TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/19 L508 2195705-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §21 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55
VerfO EuGH Art160

Spruch


L508 2195705-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Eva Jana MESSERSCHMIDT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2021, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 55, 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag auf Mängelheilung vom 02.11.2020 und 26.02.2021 gemäß §§ 4, 8 AsylG-DV abgewiesen wird.

III. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und V. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass gemäß § 21 Absatz 5 BFA-VG festgestellt wird, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war.

IV. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG 2005 wird gegen Sie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

V. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

VI. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Art. 160 VerfO EuGH als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, der Volksgruppe der Paschtunen sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund machte er im Wesentlichen Probleme mit den Taliban wegen unterstellter politischen Gesinnung, seiner Zugehörigkeit zu den Paschtunen sowie wegen seiner schiitischen Glaubenszugehörigkeit geltend.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) vom 13.04.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer sei pakistanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei schiitischer Moslem. Glaubhaft stamme er aus der Provinz Khyber Agency (FATA Gebiete). Seine Identität stehe nicht fest. Es habe nicht festgestellt werde können, dass der Beschwerdeführer an einer schweren physischen oder psychischen Krankheit leide. Sein Geburtsdatum sei "rechtsrichtig" mit XXXX festgestellt worden. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe, nämlich, dass er Verfolgungshandlungen durch die schiitische Bevölkerung seines Heimatdorfes, sowie die schiitischen Vereine Tehrike Hussain und Ansaron Hussain zu befürchten habe, seien nicht glaubwürdig. Es ergäben sich auch keine Hinweise auf eine Verfolgungswahrscheinlichkeit aus anderen Gründen. Der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte; seine Eltern, Geschwister, sowie Onkeln und Tanten lebten nach wie vor in Pakistan. In Österreich habe der Beschwerdeführer weder Familienangehörige noch Verwandte. Er habe in Österreich zahlreiche soziale Kontakte, vorwiegend zu Personen, die in der Flüchtlingshilfe tätig seien. Seinen Lebensunterhalt bestreite der Beschwerdeführer aus der Grundversorgung; er gehe keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse besucht, ein Leistungsnachweis für das Level B1 liege vor. Er sei außerordentlicher Schüler der XXXX . Er wolle künftig den Pflichtschulabschluss nachholen und eine Elektrikerlehre antreten. Sämtliche Familienmitglieder würden in Pakistan leben, wo er bis zum Frühling 2015 sein gesamtes Leben verbracht habe, sozialisiert worden sei und die Schule besucht habe. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zu den angegebenen Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass das Fluchtvorbringen aufgrund der ausgeführten Widersprüche, Sinnwidrigkeiten und inhaltlichen Steigerungen nicht glaubhaft sei. Auch Bescheinigungsmittel habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Zudem stünde eine "innerstaatliche Ausweichmöglichkeit" zur Verfügung. Für eine landesweite Verfolgung konkret seiner Person gäbe es keine Anhaltspunkte. Insgesamt bestehe daher keine asylrelevante Verfolgung und habe der Beschwerdeführer auch keine Umstände vorgebracht, die eine Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer habe auch keine Anhaltspunkte vorgebracht, die im Falle seiner Abschiebung nach Pakistan einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben bedeuten würden.

3. Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2018, GZ: L525 2195705-1/7E gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die Nichtzuerkennung des Asylstatus erfolgte mit der Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens. Hinsichtlich des Vorbringens der generellen Benachteiligung von Schiiten und Paschtunen wurde im Rahmen der rechtlichen Würdigung begründend dargetan, warum dem keine Asylrelevanz beizumessen sei. Ferner wurde dargetan, warum dem Beschwerdeführer kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Letztlich wurde begründend dargetan, warum die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Nachfolgend werden die entscheidungsrelevanten Ausführungen dieses Erkenntnisses wiedergegeben:

Getroffene Erwägungen im Rahmen der Feststellungen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 12.6.2015 in Österreich und spricht Deutsch. Er absolvierte Deutschkurse und hat die B1 Prüfung befriedigend bestanden. Der Beschwerdeführer besucht als außerordentlicher Schüler eine Sprachstartklasse in der XXXX mit den Schwerpunkten Fremdsprachen, Kultur und Tourismus, Wirtschaft, Gastronomie und Soziales. Der Beschwerdeführer pflegt soziale Kontakte in Österreich und hat bei freiwilligen Reinigungsarbeiten in der Stadtgemeinde XXXX teilgenommen. Der Beschwerdeführer besucht ein bis zwei Mal pro Woche die Familie XXXX und kocht, isst und lernt dort und nimmt dort an Familienfesten und gemeinsamen Ausflügen teil. Der Beschwerdeführer nimmt am Pflichtschulabschlusslehrgang an der Volkshochschule XXXX teil. Er ist Mitglied im Verein " XXXX ". Der Beschwerdeführer hat keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten. Der Beschwerdeführer ist gesund und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

………

Eine Integration konnte nicht festgestellt werden.

Getroffene Erwägungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung:

…….“Vorweg ist festzuhalten, dass sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG angezeigt hätten, bzw. wurde weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht dahingehend etwas vorgebracht.

Zum gegenständlichen Verfahren:

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich und lebt auch sonst mit keiner ihm nahestehenden Person zusammen. Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.

Im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs folgendes Bild über den Beschwerdeführer:

* Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Juni 2015 in Österreich. Der Beschwerdeführer reiste illegal und schlepperunterstützt nach Österreich und konnte seinen bisherigen Aufenthalt nur durch die Stellung eines Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte der Beschwerdeführer den gegenständlichen, unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

* Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Privatlebens):

Wie bereits festgestellt, verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch und besucht als außerordentlicher Schüler die Sprachstartklasse in einer HLW. Der Beschwerdeführer hat soziale Kontakte zu Österreichern. Er hat freiwillig bei Reinigungsarbeiten in der Stadtgemeinde XXXX gearbeitet und ist Mitglied im Verein " XXXX ". Er ist nicht berufstätig. Der Beschwerdeführer befindet sich in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat einen B1 Kurs befriedigend bestanden. Der Beschwerdeführer bezieht Sozialleistungen und ist nicht erwerbstätig.

* Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens:

Der Beschwerdeführer begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert war, bzw. zu einem Zeitraum, in welchem sich der Beschwerdeführer illegal in Österreich aufgehalten hat. Dem Beschwerdeführer stünde es aber auch frei, seine sozialen Anknüpfungspunkte, insbesondere seine freundschaftlichen Kontakte in Österreich auch nach der Ausreise weiterhin aufrecht zu halten, zB über briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte.

* Bindungen zum Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren, der Beschwerdeführer verfügt aber über Sprachkenntnisse in Urdu und in Paschtu und befindet sich seine Verwandtschaft in Pakistan. Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan die Schule und arbeitete bereits als Hilfsarbeiter. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, bei seiner Rückkehr sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren bzw. wieder Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen.

* Strafrechtliche Unbescholtenheit:

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

* Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in Österreich ein.

* Die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst waren:

Dem Beschwerdeführer musste nach Ansicht des erkennenden Gerichts bereits bei der Einreise bewusst gewesen sein, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorrübergehender ist.

* Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer:

Ein solches Verschulden ergibt sich aufgrund der Aktenlage nicht.

Im Zuge der Interessensabwägung kommt das erkennende Gericht somit zu folgendem Ergebnis:

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit kurzer Zeit, nämlich seit Juni 2015, in Österreich, wobei er schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist ist. Den Großteil seines Lebens verbrachte der Beschwerdeführer in Pakistan und verfügt der Beschwerdeführer dort über familiäre Anknüpfungspunkte, während in Österreich solche nicht bestehen. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme oder der Beschwerde keine bedeutenden Gründe vor, die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich im Vergleich zum öffentlichen Interesse auf Einhaltung der österreichischen fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen sprechen würden. Trotz der bestehenden Deutschkenntnisse, des Abschlusses der B1 Prüfung und der sozialen Kontakte zu Österreichern, durch die Mithilfe im Verein " XXXX " und die Mitarbeit in dieser Stadtgemeinde bzw. dem Schulbesuch und den daraus ergebenden Kontakten, ist eine über das übliche Maß hinausgehende Integration in die österreichische Gesellschaft nicht erkennbar.

Dem gegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Seit der Antragstellung sind zudem erst ca. drei Jahren vergangen und begründete der Beschwerdeführer sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, in dem sein Aufenthalt nicht gesichert war. Dass der Beschwerdeführer nicht straffällig geworden ist, begründet noch keine für ihn ausschlagende Integration in Österreich. Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Pakistan und ist mit den dortigen Gebräuchen und dem dortigen Leben vertraut. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Heimatland ist aus diesem Gesichtspunkt gesichert. Es kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in Pakistan nicht möglich wäre und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über Anknüpfungspunkte in Pakistan verfügt. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs. 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs. 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse der Bundesrepublik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG kann dem BFA nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht schlüssig geltend gemacht.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.“…..

Das Erkenntnis erwuchs am 11.07.2018 in Rechtskraft.

4. Eine beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 25.09.2018, E 3228/2018-7 abgelehnt.

5. Auch eine beim Verwaltungsgericht eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VwGH vom 05.12.2018, Ra 2018/20/0532-4 zurückgewiesen.

6. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und brachte am 14.03.2019 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 55 Absatz 1 AsylG beim BFA ein. Diesen Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass er seit 12.06.2015 in Österreich aufhältig sei, er über zwei Beschäftigungszusagen vom 15.02.2019 und 07.03.2019 verfüge, er Deutschprüfungen auf dem Niveau A1, A2 und B1 positiv absolviert habe und wurden diesbzgl. die Zertifikate sowie die Einstellungszusagen in Vorlage gebracht. Auch habe er bereits die Hälfte der Prüfungen für den Hauptschulabschluss positiv absolviert (Zeugnisse wurden in Vorlage gebracht). Darüber hinaus habe er in Österreich viele Freundschaften geschlossen und würde gegenwärtig Freiwilligenarbeit beim Tierschutzverein leisten. Er habe auch beim niederösterreichischen XXXX XXXX sowie bei einer Putzaktion der Gemeinde XXXX mitgeholfen. Ferner habe er bei einem Sommerfest in XXXX geholfen. Auch sportlich sei er beim Baseball Verein engagiert. Die diesbzgl. Bestätigungen wurden in Vorlage gebracht. Ferner wurde geltend gemacht, dass er familiären Anschluss bei namentlich genannten Personen gefunden habe. Unterstützungsschreiben und Fotografien von Aktivitäten und gemeinsamen Ausflügen wurden in Vorlage gebracht. Worin maßgebliche Änderungen der Integration in Bezug auf die ergangene Rückkehrentscheidung des BVwG vom 10.07.2018, GZ: L525 2195705-1/7E bestünden, wurde nicht dargetan.

Zu seiner Integration in Österreich wurden folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

?        Kopie einer Meldebestätigung vom 06.08.2018

?        Ein als „Arbeitsrechtlicher Vorvertrag“ bezeichnetes Schriftstück ohne Datum

?        Kopie ÖSD Zertifikat A2 vom 27.09.2016

?        Kopie ÖSD Zertifikat B1 vom 22.06.2017

?        Prüfungsprotokoll vom 22.06.2018 (Pflichtschulabschlussprüfung) im Gegenstand Berufsorientierung

?        Teilprüfungszeugnis (Pflichtschulabschlussprüfung) vom 22.06.2018 (Berufsorientierung)

?        Teilprüfungszeugnis (Pflichtschulabschlussprüfung) vom 09.10.2018 (Gesundheit und Soziales)

?        Teilprüfungszeugnis (Pflichtschulabschlussprüfung) vom 23.11.2018 (Englisch - Globalität und Transkulturalität)

?        Vereinsmitgliedschaftsbestätigung „ XXXX “ vom 21.10.2017

?        Bestätigung XXXX (Umweltgemeinderat XXXX ) über freiwillige Mitarbeit bei Flurreinigung vom 05.10.2017

?        Befürwortungsschreiben Dr. XXXX vom 08.03.2019

?        Kopie formungültige Wohnrechtsvereinbarung vom 11.03.2019 mit Dr. XXXX betreffend unentgeltliche Mitbewohnung von XXXX

?        Einstellungszusage von einer Gärtnerei vom 15.02.2019

?        Bestätigung für ehrenamtliche Mitarbeit (NÖ XXXX XXXX ) vom 05.03.2019

?        Undatiertes Befürwortungsschreiben von Mag. XXXX

?        Undatiertes Befürwortungsschreiben von XXXX

?        Befürwortungsschreiben von XXXX vom 02.03.2019

7. Seitens des BFA erging mit Schreiben vom 14.03.2019 ein Verbesserungsauftrag, womit der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, ein gültiges Reisedokument samt Kopie sowie das Original einer Geburtsurkunde samt Kopie (oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument) binnen einer Frist von vier Wochen vorzulegen. Auf die Heilungsmöglichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV wurde hingewiesen. Der Beschwerdeführer wurde zudem darüber belehrt, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei, wenn er seiner Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß nicht nachkomme.

8. Der BF legte Kopien für dreißigtägig gültige Versicherungsscheine (ca. vom 13.03.2019 bis zum 13.06.2019) über Haftpflicht-, Unfall- und Krankenversicherung (HANSE Merkur Versicherungsgruppe) vor und nahm dahingehend Stellung, dass er als Minderjähriger nach Österreich gekommen sei, um seinen Asylantrag zu stellen. Dokumente, wie Reisepass oder Geburtsurkunde, hätte er bei der Einreise keine gehabt. Die Erlangung von Reisepass und Geburtsurkunde sei daher auch nicht möglich. Es werde daher der Zusatzantrag gestellt, die Heilung der Mängel vom Erfordernis von Reisepass und Geburtsurkunde zuzulassen.

9. Mit Bescheid des BFA vom 21.05.2019, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs stellte das BFA insbesondere das Privat-und Familienleben des BF zum Zeitpunkt des Vorverfahrens dem Privat-und Familienleben des BF zum jetzigen Zeitpunkt gegenüber. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH wurde insbesondere ausgeführt, bereits in einer Änderung des Sachverhalts, die einer Neubewertung nach Artikel 8 EMRK zu unterziehen sei, sei eine maßgebliche Änderung zu sehen. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liege allerdings dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Artikels 8 EMRK gebiete.

Subsumierend hielt das BFA fest, dass im Fall des BF keine Sachverhaltsänderung eingetreten sei. So liege zwischen dem Zeitpunkt der jetzigen Bescheiderlassung und der Rückkehrentscheidung nur ein sehr kurzer Zeitraum, sodass sich der Inlandsaufenthalt des BF nicht wesentlich verlängert habe. Sowohl die Sprachkenntnisse, als auch die Umstände der Lebensführung des BF seien unverändert. Neue Sprachzertifikate seien nicht in Vorlage gebracht worden. Dass der BF auch weiterhin ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehe, verstärke seine Integration nicht; ebenso der Umstand, dass er nunmehr zur unentgeltlichen Bittleihe Mitbewohner einer Bekannten sei. Der Freundeskreis erstrecke sich weiterhin auf denselben Personenkreis. Als zukünftiges ungewisses Ereignis vermöge auch die vorgelegte Einstellungszusage die Integration nicht zu intensivieren. Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert hätte, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre.

Da im Fall des BF im Übrigen weiterhin eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig.

10. Mit undatiertem Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerde aus, dass die Entscheidung inhaltlich falsch sei und eine mangelhafte Verfahrensführung erfolgt sei. Näher konkretisiert wurde lediglich ausgeführt, dass der BF sei 2015 in Österreich sei und sich nie etwas zu Schulden habe kommen lassen. Aufgrund der ausreichend langen Aufenthaltsdauer und der guten Integration, welche monatlich voranschreite, seien die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG erfüllt.

11. Die gegen den Bescheid des BFA vom 21.05.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2019, GZ: L508 2195705-2 gemäß § 28 VwGVG iVm §§ 55, 58 Abs. 10 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die rechtliche Begründung dieses Erkenntnisses wird auszugsweise nachfolgend dargetan:

….„Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag im Wesentlichen mit Integrationsaspekten, die bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung bestanden. Dem bloßen Umstand, dass der BF nun weitere Zeugnisse bezüglich der angestrebten Absolvierung des Pflichtschulabschlusses vorgelegt hat, er weitere ehrenamtliche Tätigkeiten geleistet hat, er nunmehr eine Wohnrechtsvereinbarung über die unentgeltliche Mitbenützung einer Unterkunft vom 11.03.2019 neu in Vorlage gebracht hat sowie über zwei arbeitsrechtliche Vorverträge verfügt, kommt daher nur eine untergeordnete Tatbestandsrelevanz zu (vgl. dazu VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344) und vermag nach Ansicht der erkennenden Richterin einen geänderten Sachverhalt nicht zu begründen.

So wurden im Erkenntnis vom 10.07.2018 die sozialen Kontakte durch Freunde und Bekannte sowie zur Familie XXXX , seine ehrenamtlichen bzw. freiwilligen Tätigkeiten, seine verschiedenen Vereinsmitgliedschaften, die Deutschkenntnisse des BF und die dahingehend absolvierten Prüfungen sowie seine Ausbildungen in Österreich, wie bspw. die Teilnahme des Beschwerdeführers am Pflichtschulabschlusslehrgang an der Volkshochschule Großfeld-siedlung, umfassend gewürdigt. Soweit der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren abermals Unterstützungsschreiben von Privatpersonen wie auch der Familie XXXX , zwei arbeitsrechtliche Vorverträge, Zeugnisse hinsichtlich seines Besuchs eines Pflichtschulabschlusslehrganges und eine Vereinbarung bezüglich einer unentgeltlichen Mitbenützung einer Unterkunft vorlegte, so wird festgehalten, dass die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass dies keinen neuen Sachverhalt begründen kann, da die absolvierten Sprachprüfungen und seine Sprachkenntnisse, die freundschaftlichen Beziehungen, seine ehrenamtlichen Tätigkeiten und seine Ausbildungen in Österreich bereits im Zuge der Rückkehrentscheidung Berücksichtigung fanden. Zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. im Übrigen auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2011, 2011/22/0065, mwN, sowie zur Gewichtung einer Lehrstelle bzw. einer Berufstätigkeit vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2019, Ro 2019/01/0003, mwN. Schließlich konnten diese Arbeitsvorverträge von ihm überhaupt erst durch die Missachtung der gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung abgeschlossen werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, Rn 24). Der Beschwerdeführer sei zudem darauf hingewiesen, dass selbst perfektes Deutsch und eine vielfältige soziale Vernetzung kein über das übliche Maß hinausgehende Integration aufzeigt (vgl. VwGH vom 25.2.2010, Zl. 2010/18/0029, mwN) und die absolvierten Sprachprüfungen, die Deutschkenntnisse, die soziale Vernetzung, seine Ausbildungen und seine ehrenamtlichen Tätigkeiten bereits in der Rückkehrentscheidung Eingang fanden. Was die neu in Vorlage gebrachte Vereinbarung bezüglich einer unentgeltlichen Mitbenützung einer Unterkunft betrifft, so ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 19.11.2014, 2013/22/0017 hinzuweisen und ist diesbzgl. festzuhalten, dass mit dieser letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine iSd Art. 8 EMRK relevante Integration dargelegt wird (vgl. E 22. Juli 2011, 2011/22/0112). Obzwar im gegenständlichen Fall zusätzliche Aspekte einer Integration nicht vorgebracht wurden, wird dennoch ergänzend auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach selbst ein zusätzlicher integrationsfördernder Aspekt – der bei der letzten Rückkehrentscheidung noch nicht berücksichtigt wurde – noch keinen maßgeblich geänderten Sachverhalt begründet. Vielmehr stellt der Verwaltungsgerichtshof auf das Vorliegen mehrerer zusätzlicher, neuer Aspekte in Verbindung mit dem Verstreichen eines regelmäßig längeren Zeitraums als zwei Monate ab (vgl. das Erk. vom 19.4.2016, Ra 2015/22/0052).

Neue – im Hinblick auf Art. 3 EMRK zu berücksichtigende Aspekte – wurden ebenfalls nicht vorgebracht und sind solche auch nicht erkennbar. Da zwischen der Rückkehrentscheidung und der verfahrensgegenständlichen Antragstellung nur rund 8 Monate vergingen, konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, dass sich kein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben hat.

Hervorzustreichen ist in diesem Kontext, dass sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts spätestens seit der negativen Asylentscheidung durch das BFA am 13.04.2018 bewusst war und sohin einem allfällig entstandenen Privat- und Familienleben ohnehin ein entsprechend geringes Gewicht zuzumessen wäre. Dies gilt umso mehr für Integrationsaspekte, die erst nach einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung entstanden sein mögen, welche - wie im vorliegenden Fall - durch sein beharrliches illegales Verbleiben im Bundesgebiet (trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung) weiter vermindert werden, zumal diese verwaltungsrechtlichen Delinquenzen gewichtige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, darstellen, die eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lassen (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).

Die Beschwerde tritt der Annahme, dass keine maßgebliche Änderung eingetreten ist, im Ergebnis auch nicht entgegen, zumal – wie bereits ausgeführt – keine neuen Aspekte, die sich zwischen der rechtskräftigen Entscheidung und der Antragstellung ergeben haben, vorgebracht wurden.

In einer Gesamtschau war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.“…..

Dieses Erkenntnis erwuchs am 07.11.2019 in Rechtskraft.

12. Mit Eingabe vom 08.10.2020 brachte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung einen weiteren Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 55 Absatz 1 AsylG beim BFA ein. Diesen Antrag begründete der Beschwerdeführer unter anderem im Wege einer angeschlossenen Stellungnahme damit, dass er seit 12.06.2015 in Österreich aufhältig sei, er über einen Pflichtschulabschluss (Neue Mittelschule), eine Beschäftigungszusage vom 15.06.2020 (einen aufschiebend bedingten Dienstvertrag) und Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 verfüge sowie ein Privat- und Familienleben in Österreich bestünde. Der BF habe am 17.09.2020 in der Schule für XXXX eine Ausbildung im Lehrgang Basismodul mit Deutschförderung begonnen. Er engagiere sich nach wie vor regelmäßig ehrenamtlich. Von Dezember 2019 bis März 2020 sei er bei einer Einrichtung der XXXX GmbH tätig gewesen und absolviere er aktuell bei dieser Organisation ein Praktikum. Der BF sei aktenkundig Mitglied des Vereins „ XXXX “ sowie der XXXX , Sportunion XXXX XXXX . Seit ca. einem Jahr lebe der BF in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Zwischen dem BF und Dr. XXXX bestünde ein besonderes (familiäres) Verhältnis, als dass im Zuge dessen eine Abhängigkeit entstanden sei, die über die gewöhnliche gefühlsmäßige Bindung hinausgehe. Aus diesem Grunde habe sich Dr. XXXX entschieden, den BF an Kindes statt anzunehmen. Der Adoptionsvertrag sei bereits geschlossen worden. Schließlich sei hervorzuheben, dass der BF in Pakistan über keinen ausreichenden familiären oder sozialen Hintergrund verfüge. Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass der BF an einer mittelgradigen depressiven Episode sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Diesbezüglich wurden zahlreiche Zertifikate, Bestätigungen und Unterstützungsschreiben sowie Fotografien von privaten Aktivitäten und Ausflügen in Vorlage gebracht.

Zu seiner Integration in Österreich wurden unter anderem folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

?        Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 09.09.2020

?        edu.card der Schule für XXXX samt Beiblatt zur Ausbildung „BehindertenbetreuerIn“

?        aufschiebend bedingter Dienstvertrag zwischen dem BF und der Firma XXXX über eine Beschäftigung im Ausmaß von 20 Stunden und einer Entlohnung iHv Euro 1.100,00 brutto

?        Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit des BF im XXXX XXXX GmbH von Dezember 2019 bis März 2020

?        Praktikumsvertrag/ Vereinbarung zwischen dem BF und der XXXX GmbH bezüglich eines 700stündigen Praktikums von 09.10.2020 bis Mitte Juni 2021

?        Befürwortungsschreiben der Lebensgefährtin XXXX vom 28.09.2020

?        Befürwortungsschreiben von Dr. XXXX vom 30.08.2020

?        Adoptionsvertrag zwischen dem BF und Dr. XXXX

?        Befürwortungsschreiben von XXXX vom September 2020

?        Undatiertes Befürwortungsschreiben von Mag. XXXX

?        Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 05.05.2020

13. Seitens des BFA erging mit Schreiben vom 08.10.2020 ein Verbesserungsauftrag, womit der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, ein gültiges Reisedokument samt Kopie sowie das Original einer Geburtsurkunde (oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument) und sonstige Urkunden im Original samt Kopie binnen einer Frist von vier Wochen vorzulegen. Auf die Heilungsmöglichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV wurde hingewiesen. Der Beschwerdeführer wurde zudem darüber belehrt, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei, wenn er seiner Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß nicht nachkomme.

14. Der BF legte mit Eingabe vom 02.11.2020 im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung einen Aufnahmevertrag „ XXXX “ für das Wintersemester 2020/21 vor und nahm dahingehend Stellung, dass er ohne Dokumente nach Österreich eingereist sei. Da der BF auch in Pakistan über keinen Reisepass verfüge, sei es ihm tatsächlich nicht möglich, diesen in absehbarer Zeit zu beschaffen. Vor dem Hintergrund dessen, dass der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, sei es ihm ebenso wenig zumutbar, eine Ausstellung des Reisepasses bei der pakistanischen Auslandsvertretung zu beantragen. Es werde daher der Antrag gestellt, die Heilung des Mangels gem. § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV zuzulassen.

15. Mit Eingabe vom 24.11.2020 brachte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eine Bestätigung der „ XXXX “ vom 12.11.2020 vor.

16. Nach mit Schreiben vom 10.02.2021 erfolgter Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und Übermittlung eines Fragenkatalogs durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 26.02.2021 eine Stellungnahme. Was die Vorlage des Reisepasses betreffe, so habe der BF bereits mit dem vom BFA ins Treffen geführten Heilungsantrag dargelegt, dass er über keinen solchen verfüge und ihm aufgrund dessen, dass er in Österreich im Jahre 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt gehabt habe, nicht zumutbar sei, bei der Botschaft Pakistans in Wien vorzusprechen. An diesem Umstand ändere auch das rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren nichts, da sich der BF nach wie vor bedroht und verfolgt fühle. Ungeachtet dessen sei festzustellen, dass es sich vorliegend um einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK handle, sodass es bereits nach dem Gesetzwortlaut möglich sei, diesen auch ohne Vorlage der betreffenden Dokumente inhaltlich zu behandeln. Nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV könne nämlich die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG zulassen, und zwar u.a. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK (Z 1 (wohl richtig: Z 2)) oder im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder zumutbar gewesen sei (Z 3). Insoweit wurde erneut der Antrag auf Heilung gem. § 4 Abs. 1 AsylG-DV gestellt und zwar in Zusammenhang mit einem Antrag nach § 55 AsylG jedenfalls nach Z 2 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK. Des Weiteren wurde im Rahmen der Stellungnahme der übermittelte Fragenkatalog zu den persönlichen Verhältnissen des BF beantwortet. Der Stellungnahme sind weitere Befürwortungsschreiben von der Lebensgefährtin XXXX vom 24.02.2020 (wohl richtig: 2021) und von Dr. XXXX vom 23.02.2021 sowie eine private Fotografie angeschlossen.

17. Mit Schreiben vom 30.03.2021 beantragte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung die zeugenschaftliche Einvernahme der Lebensgefährtin XXXX und von Dr. XXXX .

18. Mit Eingabe vom 02.04.2021 brachte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung weitere Unterlagen zu seiner aktuellen Gesundheitssituation in Vorlage.

19. Am 12.04.2021 wurde der BF vor der belangten Behörde zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK niederschriftlich einvernommen. Der BF legte hierbei dar, dass er eine Therapie in Anspruch nehmen würde. Die Einvernahme könne jedoch durchgeführt werden. Er hätte ein bisschen Probleme mit Depression. Ansonsten sei er gesund.

Er könne zum Nachweis seines Namens und seines Geburtsdatums kein Identitätsdokument vorlegen, welches dies nachweise. Er würde nur über eine Geburtsurkunde verfügen, die bereits vorgelegt worden sei. Seine Anwältin habe aber einen Antrag auf Heilung des Mangels gestellt.

Er befinde sich seit 2015 in Österreich und sei dazwischen nicht ausgereist.
Sein Vater sei verstorben. Er habe zudem fünf Schwestern und einen Bruder. Diese würden alle in Pakistan leben. Ab und zu würde er mit seinen Schwestern telefonieren. Mit seinem Bruder hätte er leider keinen Kontakt mehr. Wenn sein Bruder nicht zu Hause sei, würde er auch mit seiner Mutter telefonieren. Sie würden ungefähr einmal im Monat telefonieren.

Er besitze keine Berufsausbildung, habe aber die Schule bis zur siebten Klasse besucht.

Er habe in Österreich eine Freundin, die eine Tochter habe. Irgendwann würden sie heiraten wollen. Befragt, ob er in Österreich Familienangehörige habe, erwiderte der BF im Anschluss: „Ja die Omi, die Dr. XXXX . Ich nennen Sie Omi. Ich habe sie in XXXX kennen gelernt, und war dann auch öfter bei Ihr Helfen.“

Er wohne im 18. Bezirk. Die Wohnung gehöre der Omi. Er würde ihr Euro 150,00 im Monat geben und würde er in Österreich von der Grundversorgung der Stadt Wien leben.

Vor Corona habe er Baseball gespielt und sei in der Schule gewesen. Des Weiteren würde er Dr. XXXX beim Einkaufen, bei Spaziergängen, bei der Betreuung des Hundes und im Garten helfen. Ferner sei er auch oft - also am Wochenende - mit seiner Freundin. Er sei Mitglied beim Verein „ XXXX “ und bei einem Baseballverein mit dem Namen „ XXXX “ in XXXX .

Auf die Frage „Stehen Sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jemanden hier in Österreich?“ antwortete der BF: „Ich habe Familienangehörige, also die Omi, meine Freundin und Ihre Tochter. Wenn ich etwas benötige bekomme ich auch Geld von Omi.“

Zu seinen integrativen Schritten befragt, welche er seit seinem Aufenthalt in Österreich gesetzt habe, führte der BF aus, dass er die Sprache gelernt habe, hier in die Schule gegangen sei und eine Freundin hier habe. Er habe auch eine Ausbildung absolvieren wollen, sei aber dann zu depressiv geworden, obwohl die Klienten dort sehr lieb gewesen seien. Es habe jedoch gab auch Personen gegeben, die nur geschrien hätten und dies habe ihn dann „runter gezogen“. Er habe für seine Zukunft eine Ausbildung und ein normales Leben geplant sowie dass er der Omi weiterhelfen könne und dieser alles zurückgeben könne. Auch die Rückzahlung all dessen, was ihm der Staat gegeben habe.

Befragt, was die Gründe seien, um in Österreich zu bleiben, gab der BF zu Protokoll: „Weil ich hier Familie habe, die Omi, meine Freundin XXXX und ihre Tochter. Ich habe auch noch weitere Freunde hier. Österreich wurde meine Heimat.“

20. Mit Schreiben vom 13.04.2021 brachte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung einen „Antrag auf Einstweilige Anordnung nach Art. 160 VerfO EuGH“ beim Bundesverwaltungsgericht ein.

21. Mit Note vom 14.04.2021 gab die belangte Behörde eine Stellungnahme zum „Antrag auf Einstweilige Anordnung nach Art. 160 VerfO EuGH“ vom 13.04.2021 ab.

22. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2021, GZ: L527 2241368-1/21E
wurde der „Antrag auf Einstweilige Anordnung nach Art. 160 VerfO EuGH“ zurückgewiesen, dies u.a. mit der Begründung da von einer Zuständigkeit des BFA zur allfälligen Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auszugehen sei. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig erklärt.

23. Im Anschluss brachte der BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung mit Schreiben vom 14.04.2021 den „Antrag auf Einstweilige Anordnung nach Art. 160 VerfO EuGH“ beim BFA ein.

24. Mit E-Mail vom 14.04.2021 teilte die rechtsfreundliche Vertretung mit, dass sie in Erfahrung bringen haben können, dass sich der BF nicht nur geringfügig verletzt habe und die Wunde im Polizeianhaltezentrum vorgezeigt worden sei. Allerdings sei kein Arzt beigezogen worden, um die Ursache abzuklären oder die Wunde zu versorgen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich vorliegend um eine Selbstverletzung handle. Aus diesem Grunde wurde beantragt, den BF umgehend einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Einerseits, um die Wunde entsprechend zu versorgen, andererseits zum Beweis dafür, dass aktuell keine Transportfähigkeit gegeben sei und die Abschiebung nicht durchgeführt werden dürfe. Der Mitteilung ist eine Ablichtung einer Schürfverletzung angeschlossen.

25. Am 14.04.2021 übermittelte die Präsidentschaftskanzlei eine an den Herrn Bundespräsidenten gerichtete Eingabe von Dr. XXXX .

26. Am 14.04.2021 erfolgte die Abschiebung des BF mittels Flugzeug nach Pakistan.

27. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom 15.04.2021, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und seinen Antrag auf Mängelheilung vom 02.11.2020 gemäß § 4 Abs. 1 ab (Spruchpunkt II.). Gegen den BF wurde gem. § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt III.) sowie gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) erlassen. Weiters wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Ihm wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Abschließend wurde dem Antrag auf Einstweilige Anordnung nach § 160 VerfO EuGH vom 13.04.2021 nicht Folge gegeben (Spruchpunkt VIII.).

Begründend wurde ausgeführt, warum der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück- (Spruchpunkt I.) und der Antrag des BF auf Mängelheilung vom 02.11.2020 gemäß § 4 Abs. 1 abgewiesen wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß § 55 Absatz 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, weshalb das BFA ausgesprochen habe, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und weshalb dem Antrag auf Einstweilige Anordnung nach Art. 160 VerfO EuGH vom 13.04.2021 nicht Folge gegeben wurde.

28. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

29. Mit E-Mail vom 30.04.2021 langte bei der belangten Behörde ein Unterstützungsschreiben von Bewohnern jener Wohngemeinschaft ein, in der der BF zunächst ehrenamtlich und in der Folge als Praktikant tätig gewesen ist.

30. Gegen den oa. Bescheid des BFA vom 15.04.2021 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 17.05.2021 zur Gänze Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, wobei der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, bekämpft wurde. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

30.1. Zunächst wurde nach umfangreicher Darstellung des Verfahrensgangs und Wiederholung des Vorbringens unter anderem moniert, dass dem BF während seiner Anhaltung vor der Abschiebung im April 2021 nicht zugestanden worden sei, einen Folgeantrag zu stellen, obwohl der BF dies mehrfach artikuliert gehabt habe. Zudem sei dem BF während der Anhaltung trotz aktenkundiger psychischer Beeinträchtigungen und des mehrmaligen Hinweises der rechtsfreundlichen Vertretung keine fachärztliche Behandlung gewährt worden.

30.2. In der Folge wurde ausgeführt, dass die Feststellungen des BFA auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung basieren würden. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens hätte das BFA das Vorbringen des BF zu entscheidungsrelevanten Tatsachen erhoben und ihm nach einer mangelfreien Beweiswürdigung die gegenständliche Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären und dem BF den Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG erteilen müssen. Darüber hinaus basiere die Verhängung des für die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots auf einer gravierenden Verkennung der anzuwenden Rechtslage und ebenfalls auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung.

Im konkreten Fall sei es verabsäumt worden, ausreichend auf relevantes Parteivorbringen einzugehen. Außerdem habe das BFA notwendige Ermittlungen zu erheblichen Behauptungen nicht durchgeführt und seien die gestellten Beweisanträge schlicht außer Acht gelassen worden. Beispielsweise sei durch die belangte Behörde begründend kursorisch ausgeführt worden, dass aufgrund der Länderinformationen die gesundheitlichen Probleme des BF auch in Pakistan behandelt werden könnten. Hier fällt zum einen auf, dass entgegen dem Vorbringen des BF - widersprüchlich und aktenwidrig - Feststellungen getroffen worden seien, wonach der BF gesund wäre. Zudem seien die betreffenden Länderberichte dem BF bzw. der rechtsfreundlichen Vertretung vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht ausgefolgt worden, sodass keine Stellungnahme diesbezüglich erfolgen konnte und hierdurch das Parteiengehör missachtet worden sei.

30.3. Des Weiteren wurde moniert, dass das Asylverfahren am 11.07.2018 - sohin vor nahezu drei Jahren - in Rechtskraft erwachsen sei. Allein angesichts der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit (und damit einhergegangener neuer Ereignisse und Tatsachen) wäre eine zukunftsgerichtete Neubewertung der Rückkehrsituation gegenständlich jedenfalls ununmgänglich gewesen. Konkret sei der eigentliche Charakter des Non-Refoulement Prinzips als zukunftsgerichtete Beurteilung der Rückkehrsituation - sohin eine ex nunc Beurteilung zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung - vollkommen missachtet worden.

30.4. Ferner spiegle der Verweis des BFA auf (teilweise veraltete, aber auch oberflächlich gehaltene) Länderinformationen, die allerdings nach bereits abgeschlossener Abschiebung für die Entscheidungsfindung (!) herangezogen worden seien, die denkunmögliche Gesetzesanwendung wider. Hinzu komme, dass sich die betreffenden Rechercheergebnisse zur medizinischen Versorgung (diese fanden offenbar 2012 (!) sowie 2016 (!) statt) auf andere, als für den BF von seiner Fachärztin verschriebenen Medikamente beziehen würden, und damit nicht nur veraltet, sondern auch irrelevant seien. Festzuhalten sei, dass bereits aus den veralteten Länderinformationen der belangten Behörde hervorgehe, dass die Versorgung durch Psychiater und spezialisierte Krankenhäuser in Pakistan höchst unzureichend sei. Dies hätte also zur Einholung weiterer – aktuellerer – Informationen zum Gesundheitssystem und insbesondere zur Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen im Herkunftsstaat des BF führen müssen, was allerdings unterblieben sei. Auch zu sicherheitsrelevanten Vorkommnissen hätte die belangte Behörde aktuelle, relevante Informationen einholen müssen.

30.5. Willkürliches Verhalten sei dem BFA auch im Zusammenhang mit der Verhängung des Einreiseverbots anzulasten. Neben dem gravierenden Verfahrensfehler, dass der BF vor der Entscheidungsfindung über die entsprechenden „Ermittlungs-Ergebnisse“ trotz seines Rechts auf Parteiengehör nicht informiert gewesen worden sei, sei außerdem zu rügen, dass die belangte Behörde hier ihren Ermittlungsauftrag vollkommen verkannt habe. Auch im Rahmen der Ermittlungen zur Erlassung eines Einreiseverbots hätte im Lichte der damit einhergehenden notwendigen Abwägung nach Artikel 8 EMRK eine Beurteilung seiner gesundheitlichen Situation und besonderen (Behandlungs-)Bedürfnisse stattfinden müssen, was vollkommen unterblieben sei und damit einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle.

30.6. Im Anschluss wurden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen und gerügt, dass die Anträge auf zeugenschaftliche Einvernahme der Freundin des BF XXXX und der Dr. XXXX ignoriert worden seien. Daher wurde abermals der Antrag gestellt diese beiden Personen zeugenschaftlich einzuvernehmen.

30.7. Schließlich wurden unter Zitierung höchstgerichtlicher Rechtsprechung mehrseitige Ausführungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung im bekämpften Bescheid getroffen (AS 555 - 564).

30.8. Abschließend wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* jedenfalls eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und der zeugenschaftlichen Einvernahme der XXXX und der Dr. XXXX anberaumen;

* den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt II. beheben und in Stattgabe des Antrags nach § 8 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV feststellen, dass der Mangel hinsichtlich der Vorlage eines Nachweises für die Identität zum Schutz von Privat- und Familienleben als geheilt anzusehen sei;

* den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt I. beheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde;

* hilfsweise den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt V. beheben und feststellen, dass die Abschiebung des BF nach Pakistan unzulässig gewesen sei;

* hilfsweise den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt IV. beheben und das Einreiseverbot gänzlich aufheben, hilfsweise die Dauer des Einreiseverbots entsprechend herabsetzen; und

* hilfsweise den angefochtenen Bescheid beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen.

30.9. Mit diesem Rechtsmittel wurde kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

30. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt des BFA langte am 27.05.2021 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

31. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte sowohl das Polizeianhaltezentrum Wien-Hernalser Gürtel als auch das Polizeianhaltezentrum Wien-Roßauer Lände um Übermittlung aller medizinischen Unterlagen in Bezug auf die Schubhaft des BF vom 12. bis 14.04.2021 und um Mitteilung, ob der BF medizinische Versorgung benötigt habe, ob ihm diese gewährt worden sei und wenn ja, in welcher Form. Zudem wurde das Polizeianhaltezentrum Wien-Hernalser Gürtel um Übermittlung einer Dokumentation über die am 12.04.2021 geschehenen Amtshandlungen (unkooperatives Verhalten des BF, ihm seien Handfesseln angelegt worden, er habe sich selbst verletzt und sei in eine gesicherte Zelle verbracht worden) ersucht. Diesen Ersuchen wurde mit E-Mails vom 01.06.2021 entsprochen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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