TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/19 W272 2244333-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.10.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z3
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W272 2244333-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Belarus, vertreten durch Stieger Rechtsanwalt GmbH, 6900 Bregenz, Anton-Walser-Gasse 2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.07.2021, XXXX , mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 08.07.2021 abgewiesen wurde, zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 13.07.2021 wird mit Maßgabe abgewiesen, dass er zu lauten hat:

„Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen“.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) reiste im Besitz eines deutschen Schengen Visum C, welches im Zeitraum von 01.03.2019 bis 29.02.2024 bei mehrfacher Einreise für die Dauer von 90 Tagen innerhalb der letzten 180 Tage gültig war, am 15.03.2020 in den Schengenraum ein und hielt sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend bis zum 05.11.2020 im Schengenraum auf.

2. Am 05.11.2020 wurde im Zuge einer Grenzkontrolle am Flughafen Wien Schwechat festgestellt, dass sich die BF nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten habe.

3. Ebenfalls am 05.11.2020 wurde gegen die BF ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet, sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihr die Möglichkeit eingeräumt binnen 14 Tagen eine Stellungnahme hierzu abzugeben. Diese Frist verstrich ungenutzt.

Diese Verständigung wurde von der BF am 05.11.2020 persönlich entgegengenommen.

4. Die BF reiste am 05.11.2020 aus dem Schengenraum aus.

5. Am 06.11.2020, rechtskräftig am 11.12.2020, erging gemäß §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1 a FPG eine Strafverfügung der Landespolizeidirektion Niederösterreich in Höhe von EUR 600,00 gegen die BF, da sie sich als Fremde seit 13.06.2020 zumindest bis zum 05.11.2020 im Schengenraum aufgehalten habe, obwohl sie keinen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates besessen habe.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2021 wurde gemäß § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung der BF nach Belarus gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG wurde gegen die BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass sich die BF von 15.03.2020 bis 05.11.2020 durchgehend im Schengenraum aufgehalten habe. Ihr deutsches Schengenvisum C sei im Zeitraum von 01.03.2019 bis 29.02.2024 bei mehrfacher Einreise für die Dauer von 90 Tagen innerhalb der letzten 180 Tage gültig gewesen. Der Aufenthalt der BF im Schengenraum ab dem 13.06.2020 sei unrechtmäßig gewesen und habe ihr unrechtmäßiger Aufenthalt 146 Tage gedauert. Die BF habe keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und sei ihr die Ausreise aus Österreich und dem Schengenraum am 05.11.2020 gewährt worden. Der Eingriff in ihr Privat- und Familienleben könne im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig angesehen werden. Das Einreiseverbot beruhe auf der Strafverfügung der LPD Niederösterreich vom 06.11.2020. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziere gemäß § 53 Abs. 2 FPG das Vorliegen einer Gefährdung für die Öffentlichkeit und sei das Fehlverhalten der BF ausreichend schwer und als verwerflich zu werten. Die BF habe ihre erlaubte Aufenthaltsdauer in vollem Bewusstsein überschritten und ihren unrechtmäßigen Aufenthalt unter Missachtung der fremdenrechtlichen Bestimmungen in Kauf genommen.

7. Der Bescheid wurde durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG zugestellt und am 26.02.2021 an der Amtstafel der Regionaldirektion Niederösterreich angeschlagen.

8. Mit Schriftsatz vom 08.07.2021 brachte die BF über ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim BFA ein und führte inhaltlich aus, dass die BF und ihre rechtsfreundliche Vertretung erst am 30.06.2021 von der erlassenen Rückkehrentscheidung und dem verhängten Einreiseverbot erfahren hätten. Von der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG habe die BF keine Kenntnis erlangen können, da sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Bundesgebiet aufgehalten habe. Allein der Umstand, dass der Behörde keine Abgabestelle bekannt gewesen sei, berechtigte die Behörde nicht zu einem Vorgehen nach § 25 ZustellG. Der Behörde sei es jedenfalls zumutbar gewesen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Abgabestelle der BF auszuforschen. Es sei auch davon auszugehen, dass die Adresse der BF in Belarus der belangten Behörde bekannt gewesen sei, da die Strafverfügung, datiert mit 06.11.2020, ausdrücklich an die BF adressiert gewesen sei. Der Behörde wäre es jedenfalls zumutbar gewesen, den Bescheid an die Wohnadresse der BF in Belarus zuzustellen. Zur gleichzeitig eingebrachten Bescheidbeschwerde führte die BF aus, dass sie sich in Österreich durchgehend im Haushalt ihrer Tochter und deren Ehegatten aufgehalten habe. Sie habe bereits vor ihrer Einreise nach Österreich an schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen gelitten und sich in Österreich zahlreichen ärztlichen Untersuchungen unterzogen. Ihr Gesundheitszustand habe sich nur schleppend verbessert, sodass die BF erst Anfang November wieder reisefähig gewesen sei. Die BF sei betagt und sei es ihr sehr wichtig, ihre Familie in Österreich weiterhin besuchen zu können. Ihr Aufenthalt habe keinerlei Gefährdung der öffentlichen Ordnung und/oder Sicherheit dargestellt, ihr Unterhalt sei durchwegs gewährleistet gewesen. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Einreiseverbots lägen daher nicht vor.

9. Mit Bescheid vom 13.07.2021 wies das BFA den Antrag der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab.

Begründend führte das BFA aus, dass die BF am 05.11.2020 mit dem Schriftstück „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“, welches sie persönlich übernommen habe, über die amtswegige Verfahrenseröffnung zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Kenntnis gesetzt und ihr ein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die BF habe in offener Frist keine Stellungnahme abgegeben. Die BF habe keine Erklärung für ihre Untätigkeit und Sorglosigkeit geliefert und sei es ihr jedenfalls zumutbar gewesen, die notwendige Sorgfalt zu wahren und dafür Sorge zu tragen, dass ihr keine Nachteile im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot z.B. durch Fristversäumung oder Ähnlichem, entstehen. Die BF habe grobe Sorglosigkeit an den Tag gelegt und dadurch die eingetretene Fristversäumung in Kauf genommen. Gegenüber der Behörde habe sie keinesfalls glaubhaft machen können, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei bzw. dass sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

10. Gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhob die BF am 10.08.2021 das Rechtsmittel der Beschwerde. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass eine Kundmachung an der Amtstafel nach § 25 ZustG nur dann zulässig sei, wenn die Abgabestelle einer Person unbekannt sei. Eine solche Zustellung durch Kundmachung sei aber grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn die Feststellung des Adressaten auch tatsächlich ergebnislos versucht worden sei. Auch der Umstand, dass ein Auslandswohnsitz besteht, stelle noch keinen Anwendungsfall des § 25 ZustG dar. Die Zustelladresse der BF sei auf der Strafverfügung der LPD Niederösterreich richtig angeführt gewesen und hätte von der belangten Behörde mit Leichtigkeit entnommen werden können. Zudem sei die Tochter der BF in Wien wohnhaft und hätte diese ohne Umstände die Adresse der BF in Weißrussland bekannt geben können. Auch sei die österreichische Vertretungsbehörde Weißrusslands nicht um Auskunft ersucht worden, obwohl sich aus der Personenerhebung vom 05.11.2020 ergebe, dass die BF Staatsbürgerin Weißrusslands sei. Das Ereignis, welches dazu geführt habe, dass die Frist nicht gewahrt werden konnte, sei die unzulässige Zustellung gemäß § 25 ZustG gewesen. Für die BF sei es unabwendbar gewesen, weil sie aufgrund des Zustellmangels keine Kenntnis vom Bescheid bzw. der Rechtsmittelfrist erlangten konnte. Da der Zustellmangel in die Sphäre der belangten Behörde falle, sei der BF nicht einmal ein minderer Grad von Versehen vorzuwerfen.

11. Mit Parteiengehör vom 12.10.2021 wurde das BFA dazu befragt, warum der Bescheid vom 25.02.2021 nicht zugestellt wurde, obwohl eine Zustelladresse der Behörde bekannt war und ob nachträglich eine Zustellung an dessen ausgewiesenen Vertreter erfolgte.

12. Zunächst wurde um Fristerstreckung bis 22.10.2021 ersucht, danach jedoch mit Stellungnahme vom 13.10.2021 mitgeteilt, dass es beim Bescheid vom 25.02.2021 um einen Zustellmangel handelte und daher ersucht wird den Bescheid zurückzuverweisen, um einen neuen Bescheid erlassen zu können. Der Bescheid wurde nicht an den amtswegigen Rechtsberater übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Die BF war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, dem 25.02.2021, nicht mehr in Österreich aufhältig und nicht rechtsfreundlich vertreten.

Die BF war zu keinem Zeitpunkt in Österreich behördlich gemeldet.

Das BFA hat die BF weder dazu aufgefordert einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland namhaft zu machen, noch hat sie Ermittlungsschritte gesetzt um die Abgabestelle der BF herauszufinden.

Auf der im Verwaltungsakt einliegenden Strafverfügung der LPD Niederösterreich vom 06.11.2020 ist die Adresse der BF in Belarus angegeben.

Der Bescheid vom 25.02.2021, mit dem gegen die BF eine Rückkehrentscheidung und ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen wurde, wurde der BF nicht ordnungsgemäß zugestellt.

Eine nachträgliche Heilung des Zustellmangels hat nicht stattgefunden.

2. Beweiswürdigung

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes.

Dass die BF im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr in Österreich war, ergibt sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung, dass die BF niemals in Österreich gemeldet war, ergibt sich aus der Einsicht in das zentrale Melderegister.

Die Feststellung, dass die Zustellung des Bescheides vom 25.02.2021 mittels öffentlicher Bekanntmachung nicht rechtswirksam war, ergibt sich einerseits aus der im Verwaltungsakt einliegenden Strafverfügung der LPD Niederösterreich, die die Adresse der BF in Belarus angibt. Das BFA wusste jedenfalls von der Strafverfügung, nannte diese auch als Beweismittel im Bescheid und nahm mehrmals auf diesen Bezug. Andererseits geht aus dem Verwaltungsakt nicht hervor, dass das BFA vor der öffentlichen Bekanntmachung des Bescheides Erhebungen zur Ermittlung der Abgabestelle der BF durchgeführt hat.

Die Feststellung, dass die Zustellung des Bescheides vom 25.02.2021 nicht nachträglich geheilt wurde, ergibt sich aus dem E-Mail-Verkehr zwischen der Rechtsvertretung der BF und dem BFA im Verwaltungsakt. Daraus geht eindeutig hervor, dass dem Rechtsvertreter der BF nur eine Kopie des Bescheides per E-Mail übermittelt wurde.

Die Behörde gab mit Stellungnahme vom 13.10.2021 bekannt, dass keine Zustellung an den Rechtsvertreter erfolgte und ein Zustellmangel vorlag.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG ist das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Spruchpunkt I:

Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, dass eine Frist versäumt wurde. Daher ist zunächst zu prüfen, ob der Bescheid vom 25.02.2021 ordnungsgemäß zugestellt wurde, da nur dann die Beschwerdefrist zu laufen beginnen konnte.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Grundvoraussetzung ist sohin das Versäumen einer verfahrensrechtlichen Frist, deren Ablauf die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen beendet. Die Frist, bezüglich der Wiedereinsetzung erfolgen soll, muss versäumt sein, d. h. dass sie nach den entsprechenden Verfahrensvorschriften begonnen haben und ungenützt verstrichen sein muss (vgl. VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0150; VwGH 3.11.2004, 2004/18/0265; 14.4.2007, 2007/18/0191).

Gemäß § 25 Abs. 1 ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass bei der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als „ultima ratio“ ein eher strenger Maßstab anzulegen ist. Weiters setzt eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat. Für die Erfüllung der Verpflichtung der Behörde iSd § 25 Abs. 1 ZustG die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen – etwa Angehörige, Nachbarn etc. – in Betracht (vgl. VwGH 28.10.2003, 2003/11/0056 mwN).

Gemäß § 7 ZustG gilt die Zustellung, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Die Kenntnis des Vertreters vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Telekopie oder einer Fotokopie stellt kein „tatsächliches Zukommen“ des Bescheides gegenüber dem Vertreter dar. Maßgeblich ist für den Tatbestand des „tatsächlichen Zukommens“, dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. VwGH 16.7.2014, 2013/01/0173; 11.11.2013, 2012/22/0120).

Das BFA stellte den Bescheid über die Rückkehrentscheidung der BF vom 25.02.2021 mittels öffentlicher Bekanntmachung zu, obwohl – wie oben ausgeführt – ihre Abgabestelle in Belarus eindeutig aus der im Verwaltungsakt befindlichen und der Behörde bekannten und leicht zugänglichen Strafverfügung der LPD Niederösterreich hervorgeht. Es lag demnach keine unbekannte Abgabestelle vor und selbst wenn man davon ausgeht, dass dies der Fall war, hat das BFA nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erschöpfung ausgeschöpft. Im Hinblick auf die obzitierte Judikatur war die Zustellung mittels öffentlicher Bekanntmachung nicht zulässig und der Bescheid somit nicht rechtswirksam erlassen.

Eine Heilung der mangelhaften Zustellung hat nicht stattgefunden, da dem Rechtsvertreter der BF nur eine Kopie des Bescheides per E-Mail übermittelt worden ist, was kein tatsächliches Zukommen des Bescheides darstellt.

Der Bescheid vom 25.02.2021 wurde nicht ordnungsgemäß zugestellt und daher ist der Bescheid nicht außenwirksam geworden und damit nicht rechswirksam erlassen worden. Ein der Entscheidung in der Sache selbst entgegenstehendes Hindernis liegt dann vor, wenn sich ein Rechtsmittel gegen einen nicht rechtswirksam erlassenen Bescheid richtet. In diesem Fall fehlt es an einer Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel, da in derartigen Fällen die Zuständigkeit nur so weit reicht, als Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen sind (vgl. VwGH vom 18.06.2008, 2005/11/0171). Daher wurde die Bescheidbeschwerde vom 08.07.2021 gegen den Bescheid vom 25.02.2021 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Grundvoraussetzung ist sohin das Versäumen einer verfahrensrechtlichen Frist, deren Ablauf die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen beendet. Die Frist, bezüglich der Wiedereinsetzung erfolgen soll, muss versäumt sein, d. h. dass sie nach den entsprechenden Verfahrensvorschriften begonnen haben und ungenützt verstrichen sein muss (vgl. VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0150; VwGH 3.11.2004, 2004/18/0265; 14.4.2007, 2007/18/0191).

Im gegenständlichen Fall stützt die Beschwerdeführerin ihr Wiedereinsetzungsbegehren im Ergebnis ausschließlich auf die Behauptung, der Bescheid sei ihr aufgrund eines Zustellungsmangels nicht zugegangen. Mangels wirksamer Zustellung könnte aber eine Säumnis nicht eintreten, da in diesem Fall eine Frist gar nicht zu laufen begonnen hätte. Ein behaupteter – Zustellmangel bildet sohin keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 12, sowie VwGH vom 26.05.2009, 2009/20/0002.

Der Antrag wäre daher zurückzuweisen gewesen und nicht wie von der belangten Behörde abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine weitere Klärung weder notwendig noch zu erwarten ist, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Schlagworte

mangelnder Anknüpfungspunkt rechtliche Beurteilung Voraussetzungen VwGH Wiedereinsetzungsantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W272.2244333.2.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten