Entscheidungsdatum
13.10.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2247169-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , XXXX alias XXXX geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes Für Fremdenwesen und Asyl, 22.09.2021, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger afghanischer Staatsangehöriger, verließ sein Heimatland etwa im August 2017 und begab sich in der Folge über Pakistan, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn am 28.08.2021 letztlich nach Österreich, wo er am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Im Iran hielt sich der BF etwa 1 Jahr lang auf, in der Türkei verblieb er ca. 2½ Jahre, in Bulgarien stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz und blieb dort 5 Monate lang aufhältig, bis er letztlich die Weiterreise nach Österreich antrat.
Zur Person des BF liegt eine Eurodac-Treffermeldung bezüglich Bulgarien vor:
? 28.07.2021 wegen Asylantragstellung
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Rahmen seiner Erstbefragung vor der LPD Salzburg am 30.08.2021 gab der BF neben seinem Reiseweg im Wesentlichen nur zu Protokoll, dass er über Bulgarien nicht viel sagen könne, er sei in einem geschlossenen Camp aufhältig gewesen und habe nicht viel gesehen. In Bulgarien bekomme niemand einen positiven Asylbescheid, weshalb er Bulgarien verlassen habe. Es sei dort eine hoffnungslose Situation gewesen, er wolle nicht nach Bulgarien zurückkehren. Er möchte in Österreich bleiben; er suche ein Land, in dem man nicht lange auf einen positiven Bescheid warten müsse. Auch vermisse er seine Familie, die er wiedersehen wolle; konkret habe er eine Ehegattin und drei Kinder, sowie drei Schwestern und zwei Brüder in Afghanistan.
Das BFA richtete in der Folge am 01.09.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Mit Schreiben vom 15.09.2021 akzeptierte Bulgarien dieses Wiederaufnahmeersuchen durch ausdrückliche Zustimmung. Unter einem teilte Bulgarien die Aliasidentität XXXX , XXXX geb., unter welcher der BF dort aufgetreten ist, mit.
Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.09.2021 gab der BF zu Protokoll, dass er an keinerlei Krankheiten leide und auch keine Medikamente benötige. Er habe im Bundesgebiet weder Familienmitglieder noch Bekannte. Ein Schwager von ihm halte sich in Italien auf. In Bulgarien habe er sich in einem Flüchtlingscamp aufgehalten, sie seien 20 Personen in einem Zimmer gewesen, es hätten schlechte Bedingungen geherrscht. Zudem sei er beim Versuch die Grenze zu überschreiten, von Polizisten geschlagen und zurückgewiesen worden. Beim 6. Versuch die Grenze zu überqueren, sei er dann durchgekommen. In Bulgarien habe er zwei Tage lang Schmerzen gehabt, habe dies jedoch nicht bekannt gegeben; es habe in Bulgarien somit keine ärztliche Untersuchung stattgefunden. Befragt nach einer allfälligen Bedrohung in Bulgarien gab der BF an, dass er mit den Polizisten in Bulgarien keine Probleme gehabt habe, jedoch werde derjenige, der für ihn die Reise organisiert habe, von ihm sein Geld verlangen. Er wolle nicht nach Bulgarien zurückkehren, vielleicht würde ihn der Schlepper dort verfolgen.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 22.09.2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
„Zur Lage im Mitgliedstaat:
Es wurde festgestellt, dass Sie in Bulgarien keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt wären, bzw. dass Sie diese zu erwarten hätten.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie in Bulgarien nicht ausreichend medizinisch behandelt werden würden.
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Bulgarien wurden bisher 486.738 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 20.224 diesbezügliche Todesfälle bestätigt und 2.481.276 verabreichte Impfdosen verabreicht wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 22.09.2021).
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 22.09.2021).
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH: 17.6.2005, B 336/05; UBAS: 268.445/3-X/47/06 vom 14.3.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering sein, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird. (VwGH: 31.5.2005, Zl. 2005/20/0095)
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 29.7.2020
Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2020; vgl. CoE-SG 19.4.2018, EMN 6.6.2020, SAR o.D.a, SAR o.D.b, UNHCR 9.2019, USDOS 13.3.2020).
(AIDA 2.2020; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Die Zahl der Antragsteller ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2019 lag die Quote der Antragssteller, der ihr Verfahren nicht zu Ende führten, bei 72%. Davon wurde in 40% der Fälle das Asylverfahren eingestellt (discontinued) und bei 24% in Abwesenheit entschieden (AIDA 2.2020). 2020 gab es in Bulgarien bis 31.5.2020 289 Asylanträge (VB 15.7.2020).
Menschenrechtsorganisationen berichteten weiterhin von weit verbreiteten sogenannten Pushbacks (AIDA 2.2020; vgl. USDOS 13.3.2020), Gewalt, Diebstählen und erniedrigenden Praktiken gegenüber Migranten und Asylwerbern an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Im August 2019 behaupteten Medienveröffentlichungen, die angeblich interne Quellen der europäischen Grenzkontrollagentur Frontex zitierten, dass die Grenzpolizei Migranten mit Hunden gejagt, geschlagen und über die Grenze zurückgedrängt habe. Die Vorwürfe wurden vom Innenminister dementiert und er erklärte, dass die Grenzschutzbeamten nur dann Gewalt anwenden, wenn die Situation es erfordert (USDOS 13.3.2020).
Es gibt Vorwürfe, dass die bulgarischen Behörden Migranten, die es schaffen bulgarisches Territorium zu betreten, durch- und auch wieder ausreisen lassen, um sich der Verantwortung im Rahmen der Dublin-Verordnung oder der Rückübernahmeabkommen zu entziehen (AIDA 2.2020).
Der Zugang von Asylsuchenden zum bulgarischen Hoheitsgebiet bliebt auch 2019 stark eingeschränkt. Dem Innenministerium zufolge wurden insgesamt 2.495 Drittstaatsangehörige festgenommen, darunter 2.184 neu angekommene Asylwerber. Dies entspricht einem Rückgang von 23% im Vergleich zum 2018. Seit dem 1. Jänner 2017 gibt das Innenministerium die Zahl der verweigerten Einreisen ins Land in seinen öffentlich zugänglichen Statistiken nicht mehr bekannt. 2019 haben 309 Asylsuchende an den Grenzen internationalen Schutz beantragt aber nur 2% von ihnen (d.h. 12 Personen) hatten Zugang zum Asylverfahren. Die restlichen 98% kamen in die Schubhaftzentren des Innenministeriums (AIDA 2.2020).
Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- EMN – European Migration Network (6.6.2020): Annual Report on Migration and Asylum 2019, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/00_eu_arm2019_synthesis_report_final_en_0.pdf, Zugriff 20.7.2020
- SAR – State Agency for Refugees (o.D.a): Verfahrensschritte zur Gewährung internationalen Schutzes – Rechte und Pflichten (????? ?? ???????????? ?? ???????????? ?? ???????????? ??????? – ????? ? ??????????), https://aref.government.bg/index.php/en/node/42, Zugriff 20.7.2020
- SAR – State Agency for Refugees (o.D.b): Dublin-Verfahren (???????????? ?? ??????), https://aref.government.bg/index.php/bg/node/43, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020
- USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020
- VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail
- VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 29.7.2020
Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Nach Rücküberstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wird das Asylverfahren regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen, dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden (UNHCR 17.12.2018):
? Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen (UNHCR 17.12.2018).
? Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wieder eröffnet. Ein Verfahren wird nach bulgarischem Asyl- und Flüchtlingsgesetz (AuFG) ausgesetzt, wenn die asylsuchende Person innerhalb von 10 Werktagen nicht zu einem Termin mit den Behörden erscheint oder ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzen. Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet, wenn die asylsuchende Person sich nicht bei den Behörden meldet (UNHCR 17.12.2018; vgl. BAMF-BMI 5.2019).
? Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht (UNHCR 17.12.2018).
Die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand (UNHCR 17.12.2018). Vor der Ankunft der Dublin-Rückkehrer informiert SAR die Grenzpolizei über die voraussichtliche Ankunft und gibt an, ob der Rückkehrer in ein Asylaufnahmezentrum oder in ein Schubhaftzentrum zu überstellen ist (AIDA 2.2020):
? Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Unterbringungszentrum der SAR gebracht (AIDA 2.2020).
? Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in einem der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (Special Centre for the Temporary Accommodation of Foreigners, SCTAF) gebracht werden. Nach Stellen eines Asylantrags wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur SAR überstellt (UNHCR 17.12.2018).
? Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen war, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Dies kann jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn diese ihre volle Kapazität erreichen (UNHCR 17.12.2018).
? Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist Letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor deren Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum (SCTAF) gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden sie jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (UNHCR 17.12.2018; vgl. AIDA 2.2020, BAMF-BMI 5.2019).
In der Praxis werden in Sofia ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen, meist schon am folgenden Tag. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird zusammen mit der „take-back" Entscheidung (UNHCR 26.3.2019).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird medizinisch bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum „Nadya“, IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- BAMF-BMI – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Bundesministerium des Innern (Deutschland) (5.2019): Aktuelle Entwicklungen zur Rechtslage und Situation von Asylwerbern und anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/20138868/21716440/Deutschland___Botschaft_%28Bulgarien%29%2C_Aktuelle_Entwicklungen_zur_Rechtslage_und_Situaton_von_Asylbewerbern_und_anerkannt_Schutzberechtigten_in_Bulgarien%2C_2019.pdf?nodeid=21726048&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (26.3.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/20122890/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_%28Berlin%29%2C_26%2E03%2E2019%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20149532&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 29.7.2020
Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2020).
Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte „Pushbacks“ an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (AIDA 2.2020; vgl. BM 2.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- BM – Boardermonitoring Bulgaria (2.3.2020): Bulgaria ist not changing its push-back policy at its border to Turkey, https://bulgaria.bordermonitoring.eu/, Zugriff 20.7.2020
- USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020
Versorgung
Grundversorgung
Letzte Änderung: 29.7.2020
Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylwerber eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018). Spezielle Bedürfnisse können daher nicht mehr angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR 17.12.2018). Um außerhalb des Aufnahmezentrums zu wohnen, müssen Asylwerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was sie automatisch vom Recht auf die monatliche finanzielle Unterstützung ausschließt (AIDA 2.2020).
Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden (AIDA 2.2020).
Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. 2019 wurden 101 Arbeitserlaubnisse für Asylwerber im laufenden Verfahren erteilt; 72 Personen haben danach eine Beschäftigung angenommen. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen jedoch schwierig (AIDA 2.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
Unterbringung
Letzte Änderung: 29.7.2020
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor sowie Harmanli, die von der Migrationsbehörde (SAR) verwaltet werden. Im Dezember 2018 wurde das Aufnahmezentrum Vrazhdebna in Sofia von der SAR geschlossen und im Mai 2019 wiedereröffnet. Vrazhdebna wurde mit EU-Mitteln vollständig renoviert (AIDA 2.2019). Die Kapazität der Unterbringungszentren betrug zwischen Ende Dezember 2019 5.330 Plätze (5.190 Plätze in Aufnahmezentren und 140 in Privatunterkünften) (AIDA 2.2020).
Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen, einschließlich der Verpflegung für Migranten und Asylwerber sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist (AI 16.4.2020). Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren bis auf in Vrazhdebna und in der Sicherheitszone für unbegleitete Minderjährige in Voenna Rampa sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter den Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen (AIDA 2.2019; vgl. UNHCR 9.2019). Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren außer in Vrazhdebna über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände, insbesondere aber über Bettwanzen, die regelmäßig zu Gesundheitsproblemen führen. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2020).
Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze). Der Betrieb des geschlossenen Verteilerzentrums Elhovo wurde im Februar 2017 eingestellt. Das Aufnahmezentrum Pastrogor kann gegebenenfalls auch als geschlossenes Zentrum verwendet werden. Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten stehen ebenfalls unter Kritik (AIDA 2.2020), ebenso wie unter anderem unzureichende Verpflegung, zu kurzer Aufenthalt im Freien, fehlende spezielle Voraussetzungen für Familien, fehlender Zugang zu Toiletten in der Nacht und der Mangel an qualifizierten Dolmetschern (FRA 5.2019; vgl. CoE-CPT 11.7.2019).
Derzeit sind in Bulgarien 798 Personen untergebracht (Stand 12.7.2020): 276 in geschlossenen Zentren (Auslastung von 39,4%), 375 in offenen Zentren (Auslastung von 7,5%), 147 privat untergebracht (auf eigene Kosten) (VB 15.7.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bulgaria [EUR 01/2098/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028188.html, Zugriff 20.7.2020
- CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (11.7.2019): Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 17 December 2018 [CPT/Inf (2019) 24],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2012591/2019-24-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 20.7.2020
- FRA – European Agency for Fundamental Rights (5.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-2_en.pdf, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020
- VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 29.7.2020
Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018), das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (UNHCR 17.12.2018). Asylwerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylwerber (AIDA 2.2020).
SAR ist verpflichtet Asylwerber kranken zu versichern. In der Praxis haben Asylwerber mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren (AIDA 2.2020), da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist (AIDA 2.2020; vgl. BTI 29.4.2020; OECD/EO 29.10.2019). In dieser Situation ist spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2020).
Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen jedoch praktische Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Zudem umfasst die Versicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden. Ohne finanzielle Unterstützung stoßen Asylsuchende auf Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu decken. Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt über einen kleinen Fonds, der hauptsächlich von UNHCR finanziert wird, um die Kosten für medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl extrem vulnerabler Asylsuchender zu decken. In der Praxis wird psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von NGOs geleistet, die auf Projektbasis finanziert wird, und nicht in allen Zentren auf dem gleichen Niveau und in gleicher Häufigkeit angeboten werden kann. Die Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen ist entsprechend nicht gewährleistet (UNHCR 17.12.2018).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf, Zugriff 20.7.2020
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 20.7.2020
Schutzberechtigte
Letzte Änderung: 29.7.2020
Anerkannte Flüchtlinge erhalten ein Identitätsdokument mit fünf Jahren Gültigkeit; subsidiär (oder humanitär) Schutzberechtigte ein solches mit drei Jahren Gültigkeit. Damit sind verschiedene Rechte verbunden. Anerkannte Flüchtlinge haben mit wenigen Ausnahmen dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger, subsidiär Schutzberechtigte haben dieselben Rechte wie Inhaber eines permanenten Aufenthaltstitels (AIDA 2.2020).
Die bulgarische Integrationsverordnung vom 19.7.2017, die den Abschluss individueller Integrationsvereinbarungen zwischen den Schutzberechtigten und dem Bürgermeister einer Gemeinde vorsieht, wird weiterhin nicht umgesetzt, weil keine der 265 Gemeinden um Mittel für Integrationsmaßnahmen ansucht (IV 19.7.2017; vgl. AA 16.1.2019, AIDA 2.2020, Caritas 5.2019). Die einzigen Integrationsmaßnahmen bislang betrafen 13 Relocation-Fälle und wurden von der EU finanziert (AIDA 2.2020). Die Verordnung enthält keine Maßnahmen, um das anhaltende Problem sich weigernder Kommunen anzugehen oder günstigere Bedingungen für die Integration in den lokalen Gemeinden zu schaffen. Die Verordnung sieht auch keine Lösung für das Problem des mangelnden Zugangs der Flüchtlinge zu Sozialwohnungen, Familienzulagen für Kinder oder Sprachunterricht vor, wodurch die geflüchteten Menschen ihre sozialen und wirtschaftlichen Rechte nur eingeschränkt wahrnehmen konnten (AI 23.5.2018; vgl. UNHCR 24.7.2017; Caritas 5.2019). Die Tatsache, dass Betroffene seit 2014 ohne jegliche Integrationsunterstützung bleiben, führt zu einem äußerst eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsrechten und zu Minimierung der Bereitschaft der Betroffenen, sich dauerhaft in Bulgarien niederzulassen (AIDA 2.2020).
Der bulgarische Staat gewährt anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die gleichen Unterstützungsleistungen, wie sie auch bulgarische Staatsangehörige in Anspruch nehmen können. Für den Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung ist für Schutzberechtigte die Wohnsitzregistrierung und Meldeadresse unerlässlich. Diese wird vom Bürgermeister der Wohnsitzgemeinde vorgenommen (AIDA 2.2020; vgl. Caritas o.D.a). Betreffend Zugang zu staatlicher sozialer Unterstützung haben Schutzberechtigte die Möglichkeit sich an das zuständige Social Assistance Directorate (SAD) der Social Assistance Agency (SAA) am Ort ihrer Wohnsitzmeldung zu wenden. Es gibt dort verschiedene Formen der Unterstützung. Zum einen die monatliche bzw. einmalige oder zielgerichtete Sozialzulage (Monthly, one-off or target social allowance). Diese muss im SAD beantragt werden und ein Sozialarbeiter bewertet die Situation des Betreffenden unter seiner momentanen Adresse. Dabei werden Einkommen, Alter, Familienstand, Besitz, Gesundheitszustand usw. miteinkalkuliert. Die andere Möglichkeit sind kommunale Sozialleistungen für Anwohner (Resident-type community social services). Das umfasst auch Zugang zu temporären (Übergangs-)wohnstrukturen und Notfallzentren. Dazu muss man ebenfalls in der Wohnsitzgemeinde einen Antrag stellen. Auch hier wird die individuelle Situation bewertet und anhand dieser Bewertung vom SAD ein sogenanntes „order for accommodation“ erlassen. Eine weitere Möglichkeit sind finanzielle Leistungen für Familien (Family allowances), die unter einem bestimmten Pro-Kopf-Einkommen liegen. Auch diese müssen beantragt werden. Da die Schutzberechtigten im Gesetz über Kinderzulagen nicht explizit als Empfangsberechtigte aufgeführt sind, kann es passieren, dass ihnen diese Sozialleistungen verweigert werden. Deshalb empfiehlt die Caritas Bulgarien bei diesem Anliegen, sich an einen Sozialarbeiter bzw. das Bulgarian Helsinki Committee zu wenden (Caritas o.D.b). Zuletzt besteht rein theoretisch die Möglichkeit einen Integrationsvertrag mit der Wohnsitzgemeinde abzuschließen (siehe dazu oben, Anm.) (Caritas o.D.b; vgl. AA 16.1.2019).
Beim Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen sind die Betroffenen in der Praxis jedoch mit diversen Sonderregelungen (z.B. Dolmetscher, soziale Vermittlung) konfrontiert. Weiters bedeuten die umfangreiche Bürokratie und weitere Formalitäten bei Einreichung des Antrags um Sozialhilfe, die selbst für Staatsangehörige schwer zu überwinden sind, weitere Probleme. Maßgeschneiderte Vermittlung und Hilfestellung kann durch NGOs von zivilgesellschaftlichen Organisationen geleistet werden, die aber nicht immer verfügbar ist (AIDA 2.2020). Die monatliche Sozialhilfe für eine Person beläuft sich auf umgerechnet 33 € pro Monat (Stand 2018). Die Bedingungen für den Bezug von Sozialhilfe sind schwer zu erfüllen (AA 18.7.2018). Laut staatlichen bulgarischen Angaben wurde 2017 lediglich in 20 Fällen Sozialhilfe an Flüchtlinge gezahlt (AA 26.4.2018).
Es ist den Schutzberechtigten erlaubt für sechs Monate ab Statuszuerkennung in der Asylwerberunterkunft zu bleiben, solange die Platzverhältnisse dies zulassen (AIDA 2.2020) oder für sechs Monate eine staatliche finanzielle Unterstützung für eine Unterkunft zu erhalten (AA 16.1.2019). Ende 2019 waren 461 Schutzberechtigte in Asylwerberunterkünften untergebracht (AIDA 2.2020).
Betreffend der Zugänglichkeit von Sozialwohnungen gehen die Quellen auseinander. Der Caritas zufolge besteht Zugang zu Gemeindewohnungen nur, wenn mindestens ein Familienmitglied bulgarischer Staatsbürger ist und daher haben Schutzberechtigte üblicherweise keinen Zugang zu diesen Wohnungen (Caritas o.D.a). Laut dem deutschen Auswärtigen Amt dürfen sich anerkannte Flüchtlinge ebenso wie bulgarische Staatsangehörige auf die wenigen vorhandenen Sozialwohnungen bewerben. Soweit anerkannte Schutzberechtigte keine Unterbringungsmöglichkeit in einer staatlichen Unterkunft mehr haben, müssen sie sich selbständig um Wohnraum bemühen. Dabei erhalten sie Hilfe von Nichtregierungsorganisationen. Die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen, gepaart mit einer niedrigen Anzahl von in Bulgarien verweilenden Flüchtlingen, sorgt im Ergebnis dafür, dass es kaum obdachlose Flüchtlinge gibt (AA 16.1.2019).
Wohnen die Schutzberechtigten zur Miete ist das schriftliche Einverständnis der Vermieters vorzulegen. Adressänderungen sind binnen 30 Tagen zu melden (Caritas o.D.a). In der Praxis stoßen Schutzberechtigte jedoch auf Schwierigkeiten, weil für den Abschluss eines Mietvertrages ein gültiges Ausweisdokument erforderlich ist, das aber ohne Angabe der Adresse nicht ausgestellt werden kann. Die Angabe der Adresse des Unterbringungszentrums als Wohnsitz zu diesem Zweck wurde von der SAR untersagt und führte zu Korruptionspraktiken von fiktiven Mietverträgen und Wohnsitzen, damit Schutzberechtigte Ausweispapiere erhalten können (AIDA 2.2020).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Schutzberechtigte automatisch und bedingungslos gegeben. Die Sprachbarriere und ein Mangel an adäquater staatlicher Unterstützung für Berufsausbildung sind übliche Probleme. Der Zugang zu Bildung ist für Schutzberechtigte genauso geregelt wie für Asylwerber (AIDA 2.2020; vgl. Caritas 5.2019).
Ab Statuszuerkennung müssen Schutzberechtigte die Krankenversicherungsbeiträge, die bis dahin von SAR entrichtet worden sind, selbst bezahlen. Das sind mindestens BGN 44,80 (ca. EUR 22,90) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen (AIDA 2.2020). Bei Hausärzten, Spezialisten und in Krankenhäusern ist in Bulgarien regelmäßig mit sogenannten „out of Pocket“-Zahlungen (alles was beim Arztbesuch offiziell und inoffiziell aus eigener Tasche zu bezahlen ist) zu rechnen (WHO 2018). Die Out-of-pocket-Zahlungen, 46,6% der gesamten Gesundheitsausgaben in Bulgarien im Jahr 2017, sind die höchsten in der Europäischen Union. Diese bestehen hauptsächlich aus Zuzahlungen für Medikamente und ambulante Versorgung (OECD/EO 29.10.2019). Schätzungen zufolge gibt es in Bulgarien mindestens 900.000 Menschen ohne Krankenversicherung, obwohl das System grundsätzlich alle in Bulgarien ansässigen Bürger abdecken soll. Bei diesen Personengruppen handelt es sich hauptsächlich um arme Menschen, die sich die Krankenkassenbeiträge nicht leisten können und die von dem bestehenden sozialen Sicherheitsnetz auch nicht unterstützt werden (BTI 29.4.2020). Zusammen mit den hohen „out-of-pocket“-Zahlungen gibt die hohe Anzahl der nicht versicherten Personen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung (OECD/EO 29.10.2019).
Mehrere NGOs leisten in Bulgarien für Asylwerber aber auch für Schutzberechtigte Unterstützung. Das Bulgarian Red Cross (BRC) betreibt den sogenannten Refugee-Migrant Service (RMS), welcher seit 1997 in der Flüchtlingsintegration tätig ist. Die Organisation verfügt über Zweigstellen in mehreren bulgarischen Städten und bietet Asylwerbern, humanitär Aufenthaltsberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und abgelehnten Asylwerbern Geld- und Sachleistungen (BRC o.D.). Darüber hinaus führt das BRC in Zusammenarbeit u. a. mit dem UNHCR und dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union Integrationsmaßnahmen durch, welche Bulgarisch-Sprachkurse, Anmeldung zur Berufsausbildung und Kostenübernahme dieser Ausbildung, Sozialberatung, Empfehlungen für den Zugang zu einer Arbeitsstelle, Unterkunft, medizinische Versorgung und Bildung, die Weitergabe von Informationen sowie rechtliche, soziale und psychologische Beratungen umfassen. Zusätzlich stellt das BRC Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel, sozial-kulturelle Orientierungskurse, Übersetzungen von Dokumenten und Zeugnissen sowie Übersetzertätigkeiten bei Behördengängen zur Verfügung (AA 18.7.2018; vgl. BRC o.D.).
Die Caritas Bulgarien betreibt in Sofia ein Integrationszentrum für Flüchtlinge und Migranten, das psychologische Hilfe, Bildungsservices, soziale Beratung, humanitäre Hilfe und Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit bietet (Caritas o.D.c). Für anerkannte Flüchtlinge oder humanitär Schutzberechtigte betreibt die Caritas Bulgarien das sogenannte „Refugee and Migrant Integration Center Sveta Anna” in Sofia, wo soziale Beratung, psychologische Hilfe, Sprachtraining, Hilfe bei Meldeangelegenheiten, Registrierung beim praktischen Arzt, Unterstützung bezüglich Wohnen und Arbeit, ein Mentoringprogramm und weitere Integrationsmaßnahmen angeboten werden. 2018 wurden im Integrationszentrum in Sofia 229 Flüchtlinge und Asylwerber betreut (Caritas o.D.d; vgl. VN 26.4.2019; OSV 25.4.2019).
Daneben leisten das Bulgarian Helsinki Committee, Foundation for Access to Rights und das Centre for Legal Aid „Voice in Bulgaria“ rechtliche Hilfe (RBG o.D.).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (26.4.2018): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Trier, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/18914234/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_26%2E04%2E2018%2C_508%2D516.80_50410.pdf?nodeid=19243017&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- AA – Auswärtiges Amt (16.1.2019): Bericht des AA an das Verwaltungsgericht Potsdam, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684461/684543/20046516/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_16%2E01%2E2019%2C_508%2D516.80_51873.pdf?nodeid=20060626&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020
- AI – Amnesty International (23.5.2018): Bulgarien 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bulgarien, Zugriff 20.7.2020
- BRC – Bulgarian Red Cross (o.D.): Work with refugees and asylum seekers, http://en.redcross.bg/activities/activities8/rms1, Zugriff 20.7.2020
- BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf, Zugriff 20.7.2020
- Caritas Bulgaria (5.2019): The Bulgarian Migration Paradox – Mitgration and Development in Bulgaria, https://www.caritas.eu/wordpress/wp-content/uploads/2019/06/CommonHomeBulgariaEN.pdf, Zugriff 20.7.2020
- Caritas (o.D.a): Accommodation, http://caritas.bg/en/useful-information/accommodation/, Zugriff 20.7.2020
- Caritas (o.D.b): Social Assistance and Social Services, https://caritas.bg/en/useful-information/useful-information-refugees/social-assistance-and-social-services/, Zugriff 20.7.2020
- Caritas (o.D.c): Bulgaria, https://www.caritas.org/where-caritas-work/europe/bulgaria/, Zugriff 20.7.2020
- Caritas (o.D.d): Activities Refugees, https://caritas.bg/en/causes/refugees/activities-refugees/, Zugriff 20.7.2020
- IV – Integrationsverordnung (19.7.2017): ERLASS Nr.144 vom 19. Juli 2017 über die Verabschiedung einer Verordnung über die Bedingungen und das Verfahren zum Abschluss, zur Umsetzung und Aufhebung der Vereinbarung zur Integration von Ausländern, denen Asyl oder internationaler Schutz gewährt ist (Übersetzung aus dem Bulgarischen), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/18971283/18970840/Integrationsverordnung%2C_Erlass_Nr%2E_144%2C_19%2E07.2017.pdf?nodeid=18971397&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020
- OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C, Zugriff 20.7.2020
- OSV – Our Sunday Visitor Neewsweekly (25.4.2019): Balkans visit: Pope to touch sensitive issues of ecumenism, migration, https://osvnews.com/2019/04/25/balkans-visit-pope-to-touch-sensitive-issues-of-ecumenism-migration/, Zugriff 20.7.2020
- RBG – Refugee Bulgaria (o.D.): Non-governmental Organizations, https://refugee.bg/en/non-governmental-organizations/, Zugriff 20.7.2020
- UNHCR Bulgaria (24.7.2017): ?????? ????????? ?????? ??????? ?? ?????????? ?? ???????, http://www.unhcr.org/bg/3272-%D0%B0%D0%B3%D0%B5%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%8F%D1%82%D0%B0-%D0%BD%D0%B0-%D0%BE%D0%BE%D0%BD-%D0%B7%D0%B0-%D0%B1%D0%B5%D0%B6%D0%B0%D0%BD%D1%86%D0%B8%D1%82%D0%B5-%D0%BF%D1%80%D0%B8%D0%B2%D0%B5%D1%82%D1%81.html, Zugriff 20.7.2020
- VN – Vatican News (26.4.2019): Caritas Bulgaria: „may the Pope‘s visit open our hearts“, https://www.vaticannews.va/en/church/news/2019-04/pope-visit-bulgaria-caritas-migrants-poverty-solidarity.html, Zugriff 20.7.2020
- WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 20.7.2020
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie bei Ihrer Überstellung nach Bulgarien einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären.
Es haben sich keine medizinisch belegbaren Tatsachen ergeben, die einer Außerlandesbringung gem. § 61 FPG entgegenstehen.
A) Beweiswürdigung
Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:
[ … ]
- betreffend die Lage im Mitgliedsstaat:
Die Feststellungen zum Mitgliedstaat basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.
Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.
Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
Im gegenständlichen Fall wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Bulgarien aufgrund der Dublin III-Verordnung zur Übernahme bereiterklärte und somit europarechtlich zur Prüfung des Asylantrages verpflichtet ist. Ebenso hat Bulgarien die Statusrichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Aufnahmerichtlinie anzuwenden, ein den dort genannten Anforderungen entsprechendes Asylverfahren zu führen, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Schutz zu gewähren und für die Dauer des Verfahrens eine entsprechende Grundversorgung zu bieten. Sie konnten nicht konkret und substantiiert vorbringen, warum Bulgarien in Ihrem Fall Ihren Asylantrag nicht unter Einhaltung der innerstaatlichen, völker- und europarechtlichen Bestimmungen prüfen und eine entsprechende Entscheidung treffen sollte, weshalb die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der „Sicherheit“ der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall nicht erschüttert werden konnte.
Ebenso ist festzuhalten, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin II-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsreglung zu treffen ist. Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten oder Umstände, wie sie von Ihnen bemängelt wurden, weisen selbst im Falle ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität auf (vgl. dazu in einem ähnlich gelagerten Fall Erkenntnis des AGH vom 13.03.2013, Zl. S2 433.030-1/2013/3E).
Jedenfalls hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in seinen Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Bulgarien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.
(Erkenntnis Bundesverwaltungsgericht vom 01.08.2019, Zahl: W240 2221667-1/2E)
[ …]
Eine Grundversorgung für Asylwerber in jeglicher Hinsicht ist in Bulgarien, wie in der Feststellung angeführt, gewährleistet.“
Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO formell erfüllt (und implizit sohin Bulgarien für die Prüfung des Antrages zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Auch die Voraussetzungen für ein Vorgehen im Sinne von Art. 16 oder Art. 17 Abs. 2 leg. cit. seien nicht erfüllt und stelle die Ausweisung des BF mangels familiärer Bezüge sowie angesichts der bloß kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 23.09.2021 durch eigenhändige Übernahme zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 05.10.2021, in welcher der BF im Wesentlichen geltend machte, dass er in Bulgarien unter Gewalt zu einer Asylantragstellung gezwungen und unter unzumutbaren hygienischen Zuständen untergebracht worden sei. Im Übrigen wurde allgemeine Kritik am bulgarischen Unterbringungs- und Versorgungsstandard für Asylwerber eingewendet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der dargelegte Verfahrensgang sowie der ebenfalls eingangs dargestellte Reiseweg des BF.
Besondere, in der Person des Antragstellers gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Der BF leidet aktuell an keinen Erkrankungen und gehört als junger Mann keiner vulnerablen Personengruppe an.
Der BF hat im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte Es bestehen auch keine Abhängigkeiten oder Beziehungen zu sonstigen Personen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zum Reiseweg des BF und zu seiner Asylantragstellung in Bulgarien ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere dem entsprechenden EURODAC-Treffer und dem darin befindlichen Vorbringen des BF.
Ebenfalls aus seinem Vorbringen ergeben sich die Feststellungen zu seinem unproblematischen gesundheitlichen Zustand und seinen nicht vorhandenen familiären Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.
Soweit der BF in seiner Beschwerde allgemeine Kritik am bulgarischen Unterbringungs- und Versorgungsstandard in den Flüchtlingslagern hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass er im Zuge seiner Einvernahme lediglich kritisiert hat, dass „20 Personen in einem Zimmer“ untergebracht worden seien. Damit macht der BF jedoch noch keine Umstände geltend, die eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung oder unzumutbare Unterbringung darlegen.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien auch Feststellungen zur bulgarischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.
3.