wohnort unter genauer Nennung der Adresse in Ihrem Herkunftsstaat an.

3) Stehen Sie zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage wegen einer Krankheit in medizinischer Behandlung oder unterziehen Sie sich einer sonstigen Therapie, dann geben Sie an, um welche Erkrankung es sich konkret handelt und welche Behandlung derzeit erforderlich ist? Bei medikamentöser Behandlung geben Sie den Namen des Medikamentes an. Im Falle einer Therapie beschreiben Sie die Therapie und deren Zweck genau.

4) Wenn aktuell Familienangehörige, Verwandte, Lebensgefährte/in in Österreich leben, geben Sie Vornamen, Familiennamen und Wohnort dieser Person(en) bekannt. Handelt es sich um Fremde, geben Sie deren Aufenthaltsstatus (Art des Aufenthaltsrechtes) an. Gegebenenfalls geben Sie auch an, mit wem davon Sie aktuell im gemeinsamen Haushalt leben und an welcher Wohnanschrift.

5) In welchen Berufs- bzw. Erwerbszweigen konnten Sie bisher in Ihrem Herkunftsstaat praktische Erfahrung sammeln?

6) a) Machen Sie Angaben über von Ihnen in Österreich besuchte Deutschkurse und abgelegte Deutschprüfung(en).
b) Geben Sie bekannt welche sonstigen Kurse/Schulungen Sie in Österreich seit Asylantragstellung besucht haben. Besuch(t)en Sie eine Schule/Lehre, so legen Sie zum Nachweis alle bisher in Österreich erhaltenen Zeugnisse/Schulnachrichten/ Lehrabschlussprüfungszeugnis vor.

7) Erlaubte Erwerbstätigkeit für Asylwerber in Österreich (https://www.ams.at/ unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern):
a) Hat seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich ein Unternehmen bzw. Dienstgeber für Sie beim AMS eine Beschäftigungsbewilligung beantragt, weil Sie als Dienstnehmer beschäftigt werden sollten? (zB Arbeiten im Bereich Gastronomie oder Landwirtschaft als Saison-beschäftigung)
b) Haben Sie in Österreich eine Gewerbeberechtigung erlangt, um selbständig gegen Werkvertrag arbeiten zu können?
c) Haben Sie in Österreich Hilfsarbeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Unterbringung stehen, z. B. Reinigung, Küchenbetrieb, Transporte, Instandhaltung oder

gemeinnützige Hilfsarbeiten für Bund, Länder und Gemeinden, z. B. Landschaftspflege und -gestaltung, Betreuung von Park- und Sportanlagen, Verwaltung durchgeführt, wofür Sie auch Geld (Anerkennungsbeitrag) erhalten haben?

8) Waren bzw. sind Sie in Österreich seit der Asylantragstellung ehrenamtlich tätig (zB Rettung, Feuerwehr, sonstige soziale Organisationen etc.)?

9) Wie finanzieren Sie seit der Asylantragstellung Ihr Leben in Österreic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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