TE Bvwg Beschluss 2021/9/2 G315 2244186-2

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G315 2244186-1/6E
G315 2244186-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über den Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand vom 14.07.2021 sowie über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Kroatien, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2021, Zahl XXXX , betreffend Aufenthaltsverbot:

A)

I.       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Gegen den Antragsteller (in der Folge kurz „ASt.“ genannt), einen gebürtigen Bosnier mit kroatischer Staatsangehörigkeit, wurde infolge mehrfacher Straffälligkeit in Österreich mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (in weiterer Folge kurz „bB“ genannt), vom 22.01.2019 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dem ASt. kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob der ASt. keine Beschwerde und erwuchs dieser mit 20.02.2019 in Rechtskraft. Der ASt. reiste bereits am 15.02.2019 unterstützt und freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Kroatien aus.

2. Trotz des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes in der Dauer von drei Jahren (gültig bis 15.02.2022) reiste der ASt. neuerlich in das Bundesgebiet ein und wurde hier neuerlich straffällig.

Er wurde erst mit Mandatsbescheid der bB vom 13.01.2020 in Schubhaft genommen, aus dieser aber infolge der Verhängung einer strafgerichtlichen Untersuchungshaft entlassen.

3. Mit – ausschließlich auf Deutsch verfasster - Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 10.02.2020 wurde der AST. durch die bB von der beabsichtigten Erlassung einer neuerlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme und allenfalls der Verhängung der Schubhaft informiert und ihm dazu im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme unter Anführung konkreter Fragen zu den Lebensumständen des ASt. binnen zehn Tagen ab Zustellung dieser Verständigung eingeräumt.

Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem ASt. in der Justizanstalt am 10.02.2020 zugestellt. Am 24.02.2020 langte die vom ASt. handschriftlich auf Deutsch verfasste Stellungnahme bei der bB ein (vgl. AS 121 f).

4. Zuletzt wurde der ASt. mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2021, Zahl XXXX , zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels verurteilt.

Der ASt. befindet sich aktuell nach wie vor in Strafhaft. Sämtliche Strafverfahren gegen den ASt. wurden ohne Beiziehung eines Dolmetschers auf Deutsch geführt. Auch in den Vollzugsinformationen sind keine Dolmetsch-Sprachen aufgeführt.

5. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der bB vom 01.06.2021 wurde gegen den ASt. gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem AST. gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 AST.A-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Der Bescheid enthält nachfolgende Rechtsmittelbelehrung sowohl auf Deutsch als auch auf Kroatisch:

„Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

Die Beschwerde ist innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich bei uns einzubringen.

Sie hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, und die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, zu bezeichnen. Weiters hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, zu erhalten.

Die Beschwerde kann in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs sind auf folgender Internetseite bekanntgemacht: http://ww.bfa.gv.at

Bitte beachten Sie, dass der Absender/die Absenderin die mit jeder Übermittlungsart verbundenen Risiken (zB Übertragungsverlust, Verlust des Schriftstückes) trägt.

Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, das heißt, der Bescheid kann trotz Erhebung einer Beschwerde vollstreckt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter bestimmten Umständen von Amts wegen innerhalb von 7 Tagen nach Einlangen der Beschwerde bei ihm die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (§ 18 Abs. 5 BFA-VG).

Hinweis auf Gebühren:

[…]“

Dieser Bescheid samt zugehöriger Information zur Rechtsberatung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde dem, zum damaligen Zeitpunkt noch unvertretenen, ASt. im Stande der Strafhaft in der Justizanstalt persönlich übergeben und von ihm selbst am 02.06.2021 um 14:00 Uhr gegen Unterschriftsleistung übernommen.

Ausgehend von einer Zustellung des gegenständlichen Bescheides am 02.06.2021 endete die vierwöchige Beschwerdefrist daher grundsätzlich mit Ablauf des 30.06.2021.

6. Am 05.07.2021 langte bei der bB ein mit 05.07.2021 datiertes Beschwerdeschreiben des AST. persönlich ein.

Die Beschwerde vom 05.07.2021 und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden daraufhin dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 08.07.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo sie zur Zahl G315 2244186-1 protokolliert wurde.

7. Am 14.07.2021 langte bei der bB ein mit 14.07.2021 datierter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist sowie zugleich eine neuerliche Beschwerde durch die nunmehrige bevollmächtigte Rechtsvertretung des ASt. bei der bB ein. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Stattgabe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen sowie in eventu der Beschwerde stattgeben und das Verfahren an die bB zurückverweisen.

8. Die bB leitete daraufhin zuständigkeitshalber den Wiedereinsetzungsantrag samt neuerlicher Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiter, wo diese am 15.07.2021 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zu Spruchteil A) I.): Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

2.1.1. Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in der seit 01.07.2021 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 119/2020 lautet:

„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1.         nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2.         nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1.         nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2.         nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. etwa VwGH vom 05.12.2018, Ra 2018/20/0441; VwGH vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Der VwGH hat allerdings in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. betreffend § 33 Abs. 1 VwGVG VwGH 25.11.2015, Ra 2015/06/0113; 08.06.2015, Ra 2015/08/0005, VwGH 17.03.2015, Ra 2014/01/0134).

Der mit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelte § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet:

„§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1.         die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2.         die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134).

Um die Wiedereinsetzung zu rechtfertigen, muss das Ereignis für den Wiedereinsetzungswerber entweder unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ("oder") genügt das Vorliegen eines der beiden Momente, um den Wiedereinsetzungsanspruch zu begründen (Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht3 Rz 605 FN 1188). Die Partei (der Antragsteller) muss an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, das sie (er) nicht vorhergesehen hat oder dessen Eintritt sie (er) nicht abwenden konnte (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 37 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht (von dieser Partei) nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; vgl auch VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; 03.04.2001, 2000/08/0214). Ob ein Ereignis als „unvorhergesehen“ einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem „objektiven Durchschnittsablauf“ (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; VwGH 24. 11. 1986, 86/10/0169; 15. 9. 2005, 2004/07/0135). Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden (nur ein minderer Grad des Versehens [Rz 40 ff]; vgl auch VwSlg 18.708 A/2013) trifft (VwGH 28.04.1994, 94/16/0066; 02.09.1998, 98/12/0173; 11.06.2003, 2003/10/0114). Wurde zB ein Schriftstück nicht eingeschrieben aufgegeben, hat die Partei den Umstand, dass es bei der Behörde, an die es adressiert war, nicht eingelangt ist, offensichtlich nicht einberechnet. Er konnte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von ihr nicht erwartet werden, weshalb es sich iSd Judikatur des VwGH um ein unvorhergesehenes Ereignis handelt (VwGH 26.05.1999, 99/03/0078; 29.09.2000, 99/02/0356; VwSlg 18.619 A/2013; vgl auch VwGH 13.07.2015, Ra 2015/02/0050). Gleiches muss gelten, wenn der Beschwerdeführer unmittelbar vor Ablauf der Frist per E-Mail an die Behörde herantritt und dies fehlschlägt (VwSlg 18.619 A/2013; vgl auch Vogl, ZVG 2019, 225 f). Andere Beispiele für ein unvorhergesehenes Ereignis wären etwa eine Erkrankung oder eine Naturkatastrophe (Hengstschläger/Leeb6 Rz 605; Herrnritt 143), ein Eisenbahnunglück oder eine Autopanne (Herrnritt 143) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 38 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Ein unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (VwGH 28.02.1974, 1700/73; 24.01.1996, 94/12/0179; 31.03.2005, 2005/07/0020). Mit dem Begriff „unabwendbar“ stellt das Gesetz objektiv auf die Möglichkeiten des Durchschnittsmenschen (VwGH 24. 11. 1986, 86/10/0169; vgl auch VwSlg 9024 A/1976 verst Sen unter Berufung auf Fasching, Kommentar II 727; VwGH 23. 5. 1996, 96/15/0052) ab, dh es kommt darauf an, dass der Eintritt des Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht abgewendet werden kann (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; VwGH 10. 10. 1991, 91/06/0162; 3. 4. 2001, 2000/08/0214), auch wenn er diesen voraussah (vgl zu § 308 BAO VwGH 31. 10. 1991, 90/16/0148; 25. 1. 1995, 94/13/0236; 23. 5. 1996, 96/15/0052) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 39 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Nach § 71 Abs. 1 Z 1 AVG und § 33 Abs. 1 VwGVG setzt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist oder der mündlichen Verhandlung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Ein Verschulden der Partei (auch ein Mitverschulden [Hellbling 473 f]) steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand demnach nur dann entgegen, wenn es den „minderen Grad des Versehens“ übersteigt. Unter einem minderen Grad des Versehens ist nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen (VwGH 17. 5. 1990, 90/06/0062; 19. 5. 1994, 94/18/0226; 13. 12. 2011, 2011/22/0301), die dann vorliegt, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (VwGH 22. 11. 1996, 95/17/0112; 23. 5. 2001, 99/06/0039; 1. 6. 2006, 2005/07/0044; vgl auch VfGH 8. 6. 2017, E 532/2017; 11. 10. 2017, E 2959/2017; Hengstschläger/Leeb6 Rz 606; Schulev-Steindl6 Rz 357). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, dh er darf die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 8. 10. 1990, 90/15/0134; 27. 6. 2008, 2008/11/0099; 8. 10. 2014, 2012/10/0100). Da es auf die persönlichen Fähigkeiten des Antragstellers ankommt, fällt seine Rechtskundigkeit und seine Erfahrung im Umgang mit Behörden besonders ins Gewicht. Bei der Beurteilung, ob auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist daher insbesondere an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an behördlichen (gerichtlichen) Verfahren beteiligte Personen (vgl Rz 44, 49; VwGH 20. 10. 1998, 98/21/0149; 11. 6. 2003, 2003/10/0114; 26. 6. 2008, 2008/05/0122) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 40 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

2.1.2. Im konkreten Fall ergibt sich daraus:

Der gegenständliche Bescheid samt einer Information über die Möglichkeit einer Rechtsberatung nach § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde zum damaligen Zeitpunkt noch unvertretenen ASt. persönlich im Stande der Strafhaft am 02.06.2021 um 14:00 Uhr übergeben und die Übernahme vom ASt. persönlich auch durch Unterschrift bestätigt. Die Beschwerdefrist von vier Wochen endete damit grundsätzlich mit Ablauf des 30.06.2021.

Mit Schreiben des zu diesem Zeitpunkt durch seine Schwester vertretenen BF vom 05.07.2021, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, erhob er das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes. Die Beschwerde samt zugehörigen Verwaltungsakten wurden daraufhin am 08.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und dieser Umstand dem BF über seine Schwester mitgeteilt.

Ergänzend dazu brachte der BF durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung trotz Vorlage der Beschwerde und entsprechender aktenkundiger Mitteilung der bB über die Beschwerdevorlage bei der bB einlangend am 14.07.2021 den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt einer weiteren Beschwerde ein. Der Wiedereinsetzungsantrag und die Beschwerde vom 14.07.2021 wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der bB am 15.07.2021 vorgelegt.

Da der Wiedereinsetzungsantrag erst nach Vorlage der ersten Beschwerde vom 05.07.2021 an das Bundesverwaltungsgericht gestellt wurde, ist gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung mittels Beschluss zuständig.

Begründend wurde im Wiedereinsetzungsantrag lediglich vorgebracht, dass beim ASt. aus „gesundheitlichen Gründen“ die Voraussetzungen für ein unvorhergesehenes und für ihn unabwendbares Ereignis und daher auch jene für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung vorlägen. Die bB habe den ASt. einerseits nicht über seine Rechte belehrt und damit ihre Manuduktionspflicht verletzt. Der ASt. sei im Rahmen der Zustellung des Bescheides aus dem Schlaf gerissen worden und habe man ihm nur über ein kleines Fenster in der Justizanstalt den Bescheid ausgehändigt. Der ASt. sei nicht in der Lage gewesen, klar zu denken, weil er laut seinen eigenen Angaben „blau“ gewesen sei, sodass es ihm nicht möglich gewesen wäre, fristgerecht bei der bB eine Beschwerde einzubringen. Der ASt. sei zum damaligen Zeitpunkt unvertreten gewesen und müsste somit ein entsprechender Sorgfaltsmaßstab angelegt werden. Wenn überhaupt läge nur ein minderer Grad des Versehens vor, zumal die bB ihre Manuduktionspflicht verletzt habe.

Dazu ist einerseits festzuhalten, dass reine Behauptungen betreffend das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht ausreichen. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände, die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (VwGH 21. 3. 1997, 97/02/0093; 25. 2. 2003, 2002/10/2002). Ziel der Glaubhaftmachung ist, bei der Behörde die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorzurufen, dh die Behörde muss zur Ansicht gelangt sein, die Tatsachenbehauptung sei wahrscheinlich für wahr zu halten (VfSlg 17.159/2004; Bernárd, ZfV 1981, 131). Der Antragsteller hat – allenfalls durch die Beibringung tauglicher Bescheinigungsmittel – auch glaubhaft zu machen, dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (vgl Stoll, BAO III 2975) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 116 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Der ASt. hat im gegenständlichen Fall keinerlei taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht, weshalb ihm in einem gesamten Zeitraum von vier Wochen bei – wie sogar in der Beschwerde angeführt wird – sehr guten Deutschkenntnissen die Erhebung einer Beschwerde oder zumindest die Beauftragung eines Rechtsvertreters bzw. eine Nachfrage bei der bB aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen sein soll.

Unabhängig davon, dass aus der Begründung der ASt. wäre „blau“ gewesen, nicht der Umfang einer allfälligen Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit beurteilt werden kann, ist auch deren zeitlicher Rahmen unmöglich einzugrenzen. Das Vorbringen, wonach man den ASt. bei Übergabe des Bescheides aus dem Schlaf gerissen hätte, würde indizieren, dass man ihn damit mitten in der Nacht überfallen hätte. Tatsächlich hat er aber die Übernahme des Bescheides (und der Information über die Möglichkeit einer Rechtsberatung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG) laut aktenkundigen Zustellnachweis um 14:00 Uhr bestätigt. Weitere diesbezüglich brauchbare oder nachprüfbare Angaben wurden seitens des ASt. nicht gemacht. Ein diesbezüglicher Wiedereinsetzungsgrund wurde damit nicht entsprechend geltend oder glaubhaft gemacht.

Zum weiteren Vorbringen, der ASt. wäre in Verletzung der Manuduktionspflicht der bB nicht über seine Rechte belehrt worden, ist ihm entgegenzuhalten, dass der gegenständliche Bescheid eine ausführliche Rechtsmittelbelehrung in deutscher (dem ASt. laut eigenen Angaben in der Beschwerde, wiewohl auch aus dem Verwaltungsverfahren ersichtlich, verständlicher) sowie in kroatischer Sprache (iSd § 12 Abs. 1 BFA-VG) gleichermaßen enthält. Außerdem wurde dem ASt. nachweislich eine entsprechende schriftliche Information über die Möglichkeit einer Rechtsberatung zeitgleich übermittelt.

Die Rechtsmittelbelehrung dient dem umfassenden Rechtsschutz der Partei. Es handelt sich dabei um einen besonderen Fall der Manuduktion, wobei § 61 Abs. 1 AVG nach der Rechtsprechung des VwGH im Verhältnis zu § 13a AVG als die spezielle Vorschrift anzusehen ist. Auf Grund ihrer Natur kommt der Rechtsmittelbelehrung im Verwaltungsverfahren deshalb (bzw. dann) besondere Bedeutung - als Schutz vor Unkenntnis des Gesetzes - zu, weil die Parteien regelmäßig weder selbst rechtskundig noch durch rechtskundige Personen vertreten sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband § 61 Rz 2 (2005) mit weiteren Nachweisen).

Allerdings geht der VwGH auch in Bezug auf Rechtsmittel offenkundig von einer - quasi subsidiären - Verpflichtung zur Manuduktion nach § 13a AVG aus. In zahlreichen Entscheidungen wurde vom VwGH der Entfall der Manuduktionspflicht bezogen auf Rechtsmittel und unabhängig davon, ob die Partei rechtsfreundlich vertreten war oder nicht, damit begründet, dass die erteilte Rechtsmittelbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entsprach (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a Rz 2 mit Verweis auf etwa VwGH vom 03.09.2002, Zl. 2001/03/0213, und weitere).

Die gegenständliche, oben bereits wörtlich wiedergegebene, Rechtsmittelbelehrung weist auf die Möglichkeit der Erhebung des Rechtsmittels der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht in schriftlicher Form binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides hin. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerde bei der bB einzubringen ist und welchen Inhalt die Beschwerde mindestens aufweisen muss. Die Rechtsmittelbelehrung enthält somit alle gesetzlich geregelten und erforderlichen Inhalte. Somit ist die belangte Behörde ihrer in § 13a AVG bzw. - als der spezielleren Norm - § 61 AVG normierten Manuduktionspflicht des (damals noch) unvertretenen ASt. in ausreichendem Maße nachgekommen.

Darüber hinaus wurde die Rechtsmittelbelehrung auch entsprechend der lex specialis des § 12 Abs. 1 BFA-VG in eine dem ASt. als kroatischen Staatsangehörigen offensichtlich verständlichen Sprache, nämlich Kroatisch, übersetzt. Aus dem gesamten Verwaltungsakt ist nicht ersichtlich, dass der ASt. der kroatischen Sprache tatsächlich nicht mächtig wäre. Der ASt. hat auch nicht vorgebracht, über keine Kenntnisse der kroatischen Sprache zu verfügen, sondern vielmehr, über sehr gute Deutschkenntnisse zu haben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellt zudem der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22. 5. 1997, 97/18/257; 1. 8. 2000, 2000/21/0097; 19. 9. 2007, 2007/08/0097). Wie der Gerichtshof betont, handelt es sich weder bei der Zustellung eines in deutscher Sprache gehaltenen Bescheides noch bei der Unkenntnis der deutschen Sprache um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG (VwGH 18. 2. 1991, 91/19/0013; 7. 10. 1993, 93/01/0910; 19. 11. 1999, 96/19/1221) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 76 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Es genügt, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, rechtlich bedeutsame behördliche Schriftstücke erhalten zu haben (vgl VwGH 24. 2. 2000, 96/21/0430; 11. 10. 2001, 98/18/0355; 19. 11. 2003, 2003/21/0090). Besteht Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, darf die Partei diese nicht auf sich beruhen lassen (VwGH 28. 1. 2003, 2002/18/0291; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Erkennt eine sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufende Partei die ihr zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid (behördliches Schriftstück), ist sie auch verpflichtet, sich – allenfalls unter Heranziehung eines Dolmetschers – mit dem Inhalt der Erledigung einschließlich der Rechtsmittelbelehrung vertraut zu machen (VwGH 25. 1. 1996, 95/19/1597; 10. 5. 2000, 95/18/0972; 27. 1. 2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10. 5. 2000, 95/18/0972) sowie dem Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Weil aus der Rechtsmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsbehörde und die Dauer der Frist hervorgehen und weil das Zustelldatum besondere Bedeutung für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hat, trifft ihn diesbezüglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht (VwGH 7. 8. 2001, 98/18/0068; vgl auch Rz 41). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl VwGH 12. 12. 1997, 96/19/3394; 10. 5. 2000, 95/18/0972) ((Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 77 [Stand 01.01.2020, rdb.at] mwN).

Sofern noch vorgebracht wird, der ASt. wäre zum Zeitpunkt der Zustellung des gegenständlichen Bescheides bzw. während der laufenden Rechtsmittelfrist noch unvertreten gewesen, sodass ein entsprechend geringer Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei und keine auffallende Sorglosigkeit vorliege, so muss ihm entgegengehalten werden, dass es sich – entsprechend der schon dargelegten Judikatur - beim ASt. zwar um einen Rechtsunkundigen handelt, der aber bereits zumindest fünf Strafverfahren bzw. strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich durchlaufen hat. Weiters wurde gegen ihn bereits einmal ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot durch die bB erlassen und hat er auch auf die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme der bB, mit welcher ihm die beabsichtigte Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes sowie allenfalls der Verhängung der Schubhaft zur Kenntnis gebracht wurde, auch selbst mit einem handschriftlichen Schreiben reagiert. Es ist daher einerseits davon auszugehen, dass der ASt. die auf Deutsch gehaltenen Inhalte verstanden hat, und andererseits kann auch nicht gesagt werden, dass der ASt. im Umgang mit Behörden und Gerichten unerfahren oder unbedarft wäre. Der ASt. hat somit seine Sorgfaltspflicht jedenfalls in einem Ausmaß verletzt, die nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit bzw. als minderer Grad des Versehens angesehen werden kann.

Eine der Wiedereinsetzung entgegen stehende auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH nämlich beispielsweise an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum hätte vermieden werden können durch die aufmerksame Lektüre des Bescheides (VwGH 31.07.2007, 2006/05/0089), und zwar nicht nur des Spruchs, sondern insbesondere auch seiner Rechtsmittelbelehrung (VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279; 09.06.2004, 2004/16/0096) und seiner Begründung (VwGH 08.05.1998, 97/19/1271; 24.02.2006, 2005/12/0237; 01.06.2006, 2005/07/0044), die Einholung von Informationen bei der Behörde (VwGH 08. 05.1998, 97/19/1271) oder bei einem Rechtskundigen (VwGH 24.02.1992, 91/10/0291; 02.07.1998, 97/06/0056; 24.02.2006, 2005/12/0237; Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 68, 69 [Stand 01.01.2020, rdb.at]).

Insgesamt ist beim ASt. in mehreren Punkten eine auffallende Sorglosigkeit in seinen Handlungen anzunehmen und macht er gegenständlich keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich für das erkennende Gericht weiters schon Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit des gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrages, denn dieser wäre binnen zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses einzubringen oder andernfalls als unzulässig zurückzuweisen. Wann das vorgebrachte Hindernis des „Blau-Seins“ beim ASt. konkret weggefallen ist und er dann erst in der Lage gewesen ist, sich an seine Rechtsvertretung zu wenden, erscheint höchst spekulativ und wurden dazu keine Angaben gemacht, sodass gegenständlich die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vorausgesetzt wird.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 33 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGVG in Beschlussform als unbegründet abzuweisen.

2.2. Zu Spruchteil A) II.): Zurückweisung der Beschwerde als verspätet:

§ 61 AVG lautet:

„§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 158/1998)“

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung (Z 1).

Gemäß § 3 Abs. 2 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

1.       die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich gemäß dem AsylG 2005,

2.       die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß dem AsylG 2005,

3.       die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück des FPG,

4.       die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG,

5.       die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

6.       die Vorschreibung von Kosten gemäß § 53 und

7.       die Führung von Verfahren nach dem Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 (GVG-B 2005), BGBl. Nr. 405/1991, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren.

§ 16 Abs. 1 BFA-VG lautet:

„§ 16. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, beträgt abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zwei Wochen. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) handelt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit der Feststellung verbunden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden unzulässig ist.“

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes wurde unstrittig am 05.07.2021, somit nach Ablauf der Beschwerdefrist am 30.06.2021, beim Bundesamt, der konkret zuständigen Behörde, eingebracht. Auch die zweite Beschwerde vom 14.07.2021 wurde nach Ablauf der Beschwerdefrist und nach Vorlage der ursprünglichen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beim Bundesamt eingebracht. Die Zuständigkeit war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen, sodass die zweite Beschwerde auch bei einer unzuständigen Behörde eingebracht wurde. Das Bundesamt hat die – gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag – erhobenen Beschwerde am 15.07.2021 dem Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, sodass auch diese ebenfalls deutlich nach Ende der Beschwerdefrist mit Ablauf des 30.06.2021, beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.

Die verspätete Einbringung blieb seitens des ASt. zudem unbestritten.

Wie bereits oben ausgeführt, lagen keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe vor, sodass sich die Beschwerde als verspätet erweist und als solche zurückzuweisen war.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fristversäumung Pandemie Verschulden Versehen Verspätung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G315.2244186.2.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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