TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/12 W104 2174764-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2021
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Entscheidungsdatum

12.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W104 2174764-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX , vom 12.6.2019, Zl. 15-1074643906-180903528, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.9.2021 zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 23.6.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zl. 1074643906-150721592, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Jedoch wurde ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 Bis zum 27.9.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte in ihrem Bescheid vom 28.9.2017 fest, der Beschwerdeführer sei minderjährig, afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, hänge der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an und stamme aus der afghanischen Provinz Helmand. Er leide an gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Form von leichten bis mittelgradigen Depressionen, weise jedoch keine lebensbedrohliche Erkrankung auf. Der Beschwerdeführer verfüge über kein soziales Netzwerk in Afghanistan; seine Eltern und Geschwister seien in XXXX in Pakistan aufhältig. Der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen können. Allerdings würde der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr aufgrund seiner Minderjährigkeit in eine wirtschaftliche und finanzielle Notlage geraten. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer zähle derzeit zu jenen spezifischen Gruppen afghanischer Staatsangehöriger, die mangels familiärer oder sozialer Schutzmechanismen oder wegen in Afghanistan nicht vorhandener Unterstützungs- oder Behandlungsmöglichkeiten besonders verletzlich seien. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Die soziale Absicherung liege traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das familiäre Netzwerk des Beschwerdeführers ihm nicht Unterstützung aus der Ferne zukommen lassen könne. Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers zähle zu den volatilen Provinzen Afghanistans, weshalb dem Beschwerdeführer eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden könne. Die Behörde könne jedoch nicht erkennen, dass beim Beschwerdeführer im Fall seiner Niederlassung in Kabul wegen seiner dreijährigen Schulbildung und des fehlenden familiären und sozialen Netzwerkes in Kabul eine Gefahrenlage im Sinn des Art. 3 EMRK vorliege. Allerdings sei der Beschwerdeführer derzeit aufgrund seiner Minderjährigkeit nicht rückführbar.

In der rechtlichen Beurteilung dieses Bescheides begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer im Wesentlichen wie folgt:

„[…] Für die Gewährung des Abschiebungsschutzes ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwH auf die Judikatur des EGMR). Es müssen sachliche, stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der betroffenen Person eine derartige Gefahr drohen würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Sie sind minderjährig und Sie würden dadurch in eine ausweglose Lage, aufgrund des fehlenden familiären Netzwerkes, nach einer Rückführung nach Afghanistan gelangen.

[…]

Festzuhalten ist noch einmal, dass subsidiärer Schutz ausschließlich auf Grund Ihrer Minderjährigkeit zugesprochen wurde. Nach Wegfall dieses Grundes ist dieser Schutz – sofern keine anderen Gründe hinzutreten – wieder abzuerkennen.

Die Richtlinie sieht nämlich den Verlust von subsidiärem Schutz im Falle einer Änderung der Umstände, die den subsidiären Schutz begründet hatten, vor. Die Umstände müssen ‚sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist‘ (Art. 16 Status-Richtlinie). Sorgfältige und sachkundige Analysen der Situation nach einem Konflikt spielen eine wichtige Rolle in der Beurteilung, ob die geänderten Umstände nur vorübergehend oder dauerhaft sind und ob die Beendigungsklausel Anwendung findet.

Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß. § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist dies bei Ihnen jedoch nicht der Fall und war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 28.9.2017, Zl. 1074643906-150721592, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.2.2018, W138 2174764-1/10E, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zl. 1074643906-150721592, ist daher rechtskräftig.

4. Am 4.1.2018 langte eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX über die Straftat eines Asylwerbers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, wonach der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Freund einen Sweater gestohlen habe und dabei auf frischer Tat betreten worden sei.

5. Die Landespolizeidirektion XXXX informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.3.2018 über den Verdacht einer Übertretung nach § 27 Abs. 2 SMG betreffend den Beschwerdeführer und übermittelte der Behörde den Abtretungs-Bericht an die Staatsanwaltschaft XXXX vom 19.3.2018 zur Kenntnisnahme. Der Beschwerdeführer sei am 13.3.2018 mit 2 Gramm Marihuana betreten worden und habe gestanden, seit fünf Jahren täglich Marihuana zu konsumieren.

6. Die Staatsanwaltschaft XXXX verständigte die belangte Behörde am 19.3.2018 vom vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 2 SMG unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr.

7. Das Landesgericht XXXX verständigte die belangte Behörde am 13.8.2018 über die Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer wegen des Verdachts nach §§ 28 Abs. 1, 27 SMG. Der Beschwerdeführer wurde am 12.8.2018 in Untersuchungshaft genommen.

8. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.8.2018 (rechtskräftig seit 25.8.2018) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 22 U 12/18f wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 12 3. Fall und 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

9. Mit Schreiben vom 5.9.2018, bei der belangten Behörde eingelangt am 20.9.2018, stellte der Beschwerdeführer durch seine gesetzliche Vertretung einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005. Begründend führte er aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes bestünden nach wie vor. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan würde er in eine existentielle, unüberwindbare Notlage geraden, da er minderjährig sei, über kein familiäres Auffangnetz in Afghanistan verfüge und er mit keiner Unterstützung durch seinen Herkunftsstaat rechnen könne.

10. Die belangte Behörde hielt mit Aktenvermerk vom 27.9.2018 betreffend die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung fest, die Lage in Afghanistan habe sich seit der Zuerkennung nicht derart verändert, dass von einer entscheidungsrelevanten Änderung der Sachlage ausgegangen werden könne. Der Beschwerdeführer sei noch immer minderjährig, weshalb eine Gefährdung gemäß Art. 2 oder 3 EMRK nicht ausgeschlossen werden könne. Die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Bezirksgericht XXXX wegen versuchten Diebstahls stelle keinen Aberkennungsgrund dar. Die befristete Aufenthaltsberechtigung sei daher bis zum 27.9.2020 zu verlängern.

11. Mit Bescheid vom 27.9.2018, Zl. 1074643906-150721592, gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 5.9.2018 statt und erteilte dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 27.9.2020.

12. Am 3.10.2018 langte ein Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion XXXX bei der belangten Behörde ein, wonach der Verdacht besteht, der Beschwerdeführer habe im Zeitraum Anfang des Jahres 2018 bis August 2018 die Suchtmitteldelikte nach § 28 Abs. 1 SMG (Vorbereitung von Suchtgifthandel) und nach §§ 27 Abs. 1, 27 Abs. 2a und 27 Abs. 2 SMG (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) begangen.

13. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 8.1.2019 (rechtskräftig seit 12.1.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 26 Hv 74/18d wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2., 7. und 8. Fall, teilweise Abs. 2a 2. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG in Anwendung von § 28 StGB und § 5 Z 4 JGG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.8.2018, 22 U 12/18f, gemäß §§ 31, 40 StGB nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Umfang von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die erlittene Vorhaft vom 9.8.2015, 20.35 Uhr bis 27.9.2018, 10.15 Uhr wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Gemäß §§ 50, 52 StGB ordnete das Landesgericht XXXX Bewährungshilfe an und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung, sich auch weiterhin einer Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen und dem Gericht darüber unaufgefordert vierteljährlich zu berichten.

14. Mit Aktenvermerk vom 31.1.2019 leitete die belangte Behörde ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein, da sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer aufgrund der zweiten rechtskräftigen Verurteilung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Es sei von einer Erfüllung des Tatbestandes nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 auszugehen.

15. Mit Schreiben vom 31.1.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 mit, dass aufgrund der zweiten Verurteilung durch das Landesgericht XXXX vom 8.1.2019 ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet werde. In einem übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Analyse der Staatendokumentation und gab ihm Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen schriftlich zur Aberkennung Stellung zu nehmen.

16. Am 25.2.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter, bei der belangten Behörde ein, in welcher der Beschwerdeführer ausführte, er sei bislang lediglich wegen Vergehen verurteilt worden, weshalb eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht in Betracht komme. Auch eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 scheide jedoch aus, da der Beschwerdeführer keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Der Beschwerdeführer sei zweimal wegen Jugendstraftaten verurteilt worden; die verhängten Strafen seien angesichts des Strafrahmens milde ausgefallen. Der Beschwerdeführer habe Verantwortung für sein Fehlverhalten übernommen und das Unrecht seiner Taten eingesehen. Die Verurteilungen und insbesondere das verspürte Haftübel hätten eine abschreckende Wirkung für den Beschwerdeführer gehabt. Er sei bestrebt, in seinem Leben geordnete Tagesstrukturen zu schaffen, meide die Suchtgiftszene, nehme regelmäßig Psychotherapie-Termine bei der Beratungsstelle für Suchtfragen „ XXXX “ wahr und beteilige sich am „Jugendcoaching“ der XXXX sowie am Projekt „ XXXX “ von XXXX . Der Beschwerdeführer sei seit dem letzten Vorfall im August 2018 strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Im Fall des Beschwerdeführers bestehe keine Wiederholungsgefahr; eine positive Zukunftsprognose sei realistisch. Zudem stünde eine Aberkennung des subsidiären Schutzes auch im Widerspruch zum Kindeswohl. Mit seiner Stellungnahme legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Integrationsunterlagen sowie Bestätigungen betreffend seinen Therapieverlauf vor.

17. Am 26.2.2019 reichte der Beschwerdeführer einen Bericht seiner Bewährungshelferin und eine Bestätigung über die Inanspruchnahme einer klinisch-psychologischen Beratung nach.

18. Mit Stellungnahme vom 20.3.2019 übermittelte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen, nahm auf eine (nicht im Verwaltungsakt einliegende) Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 4.3.2019 Bezug und führte aus, er habe seit 12.3.2019 eine Zusage für eine Lehrstelle ab September bei der XXXX . Bis zum Beginn des Lehrverhältnisses beabsichtige der Beschwerdeführer, die Produktionsschule zu besuchen. Die Bestrebungen und Maßnahmen des Beschwerdeführers würden eine positive Zukunftsprognose aufzeigen, weshalb kein Aberkennungstatbestand erfüllt sei. In ihrer Mitteilung vom 4.3.2019 gehe die belangte Behörde offenbar vom Vorliegen einer neuerlichen Straftat (Körperverletzung) aus. Dabei handle es sich jedoch um einen Irrtum; es sei kein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer hinsichtlich Körperverletzung anhängig. Weiter nahm der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung eines Einreiseverbots Stellung.

19. Mit Schreiben vom 10.4.2019 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass ein Ermittlungsverfahren wegen § 27 Abs. 2 SMG gegen den Beschwerdeführer anhängig gewesen sei, welches gemäß § 190 Z 2 StPO (kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten) eingestellt wurde.

20. Am 11.6.2021 langte eine Berichterstattung der Landespolizeidirektion XXXX vom 10.6.2019 bei der belangten Behörde ein, wonach der Beschwerdeführer seit 6.6.2019, 22.00 Uhr abgängig sei.

21. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.6.2019, zugestellt am 14.6.2019, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 28.9.2017, Zl. 1074643906-150721592, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vom Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die mit Bescheid vom 27.9.2018, Zl. 1074643906-150721592, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 FPG unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten ausschließlich aufgrund seiner Minderjährigkeit zuerkannt worden. Im Entscheidungszeitpunkt sei der Beschwerdeführer nach wie vor minderjährig und verfüge über kein familiäres Netzwerk in Afghanistan. Bis zum Erreichen der Volljährigkeit sei eine Rückführung des Beschwerdeführers in sein Heimatland nicht möglich. Aufgrund der begangenen Straftaten, die zu zwei rechtskräftigen Verurteilungen führten, stelle der Beschwerdeführer jedoch eine gegenwärtige und auch zukünftige Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Der Beschwerdeführer sei eine Gefahr für die Allgemeinheit, weil er an eine Mehrzahl von Abnehmern und in Gewinnerzielungsabsicht Suchtgift weitergegeben habe, die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß sei und in Österreich lebende Personen, darunter auch Kinder und Jugendliche, durch den Beschwerdeführer in Kontakt mit Suchtgiften kommen könnten. Es könne keine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Wegen seiner Minderjährigkeit werde der Beschwerdeführer von Amts wegen bis zum Erreichen der Volljährigkeit im österreichischen Bundesgebiet geduldet. Nach Vollendung seines 18. Lebensjahres werde eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat möglich sein. Aufgrund der zweimaligen Verurteilung des Beschwerdeführers sei absehbar, dass er wieder rückfällig werde, weshalb die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots notwendig sei. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 komme nicht in Betracht, da der Beschwerdeführer noch nicht volljährig sei. Allerdings habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Sein bisheriger Aufenthalt in Österreich habe ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Gesundheit für die Person und an sozialem Frieden, beeinträchtigt. Das vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten habe sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, weshalb mit einer Fortsetzung zu rechnen sei und von einer aktuellen und gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden müsse, die vom Beschwerdeführer ausgehe und die Volksgesundheit gefährde. Dem Beschwerdeführer sei daher gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen.

22. Dagegen richtet sich die am 16.7.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (insbesondere unzureichende Sachverhaltsermittlung, mangelhafte Beweiswürdigung) und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges wird im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei seit seinem fünften Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan gewesen und verfüge dort über kein familiäres oder sonstiges soziales Netz. Zudem leide der Beschwerdeführer an einer leicht bis mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode. Der Beschwerdeführer habe Verantwortung für sein Fehlverhalten übernommen und das Unrecht seiner Taten eingesehen und sei seit dem letzten Vorfall strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Er sei bestrebt, in seinem Leben geordnete Tagesstrukturen zu schaffen, meide die Suchtgiftszene, nehme regelmäßige Psychotherapie-Besuche bei der Beratungsstelle für Suchtfragen wahr, erhalte Unterstützung durch die angeordnete Bewährungshilfe und habe eine Lehrstelle als Schalungsbauer ab September 2019 erhalten. Außerdem habe der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung bestanden. Die belangte Behörde habe eine persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers unterlassen. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte Verstöße (Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorliegen. Im Fall des Beschwerdeführers würden keine besonders qualifizierten strafrechtlichen Verstöße vorliegen. Die österreichische Rechtsordnung qualifiziere das Delikt nach § 28 Abs. 1 SMG (Vorbereitung von Suchtgifthandelt) nicht als Verbrechen, sondern als minderschweres Vergehen. Daraus, dass nicht einmal die Qualifikation als Verbrechen gegeben sei, lasse sich bereits schließen, dass gegenständlich kein qualifizierter strafrechtlicher Verstoß vorliege. Jedenfalls würden sich die begangenen Straftaten subjektiv nicht als schwerwiegend erweisen. Angesichts des Strafrahmens sei die verhängte Strafe milde ausgefallen; die Milderungsgründe würden die Erschwernisgründe überwiegen. Dies habe die belangte Behörde unbeachtet gelassen. Der angefochtene Bescheid lasse zudem eine ausführliche Gefährdungsprognose, wobei auf das gesamte Verhalten einer Person abzustellen sei, gänzlich vermissen. Beim Beschwerdeführer bestehe keine Delinquenzbereitschaft mehr. Die Verurteilungen hätten eine abschreckende Wirkung auf den Beschwerdeführer gehabt. Er komme den Weisungen des Gerichtes pünktlich und gewissenhaft nach. Aus seinen intensiven Integrationsbestrebungen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer sein Leben in geordnete Bahnen gebracht habe, sich an die österreichische Rechtsordnung halte und von ihm keine Wiederholungsgefahr ausgehe. Die in seinem Fall langfristig installierten Unterstützungsangebote (Bewährungshilfe, persönlicher Berufsausbildungsassistent, gesundheitsbezogene Maßnahmen) seien geeignet, ihm einen Rahmen zur positiven Entwicklung zu geben. Ab September 2019 werde der Beschwerdeführer zudem einer Erwerbstätigkeit nachgehen und ein regelmäßiges Einkommen beziehen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer durch wiederkehrende Begehung von Suchtmittelgeschäften fortlaufende Einnahmen verschaffen werde. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend gewürdigt, dass der Beschwerdeführer die Straftaten als Jugendlicher im Alter von 15 bzw. 16 Jahren in der schwierigen Phase der Pubertät begangen habe. Durch die angeordnete Bewährungshilfe seien dem Beschwerdeführer Handlungsalternativen aufgezeigt worden. Insgesamt liege der Aberkennungsgrund nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Fall des Beschwerdeführers nicht vor. Der Vollständigkeit halber werde ergänzend angemerkt, dass auch kein anderer Aberkennungsgrund vorliegt. Selbst das Erreichen der Volljährigkeit sei nicht geeignet, eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu begründen, da der Beschwerdeführer weiterhin kaum über Arbeitserfahrungen verfüge, keine Berufsausbildung vorweise, kein familiäres oder sonstiges soziales Auffangnetz in Afghanistan habe, in Pakistan aufgewachsen und mit den örtlichen Gegebenheiten in afghanischen Städten nicht vertraut sei.

23. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.

24. Mit Schriftsatz vom 12.8.2019 übermittelte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht einen aktuellen Sozialbericht seiner Bewährungshelferin vom 8.8.2019.

25. Am 17.1.2019 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut an Unterlagen betreffend sein Lehrverhältnis vor.

26. Mit Schriftsatz vom 13.1.2020 gab der Beschwerdeführer den Lehrberufswechsel vom Schalungsbauer zum Maurer bekannt und übermittelte Bezug habende Unterlagen.

27. Am 13.7.2020 langte eine Vollmachtbekanntgabe der Caritas für Menschen in Not Flüchtlingshilfe für den Beschwerdeführer beim erkennenden Gericht ein. Am 6.8.2020 wurde diese Vollmacht widerrufen.

28. Am 25.9.2020 langte eine Vollmachtsbekanntgabe der ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein.

29. Mit Schriftsatz vom 23.10.2020 legte der Beschwerdeführer einen Lohnzettel vom September 2020 vor.

30. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.2.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung zugewiesen.

31. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 15.7.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 10.9.2021 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.

32. Am 27.8.2021 langte eine Vollmachtbekanntgabe der BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH für den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein

33. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts am 10.9.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinem Leben in Österreich und zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen befragt. Zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst an, er habe Deutschkurse besucht und eine Deutschprüfung auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen abgelegt. Seit 2019 arbeite er als Lehrling im Lehrberuf Maurer bei der XXXX und befinde sich im zweiten Lehrjahr. An der Berufsschule habe er das zweite Schuljahr leider nicht bestanden, weil er Schwierigkeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik gehabt habe. Neben seiner Arbeit auf der Baustelle und dem Besuch der Berufsschule absolviere der Beschwerdeführer im Rahmen des Lehrverhältnisses auch eine praktische Ausbildung auf der Bauakademie. In seiner Freizeit treibe der Beschwerdeführer gerne Sport und besuche das Fitnessstudio. Am Wochenende treffe er sich mit Freunden, spiele Fußball oder gehe Rad fahren. Der Beschwerdeführer wohne gemeinsam mit seiner asylberechtigten jüngeren Schwester, die derzeit ihren Pflichtschulabschluss nachhole, in einer eigenen Wohnung in XXXX . Seine Schwester lebe seit zwei Jahren in Österreich und leide wegen eines erlittenen Missbrauchs an Panikattacken. Der Beschwerdeführer versuche, seine Schwester so gut wie möglich zu unterstützen. In Österreich habe der Beschwerdeführer zwei engere Freunde und seit drei Jahren eine österreichische Freundin, welche er drei Mal in der Woche sehe. Der Beschwerdeführer sei sehr zufrieden mit seinem Leben in Österreich. Nach Abschluss der Lehre wolle er zukünftig als Polier arbeiten. Auf seine strafrechtlichen Verurteilungen angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, diese seien ihm eine Lehre gewesen. Er habe sich schlecht verhalten und werde nie wieder etwas Derartiges machen. Er habe damals falsche Freunde gehabt, die immer Drogen genommen und diese verkauft hätten. Der Beschwerdeführer habe den Kontakt zu diesen Freunden abgebrochen und nehme keine Drogen mehr. Außerdem gehe er weiterhin zur Therapie bei der Beratungsstelle für Suchtfragen „ XXXX “ und könne von seinem Einkommen gut leben.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Stammdatenblatt der XXXX vom 16.11.2016 samt Hausordnung;

?        Lebenslauf vom 5.12.2016;

?        ÖSD Zertifikat A1 vom 4.8.2017 (sehr gut bestanden);

?        Integrationserklärung, unterfertigt am 7.12.2017;

?        Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖIF (Niveau B1) vom 24.11.2018 (bestanden);

?        Schulbesuchsbestätigung der Neuen Mittelschule XXXX für das Schuljahr 2015/16 vom 5.2.2016;

?        Schulbesuchsbestätigung der Neuen Mittelschule XXXX für den Zeitraum 6.3.2016 bis 8.7.2016 im Schuljahr 2015/16 vom 12.9.2016;

?        Schulbesuchsbestätigung der Polytechnischen Schule XXXX für das Schuljahr 2016/17 vom 2.2.2017 samt Verhaltensregeln;

?        Bestätigung über Absolvierung der berufspraktischen Woche im Zeitraum 13.3.2017 bis 17.3.2017;

?        Bestätigung der XXXX über Absolvierung berufspraktischer Tage vom 29.11.2018;

?        Anmeldebestätigung „Informationsveranstaltung Pflichtschulabschluss der XXXX vom 29.1.2019;

?        Bericht der XXXX betreffend Teilnahme des Beschwerdeführers am „Jugendcoaching“ vom 19.2.2019 samt Anwesenheitsbestätigungen;

?        Bericht der XXXX betreffend Teilnahme des Beschwerdeführers am „Jugendcoaching“ vom 19.6.2019

?        Teilnahmebestätigung von XXXX betreffend Teilnahme am Projekt „ XXXX “ (undatiert);

?        Lehrvertrag Nr. XXXX für die Ausbildung im Lehrberuf Schalungsbauer, abgeschlossen zwischen der XXXX als Lehrbetrieb und dem Beschwerdeführer als Lehrling, vom 11.6.2016 samt Bestätigung über Eintragung des Lehrvertrages vom 9.9.2019 und Anmeldung bei der Sozialversicherung;

?        Lohnzettel September 2019;

?        Lehrvertragsänderung (Lehrberufswechsel vom Schalungsbauer zum Maurer) vom 31.10.2019;

?        Berichtigung des Lehrvertrages Nr. XXXX vom 3.12.2019;

?        Lohnzettel September 2020;

?        Konvolut ärztlicher und medizinischer Unterlagen aus den Jahren 2016 und 2017;

?        Bestätigungen von „ XXXX “ – Beratungsstelle für Suchtfragen über Teilnahme an psychosozialer Beratung und Psychotherapie zum Zweck der Durchführung der festgelegten „Gesundheitsbezogenen Maßnahme“ vom 8.10.2018, 18.10.2018, 30.10.2018, 13.11.2018, 7.12.2018, 18.12.2018, 3.1.2019 und 27.6.2019;

?        Bestätigung des XXXX betreffend klinisch-psychologische Beratung vom 19.12.2018;

?        Stellungnahme des Vereins XXXX vom 22.2.2019;

?        Sozialbericht des Vereins XXXX vom 8.8.2019;

?        Sozialbericht des Vereins XXXX vom 8.9.2021.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;

?        Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

?        Einsichtnahme in die Informationen der Staatendokumentation (Stand: 11.6.2021, Version 4 und 16.9.2021, Version 5);

?        Einsichtnahme in folgende Berichte und Informationen zur aktuell maßgeblichen Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen und der Machtübernahme durch die Taliban:

-        Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 11.6.2021 (im Folgenden: LIB 11.6.2021);

-        Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 16.9.2021 (im Folgenden: LIB 16.9.2021);

-        European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020 (im Folgenden: EASO);

https://easo.europa.eu/country-guidance-afghanistan-2020;

-        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018 (im Folgenden: UNHCR);

-        Kurzinformation der Staatendokumentation – Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan, Stand 19.7.2021 (im Folgenden: KI 19.7.2021);

https://www.ecoi.net/en/file/local/2056250/2021-07-19_KI_Afghanistan.pdf;

-        Kurzinformation der Staatendokumentation – Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan, Stand 2.8.2021 (im Folgenden: KI 2.8.2021);

https://www.ecoi.net/en/file/local/2057229/2021_08_02_AFGH_KI.pdf;

-        Sonderkurzinformation der Staatendokumentation – Aktuelle Lage in Afghanistan, Stand 17.8.2021 (im Folgenden: KI 17.8.2021);

https://www.ecoi.net/en/file/local/2058516/2021_08_17_Sonder_KI-Afghanistan.pdf;

-        Kurzinformation der Staatendokumentation – Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan, Stand 20.8.2021 (im Folgenden: KI 20.8.2021);

https://www.ecoi.net/en/file/local/2058630/AFGH_KI_2021_08_20.pdf

-        United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA): United Nations Compound in Herat Attacked, 30.7.2021 (im Folgenden: UNAMA 30.7.2021);

https://unama.unmissions.org/united-nations-compound-herat-attacked;

-        Human Rights Watch (HRW): Afghanistan: Mounting Taliban Revenge Killings (im Folgenden: HRW 30.7.2021);

https://www.hrw.org/news/2021/07/30/afghanistan-mounting-taliban-revenge-killings;

-        FDD’s Long War Journal (LWJ): Mapping Taliban Contested and Controlled Districts in Afghanistan (im Folgenden: LWJ);

https://www.longwarjournal.org/mapping-taliban-control-in-afghanistan;

-        UNICEF: Afghanistan: Mindestens 27 Kinder getötet und 136 verletzt in den letzten 72 Stunden, 9.8.2021 (im Folgenden: UNICEF 9.8.2021);

https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2021/afghanistan-gewalt-eskaliert/246258;

-        Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN OCHA): Afghanistan – Weekly Humanitarian Update, 19 – 25 July 2021 (im Folgenden: UN OCHA, Weekly Humanitarian Update 19 – 25 Juli 2021);

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afghanistan_humanitarian_weekly_28_july_2021-2.pdf;

-        Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN OCHA): Afghanistan – Weekly Humanitarian Update, 26 July – 1 August 2021 (im Folgenden: UN OCHA, Weekly Humanitarian Update 26. Juli – 1. August 2021);

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afghanistan_humanitarian_weekly_3_aug.pdf

-        Amnesty International: Afghanistan: Taliban responsible for brutal massacre of Hazara men – new investigation (im Folgenden: Amnesty International 19.8.2021);

https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/08/afghanistan-taliban-responsible-for-brutal-massacre-of-hazara-men-new-investigation/

-        Medienberichte und Zeitungsartikel:

?        orf.at 17.6.2021: Mehr als 20 Spezialkräfte in Afghanistan getötet (im Folgenden: orf.at 17.6.2021);

https://orf.at/stories/3217730/;

?        orf.at 21.6.2021: Taliban setzen Eroberungszug fort (im Folgenden: orf.at 21.6.2021);

https://orf.at/stories/3218260/;

?        ARD tagesschau 9.7.2021: Taliban nehmen wichtige Handelsorte ein (im Folgenden: ARD tagesschau 9.7.2021);

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-taliban-155.html;

?        orf.at 13.7.2021: Afghanistans Sicherheitskräfte straucheln (im Folgenden: orf.at 13.7.2021);

https://orf.at/stories/3220887/;

?        DerStandard.at 20.7.2021: Raketen stören Gebet in afghanischem Präsidentenpalast (im Folgenden: DerStandard.at 20.7.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128305692/raketen-nahe-praesidentenpalast-in-kabul-waehrend-gebet-eingeschlagen;

?        DerStandard.at 29.7.2021: Afghanistan steht laut USA vor „existentieller Krise“ (im Folgenden DerStandard.at 29.7.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128545193/afghanistan-steht-laut-usa-vor-existenzieller-krise;

?        TheGuardian.com 31.7.2021: Herat residents fear Taliban in their homes and workplaces as it masses outside city (im Folgenden: TheGuardian.com 31.7.2021);

https://www.theguardian.com/world/2021/jul/31/herat-residents-fear-taliban-in-their-homes-and-workplaces-as-it-masses-outside-city;

?        DerStandard.at 31.7.2021: Taliban greifen afghanische Provinzhauptstädte an (im Folgenden: DerStandard.at 31.7.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128604362/taliban-greifenafghanische-provinzhauptstaedte-an;

?        TheGuardian.com 1.8.2021: Resurgent Taliban escalates nationwide offensive in Afghanistan (im Folgenden: TheGuardian.com 1.8.2021);

https://www.theguardian.com/world/2021/aug/01/resurgent-taliban-escalates-nationwide-offensive-in-afghanistan;

?        ToloNews.com 2.8.2021: Clashes Ongoing in Herat City for 6th Day (im Folgenden: ToloNews.com 2.8.2021);

https://tolonews.com/afghanistan-173927;

?        CNN 2.8.2021: Taliban take over TV station in strategic city as US airstrikes pound key positions in Afghanistan (im Folgenden: CNN 2.8.2021);

https://edition.cnn.com/2021/08/02/asia/afghanistan-us-airstrikes-taliban-intl/index.html;

?        ToloNews.com 3.8.2021: Heratis March against Taliban, Support Afghan Forces (im Folgenden: ToloNews.com 3.8.2021);

https://tolonews.com/afghanistan-173936;

?        TheGuardian.com 3.8.2021: Taliban on brink of taking key Afghan city as residents told to flee (im Folgenden: TheGuardian.com 3.8.2021);

https://www.theguardian.com/world/2021/aug/03/fears-for-afghan-city-of-lashkar-gah-as-fierce-clashes-continue;

?        Salzburger Nachrichten SN.at 3.8.2021: US-Abzug aus Afghanistan zu 95 Prozent abgeschlossen (im Folgenden: SN.at 3.8.2021);

https://www.sn.at/politik/weltpolitik/us-abzug-aus-afghanistan-zu-95-prozent-abgeschlossen-107511601;

?        DerStandard.at 3.8.2021: Autobombe erschütterte afghanische Hauptstadt Kabul (im Folgenden: DerStandard.at 3.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128666590/heftige-explosion-erschuetterte-afghanische-hauptstadt-kabul;

?        DerStandard.at 4.8.2021: Taliban reklamieren Autobombenanschlag mit 13 Toten in Afghanistan für sich (im Folgenden: DerStandard.at 4.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128677528/taliban-reklamieren-autobombenanschlag-mit-13-toten-in-afghanistan-fuer-sich;

?        ARD tagesschau 5.8.2021: EU wirft Taliban Kriegsverbrechen vor (im Folgenden: ARD tagesschau 5.8.2021);

https://www.tagesschau.de/ausland/eu/eu-taliban-kriegsverbrechen-101.html;

?        DiePresse.com 6.8.2021: Taliban ermorden Sprecher der afghanischen Regierung (im Folgenden: DiePresse.com 6.8.2021);

https://www.diepresse.com/6017901/taliban-ermorden-sprecher-der-afghanischen-regierung;

?        DerStandard.at 8.8.2021: Taliban erobern Kundus und zwei weitere afghanische Provinzhauptstädte (im Folgenden DerStandard.at 8.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128769336/schwere-kaempfe-im-zentrum-von-nordafghanischer-stadt-kunduz;

?        FAZ.net 8.8.2021: Eine Provinzhauptstadt fällt nach der nächsten (im Folgenden FAZ.net 8.8.2021);

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/taliban-auf-vormarsch-in-afghanistan-kundus-eingenommen-17476107.html#void;

?        orf.at 10.8.2021: EU-Botschafter in Kabul: Afghanistan-Abschiebungen aussetzen (im Folgenden: orf.at 10.8.2021 Abschiebungen);

https://orf.at/stories/3224334/;

?        DerStandard.at 10.8.2021: EU-Botschafter in Kabul fordern Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan (im Folgenden: DerStandard.at 10.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128824067/eu-botschafter-in-kabul-fordert-abschiebe-stopp-nach-afghanistan;

?        orf.at 11.8.2021: Kabul wird laut Geheimdiensten bald fallen (im Folgenden: orf.at 11.8.2021 Vormarsch);

https://orf.at/stories/3224411/;

?        orf.at 11.8.2021: Deutschland stoppt vorerst Abschiebungen (im Folgenden: orf.at 11.8.2021 Abschiebungen);

https://orf.at/stories/3224474/;

?        DieZeit.de 11.8.2021: Hunderte afghanische Sicherheitskräfte ergeben sich den Taliban (im Folgenden: DieZeit.de 11.8.2021);

https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/afghanistan-taliban-soldaten-ergeben-sich-kundus;

?        kurier.at 12.8.2021: Nun setzt auch Frankreich Abschiebungen nach Afghanistan aus (im Folgenden: kurier.at 12.8.2021);

https://kurier.at/politik/ausland/nun-setzt-auch-frankreich-abschiebungen-nach-afghanistan-aus/401470882

?        DerStandard.at 12.8.2021: Taliban erobern auch drittgrößte afghanische Stadt Herat (im Folgenden: DerStandard.at 12.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128888689/taliban-erobern-drittgroesste-afghanische-stadt-herat

?        orf.at 12.8.2021: Taliban bringen Herat unter ihre Kontrolle (im Folgenden: orf.at 12.8.2021);

https://orf.at/stories/3224653/

?        orf.at 14.8.2021: Mazar-e Sharif erobert, Kabul umzingelt (im Folgenden: orf.at 14.8.2021);

https://orf.at/stories/3224887/;

?        DerStandard.at 14.8.2021: Taliban nahmen Mazar-i-Sharif ein und nähern sich Kabul (im Folgenden: DerStandard.at 14.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128918913/taliban-haelt-mehr-als-die-haelfte-aller-provinzhauptstaedte-afghanistans

?        ARD tagesschau 15.8.2021: Kabul vor Übergabe an Taliban (im Folgenden: ARD tagesschau 15.8.2021);

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-kabul-111.html;

?        orf.at 15.8.2021: Ghani rechtfertigt Flucht aus Afghanistan (im Folgenden: orf.at 15.8.2021);

https://orf.at/stories/3225004/

?        kurier.at 15.8.2021: Taliban verkünden ihren Sieg: Protokoll einer Übernahme – und wie es jetzt weitergeht (im Folgenden: kurier.at 15.8.2021);

https://kurier.at/politik/ausland/afghanistan-es-naht-das-islamische-emirat/401473360;

?        orf.at 15.8.2021: Taliban nehmen Präsidentenpalast ein (im Folgenden: orf.at 15.8.2021 Einnahme Kabul);

https://orf.at/stories/3225011/;

?        DerStandard.at 15.8.2021: Kabul fällt kampflos an die Taliban (im Folgenden: DerStandard.at 15.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128937798/kabul-faellt-kampflos-an-die-taliban;

?        DerStandard.at 16.8.2021: Verzweifelte Fluchtversuche: Mehrere Tote nach Chaos am Flughafen Kabul (im Folgenden: DerStandard.at 16.8.2021);

https://www.derstandard.at/story/2000128960637/verzweifelte-fluchtversuche-mehrere-tote-nach-chaos-auf-flughafen-kabul;

?        orf.at 17.8.2021: Ein Alptraum für Frauen (im Folgenden: orf.at 17.8.2021);

https://orf.at/stories/3225041/

?        DerStandard.at 18.8.2021: Abschiebung nach Afghanistan aus Sicht des VfGH „derzeit nicht möglich“ – Anti-Taliban-Demonstranten erschossen (im Folgenden: DerStandard.at 18.8.2021);

https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000128999254/nehammer-sieht-keinen-grund-warum-afghanen-nach-oesterreich-kommen-sollten

?        orf.at 18.8.2021: Taliban bauen afghanische Regierung auf (im Folgenden: orf.at 18.8.2021);

https://orf.at/stories/3225375/

?        orf.at 19.8.2021: Anti-Taliban-Proteste nun auch in Kabul (im Folgenden: orf.at 19.8.2021);

https://orf.at/stories/3225465/

?        TheGuardian.com 21.8.2021: Afghanistan reports of torture and killing contradict Taliban’s promises (im Folgenden: TheGuardian.com 21.8.2021);

https://www.theguardian.com/world/2021/aug/20/afghanistan-reports-of-torture-and-killing-contradict-taliban-promises

?        Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.

2.       Feststellungen:

2.1.    Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in der afghanischen Provinz Helmand geboren. Er ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er kann dies Sprache weder lesen, noch schreiben. Weiter spricht der Beschwerdeführer Urdu, Paschtu und Deutsch zumindest auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der afghanischen Provinz Helmand geboren. Nachdem sein Vater eines Tages nicht mehr von der Arbeit nach Hause gekommen war, verließ der Beschwerdeführer Afghanistan gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern, als er ungefähr fünf Jahre alt war. Die Familie zog nach Pakistan, wo der Beschwerdeführer im afghanischen Familienverband gemeinsam mit seiner Mutter, zwei Schwestern und einem Bruder in der pakistanischen Stadt XXXX aufwuchs. Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan keine Schule, wurde jedoch zeitweise in einem Waisenhaus unterrichtet. Gemeinsam mit seiner Mutter, die als Haushaltshilfe arbeitete, sorgte der Beschwerdeführer für den Lebensunterhalt der Familie. Ab seinem achten Lebensjahr arbeitete der Beschwerdeführer und war zuletzt als Abwäscher im Restaurant eines Hotels in XXXX tätig. Im Frühjahr 2015 verließ der Beschwerdeführer Pakistan und reiste Richtung Europa. Der Beschwerdeführer war seit seinem fünften Lebensjahr nicht mehr in seinem Herkunftsstaat Afghanistan.

Der Vater des Beschwerdeführers ist seit dem fünften Lebensjahr des Beschwerdeführers verschollen. Seine Mutter, eine Schwester und ein Bruder leben nach wie vor in Pakistan in der Stadt XXXX . Die Mutter des Beschwerdeführers sorgt für den Lebensunterhalt der Familie und arbeitet als Haushaltshilfe. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Mutter. Diese ist jedoch nicht in der Lage, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan von Pakistan aus finanziell zu unterstützen. Es leben keine weiteren – allenfalls auch entfernten – Verwandten oder sonstige enge Bezugspersonen des Beschwerdeführers in Pakistan oder in Afghanistan. Er verfügt daher weder in Pakistan, noch in Afghanistan über ein soziales oder familiäres unterstützungsfähiges Netzwerk. Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt seit ungefähr zwei Jahren in Österreich und ist asylberechtigt.

Der Beschwerdeführer stellte am 23.6.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.9.2017, Zl. 1074643906-150721592, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 27.9.2018 erteilt. Tragende Gründe für die Gewährung des subsidiären Schutzes waren die seinerzeitige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit dem Fehlen eines familiären oder sozialen Netzwerks in Afghanistan und der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage.

Diese Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.9.2018, Zl. 1074643906-150721592, mit Gültigkeit bis zum 27.9.2020 verlängert.

Der Beschwerdeführer hat seit seiner Einreise an mehreren Deutsch-, Integrations- und Basisbildungskursen teilgenommen. Er besuchte im Schuljahr 2015/16 die Neue Mittelschule XXXX und ab 6.3.2016 die Neue Mittelschule XXXX . Im Schuljahr 2016/17 besuchte der Beschwerdeführer die Polytechnische Schule XXXX und absolvierte berufspraktische Tage im Beruf Einzelhandelskaufmann bei der XXXX . Am 4.8.2017 legte der Beschwerdeführer eine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen auf Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen mit der Bewertung „sehr gut“ ab und absolvierte am 24.11.2018 die Integrationsprüfung des ÖIF bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen und zu Werte- und Orientierungswissen. Ab September 2018 nahm der Beschwerdeführer die Unterstützung der XXXX in Form eines Jugendcoachings in Anspruch, welches den raschen Einstieg in eine Ausbildung oder den Arbeitsmarkt zum Ziel hat. Weiter nahm er regelmäßig am Projekt „ XXXX “ von XXXX teil, welches Jugendliche dabei unterstützt, schulische und berufliche Perspektiven zu entwickeln. Im November 2018 bewarb sich der Beschwerdeführer bei der XXXX und absolvierte dort berufspraktische Tage, um einen Einblick in den Lehrberuf des Maurers und Schalungsbauers zu erhalten. Im Juni 2019 erhielt der Beschwerdeführer eine Zusage der XXXX für eine Lehrstelle als Schalungsbauer ab September 2019. Der Lehrvertrag wurde am 11.6.2019 unterfertigt. Ab 6.9.2019 war der Beschwerdeführer bei der XXXX als Lehrling zum Schalungsbauer tätig. Im Oktober 2019 wechselte er seinen Lehrberuf bei der XXXX vom Schalungsbauer zum Maurer. Derzeit befindet sich der Beschwerdeführer im zweiten Lehrjahr. Der Beschwerdeführer ist erwerbstätig und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er lebt gemeinsam mit seiner jüngeren asylberechtigten Schwester in einer Privatwohnung in XXXX . Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet einige soziale Kontakte – auch zu österreichischen Staatsbürgern – geknüpft und seit drei Jahren eine österreichische Freundin, mit der er viel Zeit verbringt. In seiner Freizeit trifft sich der Beschwerdeführer gerne mit seinen Freunden, geht ins Fitnessstudio oder spielt Fußball. Nach Abschluss seiner Lehre möchte der Beschwerdeführer als Polier arbeiten.

Eine Schwester des Beschwerdeführers ist in Österreich asylberechtigt. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Schwester seit Mai 2021 in einer gemeinsamen Wohnung. Die Schwester des Beschwerdeführers ist nicht berufstätig und besucht derzeit die Schule. Der Beschwerdeführer finanziert die gemeinsame Wohnung und den gemeinsamen Lebensunterhalt durch seine Erwerbstätigkeit. Aufgrund eines erlittenen Missbrauchs leidet die Schwester des Beschwerdeführers unter Panikattacken und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Der Beschwerdeführer ist eine wichtige Stütze für seine Schwester. Eine weitere wichtige Bezugsperson für den Beschwerdeführer ist seine österreichische Freundin, mit welcher er seit drei Jahren eine Beziehung führt und viel Zeit verbringt. Abgesehen von seiner Schwester und seiner Freundin leben keine weiteren Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich bescholten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.8.2018 (rechtskräftig seit 25.8.2018) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 22 U 12/18f verurteilt, weil er am 7.12.2017 als sonstiger Beitragstäter am versuchten Diebstahl eines Sweaters beteiligt war. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 12 3. Fall und 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer befand sich von 9.8.2018, 20.35 Uhr bis 27.9.2018, 10.15 Uhr in Untersuchungshaft in der Justizanstalt XXXX . Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 8.1.2019 (rechtskräftig seit 12.1.2019) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl 26 Hv 74/18d verurteilt. Das Landesgericht XXXX stellte fest, dass der Beschwerdeführer schuldig ist. Er hat in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 9.8.2018 489,7 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 5,61 Gramm Delta-9-THC und 74 Gramm THCA an Reinsubstanz) zum Gesamtpreis von 700,00 € von zwei abgesondert verfolgten Tätern zum Zweck des Weiterverkaufs übernommen und bis zur polizeilichen Sicherstellung besessen hat. Weiter hat der Beschwerdeführer in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und einem anderen (teilweise auf einer öffentlichen Verkehrsfläche oder an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich gegen Entgelt) angeboten und überlassen, indem er ab Frühsommer 2018 teils in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einer abgesondert verfolgten Mittäterin zumindest ca. 30 bis 35 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von 10,00 € an mehrere Abnehmer in Verkehr setzte, im Mai bzw. Juni 2018 in zahlreichen Kleinmengen insgesamt ca. 2 Gramm einem Abnehmer überließ, Anfang 2018 über zwei Monate insgesamt 5 Gramm Cannabiskraut kostenlos an einen Abnehmer übergab, von Juli 2018 bis 9. August 2018 eine unbekannte Menge Cannabiskraut unentgeltlich einer Person zum gemeinsamen Konsum zur Verfügung stellte, im Juli 2018 eine unbekannte Menge Cannabiskraut (1 Joint) einer Person zum gemeinsamen Konsum anbot und ab zumindest Mitte März 2018 bis 9.8.2018 eine unbekannte Menge Cannabiskraut ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß. Hierfür wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2., 7. und 8. Fall, teilweise Abs. 2a 2. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG in Anwendung von § 28 StGB und § 5 Z 4 JGG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 21.8.2018, 22 U 12/18f, gemäß §§ 31, 40 StGB nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Umfang von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die erlittene Vorhaft vom 9.8.2018, 20.35 Uhr bis 27.9.2018, 10.15 Uhr wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Das Landesgericht XXXX ordnete gemäß §§ 50, 52 StGB Bewährungshilfe an und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung, sich auch weiterhin einer Entwöhnungsbehandlung bei einer dafür geeigneten Einrichtung (z.B. XXXX ) zu unterziehen und darüber weiterhin unaufgefordert dem Gericht vierteljährlich zu berichten. Bei der Strafzumessung wurden das umfassende und reumütige Geständnis in der Hauptverhandlung, die bisherige Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren und die teils objektive Sicherstellung in Form des Suchtgiftes mildernd berücksichtigt. Als erschwerend wurden das Zusammentreffen von Vergehen, das Handelns teils in Gewinnerzielungsabsicht und das Handeln teils an öffentlichen Orten gewertet.

Der Beschwerdeführer kommt den Weisungen des Landesgerichts nach und unterzieht sich regelmäßig einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und 5 SMG in Form von Psychotherapie und psychosozialer Beratung bei der Beratungsstelle für Suchtfragen „ XXXX “. Ergänzend zur Drogenberatung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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