TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/25 L515 2231389-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2021
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Entscheidungsdatum

25.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L515 2231389-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA der Republik Aserbaidschan, geb. am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans JALOVETZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als „bP“ bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Aserbaidschan und brachte nach rechtswidriger Einreise am 02.01.2020 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2. Die bP brachte vor, sich über den aserbaidschanischen Präsidenten negativ geäußert zu haben, weshalb sie schweren staatlichen Repressalien ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus sei ihre Gesundheit aufgrund eines Lungenleidens beeinträchtigt.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden:

„…

Bei der niederschriftlichen Befragung vor der PI […] am 03.01.2020 gaben Sie vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes Folgendes an:

Sie würden […] heißen und seien am […] in […]/Aserbaidschan geboren. Sie seien Staatsangehöriger von Aserbaidschan, nicht verheiratet und würden dem Islam und der Volksgruppe der Talis angehören. Sie hätten elf Jahre lang die Schule besucht und hätten zuletzt als Möbelverkäufer gearbeitet.

Sie hätten keine Beschwerden oder Krankheiten, die Sie an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten. Sie könnten dieser Einvernahme ohne Probleme folgen.

Ihre Eltern und Ihre beiden Geschwister würden in der Nähe von Istanbul/Türkei wohnhaft sein. Hier in Österreich oder einem anderen Staat der Europäischen Union würden sich keine Familienmitglieder von Ihnen aufhalten.

Im Jänner 2019 hätten Sie beschlossen, ohne ein bestimmtes Reiseziel zu haben, Ihren Herkunftsstaat zu verlassen. Noch im Jänner 2019 seien Sie von Baku aus nach Russland gefahren. Nach ca. einem Jahr hätten Sie Russland wieder verlassen und wären über Ungarn bis nach Österreich gekommen. Nunmehr möchten Sie auch in Österreich bleiben, da Sie im Internet gelesen hätten, dass Österreich ein soziales Land sei. Insgesamt hätten Sie für die Reise US-$ 8.000,-- bezahlt. Sie seien mit Ihrem Inlands- und auch mit Ihrem Auslandspass nach Ungarn gekommen. Dort hätte Ihnen der Schlepper diese Dokumente abgenommen und dann aber nicht mehr zurückgegeben, da Sie diese Pässe in Österreich nicht mehr brauchen würden.

Sie hätten gegen den Präsidenten ALIYEV in der Öffentlichkeit schlecht gesprochen und Sie hätten gesagt, dass er ein Diktator sei. Die Polizei hätten Sie deswegen fünf Tage lang angehalten und im Gefängnis wären die Beamten sehr gewalttätig gewesen. Sie und noch anderen Personen seien mit kaltem Wasser angeschüttet worden und hätten am Boden liegen bleiben müssen. Vorher hätten Sie die Kleidung ausziehen müssen. Als Sie aus dem Gefängnis entlassen worden wären, hätten Sie nach einer Möglichkeit gesucht, Aserbaidschan zu verlassen. Im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat würden Sie befürchten, dass Sie dort wieder eingesperrt oder sogar umgebracht werden könnten. Zwei Freunde von Ihnen würden sich bereits im Gefängnis befinden.

Am 30.01.2020 wurden Sie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, niederschriftlich einvernommen. Dabei gaben Sie im Wesentlichen Folgendes an:

F: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

A: Nein, ich bin gesund und ich benötige auch keine Medikamente.

F: Bei der gegenständlichen Antragstellung führten Sie aus, dass Sie seit einem Jahr Schmerzen im Oberkörper (Lunge und Leber) verspüren würden. In der „Gesundheitsbefragung“, welche Sie im Beisein eines Dolmetschers ausfüllten, gaben Sie an, dass Sie an Krankheiten leiden würden und führten näher dazu „Lunge, Nieren, Fuß“ aus. Bitte erklären Sie sich näher zu diesen Angaben.

A: Ich leide an einer Lungenkrankheit. Wenn es kalt ist, dann bekomme ich Atemnot. Damals, als ich hier bei der Polizei war, schmerzten meine Nieren rechtes Bein. Diesbezüglich habe ich jetzt aber keinerlei Probleme mehr.

F: Um was handelt es sich konkret bei Ihrer „Lungenkrankheit“?

A: Es befindet sich ein Fleck in der Lunge. Ich weiß nicht, wie man dies bezeichnet. Ich kenne nur den russischen Begriff. Dieser Begriff lautet „Pnevmaniya“.

F: Seit wann haben Sie diese Probleme?

A: Seit ca. einem Jahr.

F: Sie wurden hier auch an der Lunge geröntgt. Das war am 07.01.2020. Diese Untersuchung ergab keinen Befund. Haben Sie Ihre Beschwerden hier beim Arzt genannt?

A: Um diese Krankheit feststellen zu können, muss man eine Maschine verwenden, die vom Inneren die Untersuchung macht. Hier wurde ich aber mit einer Maschine von außen untersucht.

F: Nochmals: Haben Sie Ihre Beschwerden hier beim Arzt genannt?

A: Ich habe es hier gesagt, aber ich konnte mich nicht artikulieren.

F: Sie bekamen hier vom Arzt ein Lavendelöl verschrieben. Warum?

A: Mir wurde gesagt, dass ich dieses Öl am Abend, vor dem Schlafengehen, im Bereich der Nieren auftragen soll.

F: Sind bei Ihnen noch weitere Untersuchungen oder ärztliche Termin geplant?

A: Nein, geplant ist nichts.

F: Hinsichtlich Ihrer Lungenkrankheit – wo haben Sie die diesbezügliche Diagnose erhalten?

A: Das war im Krankenhaus in Baku. Ich musste fünfzehn Tage stationär behandelt werden und bekam Spritzen.

F: Wie hat diesbezüglich dann die weitere Behandlung ausgesehen?

A: Danach habe ich mich nicht mehr behandeln lassen, da ich das Land verlassen habe.

F: Hätten Sie überhaupt noch eine Behandlung gehabt?

A: Mir wurde im Krankenhaus gesagt, dass ich bei Bedarf, also, wenn ich an Atemnot leide, wieder kommen könnte und dann eine Spritze erhalten würde. Eine sonstige Behandlung war nicht geplant oder nötig.

F: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

A: Nein.

F: Haben Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Ich hatte einen Führerschein, einen Reisepass und einen Personalausweis. Diese Dokumente wurden mir von der Person abgenommen, welche mich nach Ungarn und nach Österreich gebracht hat. Auch hat er mir Geld abgenommen.

F: Wann haben Sie Ihren Reisepass erhalten?

A: Ich denke, dass dies im Jahr 2014 oder 2015 war.

F: Wann haben Sie Ihren Personalausweis und Ihren Führerschein erhalten?

A: Wann ich den Personalausweis bekam, weiß ich nicht mehr. Das war vor drei bis fünf Jahren. Den Führerschein habe ich 2016 oder 2017 bekommen.

F: Hatten Sie Probleme bei der Ausstellung des Reisepasses?

A: Nein. Ich habe den Reisepass bei der offiziellen Passbehörde beantragt und auch ohne Probleme erhalten.

F: Haben Sie jemals ein Visum für ein EU-Land beantragt?

A: Ja. Ich hatte ein chinesisches Visum und in Moskau bekam ich ein ungarisches Visum.

F: Verfügen Sie noch über andere Dokumente oder Bescheinigungsmittel?

A: Ich hatte noch eine Geburtsurkunde und Schulzeugnisse.

F: Wo befinden sich Ihre Geburtsurkunde und Ihre Zeugnisse?

A: In Aserbaidschan.

F: Können Sie diese Unterlagen beschaffen?

A: Nein, jetzt nicht. Meine Familie ist derzeit nicht in Aserbaidschan.

F: Wann kommt Ihre Familie wieder nach Aserbaidschan zurück?

A: Ich weiß es nicht. Sie werden zurückkehren, wenn sich die Lage beruhigt hat.

F: Wann reiste Ihre Familie in die Türkei?

A: Das war vor ca. zwei Monaten.

F: Haben Sie vor Ihrer Familie Aserbaidschan verlassen oder später?

A: Ich bin vor meiner Familie ausgereist.

F: Wer konkret von Ihrer Familie ist jetzt in der Türkei?

A: Meine Eltern. Mein jüngerer Bruder und meine jüngere Schwester.
F: Haben Sie noch weitere Geschwister?

A: Nein.

F: Wer von Ihrer Familie befindet sich noch in Aserbaidschan?

A: Ich habe sehr viele Verwandte. Diese befinden sich noch alle in Aserbaidschan.

F: Verfügen Sie über Barmittel?

A: Ich verfüge über ca. EURO 40,--. Hier in Österreich lebe ich von der Grundversorgung.

F: Sind Sie vorbestraft?

A: Nein.

F: Wie lautet Ihre letzte Wohnadresse in Ihrem Herkunftsstaat und wie lange haben Sie sich dort aufgehalten?

A: Meine letzte Adresse lautete: Aserbaidschan, […]. Die letzten zehn Jahre vor meiner nunmehrigen Ausreise habe ich dort gewohnt. Vorher wohnte ich in einer anderen Stadt. In […].

F: Wann haben Sie die soeben von Ihnen genannte Adresse verlassen und wann und wie haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen?

A: Das war Mitte Jänner 2019. Damals habe ich auch Aserbaidschan verlassen.

F: Sind Sie alleine gereist?

A: Ja.

F: Wie kamen Sie nach Österreich?

A: Mitte Jänner 2019 habe ich Aserbaidschan verlassen. Dann war ich in Russland. Ich habe ca. ein Jahr lang in Moskau gelebt. Dann bin ich nach Ungarn und von Ungarn hierher.

F: Sind Sie schlepperunterstützt gereist?

A: Ja.

F: Ab wann hatten Sie den Schlepper?

A: Ich bekam in Moskau ein Visum in den Reisepass. Von Moskau aus bin ich mit dem Flugzeug alleine nach Ungarn. Am Flughafen hat mich dort jemand abgeholt und diese Person brachte mich hierher.

F: Habe ich Sie richtig verstanden: Sie sind von Aserbaidschan aus selbständig nach Russland gereist. In Moskau haben Sie selbständig das Visum beantrag und Sie sind auch selbständig nach Ungarn gereist?

A: Von Aserbaidschan nach Russland reiste ich selbständig. In Moskau hat mir dann jemand geholfen, dass ich das Visum bekommen. Diese Person nahm mir den Reisepass ab und gab mir den Reisepass zusammen mit dem Visum zurück.

F: Waren Sie in Moskau persönlich bei der ungarischen Botschaft?

A: Nein, ich war nie dort.

F: Wie viel haben Sie dem Schlepper bezahlt?

A: US-$ 8.000,--.

F: Woher hatten Sie das Geld für die Reise?

A: Es war mein eigenes Geld. Ich habe gearbeitet dort.

F: Sie führten vorher aus, dass Sie ein Visum von Ungarn gehabt hätten. Unter Verwendung dieses Visum hätten Sie Ihren Herkunftsstaat legal verlassen und wären auch nach Ungarn gereist. Wieso haben Sie nicht in Ungarn keinen Asylantrag gestellt?

A: Ich wollte dort nicht. Hier hat es mir gefallen. Die Gesetze hier sind besser und die Menschen werden hier wertgeschätzt. Die Frau, die mir in Russland behilflich war, fragte mich, in welches europäisches Land ich möchte. Ich habe dann im Internet geschaut und mich dann für Österreich entschieden.

F: Bitte schildern Sie kurz Ihren bisherigen Lebenslauf.

A: Ich bin in […] geboren. Bis zur vierten Klasse besuchte ich die Schule dort. Dann kam ich nach […]. Dort besuchte ich sieben Jahre lang die Schule. Nach dem Schulabschluss begann ich zu arbeiten. Anfangs war ich Goldschmied. Da mir dies nicht mehr gefiel begann ich im Basar zu arbeiten. Mein Vater besaß dort ein Geschäft und in diesem Geschäft habe ich gearbeitet. Wir haben Bettwäsche verkauft.

F: Wer betreibt aktuell das Geschäft Ihres Vaters?

A: Mein Vater übergab mir das Geschäft, da er krank war. Vor meiner Ausreise habe ich das Geschäft verkauft.

F: Wann vor Ihrer Ausreise haben Sie das Geschäft verkauft?

A: Das war ca. zehn Tage vor meiner Ausreise. Dann habe ich in Russland ein Geschäft betrieben.

F: Was für ein Geschäft hatten Sie in Russland?

A: Dort habe ich auch so ein Geschäft wie in Aserbaidschan betrieben.

F: Wer betreibt Ihr Geschäft in Russland jetzt?

A: Dieses Geschäft habe ich auch verkauft und ich kam dann hierher.

F: Warum haben Sie Ihr Geschäft in Russland verkauft?

A: Ich musste ausreisen.

F: Warum?

A: Da ich gesucht und weil meine Freunde von Russland aus nach Aserbaidschan abgeschoben worden sind. Sie waren auch Gegner von Aliyev.

F: Wer suchte Sie?

A: Während ich in Russland war, wurden meine Eltern zur Polizeidienststelle gerufen und über mich befragt. Wo ich mich befinde. Drei Stunden lang wurden sie befragt.

F: Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. warum stellen Sie den gegenständlichen Antrag auf int. Schutz?

A: Alle die sich gegen den Politiker Aliyev äußern werden gefoltert. Sie haben ein neues System gegründet. Dass man die Leute bei der Polizei anzeigt und dann dafür belohnt wird. Ich wurde gefoltert, weil ich verbreitete, dass Aliyev ein Diktator ist. Wie der Vater von Ilham Aliyev, namens Haydar Aliyev, an die Spitze kam. Wie Haydar Aliyev es schaffte, Präsident zu werden. Man darf sich nicht gegen sie äußern.

F: Gibt es noch weitere Gründe für die gegenständliche Antragstellung?

A: Nein.

F: Sie sagten, dass Sie gefoltert worden seien. Wann war dies?

A: Das war am 22.12.2017.

F: Gab es mehrere solche Vorfälle?

A: Ich wurde zwei oder dreimal zur Polizeidienststelle mitgenommen. Aber nicht gefoltert. Bei uns hat die Polizei eine andere Bedeutung. Es ist nicht so wie in Europa.

F: Was waren Ihre konkreten Aussagen hinsichtlich Aliyev?

A: Wenn wir unter uns über Aliyev reden und eine andere Person bekommt das mit, dann wird das sofort der Polizei gemeldet. Wir sprechen generell darüber, wie er an die Macht kam. Er kümmert sich nicht wirklich um sein Volk. Er macht Gräueltaten.

F: Mit wem haben Sie über Aliyev gesprochen?

A: Ich habe mich mit meinen Freunden unterhalten.

F: Wann wurden Sie zur Polizei mitgenommen?

A: Wann ich das erste Mal bei der Polizei war, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Es ist ca. zwei Jahre her.

F: Was ist dort vorgefallen?

A: Beim ersten Mal wurden wir nur ermahnt. Wir sollten unsere Meinung über ihn nicht mehr preisgeben. Wir mussten uns immer still halten. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird man gefoltert und mundtot gemacht.

F: Wurden Sie alleine festgenommen oder wurden mehrere Personen festgenommen?

A: Ich wurde alleine mitgenommen. Es war so, ich wurde angerufen und zur Polizeidienststelle vorgeladen. Ich bin dann zur Polizei hingegangen. Dort wurde ich dann ermahnt. Der Polizist sagte, wenn ich mich über Aliyev äußere, dann verliere er seinen Posten. Wenn nicht, dann dürfte er weiterarbeiten.

F: Wann wurden Sie das zweite Mal mitgenommen und was passierte damals?

A: Das war vor ca. eineinhalb Jahren. Es war die gleiche Vorgehensweise, wie beim ersten Mal.

F: Was passierte dann weiter?

A: Beim letzten Vorfall wurde ich mitgenommen und gefoltert. Fünf Tage lang.

F: Können Sie diesen Vorfall konkret schildern?

A: Als ich den Basar verließ ging ich zum Taxistand, um nach Hause zu fahren. Dann kam ein Auto. Ich denke, dass es nur ein Auto war. Man zog mir einen Sack über den Kopf. Dann wurde ich mit dem Auto wohin gebracht. Dort schlugen sie auf mich ein und folterten mich. Das war es.

F: Was meinen Sie konkret mit „foltern“?

A: Wir waren zu dritt. Die anderen waren Bekannte von mir. Es war ein Raum im Keller. In der Früh schütteten sie uns kaltes Wasser über den Körper, um uns aufzuwecken. Sie kamen zwischendurch immer wieder und schlugen uns. Sie warnten uns, dass wir nie wieder so etwas machen dürften. So war es.

F: Was passierte nach diesen fünf Tagen?

A: Nach den fünf Tagen brachten Sie uns zur Dienststelle. Wir mussten etwas unterschreiben. Ich weiß aber nicht, was dort geschrieben stand. Einer meiner Freunde sagte, dass wir auf keinen Fall unterschreiben sollten. Als sich mein Freund weigerte, hat der Polizist sein eigenes Dienstabzeichen heruntergerissen und gefragt, ob er gesehen hätte, was passiert sei. Sie nahmen meinen Freund mit und brachten ihn anschließend ins Gefängnis. Als ich in Russland war hörte ich, dass es zu einem Gerichtsverfahren bei ihm gekommen sei. Mehr weiß ich dazu nicht.

F: Haben Sie unterschrieben?

A: Ja.

F: Was passierte dann?

A: Nichts. Ich wurde freigelassen und konnte wieder nach Hause gehen.

F: Weswegen wurden Sie überhaupt festgenommen?

A: Weil ich mich gegen Aliyev äußerte.

F: Wie haben diese Äußerungen konkret ausgesehen?

A: Dass er ein Diktator ist. Wie er an die Macht kam. Indem er Karabach verkauft hat. Haydar Aliyev hat für den russischen KGB gearbeitet. Das wusste jeder. Er hat dann Putin die aserbaidschanische Erde in Karabach verkauft.

F: Gab es nach dem 22.12.2017 weitere Vorfälle?

A: Nein, weitere Vorfälle gab es dann nicht mehr.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen?

A: 3x Nein.

F: Mussten Sie einen Militärdienst leisten?

A: Ja.

F: Von wann bis wann?

A: Bei uns dauert das Militär ein Jahr und sechs Monate. Ich habe auch diesbezüglich ein Wehrdienstbuch.

F: Nochmals: Von wann bis wann?

A: Von 2010 bis 2011 habe ich meinen Militärdienst geleistet.

F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion oder wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme?

A: 2x Nein.

F: Waren Sie jemals politisch tätig?

A: Nein, nie.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Verfolgung durch Dritte Probleme?

A: Nein.

F: Sie gaben an, dass der letzte Vorfall mit der aserbaidschanischen Polizei am 22.12.2017 gewesen wäre. Dann wäre nichts mehr vorgefallen. Warum konkret haben Sie im Jänner 2019 dann Aserbaidschan verlassen?

A: Ich bin mir mit dem 22. nicht so sicher. Es könnte auch der 23. gewesen sein.

F: Nochmals: Sie gaben an, dass der letzte Vorfall mit der aserbaidschanischen Polizei am 22.12.2017 gewesen wäre. Dann wäre nichts mehr vorgefallen. Warum konkret haben Sie im Jänner 2019 dann Aserbaidschan verlassen?

A: Nein, ich habe Aserbaidschan im Jänner 2018 verlassen. Ein Jahr lang war ich dann in Russland. Dann kam ich hierher.

F: Jetzt haben wir Jänner 2020. Wenn Sie Aserbaidschan im Jänner 2018 verlassen haben, so wäre dies vor ca. zwei Jahren gewesen. Ein Jahr davon seien Sie in Russland gewesen. Wo haben Sie sich dann die restliche Zeit – auch ein Jahr – aufgehalten?

A: Dann habe ich das falsch gesagt. Der letzte Vorfall war im Dezember 2018.

F: Wenn der letzte Vorfall im Dezember 2018 gewesen ist, dann stimmen auch die zeitlichen Angaben zu den von Ihnen vorher angeführten Vorfällen nicht. Was sagen Sie dazu?

A: Der erste Vorfall war vor zwei Jahren ab heute gerechnet. Es kann schon sein, dass ich mich etwas vertan habe. Ich sagte auch, dass ich mich nicht mehr genau erinnern kann. Es kann auch vor zweieinhalb Jahren gewesen sein. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

F: Als Sie nach dem letzten Vorfall von der Polizei entlassen worden sind, was haben Sie dann gemacht?

A: Weil ich gehört habe, dass mein Freund inhaftiert worden ist, bekam ich Angst. Ich sprach mit meinen Eltern darüber und verkaufte das Geschäft. Ich gab meinen Eltern auch etwas Geld. Ich beabsichtigte dann, in Russland ein Geschäft zu eröffnen. Währenddessen unterstütze ich meine Familie auch finanziell.

F: Werden Sie aktuell von der Polizei in Aserbaidschan gesucht?

A: Ich weiß es nicht. Ich habe keine Kontakte zu Aserbaidschan. Zuletzt haben sie meine Eltern zur Dienststelle geladen und haben nach mir gefragt.

F: Wann war das?

A: Vor ca. zwei bis drei Monaten war das.

F: Warum wurden Ihre Eltern vorgeladen?

A: Sie wollten wissen, wo ich mich befinde.

F: Warum?

A: Ich weiß es nicht.

F: Vorher gaben Sie an, dass Sie Russland deswegen verlassen hätten, weil Sie gesucht seien. Jetzt sagen Sie wieder das Gegenteil. Was stimmt nun?

A: Der Grund, warum ich Aserbaidschan verließ ist, dass man mich, so wie meinen Freund, verhaften würde. Als ich in Russland war, haben sie vor zwei oder drei Monaten meine Eltern über mich befragt. Ich weiß nicht, warum sie mich suchen. Ich habe meinen Eltern geraten, dass sie eine Zeit lang in der Türkei bei Verwandten verbringen sollten, bis sich die Lage wieder beruhigt.

F: Wurden Ihre Eltern schon vorher von der Polizei aufgesucht?

A: Nein, nur dieses eine Mal.

F: Warum haben Sie nicht in einem anderen Teil Ihres Herkunftsstaates Schutz vor Verfolgung gesucht?

A: Nein, dort hätten sie mich gefunden. Sogar in Russland.

F: Sie gaben vorher an, dass von Russland aus Freunde abgeschoben worden wären. Was meinen Sie konkret damit?

A: Ein Aliyev-Gegner namens […] veröffentlichte auf YouTube eine Rede. Daraufhin wurde er von Russland nach Aserbaidschan abgeschoben. Jetzt wird er dort gefoltert. Daraufhin habe ich Angst bekommen, dass sie mich auch nach Aserbaidschan abschieben könnten.

F: Sind Sie öffentlichkeitswirksam gegen Aliyev aufgetreten?

A: In Aserbaidschan ja.

F: Was meinen Sie konkret damit?

A: Unter Freunden.

F: Nochmals: Was meinen Sie konkret damit?

A: Nein, öffentlichkeitswirksam bin ich nicht aufgetreten. Ich habe gegen keine Verbote verstoßen.

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich werde nie wieder in mein Heimatland zurückkehren.

F: Nochmals: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Nein, ich werde nicht dorthin zurückkehren. Wenn, dann nur mein Sarg. Sie haben mich so sehr gefoltert, dass ich, wenn ich mich daran erinnere, schlecht fühle.

F: Würde Ihnen im Falle Ihrer Rückkehr nach Aserbaidschan überhaupt etwas passieren?

A: Ja.

F: Was?

A: Ich möchte nicht, dass sie mich wieder foltern.

F: Sie führten heute mehrmals aus, dass gefoltert worden wären. Gibt es diesbezüglich noch irgendwelche Spuren an Ihrem Körper zu sehen?

A: An der Leber und der Lunge.

F: Was meinen Sie damit?

A: Meine Krankheit ist deswegen entstanden, als sie uns mit kaltem Wasser überschüttet haben und wir der Kälte ausgesetzt waren.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz zu stellen, vollständig geschildert?

A: Ja. Andere Gründe habe ich nicht.

F: Sind Sie damit einverstanden, wenn Ihre Angaben in Ihrem Herkunftsstaat durch einen Vertrauensanwalt und/oder Sachverständigen überprüft werden?

A: Ja, ich stimme einer Recherche in meinem Herkunftsstaat zu. (Anm.: Die schriftliche Zustimmungserklärung wird dem ASt. vorgelegt und vom anwesenden Dolmetscher übersetzt). Nein, ich unterschreibe dieses Schriftstück nicht, da dies sicherlich zu Problemen für meine Eltern in Aserbaidschan führen wird.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Stimmt diese Niederschrift mit Ihren bisherigen Angaben überein?

A: Ja.

F: Mit wem konkret von Ihren Freunden haben Sie über Aliyev gesprochen?

A: Einer von ihnen war ein Arbeitskollege vom Basar. Er heißt […]. Und der Freund, der verhaftet wurde, heißt […].

F: Haben Sie sich noch mit anderen Personen über Aliyev unterhalten?

A: Nein.

F: Halten sich diese Freunde von Ihnen noch immer in Aserbaidschan auf?

A: Ja.

F: Was machen Ihre beiden Freunde aktuell in Aserbaidschan?

A: Einer ist in Haft. […]. Was […] macht, weiß ich nicht.

F: Bei welcher Gelegenheit haben Sie mit Ihren Freunden über Aliyev gesprochen?

A: Wir waren unter uns.

F: Wie kann man sich das vorstellen?

A: Im Cafehaus. Im Restaurant. Nach der Arbeit.

F: Waren andere Personen dabei noch anwesend?

A: Nein.

F: Wer hat Sie bei der Polizei angezeigt?

A: Eine Person, die auch im Basar arbeitete, hat mich angezeigt. Ich weiß aber nicht, wie diese Person heißt. Das war beim letzten Vorfall.

F: Woher wissen Sie, dass diese Person Sie angezeigt hat?

A: Ich vermute, dass es diese Person war. Als wir im Basar waren, ging diese Person vorbei und schaute auffällig und dann ging diese Person wieder zurück und schaute wieder auffällig.

F: Sie gaben an, dass Sie in Aserbaidschan gefoltert worden seien. Haben Sie sich diesbezüglich je an eine höhere Dienststelle oder den Ombudsmann gewandt und eine Beschwerde eingereicht?

A: Beim wem hätte ich mich beschweren können? Das ist unmöglich.

F: Sie gaben an, dass Sie in Aserbaidschan gefoltert worden seien und Sie psychische Probleme hätten, wenn Sie sich an diese Vorfälle erinnern würden. Haben Sie diesbezüglich je ärztliche Hilfe in Anspruch genommen?

A: Ja.

F: Wo waren Sie beim Arzt?

A: Ich war wegen der Lungenbeschwerden beim Arzt. Dort meinte man auch, dass die Nierenbeschwerden von den Schlägen herrühren würden.

F: Wann konkret wurden Sie nach dem letzten Vorfall konkret von der Polizei entlassen?

A: Wenn ich am 22.12. angehalten worden bin, dann wird das der 27. gewesen sein.

F: Können Sie ein konkretes Datum der Entlassen nennen?

A: Der letzte Vorfall war am 22.12.2018. Entlassen wurde ich dann am 27.12.2018. Nein, ich denke, das stimmt wieder nicht. (ASt. überlegt). Doch, es stimmt so.

F: Wann konkret haben Sie Aserbaidschan verlassen?

A: Das war im Jänner 2019. Es war zwischen 15. und 20.01.2019.

F: Was machten Sie konkret in der Zeit zwischen 27.12.2018 und Ihrer Ausreise aus Aserbaidschan am 15.01.2019?

A: Ich wurde untersucht und habe das Geschäft verkauft.

F: Nochmals: Können Sie mir schildern, was Sie in dieser Zeit gemacht haben?

A: Nach meiner Entlassung wurde ich untersucht und ich war fünfzehn Tage lang im Krankenhaus.

F: Wann wurden Sie untersucht?

A: Einen Tag nach meiner Entlassung suchte ich das Krankenhaus auf. Fünfzehn Tage lang war ich dort und wurde behandelt. Und dann verkaufte ich das Geschäft.

F: Wann haben Sie Ihr Geschäft verkauft?

A: Gleich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich mit meinem Vater gesprochen. Ich habe ihm mitgeteilt, dass meine Freunde verhaftet werden würde und ich nach Russland gehe. Dann bin ich nach Russland.

F: An wen haben Sie Ihr Geschäft verkauft?

A: Ich hatte im Basar einen Mietvertrag, da man im Basar nicht im Besitz eines Geschäfts sein kann. Ich habe aber das Inventar verkauft.

F: Nochmals: An wen haben Sie das Inventar verkauft?

A: Einem Arbeitskollegen im Basar habe ich das mitgeteilt und ich gab die Sachen auch günstig her. Es handelt sich dabei um Leute im Basar, die auch diese Waren verkauft haben. Diese haben mir meine Waren dann abgekauft.

F: Wurden Sie bei der Ausreise aus Aserbaidschan im Jänner 2019 kontrolliert?

A: Ja.

F: Was haben Sie als Ausreisegrund angegeben?

A: Ich musste keinen Ausreisegrund angeben. Ich wurde nicht gefragt.

F: Gab es Probleme bei der Ausreise?

A: Nein.

F: Sie führten aus, dass Ihre Eltern nunmehr auch von der Polizei nach Ihrem Aufenthaltsort befragt worden seien. Wurde Ihren Eltern auch der Grund genannte, weswegen die Polizei sich für Sie interessieren würde?

A: Sie haben meinen Eltern keinen Grund genannt. Wenn ich wüsste, was mich dort erwartet, dann wäre ich vielleicht selbst dorthin gegangen. Da ich es aber nicht weiß, macht mir das Angst, denn es könnte mit der Unterschrift zu tun haben.

F: Wurden Ihre Familienangehörigen auch bei der Ausreise aus Aserbaidschan kontrolliert?

A: Ja. Sie hatten aber keine Probleme bei der Ausreise.

F: Sie gaben vorher an, dass Sie Angst gehabt hätten, von Russland aus nach Aserbaidschan abgeschoben zu werden. Warum hätten Sie von Russland aus nach Aserbaidschan zurückgebracht werden sollen?

A: Da die Polizei begonnen hat, nach mir zu suchen und meine Eltern über mich befragt hat und weil meine Freunde nach und nach in ihr Heimatland abgeschoben worden sind und sich Aliyev stellen mussten.

F: Sie gaben vorher an, dass Freunde von Ihnen von Russland aus nach Aserbaidschan abgeschoben worden seien. Um welche Personen handelte es sich dabei konkret?

A: Aserbaidschanische Staatsbürger. Ich kenne sie namentlich nicht. Ich habe das auch nur gehört.

F: Warum haben sich diese Personen Aliyev stellen müssen?

A: Weil diese Personen in der Öffentlichkeit schlecht über ihn gesprochen haben. Deswegen hat man sie zur Rede gestellt und deswegen wurden sie auch gefoltert.

F: Woher wissen Sie, dass diese Personen zur Rede gestellt worden sind und gefoltert worden sind?

A: Schauen Sie sich auf YouTube nicht an, was sich in Aserbaidschan abspielt?

F: Was möchten Sie jetzt hier in Österreich machen?

A: Zur Zeit kann ich gar nichts denken.

…“

I.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf die Republik Aserbaidschan gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen festgelegt.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu –unter starker Vermengung mit Elementen der rechtlichen Beurteilung - Folgendes aus:

„…

Im Zuge der mit Ihnen geführten Erstbefragung gaben Sie vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass Sie an keinen Beschwerden oder Krankheiten leiden würden, welche Sie an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten. Weiters füllten Sie dort am 03.01.2020 ein Formular (Anm. „Gesundheitsbefragung“) aus und führten darin an, dass Sie an gesundheitlichen Beschwerden leiden würden. Dazu wurde vermerkt „Lunge, Nieren, Fuß“. Ebenso bejahten Sie, dass Sie an einer psychischen Erkrankung, wie z.B. Depressionen, Angst oder Schlafstörung, leiden würden und dass Sie in Aserbaidschan misshandelt oder gefoltert worden wären.

Nachdem Sie bereits in der Erstbefragung Ihre Zustimmung dazu gegeben hatten, wurde mit Ihrem Unterkunftgeber, der BS-Bergheim, Kontakt aufgenommen und gebeten, Auskünfte aus Ihrem Krankenakt zu erteilen. Den am 27.01.2020 ha. eingelangten Unterlagen kann entnommen werden, dass die mit Ihnen am 07.01.2020 durchgeführte Röntgenuntersuchung ohne Befund verlaufen ist. Ebenso die am 07.01.2020 durchgeführte medizinische Erstuntersuchung verlief ohne besondere Auffälligkeiten und Ihnen wurde lediglich ein Rezept für „Lavendelöl“ mitgegeben.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärten Sie zuerst auf konkrete Fragestellung hin, dass Sie gesund seien und auch keine Medikamente benötigen würden. Erst nachdem Sie auf die von Ihnen unterschriebene „Gesundheitsbefragung“ angesprochen worden waren, führten Sie aus, dass Sie an einer Lungenkrankheit leiden würden. Immer wenn es kalt sei würden Sie Atemnot bekommen. Als Sie hier bei der Polizei gewesen wären, hätten Ihre Nieren und auch Ihr rechtes Bein geschmerzt. Diesbezüglich hätten Sie jetzt aber keinerlei Probleme mehr. Die von Ihnen angesprochene Lungenkrankheit hätten Sie seit ca. einem Jahr und diese würde in der Sprache Russisch als „Pnevmaniya“ bezeichnet werden. Um diese Krankheit feststellen zu können, müsste man eine Maschine verwenden, die vom Inneren die Untersuchung machen würde. Hier in Österreich seien Sie aber lediglich von außen untersucht worden. Beim Arzt hätten Sie Ihre Beschwerden auch genannt, aber Sie hätten sich dort nicht richtig artikulieren können. Das Lavendelöl hätten Sie deswegen erhalten, da Ihnen gesagt worden sei, dass Sie dieses Öl am Abend vor dem Schlafengehen im Bereich Ihrer Nieren auftragen sollten. Aktuell seien keine medizinischen Behandlungen bei Ihnen geplant. Die Diagnose hinsichtlich Ihrer Lungenkrankheit hätten Sie in Aserbaidschan erhalten. Damals wären Sie fünfzehn Tage lang stationär in einem Krankenhaus in Baku behandelt worden und Sie hätten dort Spritzen erhalten. Ihnen sei im Krankenhaus gesagt worden, dass Sie bei Bedarf, also bei auftretender Atemnot, wieder kommen und eine Spritze erhalten könnten. Eine sonstige oder weiterführende Behandlung sei dann nicht geplant worden bzw. wäre auch nicht nötig gewesen. Diese Lungenkrankheit würde von einem Vorfall in Aserbaidschan herrühren, bei welchem Sie von der Polizei misshandelt worden wären.

In der zweiten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gaben Sie an, dass es Ihnen nicht so gut gehen würde, da Sie unter Stress stehen und viel nachdenken würden. Auch könnten Sie in der Nacht nicht schlafen. Ergänzend gaben Sie noch an, dass Sie sich bezüglich der von Ihnen hier angeführten Lungenkrankheit bisher noch nicht an einen Arzt gewandt hätten. Dies deswegen, weil Sie sich ja nirgendwo auskennen würden.

In der ersten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden Sie aufgefordert, derzeit in Ihrem Besitz befindliche medizinische Unterlagen und auch im Falle eines neuerlichen Arztbesuchs zukünftig erhaltene medizinische Unterlagen von sich aus und umgehend dieser Behörde vorzulegen. Diesbezüglich brachten Sie im Rahmen der zweiten Einvernahme ein Schriftstück bei, in welchem ausgeführt ist, dass Sie sich von 28.12.2018 bis 11.01.2019 im Krankenhaus für Lungenkrankheiten in […] aufgehalten hätten. Dort wäre bei Ihnen eine Lungenentzündung diagnostiziert und behandelt worden.

Andere oder weitere medizinische Unterlagen legten Sie bis dato nicht mehr vor.

Am 20.04.2020 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , neuerlich an Ihren Unterkunftgeber, die XXXX , herangetreten und gebeten, Auskünfte aus Ihrem Krankenakt zu erteilen. Den diesbezüglich noch am 20.04.2020 eingelangten Unterlagen kann entnommen werden, dass Sie letztmalig im Rahmen der Erstuntersuchung am 07.01.2020 bei einem Arzt vorstellig waren. Weitere Arztbesuche sind nicht vermerkt.

An dieser Stelle ist vorab auf die oa. Länderfeststellung zur medizinischen Versorgung in Aserbaidschan zu verweisen, in welcher konkret ausgeführt ist, dass die medizinische Versorgung in Aserbaidschan prekär und insbesondere außerhalb der Hauptstadt nicht gewährleistet bzw. unzureichend ist. Die medizinische Versorgung entspricht nicht überall westeuropäischem Standard. Die rasche und zuverlässige Versorgung von Verletzten oder schwer Erkrankten (Transport, Erste-Hilfe) ist nicht immer garantiert. Laut offiziellen Angaben beträgt die Zahl der neu errichteten und renovierten medizinischen Einrichtungen Ende 2016 etwa 500. Nach wie vor befinden sich aber die größten staatlichen Krankenhäuser und Spezialkliniken wie Kinderkrankenhäuser, Herzkliniken und psychiatrische Einrichtungen in Baku. Problematisch ist nach wie vor der relativ geringe Ausbildungsstand der lokalen Ärzte. Es besteht bisher kein flächendeckendes staatliches Krankenversicherungssystem, ein solches ist aber in Vorbereitung; theoretisch gibt es eine alle notwendigen Behandlungen umfassende kostenlose medizinische Versorgung. Dringende medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt (was den Krankentransport und die Aufnahme in ein staatliches Krankenhaus einschließt); mittellose Patienten werden minimal versorgt, dann aber nach einigen Tagen „auf eigenen Wunsch“ entlassen, wenn sie die Behandlungskosten und „Zuzahlungen“ an die Ärzte und das Pflegepersonal nicht aufbringen können. In diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder nach Kostenübernahme durch Dritte. Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildete sich in den vergangenen Jahren ein florierender privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische Leistungen auf annähernd europäischem Standard bietet und mit privaten Krankenversicherungen kooperiert. Die einschlägigen auf dem europäischen Markt registrierten Medikamente sind i.d.R. erhältlich. Seit der Einführung der administrativen Preisobergrenzen wird regelmäßig von Engpässen bei einigen Medikamenten berichtet. Kostengünstigere Ersatzmedikation wird aus Russland, der Türkei oder Pakistan eingeführt, soll aber teilweise von minderwertiger Qualität sein.

Es gibt kein staatliches Krankenversicherungssystem. Nach dem aserbaidschanischen Gesetz sind alle medizinischen Dienstleistungen in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei. Das Gesundheitsministerium ist für spezialisierte Einrichtungen zuständig, während die Städte für alle weiteren medizinischen Institutionen verantwortlich sind. Darüber hinaus gibt es auch einige zusätzliche medizinische Einrichtungen, die von anderen Ministerien geleitet werden, wie beispielsweise das Krankenhaus des Innenministeriums. Medikamente sind für stationär behandelte Patienten kostenfrei. Ambulant behandelte Patienten müssen die Kosten selber tragen, mit der Ausnahme von Krebserkrankungen sowie einiger psychiatrischer Erkrankungen. Medikamente sind in Aserbaidschan verhältnismäßig teuer zu erwerben, da Apotheken generell unter privater Leitung stehen. Die Verfügbarkeit von Medikamenten ist jedoch gewährleistet. Einige Medikamente werden unter anderen Namen als in der EU vertrieben.

In einer weiteren Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.06.2019 zum Thema „Aserbaidschan – PTBS, Hypertonie, Diabetes, Psychotherapie, Medikamentenverfügbarkeit, Zugang zur Behandlung“ ist ua. ableitbar, dass benötigte Medikamente in Aserbaidschan erhältlich sind. Ebenso ist eine Behandlung bei psychischen Beschwerden durch Psychiater und Psychologen verfügbar.

Dass es sich bei den von Ihnen vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden um keine akut lebensbedrohlichen Erkrankungen handelt, kann auch schon daraus abgeleitet werden, da die Sie untersuchenden und behandelnden Ärzte keine weiteren Schritte, wie z.B. die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus bzw. die Anordnung einer stationären Aufnahme, setzten. Ebenso befanden Sie es von sich aus offensichtlich bisher für nicht nötig, sich wegen der von Ihnen vorgebrachten medizinischen Beschwerden hier an einen Arzt zu wenden bzw. medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Betreffend der von Ihnen vorgebrachten „Lungenkrankheit“ wird festgehalten, dass es sich dabei offensichtlich um eine Lungenentzündung gehandelt hat, welche – lt. Ihren eigenen Angaben – Ende 2018 bzw. Anfang 2019 in Ihrem Herkunftsstaat behandelt worden ist. Nach einem mehrtägigen stationären Aufenthalt in einem Krankenhaus seien Sie wieder nach Hause entlassen worden. Eine weiterführende Behandlung wäre nicht geplant gewesen oder Ihnen auch nicht empfohlen worden. Vielmehr sei Ihnen lediglich gesagt worden, dass Sie im Falle einer „Atemnot“ wieder im Krankenhaus vorstellig werden und diesbezüglich Medikamente (Spritze) erhalten könnten. Ihren weiteren Angaben zufolge wäre eine weitere medizinische Behandlung bis dato nicht notwendig gewesen. Auch verlief das obligatorisch hier im Rahmen der medizinischen Erstuntersuchung durchgeführte Lungenröntgen bei Ihnen ohne Befund bzw. konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden.

Ebenso machten Sie mit Ihren Angaben deutlich, dass die medizinische Versorgung hinsichtlich der von Ihnen genannten Beschwerden in Aserbaidschan gegeben ist und Sie auch Zugang zu diesen Versorgungsleistungen haben. Dass ihnen im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden dringend benötigte ärztliche Versorgung oder Medikamente im Herkunftsstaat nicht zugänglich wären, brachten Sie hingegen zu keinem Zeitpunkt Ihres Verfahrens vor und ist anhand des zitierten Länderdokumentationsmaterials auch nicht ersichtlich. Auch in Hinblick auf die derzeitige COVID-19-Pandemiesituation ist festzuhalten, dass einerseits Aserbaidschan zum Entscheidungszeitpunkt nach den vorliegenden Infektions- und Sterblichkeitszahlen nicht zu den hauptsächlich von der Pandemie betroffenen Ländern gehört sowie andererseits Sie am Erreger SARS-CoV-2 auch nicht erkrankt sind und auch zu keiner besonders vulnerablen Risikogruppe gehören.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnungen zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt, um im Falle schwerer Erkrankungen, oder auch bei Selbstmorddrohungen geeignete Vorkehrungen zu Verhinderung einer Gesundheitsschädigung zu treffen.

(Erkenntnis des BVwG vom 29.05.2015, Zahl: W184 2105924-1/6E)

Im Rahmen der mit Ihnen geführten Erstbefragung gaben Sie zu Ihren Ausreisegründen hin an, dass Sie in der Öffentlichkeit über den Präsidenten ALIYEV schlecht gesprochen und ihn als Diktator bezeichnet hätten. Die Polizei hätte Sie für fünf Tage festgenommen und im Gefängnis wären die Beamten sehr gewalttätig gewesen. Diese hätten Sie und noch weitere Personen mit kaltem Wasser angeschüttet und sie alle hätten am Boden liegen bleiben müssen. Vorher hätten Sie die Kleidung ablegen müssen. Nach Ihrer Entlassung hätten Sie nach einer Möglichkeit gesucht, Aserbaidschan zu verlassen. Im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat würden Sie befürchten, dass Sie dort eingesperrt oder umgebracht werden könnten. Zwei Freunde von Ihnen würden bereits im Gefängnis sitzen.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , führten Sie im Rahmen der ersten Einvernahme aus, dass Sie im Jänner 2019 Ihren Herkunftsstaat verlassen hätten. Ein Jahr lang hätten Sie sich daraufhin in Moskau/Russland aufgehalten und anschließend wären Sie von dort aus nach Österreich weitergereist. Moskau hätten Sie deswegen wieder verlassen müssen, da Sie gesucht worden seien. Ihre Eltern seien zur Polizeidienststelle gerufen und drei Stunden lang zu Ihrem Aufenthaltsort befragt worden. Alle Personen, die sich gegen den Politiker ALIYEV äußern würden, würden gefoltert werden. Man hätte in Aserbaidschan ein neues System eingeführt, in welchem die Personen belohnt werden würden, welche andere Personen bei der Polizei anzeigen würden. Sie selbst seien auch gefoltert worden, da Sie verbreitet hätten, dass ALIYEV ein Diktator sei. Auch wie Haydar ALIYEV, der Vater des jetzigen Präsidenten, an die Macht gekommen wäre und wie er es geschafft hätte, Präsident zu werden. Man dürfte sich gegen diese Personen nicht äußern. Sie selbst seien zwei oder dreimal zur Polizeidienststelle mitgenommen worden. Das erste Mal sei ca. vor zwei Jahren gewesen. Damals seien Sie zur Polizeistation vorgeladen worden und seien dann selbständig hingegangen. Man hätte Sie lediglich ermahnt und Sie seien aufgefordert worden, Ihre Meinung nicht zu äußern. Das zweite Mal wäre vor ca. eineinhalb Jahren gewesen. Auch damals waren Sie lediglich ermahnt worden. Beim letzten Mal seien Sie für fünf Tage angehalten und gefoltert worden. Bei diesem Vorfall seien Sie auf offener Straße entführt worden. Man hätte Ihnen einen Sack über den Kopf gezogen und dann wären Sie geschlagen und gefoltert worden. Sie und zwei weitere Bekannte wären dabei in einem Keller gefangen gewesen. Am Morgen seien Sie mit kaltem Wasser überschüttet worden, um Sie aufzuwecken. Zwischendurch seien diese Personen immer wieder gekommen, um Sie zu schlagen. Weiters hätte man Sie gewarnt, so etwas nicht nochmals zu machen. Nach fünf Tagen seien Sie und die anderen Personen zu einer Polizeidienststelle gekommen und hätten dort etwas unterschreiben müssen. Nach der Unterschriftsleistung hätte man Sie entlassen. Ein Freund von Ihnen hätte sich geweigert und nicht unterschrieben. Daraufhin sei er in ein Gefängnis gebracht worden und Sie hätten gehört, dass es bei ihm zu einem Gerichtsverfahren gekommen sei. Sie selbst hätten mit Freunden über ALIYEV gesprochen und sich generell darüber unterhalten, wie er an die Macht gekommen sei. ALIYEV würde sich nicht wirklich um sein Volk kümmern und er würde Gräueltaten verüben. Sie hätten gesagt, dass er ein Diktator sei und dass er deswegen an die Macht gekommen sei, weil er Karabach verkauft hätte. Haydar ALIYEV hätte für den russischen KGB gearbeitet. Dies würde jeder wissen. Er hätte dann PUTIN die aserbaidschanische Erde in Karabach verkauft. Ansonsten hätten Sie keine Probleme mit den Behörden oder der Polizei in Ihrem Herkunftsstaat gehabt. Auch wegen ihrer Religion oder Ihrer Volksgruppe hätten Sie keine Probleme gehabt. Sie wären auch nie politisch tätig gewesen und hätten keine Probleme mit Dritten gehabt. In den Jahren 2010 und 2011 hätten Sie Ihren Militärdienst abgeleistet. Nachdem Sie nach dem letzten Vorfall von der Polizei entlassen worden wären, hätten Sie Angst gehabt und mit Ihren Eltern gesprochen. Sie hätten Ihr Geschäft verkauft und Ihren Eltern etwas Geld gegeben. Dann hätten Sie beabsichtigt, in Russland ein Geschäft zu eröffnen. Währenddessen hätten Sie Ihre Familie auch finanziell unterstützt. Ob Sie aktuell von der Polizei in Aserbaidschan gesucht werden würden wüssten Sie nicht. Vor zwei bis drei Monaten hätten Ihre Eltern aber zur Polizeidienststelle gehen müssen, da die Polizei hätte wissen wollen, wo Sie sich aufhalten würden. Daraufhin hätten Sie Ihren Eltern geraten, dass sie eine Zeit lang bei ihren Verwandten in der Türkei verbringen sollten, bis sich die Lage wieder beruhigt hätte. Von Russland aus sei ein ALIYEV-Gegner namens […] abgeschoben worden, da er auf YouTube öffentlich gegen ALIYEV aufgetreten sei. Sie hätten Angst bekommen, dass auch Sie von Russland aus nach Aserbaidschan zurückgebracht werden könnten. Sie selbst seien aber nie öffentlichkeitswirksam gegen ALIYEV aufgetreten, sondern hätten in Aserbaidschan nur mit Freunden über ihn gesprochen. Sie hätten auch gegen keine Verboten verstoßen. Nach Aserbaidschan würden Sie nie wieder zurückkehren, da Sie nicht nochmals gefoltert werden möchten. Sie seien so sehr gefoltert worden, dass Ihnen schlecht werden würde, wenn Sie sich daran erinnern würden. Ihre Lungenkrankheit sei auch deswegen entstanden, da Sie mit kaltem Wasser überschüttet und der Kälte ausgesetzt worden seien. Über ALIYEV hätten Sie sich nur mit zwei Freunden unterhalten. Beide Freunde würden sich noch in Aserbaidschan befinden. Einer davon sei in Haft und was der zweite Freund von Ihnen machen würde, wüssten Sie nicht. Sie würden vermuten, dass eine dritte Person, welche Ihnen namentlich nicht bekannt sei und welche auch im Basar gearbeitet hätte, Sie angezeigt hätte. Sie würden dies deswegen vermuten, da diese Person auffällig geschaut hätte, als sie vorbeigegangen sei. Wegen Ihrer Lungenbeschwerden seien Sie bei einem Arzt gewesen und der Arzt hätte gemeint, dass auch Ihre Nierenbeschwerden von den Schlägen herrühren würden. Einen Tag nach Ihrer Entlassung wären Sie ins Krankenhaus gegangen und fünfzehn Tage lang dortgeblieben. Anschließend hätten Sie das Geschäft verkauft und Aserbaidschan verlassen. Bei der Ausreise seien Sie kontrolliert worden, aber es hätte dabei keinerlei Probleme gegeben.

In der zweiten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl […], ersuchten Sie, dass zu dieser Einvernahme ein Dolmetscher für die Sprache Russisch beigezogen werden sollte. Sie würden zwar gut Türkisch sprechen, aber Sie wüssten nicht, ob hier alles korrekt übersetzt werden würde. Im Protokoll der letzten Einvernahme würde stehen, dass im Basar eine Person an Ihrem Geschäft vorbeigegangen wäre. Es wären aber zwei Personen gewesen. Ansonsten würde es aber keinerlei Korrekturen in Bezug auf diese erste Einvernahme geben. Sie könnten nunmehr auch ein Schriftstück vorlegen, welches Ihnen Ihr Onkel besorgt hätte. Dieses Schriftstück hätte er aus dem Krankenhaus, in welchem Sie stationär aufgenommen gewesen wären. Hinsichtlich der Länderinformationsblätter möchten Sie anführen, dass Sie diese nicht gelesen hätten. Es würde zwar berichtet werden, dass Aserbaidschan ein reiches Land wäre, aber dies hätte nichts mit Ihrem Fall zu tun. Ihnen und auch anderen Personen sei in Aserbaidschan Unrecht getan worden.

Ihrem Vorbringen, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihrer Aussagen hinsichtlich des Präsidenten ALIYEV verfolgt worden seien bzw. bedroht sein sollten, wird aus folgenden Überlegungen kein Glaube geschenkt:

1.       Im Rahmen der Erstbefragung führten Sie aus, dass Sie von der Polizei fünf Tage lang festgenommen worden seien, da Sie in der Öffentlichkeit schlecht über ALIYEV gesprochen und gesagt hätten, dass er ein Diktator sei. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gaben Sie dann hingegen aber an, dass Sie nie öffentlichkeitswirksam gegen ALIYEV aufgetreten wären, sondern sich lediglich mit zwei Freunden von Ihnen über ihn unterhalten hätten.

2.       Sie führten aus, dass Sie von der Polizei in Aserbaidschan fünf Tage lang festgehalten worden wären. In dieser Zeit seien Sie auch gefoltert worden. Nach Ihrer Entlassung aus dem Gefängnis hätten Sie kurze Zeit später Aserbaidschan verlassen und wären für ein Jahr in Russland geblieben. Dann wären Sie direkt von Russland kommend nach Österreich gereist. Hinsichtlich Ihrer Festnahme erklärten Sie zuerst, dass Sie am 22.12.2017 mitgenommen worden seien und im Jänner 2018 Aserbaidschan verlassen hätten. Erst auf konkreten Vorhalt hin, dass sich Lücken in Ihren zeitlichen Angaben befinden, änderten Sie Ihr diesbezügliches Vorbringen ab und gaben an, dass Ihre Festnahme doch am 22.12.2018 gewesen sei und Sie erst im Jänner 2019 aus Ihrem Herkunftsstaat ausgereist seien. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass es Ihnen nicht möglich war zu nennen, wann Sie in Aserbaidschan angehalten und gefoltert worden sein sollten, obwohl gerade dieses Ereignis ausschlaggebend für Ihren weiteren Lebensweg gewesen sein soll.

3.       Sie führten aus, dass Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat negativ über den Präsidenten ALIYEV geäußert hätten. Deswegen hätte es drei Vorfälle mit der Polizei gegeben. Die ersten beiden Male seien Sie von der Polizei vorgeladen worden und hätten sich selbständig zur Polizeidienststelle begeben. Dort hätten man Sie aufgefordert, Ihr Verhalten einzustellen und Sie hätten wieder nach Hause gehen können. Beim dritten Vorfall seien Sie gerade von Ihrer Arbeitsstelle am Basar aus zum Taxistand gegangen, als ein Auto gekommen sei. Man hätte Ihnen einen Sack über den Kopf gezogen und Sie wären mit dem Auto irgendwohin gebracht worden. Dort hätte man Sie fünf Tage lang festgehalten und gefoltert. Anschließend wären Sie zur Polizeidienststelle gebracht worden. Dort hätten Sie etwas unterschreiben müssen und dann hätte man Sie wieder entlassen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, weswegen die Polizei Sie gewaltsam von einem öffentlichen Ort aus „entführen“ hätte sollen, zumal Sie in der Vergangenheit – lt. Ihren eigenen Angaben – den behördlichen Aufforderungen, sich selbständig zur Polizeidienststelle zu begeben, immer nachgekommen wären.

4.       Sie gaben an, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat stark gefoltert worden wären. Aufgrund dieser Folterungen hätten Sie fünfzehn Tage in einem Krankenhaus in Baku wegen einer dadurch entstandenen Lungenkrankheit verbringen müssen. Auch würden andere gesundheitliche Beschwerden bei Ihnen von den von Ihnen erlittenen Schlägen herrühren. Noch in der Erstbefragung gaben Sie dazu an, dass Sie und noch weitere Personen sich im Gefängnis entkleiden hätten müssen und mit kaltem Wasser angeschüttet worden wären. Dann hätten Sie am kalten Boden liegen bleiben müssen. Vor dem Bundesamt führten Sie auf konkrete Fragestellung zu diesen Folterungen hin nur lapidar an, dass Sie und andere Personen in einem Keller angehalten worden wären. In der Früh wären Sie mit kaltem Wasser angeschüttet worden, um Sie aufzuwecken. Dann seien die Beamten zwischendurch immer wieder gekommen und hätten Sie geschlagen und gleichzeitig gewarnt, dies (Anm. negative Äußerungen über ALIYEV) nie wieder zu machen. Dies wäre alles gewesen.

5.       Sie führten aus, dass Sie in Aserbaidschan für mehrere Tage angehalten und dabei gefoltert worden wären. Aufgrund dieser Folterungen hätten Sie eine Lungenkrankheit erlitten und deswegen hätten Sie fünfzehn Tage stationär in einem Krankenhaus in Baku verbringen müssen. Als Beweis für Ihren Krankenhausaufenthalt legten Sie ein Anschreiben vor, in welchem ausgeführt ist, dass Sie von 28.12.2018 bis 11.01.2019 im Krankenhaus wegen einer Lungenentzündung behandelt worden sind. Dieses Krankenhaus, welches Ihren stationären Aufenthalt bestätigt hat, befindet sich aber nicht so wie von Ihnen vor dem Bundesamt behauptet in Baku, sondern in der ca. 270 Kilometer von Baku entfernten Stadt […].

6.       Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärten Sie, dass Sie im Jänner 2019 Aserbaidschan verlassen hätten und seither wären Sie auch nicht mehr in Aserbaidschan gewesen. Ein Jahr hätten Sie in Moskau verbracht und dort hätten Sie sich ein Visum beschafft. Von Russland aus seien Sie dann Richtung Westeuropa aufgebrochen und schlussendlich nach Österreich gekommen. Im Zuge der gegenständlichen Antragstellung wurde festgestellt, dass Ihnen im Dezember 2019 ein „Schengen-Visum“, ausgestellt von der ungarischen Vertretungsbehörde in Baku/Aserbaidschan, erteilt worden ist. Zur Erteilung dieses Visum ist es nötig, persönlich zum vereinbarten Interview-Termin bei der ausstellenden Vertretungsbehörde anwesend zu sein und dort ua. die Fingerabdrücke abzugeben. Im Konsulat darf der Antragsteller auch nicht begleitet werden. Somit kann Ihren Angaben, dass Sie seit Jänner 2019 nicht mehr in Aserbaidschan gewesen wären, nicht gefolgt werden.

Es wird an dieser Stelle nochmals festgehalten, dass Sie bei den mit Ihnen geführten Einvernahmen in wesentlichen Punkten lückenhafte, widersprüchliche und unplausible Angaben machten. Weiters versuchten Sie vor dem Bundesamt auch Ihre Person mit anderen Personen in Verbindung zu bringen, welche öffentlichkeitswirksam gegen den Präsidenten ALIYEV aufgetreten sind, indem Si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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