TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 W212 2229688-1

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Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

Spruch


W212 2229688-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 57 AsylG 2005 i.d.g.F., § 9 BFA-VG i.d.g.F., §§ 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9, 55 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Serbiens, schloss am 10.12.2016 in Serbien die Ehe mit einem in Österreich zum dauernden Aufenthalt berechtigten Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina und ist seit 01.06.2017 durchgehend mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.

Am 08.06.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG), welcher am 02.10.2017 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 15.02.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG), welcher mit Bescheid des Landeshauptmannes für Wien vom 27.03.2018 gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG abgewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführerin über die geplante Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Kenntnis und gewährte dieser die Möglichkeit, dazu sowie zu Berichtsmaterial über die Lage in ihrem Herkunftsstaat und ihren persönlichen Verhältnissen binnen Frist eine Stellungnahme einzubringen.

Mit Eingabe vom 16.01.2019 wurden durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin eine Reisepasskopie, ein den Ehegatten der Beschwerdeführerin betreffendes ärztliches Attest vom 04.12.2019 sowie ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 04.10.2019 über den Bezug einer Invaliditätspension des Ehegatten übermittelt.

2. Mit den im Spruch genannten Bescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), traf gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Feststellung, dass die Abschiebung der Genannten nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gewährte dieser gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei laut ihres vorgelegten Reisepasses seit 19.11.2019 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und habe sohin die erlaubte sichtvermerkfreie Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen überschritten. Die Beschwerdeführerin sei verheiratet. Zu darüberhinausgehenden persönlichen Bindungen im Bundesgebiet habe die Beschwerdeführerin keine Angaben erstattet. Diese habe nach wie vor familiäre Bindungen in Serbien, wo sie den weit überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens verbracht hätte, und ginge in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Ihr Antrag vom 15.12.2018 auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ sei am 17.10.2018 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführerin sei es zumutbar, den Kontakt zu ihrem Ehemann künftig während sichtvermerkfreier Aufenthalte sowie über elektronische Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten und vom Herkunftsstaat aus einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu beantragen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe auch im Rahmen des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems die Möglichkeit, die benötigte professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Jener Bescheid wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin am 12.02.2020 zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch die Beschwerdeführerin am 12.03.2020 eingebrachte Beschwerde, in welcher ausgeführt wurde, die Beschwerdeführerin sei in Österreich gut integriert, sie habe hier viele Freunde und einen Teil ihrer Familie. Weiters müsse sie ihren Ehemann in Österreich pflegen, da dieser krank wäre. Eine Pflege in Serbien sei nicht möglich, da dieser dort nicht versichert wäre. Es möge zwar zutreffen, dass der Ehemann aufgrund des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems die Möglichkeit habe, die benötigte professionelle Hilfe zu beantragen. Jedoch brauche dieser eine Pflege rund um die Uhr, welche das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem alleine nicht aufbringen würde. Würde die Beschwerdeführerin nach Serbien abgeschoben werden, könnte ihr Ehemann sein derzeitiges Leben ohne massive Einschnitte so nicht weiterleben. Er wäre gezwungen, massive Einsparungen einzugehen und sein Heilungs- und Krankheitsverlauf würde schwerwiegend darunter leiden.

4. Am 18.03.2020 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die gegenständliche Beschwerde sowie den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

5. Mit Schreiben vom 09.04.2021 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht binnen Frist allfällige seit Erlassung des angefochtenen Bescheides vom XXXX eingetretene Änderungen betreffend ihre privaten und familiären Lebensumstände bekannt zu geben.

Diesbezüglich gab die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 30.04.2021 bekannt, dass sich bei ihren privaten und familiären Umständen seit XXXX keine Änderung ergeben hätte.

Am 06.07.2021 wurde jenes Schreiben nach Abklärung des bestehenden Vollmachtsverhältnisses nochmals dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unter Gewährung einer abermaligen Stellungnahmefrist zugestellt. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Serbiens, führt die im Spruch ersichtlichen Personalien und ist seit 01.06.2017 durchgehend mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin hat in Serbien acht Jahre lang die Grundschule besucht. Sie hat nie offiziell gearbeitet. Fallweise hat sie ältere Leute betreut. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie in Serbien aus den Einkünften einer Landwirtschaft. In Serbien leben zwei volljährige Söhne, zwei Schwestern und zwei Brüder der Beschwerdeführerin. Von ihrem Ex-Lebensgefährten und Vater der Söhne ist sie seit 2003 getrennt.

Ihren nunmehrigen Ehemann, XXXX , geb. XXXX , einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, lernte die Beschwerdeführerin 2011 im Bundesgebiet über einen gemeinsamen Bekannten kennen. Sie sind bald ein Paar geworden. Die Beschwerdeführerin hielt sich zunächst abwechselnd drei Monate in Serbien und in Österreich auf. Am 10.12.2016 heiratete die Beschwerdeführerin ihren nunmehrigen Ehemann in Serbien. Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist Inhaber des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU.“ Laut Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes lagen dem Entschluss zur Eheschließung auch pragmatische Erwägungen zugrunde, nämlich die Ermöglichung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführerin in Österreich und eines gemeinsamen Wohnsitzes in Österreich mit ihrem Ehemann, welcher die Beschwerdeführerin aufgrund seiner gesundheitlichen Situation bei sich haben wollte.

Am 08.06.2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG), welcher am 02.10.2017 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 15.02.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG), welcher mit Bescheid des Landeshauptmannes für Wien vom 27.03.2018 gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass nicht gewährleistet werden könne, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu keiner Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde und eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG zu ihren Ungunsten ausgefallen wäre.

Die Beschwerdeführerin war sich, ebenso wir ihr Ehemann, darüber im Klaren, dass sie lediglich für einen Zeitraum von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen zum visumfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin bezieht eine Invaliditätspension. Es ist nicht festzustellen, dass dieser auf einen ständigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufgrund einer Pflegebedürftigkeit zwingend angewiesen ist.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat zwei volljährige Kinder in Bosnien.

Im Vorfeld der Erlassung des angefochtenen Bescheides war die Beschwerdeführerin von 30.06.2019 bis 21.08.2019 sowie ab dem 19.11.2019 (jedenfalls) bis zur Übermittlung einer Kopie ihres Reisepasses am 16.01.2020 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig.

Der Beschwerdeführerin ist es möglich und zumutbar, (vorübergehend) nach Serbien zurückzukehren, dort neuerlich im Familienkreis zu leben und sich vom Heimatland aus um die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu bemühen. Eine finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann kann von der Beschwerdeführerin in Serbien gleichermaßen empfangen werden.

Im Übrigen kann der Kontakt zu ihrem Ehemann durch wechselseitige Besuche sowie telefonisch und über das Internet aufrecht erhalten werden.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Sie ist gesund und arbeitsfähig. Diese hat keinen Nachweis über vorhandene Deutschkenntnisse vorgelegt, sie ging im Bundesgebiet nie einer Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach und hat mit Ausnahme ihres Ehemannes keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Die Beschwerdeführerin brachte keine Befürchtungen einer ihr in Serbien drohenden Grundrechtsverletzung oder sonstigen Notlage vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und Gerichtsakten.

Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin sowie zu den festgestellten Aufenthaltszeiträumen beruhen auf der Vorlage ihres serbischen Reisepasses, welcher in Kopie im Verwaltungsakt einliegt, in Zusammenschau mit ihren dahingehenden Angaben. Die Staatsangehörigkeit und der Aufenthaltsstatus des Ehemannes der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den personenbezogenen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Die Beschwerde ist der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Vorfeld der Bescheiderlassung die höchstzulässige Dauer eines visumfreien Aufenthalts überschritten hatte, nicht entgegengetreten.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen im Vorfeld der Einreise sowie den familiären Bindungen in Serbien ergeben sich aus ihren Angaben anlässlich ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 16.08.2018.

Die Feststellungen über die Beziehung mit ihrem Ehemann und den Umstand, dass die Eheschließung (auch) aus pragmatischen Motiven erfolgte, ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Rahmen ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen jeweils vom 16.08.2018.

Die Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin gestellten Anträgen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und deren Abweisung ergibt sich aus den dahingehenden Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Bescheides der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde vom 27.03.2018.

Die Feststellung, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin aufgrund einer Pflegebedürftigkeit nicht zwingend von einer dauerhaften Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet abhängig ist, ergibt sich aus der Nichterstattung eines konkreten Vorbringens in diesem Zusammenhang. Es wurden auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt, welche Aufschluss über die konkrete gesundheitliche Situation und das Ausmaß einer allfälligen Unterstützungsbedürftigkeit geben würden. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid dazu, dass ihr Ehemann in Österreich während einer (vorübergehenden) Abwesenheit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit hätte, medizinische Hilfe im Rahmen des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems in Anspruch zu nehmen, wurde in der Beschwerde nicht konkret entgegengetreten.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Strafregister. Anhaltspunkte für Erkrankungen der Beschwerdeführerin sind nicht zutage getreten. Die Feststellungen über die mit Ausnahme der Beziehung zu ihrem hier lebenden Ehemann fehlenden Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die Beschwerdeführerin hat im gesamten Verfahren kein Vorbringen über in Österreich unternommene Integrationsschritte erstattet.

Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren keine Befürchtungen im Hinblick auf eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat geäußert und ist in der Beschwerde den Feststellungen zum Nichtvorliegen eines bei Abschiebung drohenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit oder existenzbedrohenden Notlage nicht konkret entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellen sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen wie folgt dar:

3.1.1.1. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.

[…]

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) – (4) […]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5.       ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. (3) – (13) […]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

„Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) – (6) [...]

[...]

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) – (7) [...]

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) […]

[...]

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) – (3) […]

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) […]“

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) [...]“

3.2.1.2. Die Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer serbischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 lit. a bis e vorliegen.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 SDÜ muss der Drittausländer über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sowohl für die Dauer des Aufenthaltes als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (lit. c leg cit) und darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen (lit. e leg cit).

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

3.2.1.3. Auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin die höchstzulässige Dauer eines visumfreien Aufenthaltes im Vorfeld der Bescheiderlassung überschritten hatte, war ihr Aufenthalt in Übereinstimmung mit den Erwägungen im angefochtenen Bescheid als rechtswidrig zu qualifizieren.

3.1.1.4. Mit dem gegenständlichen Bescheid, welcher der Beschwerdeführerin am 12.02.2020 zugestellt wurde, wurde demnach zulässigerweise eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG beurteilt.

3.2.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.2.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lagen zu keinem Zeitpunkt vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig war noch die Beschwerdeführerin ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Die Behörde hat daher zu Recht ausgesprochen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vorliegen.

3.1.4. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.1.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.1.4.2. Die Beschwerdeführerin begründete am 01.06.2017 einen gemeinsamen Wohnsitz mit ihrem hier aufenthaltsberechtigten Ehemann, einem bosnischen Staatsangehörigen, mit welchem sie im Dezember 2016 in Serbien die Ehe geschlossen hatte. Die Beschwerdeführerin lebt während ihrer Aufenthalte im Bundesgebiet in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem hier aufenthaltsberechtigten Ehemann und führt mit diesem ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, sodass in der Folge zu prüfen ist, ob der durch die Rückkehrentscheidung bewirkte Eingriff in dieses im öffentlichen Interesse gerechtfertigt ist.

Die Beschwerdeführerin und ihr nunmehriger Ehemann lernten einander etwa im Jahr 2011 in Österreich kennen. Bis zur Eheschließung sowie der Begründung des gemeinsamen Wohnsitzes im Juni 2017 gestalteten sie die Beziehung vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Aufenthaltsstaaten, die Beschwerdeführerin hielt sich im Rahmen visumfreier Aufenthalte wiederholt in Österreich auf, die Eheschließung fand in Serbien statt. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann waren sich demnach bei Begründung der Beziehung wie auch der Eheschließung jedenfalls über die fehlende Berechtigung der Beschwerdeführerin zum längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst und sie konnten nicht auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich vertrauen.

Laut Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes erfolgte der Entschluss zur Eheschließung (auch) aus pragmatischen Gründen, um der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht für Österreich und einen gemeinsamen Wohnsitz in Österreich zu ermöglichen. Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge in Österreich zwei Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, welche jeweils rechtskräftig abgewiesen wurden, da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen war, ausreichende Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen, sodass zu befürchten war, dass ihr Aufenthalt zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Infolge der rechtskräftigen Abweisung der Anträge nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz durften die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann umso weniger auf die Möglichkeit eines weiteren gemeinsamen Aufenthalts im Bundesgebiet vertrauen, sodass die Schutzwürdigkeit ihrer Beziehung sowie allfälliger weiterer von der Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts begründeter privater Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet als maßgeblich relativiert zu erachten sind.

Vor diesem Hintergrund kommt der Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann in Österreich keine maßgebliche Schutzwürdigkeit zu, zumal sich beide bei Eingehen der Beziehung sowie zum Zeitpunkt der Einreise und Begründung des gemeinsamen Wohnsitzes der Unsicherheit der aufenthaltsrechtlichen Stellung der Beschwerdeführerin bewusst waren und auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Aufenthalts im Bundesgebiet demnach nicht vertrauen konnten.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).

Im gegebenen Zusammenhang ist auch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0015 bis 0016-6, hinzuweisen, mit welchem die Revision einer Mutter und ihrer minderjährigen Tochter, deren Ehemann und Vater in Österreich aufenthaltsberechtigt war, im Hinblick auf die unter Berücksichtigung der fallbezogenen Aspekte eines Familienlebens entsprechend vorgenommenen Interessenabwägung durch das Bundeverwaltungsgericht zurückgewiesen wurde. Auch im Beschluss vom 14.12.2018, Ra 2017/01/0169, hat der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass auch eine rechtsgültig eingegangene Ehe mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person im Ergebnis eine Abschiebung nach negativer Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht ausschließt.

Soweit die Beschwerdeführerin daher auf ihr familiäres Interesse an einem gemeinsamen Aufenthalt mit ihrem hier aufenthaltsberechtigten Ehemann verwies, ist diese auf das für den von ihr angestrebten Zweck vorgesehene Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu verweisen, dessen Bestimmungen im Falle einer Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Rahmen eines wegen eines unrechtmäßigen Aufenthalts eingeleiteten Rückkehrentscheidungsverfahrens umgangen würden, wodurch in die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens jedenfalls erheblich eingegriffen würde.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen und ist abzulehnen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10). In solchen Konstellationen wiegt das öffentliche Interesse besonders schwer, zumal von den Beteiligten nicht von einem rechtmäßigen Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0683 mit Hinweis auf VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0235 mwN; 14.11.2017, Ra 2017/21/0207).

Auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Unterstützungs- bzw. Pflegebedürftigkeit ihres Ehemannes sind im vorliegenden Verfahren keine konkreten Gründe ersichtlich gemacht worden, weshalb ihr eine Beschreitung des für den von ihr angestrebten Zweck regulär vorgesehenen Verfahrens nicht möglich sein sollte. Es ist insgesamt kein Sachverhalt hervorgekommen, welcher es rechtfertigen würde, die Erteilungsvoraussetzungen für einen Titel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, zu welchem auch der Nachweis ausreichender finanzieller Mittel zählt, im vorliegenden Fall zu umgehen; wie angesprochen, wurde nicht dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Ehemannes der Beschwerdeführerin als derart eingeschränkt erweist, als dass er auf eine dauernde Pflege durch die Beschwerdeführerin angewiesen wäre; ebensowenig wurde dargelegt, weshalb der Ehemann der Beschwerdeführerin im Falle ihrer (vorübergehenden) Rückkehr in den Herkunftsstaat eine notwendige Unterstützung nicht auch von anderer Seite erhalten könnte. Im Übrigen wurde bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vor der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde ausgeführt, dass auch eine Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) gegenständlich nicht dazu führte, dass von der Erfüllung der Voraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG abgesehen werden könne. Da im Hinblick auf die familiäre und private Situation der Beschwerdeführerin (mit Ausnahme der längeren Aufenthaltsdauer) seither keine maßgeblichen Änderungen eingetreten sind, haben sich auch im gegenständlichen Verfahren keine Gründe für eine anderslautende Einschätzung ergeben.

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben die nunmehr bestehende Situation selbst zu verantworten. Die Beschwerdeführerin ist somit darauf zu verweisen, den Wunsch nach Einwanderung und Familienzusammenführung im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

Für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens kann der Kontakt zwischen den Beschwerdeführern und ihrem Ehemann zwischenzeitlich telefonisch oder über das Internet sowie durch persönliche Besuche aufrechterhalten werden, nachdem gegen die Beschwerdeführerin kein Einreiseverbot erlassen wird. Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin verpflichtet, sich nach Serbien zu begeben, wobei angesichts der geographischen Nähe – wie bisher – die Möglichkeit von regelmäßigen Besuchskontakten gegeben ist. Dabei führt auch die gegenwärtige Corona-Pandemie und das allfällige Erfordernis, bei Einreise einen negativen PCR-Test vorzulegen oder sich in Quarantäne zu begeben, zu keiner anderen Beurteilung. Der Beschwerdeführerin ist es möglich, bei ihren Angehörigen im Herkunftsstaat Wohnsitz zu nehmen.

Es haben sich im Fall der Beschwerdeführerin insgesamt keine Hinweise auf das Vorliegen besonderer Umstände ergeben, welche eine vorübergehende Rückkehr in den Herkunftsstaat und Erlangung eines Aufenthaltstitels im hierfür vorgesehenen Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz unzumutbar erscheinen ließen.

Die Rückkehrentscheidung stellt daher keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin dar.

3.2.4.3.1 Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.1.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

3.1.4.3.2. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin während ihres bisherigen Aufenthalts intensive, über das zu erwartende übliche Maß hinausgehende Integrationsschritte gesetzt hätte. Die vorgebrachten Interessen an einem Verbleib in Österreich beschränken sich auf den Aufenthalt ihres hier lebenden Ehemannes. Die Beschwerdeführerin hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, war in Österreich noch nie erwerbstätig und ist nicht selbsterhaltungsfähig, sie ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und war bisher nicht ehrenamtlich tätig.

Außergewöhnliche, über das übliche Maß hinausgehende Integrationsschritte können daher bei einer Gesamtschau des maßgeblichen Sachverhalts nicht erkannt werden.

Hingegen hat die 64-jährige Beschwerdeführerin den Großteil ihres bisherigen Lebens in Serbien verbracht, ist dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, und hat nach wie vor enge Angehörige im Herkunftsstaat, in dem sie bis etwa ein Jahr zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Es stünde der Beschwerdeführerin dort eine Wohnmöglichkeit bei den dort ansässigen Verwandten unmittelbar zur Verfügung. Ihren Lebensunterhalt könnte die Beschwerdeführerin im Heimatland wie bisher weiterhin durch Unterstützung ihrer Angehörigen bestreiten, zudem hat die gesunde Beschwerdeführerin die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat aufzunehmen.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Den Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführerin offen steht, von Serbien aus im Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen und sich in der Folge rechtmäßig in Österreich niederzulassen. Gleichermaßen wird sie in Zukunft als serbische Staatsbürgerin die Möglichkeit zu visumfreien Aufenthalten im Bundesgebiet haben.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ihre persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

3.1.4.5. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls jeweils nicht geboten.

3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren, wie dargelegt, kein konkretes Vorbringen hinsichtlich einer im Herkunftsstaat befürchteten Verletzung in relevanten Grundrechten (insb. Art. 3 EMRK) erstattet. Bereits an anderer Stelle wurde ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin bis zur im Juni 2017 erfolgten Ausreise (wie auch während ihrer seitherigen Aufenthalte im Herkunftsstaat) möglich gewesen ist, im Familienkreis in Serbien zu leben und es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, weshalb ihr Gleiches infolge einer Rückkehr nicht neuerlich möglich sein sollte. Da diese eine Wohnmöglichkeit und zahlreiche Angehörige im Heimatland hat, mit den dortigen Gegebenheiten und der Sprache vertraut und gesund ist, haben sich keine Hinweise auf eine ihr im Heimatland drohende Notlage ergeben.

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19-Erregers besteht unter Zugrundelegung der Entwicklungen auch im Herkunftsland keine derartige Situation, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt. Der serbische Staat hat Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen. Seit 21.12.2020 müssen alle, die nach Serbien einreisen, einen Nachweis eines negativen PCR-Tests, nicht älter als 48 Stunden, mit sich führen. Serbische Staatsangehörige und Personen mit serbischem Aufenthaltstitel können ohne Test einreisen, müssen sich aber in eine 10-tägige Quarantäne begeben und müssen ihre Einreise innerhalb von 24 Stunden online registrieren oder bei der örtlich zuständigen COVID-19-Ambulanz melden. An der Grenze erhalten sie ein entsprechendes Informationsblatt. Ein negatives Testergebnis hebt die Quarantäne auf. Ausgenommen sind Personen, die im internationalen Personen- und Güterverkehr tätig sind sowie Kinder bis zum 12. Lebensjahr, sofern die Begleitperson über einen negativen Test verfügt. Transitreisende und Flugbegleiter benötigen keinen Test, der Transit ist auf max. 12 Stunden beschränkt. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln und geschlossenen Räumen (z.B. Supermärkte, Tankstellen, Apotheken, öffentliche Gebäude), ist verpflichtend, aber auch im Freien, wenn ein Abstand von 2 m nicht eingehalten werden kann. Versammlungen von bis zu 500 Personen im öffentlichen Raum (im Freien und in geschlossenen Räumen) sind möglich, sofern 2m Abstand gewährleistet ist bzw. 4m² pro Person zur Verfügung stehen.Der Betrieb von Cafés und Restaurants ist unter der Bedingung erlaubt, dass alle epidemiologischen Maßnahmen eingehalten werden (maximal 5 Personen pro Tisch und im Abstand von 2 Metern voneinander, Maskenpflicht). Gastronomiebetriebe können im Innenbereich bis 01:00 Uhr geöffnet sein, im Freien gibt es keine zeitliche Beschränkung. Einkaufszentren können bis 22:00 Uhr geöffnet sein. Das Seuchengesetz sieht Geldstrafen für Missachtung der Vorschriften vor. (Quelle: https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/serbien/). Unabhängig davon liegen sowohl im Hinblick auf ihr Alter als auch ihren Gesundheitszustand keine Anhaltspunkte vor, wonach die Beschwerdeführerin bei einer allfälligen COVID-19-Infektion einer Hoch-Risikogruppe für einen schwerwiegenden Verlauf angehören würden.

Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

3.3. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg.cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 leg.cit. 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden (§ 55 Abs. 3 leg.cit.).

Da solche Umstände im Verfahren nicht hervorgekommen sind, hat das Bundesamt zu Recht eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, weshalb sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide ebenfalls als unbegründet erweist.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person der Beschwerdeführerin in ihren entscheidungsmaßgeblichen Aspekten auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt, wobei die Aktualität jener Feststellungen durch ein schriftliches Parteiengehör sichergestellt wurde. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Wie dargelegt, wurde auch in der Beschwerde nicht substantiiert aufgezeigt, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einen Eingriff in ihre durch Art. 2 oder 3 EMRK geschützten Rechte befürchten würden. Ebensowenig wurde der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet bestritten und es wurden keine Umstände dargelegt, vor deren Hintergrund der Verweis auf die Beantragung eines Aufenthaltstitels im hierfür vorgesehenen regulären Verfahren nach dem NAG unter vorübergehender Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar zu erachten wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

individuelle Verhältnisse Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2229688.1.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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