TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/18 W159 1221239-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2021
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Entscheidungsdatum

18.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W159 1221239-4/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Spruchteile I., III., IV., V., und VII. werden behoben.

II. Die Beschwerde zu Spruchteil II. wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde zu Spruchteil III. wird gemäß § 57 AsylG abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchteile IV., V., VII – IX wird stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

III. Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX , Staatsangehöriger von Serbien auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 und 58 AsylG 2005 in der Dauer von 12 Monaten erteilt wird.

Zu 1. und 2.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein ehemaliger jugoslawischer Staatsangehöriger, geb. am XXXX reiste erstmals als Tourist, nach Österreich ein und verweilte als solcher mehrmals in Österreich.

Mit rechtskräftigem Urteil des LG Strafsachen XXXX vom 12.10.1988 wurde er gemäß § 88/1 und 4 StGB zu einer Geldstrafe von 2.800 Schilling verurteilt. Aufgrund seines Antrages wurde dem Beschwerdeführer erstmals ein Sichtvermerk, aufgrund Familienzusammenführung erteilt, welcher bis 28.02.1992 gültig war.

Mit rk. Urteil des LG Strafsachen XXXX vom 03.10.1990, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der §§ 146, 147 Abs. 2, 148, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Des Weiteren reiste der Beschwerdeführer am 10.04.1993 aus Serbien kommend, ohne Sichtvermerk, trotz bestehender Sichtvermerkpflicht, in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde anschließend festgenommen.

Mit rk. Urteil des LG Strafsachen XXXX vom 02.09.1993, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 146, 137 Abs. 2, 148 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Mit Bescheid vom 20.12.1993 wurde vom fremdenpolizeilichen Büro, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen. Der Beschwerdeführer wurde am 16.12.1993 aus dem Gefängnis entlassen, in Schubhaft genommen und nach Serbien abgeschoben. Ein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wurde, mit Bescheid vom 20.10.1994 abgewiesen. Einem neuerlichen Antrag vom 12.06.2000 wurde stattgegeben und wurde das erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben.

Am 28.09.2000 wurde der Beschwerdeführer neuerlich festgenommen und mit rk. Urteil des LG Strafsachen XXXX vom 01.12.2000, XXXX wegen §§ 146, 147 Abs- 1/1,15, 223/2, 224, 223/2 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.

Zuvor stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag beim Bundesasylamt, Außenstelle XXXX , welcher jedoch abgewiesen wurde. Gegen die negative Entscheidung brachte der Beschwerdeführer Berufung ein.

Der Beschwerdeführer wurde rk. vom LG Strafsachen XXXX am 11.11.2004, GZ. XXXX gemäß der §§ 15, 201 Abs. 2, 15,269 Abs. 1 StGB zu 2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Bescheid vom 18.01.2005, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer aufgrund der Schwere der Verurteilung und der Geringschätzung der österreichischen Gesetze ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Beschwerdeführer wurde in Schubhaft genommen und nach Serbien abgeschoben.

Der unabhängige Bundesasylsenat wies am 24.08.2005, GZ. XXXX die Berufung des Beschwerdeführers vom 14.02.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.01.2001, Zl. 00 13.160-BAW, gem. §§ 7,8 AsylG ab.

Am 06.11.2014 begehrte der Beschwerdeführer, welcher sich seit 04.09.2014 in der JA XXXX in Haft befand, neuerlich Asyl. Am 26.11.2014 gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme „Erstbefragung-Folgeantrag“ nach der AsylG-Novelle zu seinen neuen Fluchtgründen befragt an, er wolle mit seiner Familie in Österreich zusammenleben. Seine Eltern seien verstorben und er habe in Ex-Jugoslawien keinen Besitz. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er nichts zu befürchten. In der niederschriftlichen Einvernahme am 03.12.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht gewusst, dass sein Antrag negativ entschieden worden sei, er habe an unterschiedlichen Adressen gewohnt und die Entscheidung nicht erhalten. Er stelle den Antrag, weil er nicht wisse, wohin er gehen solle. Seine Kinder würden hier leben und seine Familie würde ihn unterstützen, er benötige keine Hilfe vom Staat. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er eine Fernsehreportage gesehen habe. Es würden Parolen gegen die Roma ausgegeben und in die Postkästen verteilt werden.

Der Beschwerdeführer wurde vom LG Strafsachen XXXX am 25.11.2014, XXXX wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erste Alterative, Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB, sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt.

Das OLG XXXX gab der Berufung am 29.04.2015, XXXX dahin Folge, dass die Anwendung des § 43a Abs 3 StGB aus dem Urteil ausgeschalten werde.

Mit Beschluss des LG Strafsachen XXXX vom 17.10.2016, XXXX wurde der Antrag auf nachträgliche Milderung der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten abgewiesen. Die Einleitung des Vollzugs wurde bis zum 30.9.2017 aufgeschoben.

In der niederschriftlichen Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz vom 25.11.2016, Zl. XXXX vor dem BFA, gab der Beschwerdeführer befragt an, er habe keine Familienangehörigen mehr in Serbien. Seine Familie würde in Österreich wohnen. Zurzeit würde er eine Beziehung mit XXXX führen. Seine Kinder seien über 30 Jahre, er würde nicht unterhaltspflichtig sein.

Der Beschwerdeführer gab an, er würde der Volksgruppe der Roma zugehören, er könne serbisch sprechen, weigere sich jedoch, er würde die Sprache der Roma sprechen. Die Roma würden so wie in den 80ern behandelt werden. Sie hätten keine Rechte und würden keine Arbeit bekommen beispielsweise sei in XXXX , im Romagebiet eine Wand gebaut worden, um auf der anderen Seite der Wand ein Einkaufszentrum zu schützen. Er versprach keine kriminellen Handlungen mehr zu begehen und wenn es sein gesundheitlicher Zustand erlaube, die restliche Haftstrafe abzusitzen.

Aufgrund seiner Krankheit sei der Beschwerdeführer arbeitsunfähig. Er habe bereits den Antrag auf Pension gestellt. Zurzeit bekomme er Notstandshilfe vom AMS. Seine Kinder und seine Lebensgefährtin würden den Beschwerdeführer unterstützen.

Es wurden der Beschluss der einvernehmlichen Scheidung rk. vom 20.04.2002, Zl. XXXX , ein ärztlicher Befundbericht des XXXX , FA f. Psychiatrie und Neurologie, ein Medikamentenverordnungsblatt, ein Röntgenbefund des XXXX , Facharzt für Röntgenologie, die Bestätigung des AMS – Notstandshilfe, Untersuchungen des XXXX , eine Aufenthaltsbestätigung XXXX , Gesundheits- und Kurhotel vom 10.06.2016, ein Arztbrief von XXXX , Facharzt für Neurologie vom 05.07.2016, ein Befund vom 07.07.2016 des Facharztes für Radiologie, XXXX , eine Ambulanzkarte der Krankenanstalt XXXX vom 30.08.2016, ein Antrag auf Rehabilations-, Kur- bzw. Erholungsaufenthalt vom 05.08.2016 sowie eine ärztliche Stellungnahme von XXXX , ein Patientenbrief des XXXX vom 09.09.2016, ein Situationsbericht des XXXX vom 09.09.2016, ein ambulanter Patientenbrief des XXXX vom 1510.2016 und ein Arztbrief vom 20.04.2017 von XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, in Vorlage gebracht.

Am 25.04.2018 übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer durch die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme einen Fragenkatalog, mit dem Ersuchen diesen innerhalb von 7 Tagen schriftlich zu beantworten. Der Beschwerdeführer antwortete er habe vor allem Familie und sehr viele Freunde und Bekannte in Österreich. Er sei Mitglied in der katholischen Kirche. Seinen Alltag verbringe er vor allem mit seinen Töchtern, seinem Sohn und seinen Enkelkindern. Er sei weder verheiratet noch lebe er mit einer Frau zusammen. Er wohne bei seiner ältesten Tochter XXXX , seinem Schwiegersohn XXXX und seinem Enkelsohn XXXX . Er besuche seinen Sohn XXXX , welcher zusammen mit seiner Frau XXXX und ihren gemeinsamen Kindern in XXXX lebe. Er halte sich bei seiner Tochter XXXX , die mit ihrer sechsjährigen Tochter XXXX in XXXX lebe, auf oder bei seiner ältesten Enkeltochter XXXX , die in XXXX mit ihrem Mann XXXX und ihrem Baby leben würde. Er stehe in einem sehr engen Verhältnis zu seinen Kindern und Enkelkindern. Er sei auch bemüht seine Termine beim AMS sowie die ärztlichen Termine und Untersuchungen einzuhalten.

Der Beschwerdeführer übermittelte folgende Befunde: einen Befundbericht des Facharztes für Lungenkrankheiten vom 11.01.2018, XXXX , einen Befund des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 12.09.2017, XXXX , eine fachärztliche Bestätigung vom 26.06.2017 vom XXXX , Facharzt für Innere Medizin, einen Arztbrief vom 04.05.2018 von der Ärztin für Allgemeinmedizin, XXXX . Das LG Strafsachen XXXX übermittelte am 29.12.2017 den Beschluss Zl. XXXX in welchem darauf hingewiesen wurde, dass in zwei Jahren eine neuerliche Überprüfung der Vollzugstauglichkeit (Haft) vorgenommen werde.

Mit Bescheid des BFA vom 10.01.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gem § 10 Abs. 1 Z 3 Asyl wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlasen (Spruchpunkt IV.). In Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem § 46 FPG nach Serbien zulässig sei. Im Spruchpunkt VI. wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VII. wurde angegeben, dass es keine Frist für die freiwillige Ausreise gäbe und im Spruchpunkt IX. wurde ein Einreiseverbot auf die Dauer von 10 Jahren erlassen.

Betreffend die Feststellung zu der Person der feststehenden Identität des Beschwerdeführers wurde angegeben, dass ein Reisepass der Sozialisten Föderalen Republik Jugoslawien, sowie eine serbische Geburtsurkunde vorliegen würde. Der Beschwerdeführer sei mangels gültigen Visums illegal in das Bundesgebiet eingereist. Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen, stelle das BFA fest, dass die vorgebrachte Lungenerkrankung COPD in Serbien behandelbar sei und, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohenden Krankheit leide. Im Entscheidungszeitpunkt der Zurückweisung, Zurück oder Abschiebung nach Serbien habe keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMR oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet.

Der Beschwerdeführer sei bereits 6x straffällig und rechtskräftig verurteilt worden:

?        Strafbezirksgericht XXXX vom 20.04.1988, XXXX , fahrlässige Körperverletzung; Vollzugsdatum 15.03.1989

?        LG Strafsachen XXXX vom 03.10.1990, XXXX , versuchter gewerbsmäßiger schwerer Betrug, Vollzugsdatum 16.12.1993,

?        LG Strafsachen XXXX vom 02.09.1993, XXXX , gewerbsmäßiger schwerer Betrug, Vollzugsdatum 16.12.1993,

?        LG Strafsachen XXXX vom 28.11.2000, XXXX , gewerbsmäßiger schwerer Betrug und Fälschung besonders geschützter Urkunden, Vollzugsdatum 28.05.2001,

?        LG Strafsachen XXXX vom 30.03.2004, XXXX , versuchter Vergewaltigung und versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Vollzugsdatum 26.08.2005

?        LG Strafsachen XXXX vom 25.11.2014, XXXX , wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden und gewerbsmäßig schwerer Betrug – Freiheitsstrafe 24 Monate.

In der rechtlichen Beurteilung wurde zu Spruchpunkt I. angegeben, dass der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Sein Verhalten würde eine Gefahr für die Gemeinschaft und die öffentliche Sicherheit darstellen. Die Zukunftsprognose würde negativ ausfallen. Der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten könne ohne weitere Prüfung abgewiesen werden.

Zu Spruchpunkt II wurde angegeben, dass keine Gründe vorgebracht worden seien, welche eine unmenschliche Behandlung oder Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland erwarten lassen würde. Es bestehe auch kein Hinweis auf das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“, die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 FPG unzulässig machen könnte. Es bestünden keine Hinweise, dass in Serbien aktuell eine solche Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung iSd. Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle 6 oder 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Zu Spruchpunkt III. wurde angegeben, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gem. § 57 AsylG nicht vorliegen würden.

Zu Spruchpunkt IV wurde erläutert, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mit seiner erwachsenen Tochter XXXX im gemeinsamen Haushalt leben würde, jedoch eine Abhängigkeit seiner Person zu seiner Tochter bestehen würde. Es hätte auch kein umfangreiches Privatleben festgestellt werden können. Das Verhalten des Beschwerdeführers zeige auch keine hohe Integrationswilligkeit. So würde das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens überwiegen. Demgemäß sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Zu Spruchpunkt V. wurde angegeben, dass wenn die Rückkehrentscheidung durchsetzbar sei und keine Gefährdung nach Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention vorliegen würde, eine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Zu Spruchpunkt VI. und VII. wurde festgestellt, dass im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. Das Interesse auf einem Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück. Im Spruchpunkt VIII. wurde ausgeführt, dass der Verlust des Aufenthaltsrechts mit der Verfahrensanordnung vom 23.09.2016 bereits mitgeteilt worden sei. Im Falle des Freispruches, des Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung oder der Einstellung des Strafverfahrens lebe das Aufenthaltsecht rückwirkend wieder auf. Zu Spruchpunkt IX. wurde angegeben, dass aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers, er sich die realistische Möglichkeit genommen habe, in absehbarer Zeit eine dauerhafte Beschäftigung zu erhalten, was sich entsprechend auf die Gefährdungsprognose auswirken würde. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse seine Unbelehrbarkeit und das Fehlen von Reue oder Einsicht deutlich erkennen. Seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte seien dermaßen gestaltet, dass die Verhängung eines Einreiseverbotes auf 10 Jahre gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , erhob gegen den Bescheid vom 10.01.2019, Zl. XXXX , im vollem Umfang, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften, Beschwerde. Der Beschwerdeführer sei Angehöriger der Volksgruppe der Roma und katholischen Glaubens. Er gab zu seinen Fluchtgründen an, dass er in Serbien eine menschenwürdige Existenz zu führen in der Lage gewesen sei. Die Behauptungen des BFA, der Beschwerdeführer hätte keine stichhaltigen Angaben gemacht, die Grund zur Annahme geben würden, seine Behandlung in Serbien und eine allfällige Abschiebung nach Serbien würde menschenrechtlichen Standards widersprechen, seien ein Gegensatz zu seinen detaillierten und konkreten Aussagen in der Einvernahme. Es sei übersehen worden, dass im Asylverfahren eine Einzelprüfung vorzunehmen sei und in Bezug auf Serbien besonders sensibel vorzugehen. Aufgrund der vorliegenden Tatsachen sei festzustellen, dass eine Abschiebung nach Serbien eine Verletzung von Art. 2,3 und im Fall des Beschwerdeführers auch Art. 8 EMRK darstellen würde. Das Herausreißen des Beschwerdeführers aus seiner gewohnten Umgebung würde mit einer Retraumatisierung verbunden und somit unzumutbar sein. Die persönliche Situation des Beschwerdeführers würde eine Rückkehr nicht zulassen.

Es wurden die Anträge gestellt, Asyl oder allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die I. Instanz zurückzuverweisen, die aufschiebende Wirkung zu gewähren, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Serbien unzulässig sei, das Einreiseverbot aufzuheben oder allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 14.02.2019, XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des belangten Bescheides als unbegründet abgewiesen. In Erledigung der Beschwerde wurde der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Beweiswürdigend führte das BVwG aus, dass auch wenn es in Serbien zu einzelnen Diskriminierungshandlungen gegenüber der Roma kommen würde, gehe aus den Länderfeststellungen hervor, dass es in Serbien keinerlei Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma gäbe. Der Beschwerdeführer würde in Österreich in engen Kontakt mit seinen Kindern stehen und keinerlei familiären Anschluss nach Serbien haben.

Rechtlich führte das BVwG zu Spruchpunkt I. aus, dass auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes sich ergäbe, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet sei. Aufgrund der Verordnung der Bundesregierung, mit welchen Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden, gelte Serbien als sicherer Herkunftsstaat. Das BVwG geht davon aus, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Diese Gründe würden jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen seien, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde sich nicht mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund aktueller entsprechender Länderberichte auseinandergesetzt hätte. Dies wäre jedoch auf jeden Fall notwendig gewesen, zumal unter den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Länderberichten bei den in Serbien nicht abschließend aufgelisteten behandelbaren Krankheiten „Lungenkrankheiten“ nicht aufscheinen und der Beschwerdeführer einem vorgelegten aktuellen Befund folgend an der Lungenkrankheit „COPD Stufe IV“ leiden würde.

Es wurde ein Befund des FA für Psychiatrie und Neurologie XXXX , vom 01.10.2019 vorgelegt, dass der Beschwerdeführer an einer Demenz vom Alzheimertyp leiden würde. Er könne nur in Begleitung außer Haus gehen. Haushaltstätigkeiten seien nicht möglich. Zur Körperpflege würde er Unterstützung benötigen. Mit Beschluss des BVwG vom 14.02.2019, Zl XXXX wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2020, XXXX , Verfahren 170150085, gab der Beschwerdeführer an, er würde sich seit zwei Monaten im Krankenstand befinden. Er werde medizinische Befunde zu seinem Gesundheitszustand nachreichen. Er könne nicht in Serbien behandelt werden, er sei weder versichert noch habe er Besitz oder Familie in Serbien. Seine Familie würde in Österreich wohnen. Er habe zwei Töchter, einen Sohn, Enkelkinder, Urenkelkinder, einen Bruder, seine Kinder. Seine Kinder seien alle erwachsen. Er habe auch eine Lebensgefährtin in Österreich und lebe mit ihr im selben Haushalt. Seine Familienmitglieder seien alle österreichische Staatsbürger. Zwei oder drei Personen hätten einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Ein Enkelkind würde beim XXXX arbeiten. Er habe ein gutes Verhältnis zu seiner Familie. Zu seiner Straffälligkeit in Österreich gab der Beschwerdeführer an, er sei damals noch jung und sich seines Handels nicht bewusst gewesen. Er hätte damals eine Freundin gehabt, die ständig Geld von ihm verlangt hätte. Er habe auch zu viel Alkohol getrunken. Er sei das letzte Mal 2006 straffällig geworden.

Der Beschwerdeführer brachte einen Mietvertrag mit dem XXXX bezüglich Sauerstoffs vom 17.02.2020, je einen Befund vom 05.03.2020, und 04.05.2019 von XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, ein Schreiben vom 10.03.2020 von XXXX , FA für Psychiatrie und Neurologie, eine fachärztliche Bestätigung vom 24.02.2020 von XXXX , eine Ambulanzkarte des XXXX vom 28.05.2020, eine Diagnose des XXXX vom 26.05.2020, in Vorlage.

Eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation bezüglich Serbien, medizinische Behandlung/Pflege vom 7.07.2017 gab an, dass es in Serbien staatliche Heime mit medizinischer Pflege für alte Menschen gäbe, bei denen das Niveau der medizinischen Pflege jedoch nicht optimal sei. Über den Zugang zu diesen Heimen entscheide das Zentrum für Sozialarbeit in der Gemeinde des Wohnsitzes. Der Heimplatz sei privat zu bezahlen, aber bei entsprechender Bedürftigkeit könnten die Kosten vom Staat übernommen werden.

Mit Bescheid des BFA vom 07.09.2020, Zl. XXXX wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 26.11.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter Spruchpunt II. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gem § 10 Abs. 1 Ziff 3 Asyl wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Ziff. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). In Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem § 46 FPG nach Serbien zulässig sei. Im Spruchpunkt VI. wurde angegeben, dass es keine Frist für die freiwillige Ausreise gäbe. Im Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt und im Spruchpunkt IX. wurde ein Einreiseverbot auf die Dauer von 10 Jahren erlassen.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. angeführt, dass der für das Verlassen des Heimatlandes angeführte Sachverhalt nicht unter einem Tatbestand der GFK zu subsumieren gewesen sei. Aus der allgemeinen Lage in Serbien sei keine Verfolgung der Person des Beschwerdeführers abzuleiten. Zu Spruchpunkt II. wurde auf die Begründung zur Entscheidung über den Asylantrag ausgeführt, dass im vorliegenden Fall von keiner Verfolgung ausgegangen werden könne, zumal der Beschwerdeführer selbst keine Fluchtgründe angegeben hätte. Bezüglich des Familienlebens wurde angegeben, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei, nach seiner Rückkehr nach Serbien, weiterhin mit seiner Familie in Kontakt zu stehen. Zu seinem Privatleben wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer mehrmals rechtskräftig verurteilt worden sei. Es seien keine besonderen Integrationsbemühungen feststellbar gewesen. Eine Abwägung der betroffenen Interessen, ob ein Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen werden könne, habe ergeben, dass eine Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-2 BFA-VG zulässig sei. Es sei auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen.

Im Spruchpunkt V. wurde darauf verwiesen, dass sich im vorliegenden Fall keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 ergeben würde, weswegen die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung auszusprechen gewesen wäre. In den Spruchpunkten VI und VII. wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer aus einen sicheren Herkunftsstaat stamme sowie dass er mehrmals rechtskräftig verurteilt worden sei und er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle, weswegen Österreich das Interesse habe eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung durchzuführen. Im Spruchpunkt VIII. wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der Schwere der Verurteilungen des Beschwerdeführers die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch seine XXXX , erhob gegen den Bescheid vom 10.09.2020, Zl. XXXX , im vollem Umfang, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften, Beschwerde. Der Beschwerdeführer sei Angehöriger der Volksgruppe der Roma und katholischen Glaubens. Er könne in Serbien keine menschenwürdige Existenz führen. Das BFA habe es unterlassen sich mit den Krankheiten des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und nur allgemeine Statements getroffen.

Die persönliche Situation des Beschwerdeführers würde eine Rückkehr nicht zulassen. Es wurden die Anträge gestellt, dem Beschwerdeführer Asyl oder allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die I. Instanz zurückzuverweisen, die aufschiebende Wirkung zu gewähren, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung nach Serbien unzulässig sei, das Einreiseverbot aufzuheben oder allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen.

Mit Beschluss vom 05.10.2020 Zl. XXXX wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde diese Rechtssache der gegenständlichen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit 18.06.2021 wurde bei der rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers angefragt, ob in Anbetracht des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufrechterhalten werde und ob bejahendenfalls allenfalls Zeugen für das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich namhaft gemacht werden würden. Es ergehe auch die Einladung, allfällige ärztliche Befunde aus jüngster Zeit nachzureichen.

Am 16.08.2021 gab die rechtliche Vertretung des Beschwerdeführers bekannt, dass der Beschwerdeführer zwar nur äußerst eingeschränkt transportfähig und auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen sei. Er könne unter Hilfe der Familienmitglieder, die auch als Zeugen für das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich namhaft gemacht werden, zur Verhandlung erscheinen:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX
XXXX
XXXX
Der Beschwerdeführer sei aufgrund des fortgeschrittenen und irreversiblen Krankheitszustandes auf ständige Pflege, Hilfe und Begleitung durch seine Angehörigen angewiesen. Er sei Epileptiker, Diabetiker und er leide an fortschreitender Demenz. Zusätzlich sei er an Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium erkrankt und zur Fortbewegung dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Eine Verbesserung des gesundheitlichen Allgemeinzustandes des Beschwerdeführers sei aus medizinischer Sicht völlig auszuschließen. Es wurde ein Sachverständigengutachten vom 14.02.2019 von XXXX , sowie ein Konvolut von fachärztlichen Bestätigungen aus den Jahren 2019 und 2021 ( XXXX , FA für innere Medizin, XXXX , Ambulanzkarte XXXX , XXXX , FA für Lungenkrankheiten) vorgelegt.

Am 30.09.2021 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, an der der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter XXXX , sowie Zeugin1: XXXX , Zeugin2 XXXX . verehelicht XXXX , Zeugin3 XXXX , Zeuge4, XXXX , Zeugin5, XXXX , geb. XXXX teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugin XXXX waren entschuldigt nicht erschienen.

Die rechtliche Vertretung bracht eine Chefärztliche Stellungnahme der PVA vom 27.09.2021, einen ärztlicher Entlassungsbericht des lebensmedizinischen Zentrums XXXX vom 02.08.2021, eine fachärztliche Bestätigung des FA für innere Medizin XXXX vom 01.06.2021 und eine Pflegegeldbeurteilung der Ärztin für Allgemeinmedizin XXXX vom 26.02.2021 in Vorlage.

Befragung der Zeugin 5 (Z5) XXXX

Befragt gab die Z5 an, sie sei serbische Staatsangehörige und gehöre der Volksgruppe der Roma an. Sie würde für drei Monate in Österreich aufhältig sein und dann wieder nach Serbien zurückfahren. Sie habe einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt, er sei jedoch noch in Bearbeitung. Sie lebe mit dem Beschwerdeführer in einer Lebensgemeinschaft.

Die Z5 bestätigte, dass sie lt. angefochtenen Bescheid vom 07.09.2020 nach Serbien zurückgekehrt sei. Dort sei sie in einem privaten Haus, im Dorf XXXX , in der Gemeinde XXXX aufhältig.

Sie würde mit dem Beschwerdeführer seit 2014, in seiner Wohnung, in XXXX , Engerthstraße, zusammenleben. Im gemeinsamen Haushalt würde auch ihr Sohn leben, welcher nicht zwischen Österreich und Serbien pendeln würde, er würde hier in Österreich die Schule besuchen.

Die Z5 gab befragt an, sie würde eine Witwenpension, ihr Sohn eine Waisenpension beziehen und so den Lebensunterhalt bestreiten.

Sie gab befragt zum Gesundheitszustand ihres Lebensgefährten an, er könne nicht arbeiten. Er sei krank, er habe Lungenkrebs, gesundheitliche Probleme mit der Wirbelsäule und mit den Beinen. Er könne nicht gehen, auch nicht alleine zur Toilette oder selbst duschen. Er würde ständig Hilfe benötigen.

Diese Hilfe würde sie leisten, wenn sie bei ihm sei. Sollte sie nicht anwesend, werde der Beschwerdeführer von seinen Töchtern betreut, auch der Sohn der Lebensgefährtin würde den Beschwerdeführer unterstützen. Er würde keine professionale Hilfe von einer mobilen Krankenschwester erhalten, da er keinen Aufenthaltstitel habe.

Ihr Lebensgefährte würde während des Tages vornehmlich österreichisches Fernsehen schauen und die meiste Zeit liegen. Er könne aufgrund seines Befindens nicht viel tun.

Auf die Frage des Richters: „Wäre er Ihrer Meinung nach noch zu irgendwelchen Straftaten fähig?“, antwortete die Z5: „So, in dem Zustand, wie er jetzt ist. Er kann nicht gehen.“ Die Z5 gab an, sie würde ihren Lebensgefährten auch finanziell unterstützen. Er stehe in Kontakt zu seinen Kindern und Enkelkinder, er habe ja sonst niemanden. Er habe keine Verwandte in Serbien. In Serbien müsste er auf der Straße leben, sollte er dorthin abgeschoben werden. Sie könnte ihn in Serbien nicht betreuen, sie würde in Untermiete leben. Es stünde ihr nur ein Zimmer zur Verfügung und die Vermieterin würde das auch nicht erlauben.

Befragung der Zeugin1 (Z1) XXXX

Z1 gab befragt an, sie sei serbische Staatsangehörige und habe einen Daueraufenthaltstitel. Sie gab weiters zum Gesundheitszustand ihres Vaters befragt an, er sei nicht im Stande sich selbst um sich zu kümmern. Er benötige im Alltag für sämtliche Tätigkeiten, z. B. auf die Toilette zu gehen, baden, um sich anzuziehen, Hilfe. Diese Hilfe würde seine Lebensgefährtin (Z5) leisten, wenn sie in Österreich aufhältig sei. Ansonsten würde die Z1 oder ihre Schwester XXXX diese Hilfe leisten. Auch ihr 21-jährigen Sohn würde seinem Opa helfen.

Der Vater bekäme keine Hilfe von XXXX etc. In seinem täglichen Ablauf sei der Vater sehr eingeschränkt, er könne nicht viel machen, er sei den ganzen Tag in der Wohnung. Nach ihrem Eindruck sei er zu keiner Straftat fähig.

Z1 gab an, sie sei alleinstehend und habe zwei Kinder, sie würde ihren Vater soweit möglich finanziell unterstützen. Ihr Sohn würde beim XXXX arbeiten und wolle ausziehen. Ihre Tochter sei erst neun Jahre alt. Ihr Vater würde mit seinen Enkelkindern in einem sehr engen Kontakt stehen. Ihr Vater habe keine Verwandte mehr in Serbien, seine Eltern seien verstorben und zu seiner Schwester habe er keinen Kontakt. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Serbien, da sie in Österreich aufgewachsen seien. Ihr Vater habe in Serbien weder eine Wohnmöglichkeit, noch jemand, der sich um ihn kümmern würde. Seine Lebensgefährtin habe ihn einmal schon verlassen und sei gebeten worden, wieder zurückzukommen.

Befragung der Zeugin3 (Z3) XXXX

Die Z3 gab an, sie sei österreichische Staatsbürgerin. Sie würde mit ihrem Vater nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben. Die Wohnung, in welcher er jetzt leben würde, sei früher auf sie geschrieben gewesen, jetzt sei sie auf ihren Vater geschrieben worden. Sie sei mittlerweile nach Gänserndorf verzogen, dort habe sie eine Mietwohnung.

Die Z3 gab befragt zum Gesundheitszustand ihres Vaters an, es würde ihm sehr schlecht gehen. Ihre Schwester, sie und seine Lebensgefährtin würden sich abwechselnd um ihn kümmern. Er würde den ganzen Tag Hilfe benötigen. Der Sohn ihrer Stiefmutter, seiner Lebensgefährtin sei 24 Stunden bei ihm. Er kümmere sich auch um ihn, z. B. wenn der Beschwerdeführer auf die Toilette müsse. Ihr Vater würde den ganzen Tag sitzen und fernschauen. Ihrer Meinung nach sei er zu keiner Straftat mehr fähig.

Die ganze Familie würde den Vater finanziell unterstützen. Sie sei zurzeit arbeitslos, sobald der Vater von außen Hilfe bekommen werde, werde sie versuchen selbstständig oder unselbstständig wieder zu arbeiten.

Ihr Vater habe zu seinen Kindern, Enkelkindern und Urenkelkinder einen sehr guten Kontakt. In Serbien sei nur ihre Tante, seine Schwester aufhältig, jedoch habe niemand zu ihr Kontakt. Ihr Vater habe in Serbien weder ein Haus noch ein Grundstück oder eine Wohnmöglichkeit. Würde ihr Vater nach Serbien abgeschoben werden, würde er vor dem nichts stehen, er hätte auch keine ärztliche Versorgung. Seine Lebensgefährtin (Z5) könne ihn dort auch nicht betreuen, sie würde in einer kleinen Mietwohnung leben und dürfe sich nur drei Monate dort aufhalten.

Befragung der Zeugen 4 (Z4), XXXX

Z4 gab an, er sei serbischer Staatsbürger und habe einen Daueraufenthaltstitel für Österreich.

Z4 erzählte er sei jahrelang für seine Familie da gewesen. In letzter Zeit sei auch er krank geworden, er habe Diabetes und hohen Blutdruck. Er könne ihm nicht viel helfen. Wenn der Beschwerdeführer den Z4 anrufe, z. B., dass er ihn mit dem Auto irgendwo hinbringen möge, dann mache Z4 das. Er können seinen Bruder zurzeit finanziell nicht unterstützen, weil er arbeitslos sei und versuche sich selbstständig zu machen.

Befragung der Zeugin (Z2) XXXX

Z2 gab an, sie sei österreichische Staatsbürgerin. Der Beschwerdeführer sei ihr Onkel väterlicherseits. Ihr Onkel sei schwer krank und würde Hilfe, in Form von Pflege benötigen. Es müsse sich immer jemand um ihn kümmern. Diese Hilfe würde er von ihr, von ihrer Cousine, seinen Töchtern und seiner Lebensgefährtin erhalten.

Soweit sie könne, z. B. bei Arztterminen würde sie helfen, z.B. seine Befunde anschauen. Nachgefragt, gab sie an, sie arbeite im Krankenhaus, sie sei Serviceassistentin. Sie versuche ihn seelisch aufzubauen. Sie unterstütze, sofern es ihr möglich sei, ihren Onkel auch finanziell.

Ihr Onkel habe sehr guten Kontakt zu seinen Familienangehörigen, insbesondere seinen Kindern und Enkelkindern. Er könne nicht nach Serbien zurückkehren, er sei krank und dort würde ihm niemand helfen.

Der verhandelnde Richter verzichtete in Anbetracht des schwer angeschlagenen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers auf seine Einvernahme.

Gemäß § 45 Abs.3 AVG wurde den Verfahrensparteien das Länderinformationsblatt zur Staatendokumentation zu Serbien zur Kenntnis gebracht und eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführervertreter keinen Gebrauch.

Im aktuellen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers scheinen insgesamt sechs Verurteilungen, die letzte vom 25.11.2014 auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Roma an, ist katholischen Glaubens und wurde am XXXX in XXXX , in Serbien geboren. Er führt den Namen XXXX . Seine Identität steht fest.

Er ist geschieden und hat drei Kinder (zwei Töchter und einen Sohn). Seine Kinder sind erwachsen und wurden sowie die Enkel- und Urenkelkinder in Österreich geboren und sind hier aufgewachsen und aufhältig. Sein Bruder und seine Nichte sind ebenfalls in Österreich ansässig. Es besteht ein enger Familienzusammenhalt. Einige Familienmitglieder sind österreichische Staatsbürger, andere sind im Besitz des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt“. Die Lebensgefährtin, die Töchter und seine Nichte und auch der Bruder sowie der Sohn der Lebensgefährtin kümmern sich um den Beschwerdeführer, welcher an den Rollstuhl gefesselt ist. Der Beschwerdeführer lebt von der Notstandshilfe und wird soweit es möglich ist von seiner Familie finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer lebt in einer Lebensgemeinschaft mit XXXX , geb. XXXX . In seinem Haushalt lebt auch der Sohn der Lebensgefährtin. Seine Lebensgefährtin fährt des Gesetzes wegen alle drei Monate nach Serbien und hält sich zur Untermiete in einem kleinen Zimmer in einem Privathaus für die Dauer ihres Aufenthaltes in Serbien auf. Sie ist bemüht einen Aufenthaltsstatus in Österreich zu erhalten.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Bekannten mehr in Serbien und hat zu Serbien keinen Bezug.

Der Beschwerdeführer ist unheilbar krank. Er hat Lungenkrebs, eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) Stadium IV nach Gold mit J4499 Langzeitsauerstofftherapie, Diabetes mellitus Typ II ist seit 5 Jahren bekannt. Es besteht eine Invalidität auf Dauer, eine Besserung ist nicht zu erwarten. Der Beschwerdeführer leidet auch an einer Depression mit Angststörung und an fortschreitender Demenz.

Der Beschwerdeführer wurde bereits sechsmal strafrechtlich und rechtskräftig verurteilt.

?        Strafbezirksgericht XXXX vom 20.04.1988, XXXX , fahrlässige Körperverletzung; Vollzugsdatum 15.03.1989

?        LG Strafsachen XXXX vom 03.10.1990, XXXX , versuchter gewerbsmäßiger schwerer Betrug, Vollzugsdatum 16.12.1993,

?        LG Strafsachen XXXX vom 02.09.1993, XXXX , gewerbsmäßiger schwerer Betrug, Vollzugsdatum 16.12.1993,

?        LG Strafsachen XXXX vom 28.11.2000, XXXX , gewerbsmäßiger schwerer Betrug und Fälschung besonders geschützter Urkunden, Vollzugsdatum 28.05.2001,

?        LG Strafsachen XXXX vom 30.03.2004, XXXX , versuchter Vergewaltigung und versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, Vollzugsdatum 26.08.2005

?        LG Strafsachen XXXX vom 25.11.2014, XXXX , wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden und gewerbsmäßig schwerer Betrug – Freiheitsstrafe 24 Monate. Der Beschwerdeführer wurde aufgrund eines ärztlichen Attest vorübergehend als nicht haftfähig eingestuft.

Aufgrund seines Gesundheitszustandes kann der Beschwerdeführer voraussichtlich keine weiteren Straftaten begehen.

Zu Serbien wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:

COVID-19

Letzte Änderung: 30.07.2021

Seit 21.12.2020 müssen alle, die nach Serbien einreisen, einen Nachweis eines negativen PCR-Tests, nicht älter als 48 Stunden, mit sich führen. Serbische Staatsangehörige und Personen mit serbischem Aufenthaltstitel können ohne Test einreisen, müssen sich aber in eine 10-tägige Quarantäne begeben und müssen ihre Einreise innerhalb von 24 Stunden online registrieren oder bei der örtlich zuständigen COVID-19-Ambulanz melden. Die Homepage der serbischen Regierung bietet Informationen zu den Einreisebestimmungen und aktuellen Zahlen (BMEIA 4.6.2021).

Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).

Die Covid-19-Pandemie hat in allen Staaten der Westbalkan-Region, einschließlich Serbien, die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem und die Probleme großer Teile der Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsversorgung verschärft. Im Rahmen der „Zweiten Welle“ der Covid-19-Pandemie erreichten die Infektionszahlen in allen Ländern der Balkan-Region neue Höchststände. Dies stellt die Gesundheitssysteme dieser Länder vor massive Probleme und führt dazu, dass lebensnotwendige Gesundheitsversorgungsleistungen nicht oder nur gegen Bezahlung beträchtlicher Kosten erhältlich sind. Die tatsächliche Todeszahl während der „ersten Welle“ von März bis Juni 2020 war mehr als doppelt so hoch wie die offizielle Zahl. Auch bei der Anzahl der gemeldeten Infektionen wurden erhebliche Differenzen festgestellt. Bis zum 18. Januar 2021 sind mindestens 80 Beschäftigte im serbischen Gesundheitswesen an Covid-19 gestorben. Die Gewerkschaft des Gesundheitssektors weist darauf hin, dass die tatsächliche Zahl noch höher sein, weil diese Zahl nicht KrankenpflegerInnen und medizinische Fachangestellte umfasst (FBW 8.2.2021).

Von 15.3.2020 bis 7.5.2020 galt in Serbien aufgrund der Pandemie ein Ausnahmezustand mit Ausgangssperre. Dieser trug dazu bei, dass sich die Ansteckung verlangsamte und die Anzahl der Infizierten sank. Die Zahl erhöhte sich im Dezember 2020 auf bis zu 8.000 Infektionsfälle, was zur Gründung und Eröffnung eines neuen Covid-Krankenhauses in Batajnica, einem Vorort von Belgrad führte, dessen Kapazität 1.000 Patienten beträgt. Ab Januar 2021 begann eine Impfkampagne in Serbien, wobei schon im Februar mehr als 550.000 Menschen geimpft wurden. Folgende vier Impfstoffe wurden zugelassen: BionTech - Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V und Sinopharm. Mit Stand 29.5.2021 wurden insgesamt 4.527.079 Impfdosen verabreicht, wovon die erste Dosis 2.507.302 und die zweite Dosis 2.019.777 Personen verabreicht bekamen. Diese erfolgreiche Immunisierung trug zur Senkung der Anzahl von Infizierten wesentlich bei, wodurch Serbien am 27.6.2021 nur 63 erkrankte Fälle (die Statistik der letzten 24 Stunden) verzeichnete. Insgesamt hatte Serbien mit Stand 17.6.2021 715.442 Erkrankungsfälle und 6.985 Todesfälle (VB 29.6.2021).

In den letzten Mai Wochen kam es zu einem erheblichen Rückgang der stationären Behandlungen um über 5.000 (!) Personen. Befanden sich am 23.4.2021 noch 5.897 Patienten in Krankenhausbehandlung, waren es am 10.5.2021 noch 3.827 und am 28.5.2021 nur noch 878 Personen. Mit Stand 31.5.2021 wurden 712.224 Erkrankungsfälle und damit verbunden 6.854 Todesfälle festgestellt. Ab dem 1.6.2021 können Personen, welche sich impfen lassen, eine Unterstützung in Höhe von RSD 3.000,00 (ca. EUR 25,00) beantragen (VB 29.6.2021).

Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert, Empfehlungen zum Umgang gegeben, sowie eine Hotline-Nummer veröffentlicht. Am 11.2.2021 hat die serbische Regierung das dritte Unterstützungspaket für die Wirtschaft im Wert von 249 Mrd. Serbischer Dinar [ein Dinar = 0,0085 EUR; Anm.] verabschiedet. Die neuen Maßnahmen umfassen eine direkte Unterstützung von Unternehmern, Kleinst-, Klein-, Mittel- und diesmal auch Großunternehmen, das Gastgewerbe, Hotels, Reisebüros, Personen- und Straßenverkehr (WKO 7.5.2021).

In Bezug auf COVID-19 bestehen seit 7.5.2020 keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23:00 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).

Serbien beginnt mit der Produktion des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ gegen das Coronavirus. Die Produktion startete am 3.6.2021 im Torlak-Institut für Virologie. Binnen sechs Monaten sollen dort in russischer Lizenz vier Millionen Impfdosen hergestellt werden. Serbien ist damit nach Belarus das zweite europäische Land außerhalb Russlands, das „Sputnik“-Impfstoff herstellt. „Sputnik“ sowie der chinesische Impfstoff Sinopharm werden in Serbien bereits seit Monaten geimpft, ebenso wie die in der EU zugelassenen Vakzine von Biontech und Pfizer sowie AstraZeneca. Mehr als 30 % der etwa sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Serbiens haben bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. Belgrad hat zudem den ärmeren ex-jugoslawischen Nachbarstaaten Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien, aber auch Tschechien Vakzine gespendet (ORF.at 4.6.2021).

Der serbische Präsident VUCIC erklärte am Abend des 11.3.2021, im Rahmen eines Treffens mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Muhammad BIN ZAYED AL NAHAYN, dass sein Land mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate in die Produktion des chinesischen COVID?19 Impfstoffs Sinopharm einsteigen werde. Der Beginn der Produktion wurde mit 15. Oktober 2021 festgelegt (VB 29.6.2021).

Quellen:

?        BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (4.6.2021): Republik Serbien, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/serbien/, Zugriff 4.6.2021

?        FBW - Flüchtlingsrat Baden-Württemberg (8.2.2021): Abschiebungen in die Westbalkan-Region während der Covid-19-Pandemie, https://fluechtlingsrat-bw.de/wp-content/uploads/2021/02/2020-02-Abschiebungen-in-die-Westbalkan-Region-waehrend-der-Covid-19-Pandemie.pdf, Zugriff 7.6.2021

?        ORF.at News (4.6.2021): Serbien startet Produktion von „Sputnik V“ in russischer Lizenz, https://orf.at/stories/3216042/, Zugriff 10.6.2021

?        VB des BM.I für Serbien und Montenegro (29.6.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

?        WKO - Wirtschaftskammer Österreich (7.5.2021): Coronavirus: Situation in Serbien, Aktuelle Lage und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-serbien.html, Zugriff 4.6.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die Volksvertretung der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna Skupština, 250 Abgeordnete). Der aktuelle Staatspräsident Aleksandar Vu?i? verfügt über eine sehr starke Stellung gegenüber Parlament und Regierung und hat de facto ein Präsidialsystem geschaffen. Strategisches Ziel Serbiens ist die Integration in europäische Strukturen, insbesondere Fortschritte im Beitrittsprozess zur EU. Gleichzeitig baut Serbien seine engen Beziehungen zu Russland und China weiter aus. 2007 hat sich Serbien durch Parlamentsbeschluss zur militärischen Neutralität verpflichtet. Serbien beteiligt sich am von der Bundesregierung 2014 initiierten Berliner Prozess, der die regionale Kooperation, ua. durch wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft. Haupthindernis bleibt die aus serbischer Sicht ungelöste Kosovo-Frage: Nachdem Serbien den sogenannten Ahtisaari-Plan im Rahmen einer internationalen Vermittlung abgelehnt hatte, erklärte die Republik Kosovo am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit von Serbien. Serbien betrachtet „Kosovo und Metochien“ gemäß Verfassung von 2006 weiter als autonome serbische Provinz. Der EAD [Der Europäische Auswärtige Dienst; Anm.] vermittelt seit 2011/13 im sogenannten Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Pristina (AA 29.10.2020a).

Nicht einmal der frühere Präsident Slobodan Miloševi? hatte jemals soviel Macht wie Aleksandar Vu?i? (SNS). Die SNS erhielt bei den Wahlen am 21. Juni 2020 188 der 250 Sitze im serbischen Parlament. Die beiden anderen Parteien - jenseits der Minderheitenvertreter - die den Einzug schafften, sind der bisherige jahrelange Koalitionspartner, die Sozialistische Partei und die Serbische Patriotische Allianz (SPAS), die elf Abgeordnete stellt. Beide Parteien sind in der neuen Regierung vertreten (DS 20.10.2020).

Am 22.12.2009 stellte Serbien einen EU-Beitrittsantrag. Im März 2012 wurde Serbien offiziell der Status eines Beitrittskandidaten verliehen.Im Januar 2014 wurden EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufgenommen. Im Dezember 2015 bzw. Juli 2016 wurden die prioritären Kapitel zu Kosovo und Rechtstaatlichkeit eröffnet. Seit dem 29.6.2017 ist die Regierung unter Premierministerin Brnabi? im Amt, nach Neuwahlen am 21.6.2020 derzeit noch amtierend. Diese bekennt sich weiterhin zum EU-Kurs des Landes, betont aber auch ein gutes Verhältnis zu Russland und China. Führende Köpfe der aktuellen Regierungskoalition waren bereits zu Zeiten des Miloševi?-Regimes aktiv: Insbesondere war Staatspräsident Vu?i? Informationsminister unter Miloševi?. Die Transition zu einem System, in dem Institutionen, nicht Einzelpersonen, die Staatsgewalt obliegt, ist in Serbien noch nicht abgeschlossen (AA 19.11.2020).

Der Rat hat der Anwendung der überarbeiteten Verfahrensweise bei der Erweiterung auf die Beitrittsverhandlungen Serbiens zugestimmt, nachdem das Bewerberland seine Zustimmung bekundet hatte. Die Änderungen werden auf den nächsten Regierungskonferenzen in den bestehenden Verhandlungsrahmen mit Serbien berücksichtigt werden. Der Rat hat im März 2020 die Mitteilung der Kommission „Stärkung des Beitrittsprozesses - Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ vom Februar 2020 gebilligt, die darauf abzielt, dem Beitrittsprozess neue Impulse zu geben, indem er berechenbarer, glaubwürdiger und dynamischer gestaltet und einer stärkeren politischen Steuerung unterworfen wird. Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien haben im Januar 2014 begonnen, als der Verhandlungsrahmen auf der ersten Tagung der Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 21. Januar 2014 vorgelegt wurde (ER 11.5.2021).

Die Watchdog-Organisation Freedom House stufte Serbien im Jahr 2020 nicht mehr als Demokratie ein und attestierte dem Land damit ähnliche Mängel wie Ungarn und Montenegro. Seit Vu?i? 2012 an die Macht kam, wurden die demokratischen Institutionen in Serbien zusehends geschwächt. Serbien ist mittlerweile ein hybrides System, formell zwar eine Demokratie, doch mit sehr starken autokratischen Zügen. Während sowohl die EU als auch Vu?i? weiterhin so tun, als ob Serbien an einer EU-Mitgliedschaft interessiert sei, meinen viele Beobachter nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen, dass man die Beitrittsgespräche analog zur Türkei auch einfrieren könnte. Vu?i? versucht recht erfolgreich Russland und China gegen den Westen auszuspielen und mit allen Seiten eine Art Schaukelpolitik zu betreiben. Der EU kommt dabei die Rolle zu, sich vor dem Einfluss Russlands und Chinas zu fürchten und Serbien weiterhin finanziell zu unterstützen (DS 20.10.2020).

In Serbien findet seit Monaten ein Machtkampf innerhalb der das Land dominierenden Regierungspartei SNS (Serbische Fortschrittspartei, Ausrichtung rechtskonservativ/nationalistisch; Anm.) statt. Den Kern bildet ein Machtkampf, derzeit noch geführt hinter den Kulissen, zwischen dem, auch die Tagespolitik bestimmenden, Staatspräsidenten und einem seiner langjährigen und bisher loyalen Weggefährten, dem ehemaligen Innenminister und jetzigen Verteidigungsminister STEFANOVIC. Von den Fernsehsendern und Zeitungen, die stets auf der Linie des Präsidenten liegen, wird STEFANOVIC als Verräter oder Verbrecher dargestellt, der die Mafia gefördert und den Sturz oder gar die Ermordung des Staatsoberhaupts geplant habe (VB 29.6.2021).

In der Diskussion über eine Lösung der festgefahrenen ethnischen Konflikte am Westbalkan zeigt sich Serbien offen für einvernehmliche Grenzveränderungen. Die Diskussion über neue Grenzen am Balkan hatte jüngst durch ein der slowenischen Regierung zugeschriebenes "Non Paper" neue Nahrung erhalten, in dem unter anderem über eine Teilung des Kosovo sowie die Angliederung der bosnischen Serbenrepublik an Serbien nachgedacht wird, um der stockenden EU-Annäherung der Region neuen Schub zu geben. Slowenien übernimmt im Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft (WZ 13.6.2021).

Der serbische Innenminister hat im Juli 2021 anlässlich des 13. Gründungstages seiner Sozialistischen Bewegung, eines kleinen Bündnispartners der regierenden Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) von Aleksandar Vucic, für die "Errichtung einer serbischen Welt" plädiert. Bei manch einem Beobachter weckte diese Äußerung Erinnerungen an die Groß-Serbien-Idee des Regimes von Slobodan Milosevic. Sowohl in Serbien als auch in der gesamten Region löste diese Äußerung große Besorgnis aus (Die Presse 19.7.2021).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (29.10.2020a): Serbien, Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/innen/207554, Zugriff 25.5.2021

?        AA - Auswärtiges Amt (19.11.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2020), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/22480264/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_August_2020%29%2C_19%2E11.2020.pdf?nodeid=22479381&vernum=-2, Zugriff 26.5.2021

?        ER - Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (11.5.2021): Pressemitteilung, Erweiterung: neue Verfahrensweise wird auf Montenegro und Serbien angewandt, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2021/05/11/enlargement-new-enlargement-methodology-will-be-applied-to-montenegro-and-serbia/, Zugriff 25.5.2021

?        Die Presse (19.7.2021): Außenpolitik, Serbiens Innenminister Vulin will "serbische Welt" errichten, https://www.diepresse.com/6010123/serbiens-innenminister-vulin-will-serbische-welt-errichten, Zugriff 22.7.2021

?        DS - Der Standard (20.10.2020): International, Serbien, Kabinett, Alle Parlamentsparteien in Serbien in neuer Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000121080337/alle-parlamentsparteien-in-serbien-in-neuer-regierung, Zugriff 25.5.2021

?        VB des BM.I für Serbien und Montenegro (29.6.2021): Auskunft des VB, per E-Mail

?        WZ - Wiener Zeitung (13.6.2021): Balkan, Serbien ist offen für Grenzveränderungen, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2108145-Serbien-ist-offen-fuer-Grenzveraenderungen.html, Zugriff 14.6.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss, was weiterhin ein Problem darstellt. Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, und die Justiz setzt dieses Recht im Allgemeinen durch. Die regionale Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen bleibt begrenzt. Die serbischen Behörden bieten verurteilten oder mutmaßlichen Kriegsverbrechern weiterhin Unterstützung und öffentlichen Raum und reagieren nur langsam auf Hassreden oder die Leugnung von Kriegsverbrechen (USDOS 30.3.2021).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Die Situation der Justiz hat sich in der Regierungszeit von Präsident Aleksandar Vucic eher verschlechtert. Die politische Einflussnahme auf die Justiz hat zugenommen. Die Kommentierung von sensiblen Justizverfahren durch Regierungsvertreter ist zur Alltagspraxis geworden. Eine von der EU geforderte Verfassungsänderung mit dem Ziel der Abschaffung der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten durch das Parlament lässt auf sich warten. Erst Anfang 2018 legte das serbische Justizministerium den entsprechenden Verfassungsänderungsentwurf vor. Der Entwurf wurde von Vertretern von Justizverbänden wie Zivilgesellschaft gleichermaßen als unzureichend hinsichtlich der Entpolitisierung der Justiz kritisiert. Bei Konsultationen zum Entwurf kam es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Ministeriumsvertreten und Vertretern der serbischen Richtervereinigung und zivilgesellschaftlichen Organisationen (GIZ Geschichte & Staat 12.2020).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, s

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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