Entscheidungsdatum
08.11.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W152 2167610-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , vormals XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2017, Zl. 1071039602-150569413, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2021
A)
beschlossen:
I. Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 7 AVG idgF iVm §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides eingestellt.
zu Recht erkannt:
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis 08.11.2022 erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III und IV des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG idgF ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerdeführerin reiste am 27.05.2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag – unter dem Nationale XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei – einen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, wies mit Bescheid vom 25.07.2017, Zahl: 1071039602-150569413, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei abgewiesen (Spruchpunkt II), wobei weiters ausgesprochen wurde, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Antragstellerin gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).
Gegen den zuletzt genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2017, GZ: W152 2167610-1/3Z, wurde der Beschwerde (hinsichtlich Spruchpunkt V) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 29.09.2021 gab die Beschwerdeführerin nunmehr bekannt, dass ihr Name XXXX und ihr Geburtsdatum der XXXX sei.
Im Rahmen der vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2021 vorgenommenen Verhandlung (hg. OZ 16Z) zog die Vertretung der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zurück.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
Zur Person der Beschwerdeführerin wird festgestellt:
Die strafgerichtlich unbescholtene, ledige, kinder- und vermögenslose Beschwerdeführerin XXXX , geb. XXXX eine Staatsangehörige der Mongolei, lebt nunmehr seit 27.05.2015 – somit seit mehr als 6 Jahren – ohne Unterbrechung im Bundesgebiet, wobei ihrem Aufenthalt (ausschließlich) ihr am 27.05.2015 gestellter Antrag auf internationalen Schutz zu Grunde lag.
Zunächst wurde bei der Beschwerdeführerin am 28.09.2020 ein Cervix-Karzinom (Gebärmutterhalskrebs) – Stadium Figo IIb – diagnostiziert, wobei ausgedehnte Infiltrate durch ein gering differenziertes Plattenepithel-Karzinom, Malignitätsgrad 3, und eine ossäre Metastasierung festgestellt wurden. Hiefür wurde eine Chemotherapie in 6 Zyklen bis Februar 2021 durchgeführt. Im September 2021 wurde bestätigt, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und aufgrund der aktuellen Situation und der Prognose der Erkrankung es nicht möglich ist, vorauszusagen, wie lange die Therapie im Hinblick auf zwei 6 und 8 mm messende Kontrastmittelläsionen in der oberen Kleihirnhemisphäre noch andauern muss. Am 27.09.2021 wurde abermals das Cervix-Karzinom mit Hydronephrose links, ausgeprägter paraortaler Metastasierung und Knochenmetastasen diagnostiziert, wobei nunmehr das Stadium FIGO IVB vermerkt wurde. Aufgrund eines Schädel-MRT vom 20.09.2021 sind nämlich vier neu aufgetretene Metastasen des rechten Frontallappens und des Kleinhirns diagnostiziert worden. Nunmehr wurde die Indikation zur Durchführung der stereotaktischen Radiotherapie gestellt, wobei der erste Bestrahlungstermin für den 05.10.2021 vorgesehen wurde. Zusätzlich erfolgt parallel die Antikörpertherapie mit Pembrolizumab, wobei die nächste Gabe für den 15.10.2021 geplant war. Zuletzt wurde am 29.09.2021 bestätigt, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund einer schweren Erkrankung in Therapie befindet, wobei eine klare medizinische Indikation zur Behandlung besteht und das Aussetzen bzw. das Absetzen der Therapie zu einer massiven Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Beschwerdeführerin sowie einer Prognoseverschlechterung führen.
Es ist davon auszugehen, dass die Fortsetzung einer angemessenen medizinischen Behandlung der schweren Erkrankung der Beschwerdeführerin in der Mongolei vor dem Hintergrund der Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei nicht gewährleistet ist.
Weiters wird hiezu fallspezifisch festgestellt:
Das Cervix-Karzinom ist eine maligne Gebärmutterhals-Erkrankung. Das Cervix-Karzinom ist mit einer Inzidenz von 500.000 Betroffenen die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen, sowie die zweithäufigste gynäkologische maligne Erkrankung.
Hinsichtlich des oben genannten Stadiums Figo IIb bedeutet dies, dass bereits das Parametrium befallen ist (vgl. flexikon.doccheck.com. vom 01.10.2021).
Mit dem Begriff Parametrium bezeichnet man die Bindegewebsstrukturen des Beckenraums, die von der ventralen, dorsalen und lateralen Wand des Gebärmutterhalses zur Harnblase, zum Os sacrum und zur inneren Seitenwand des Beckens ziehen (vg. flexikon.doccheck.com vom 01.10.2021).
Das Stadium FIGO IVB, das die höchste Kategorie darstellt, umfasst bereits Fernmetastasen (vgl. abermals flexikon.doccheck. com vom 01.10.2021).
Zur medizinischen Versorgung in der Mongolei wird festgestellt:
Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen (BMEIA 25.9.2020; vgl. MSZ o.D.) und oft technisch und hygienisch problematisch (AA 24.9.2020; vgl. ÖB 12.2019, LIP 7.2020d). Die medizinische Versorgung in der Mongolei ist laut Gesetz kostenlos (LIP 7.2020b). Vor allem auf dem Land sind die Krankenhäuser oder medizinischen Stützpunkte ungenügend ausgestattet (Medikamente, Apparate, Verbandsmaterial) (LIP 7.2020d; vgl. MSZ o.D.). Das ehemals sozialistische System einer allgemeinen Gesundheitsversorgung wurde nur unzureichend reformiert. Mithilfe internationaler Geber ist die Regierung bemüht, das System zu reformieren (ÖB Peking 12.2019).
Beinahe alle Mongolen haben Zugang zur staatlichen Krankenversicherung (ÖB Peking 12.2019). Alle gesellschaftlichen Gruppen, die von der mongolischen Regierung als „fragil“ eingestuft werden (Kinder bis 16 Jahre, Sekundarschüler bis 18 Jahre, Frauen mit Kindern, Pensionisten etc.) sind sozialversichert. Über 80% der Krankenversicherung war 2010 beitragsfinanziert (ÖB Peking 12.2019; vgl. APO 2013).
Doch da die Mittel bei weitem nicht ausreichen, werden für jede Versorgungsleistung Zahlungen fällig (LIP 7.2020b). Wie die Mongolei medizinische Leistungen rückerstattet, bleibt undurchsichtig (ITA 11.9.2018). Es gibt für Versicherte teilweise hohe Selbstbehalte bei Spitalsaufenthalten und Medikamenten. Grundsätzlich sind die „fragilen Gruppen“ von den Selbstbehalten ausgenommen (ÖB Peking 12.2019; vgl. BIO 16.4.2018, MSZ o.D.). Hinzu kommt, dass das medizinische Personal schlecht entlohnt wird (LIP 7.2020b) und v.a. in Krankenhäusern Korruptionszahlungen häufig notwendig sind, um gewisse Leistungen rascher zu bekommen (ÖB Peking 12.2019; vgl. LIP 7.2020b).
Das Gesundheitssystem besteht aus drei Ebenen und verfolgt das Prinzip, eine gleichberechtigte, zugängliche und qualitative Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen. Primäre Gesundheitsversorgung wird hauptsächlich in Familiengruppenpraxen in der Hauptstadt Ulaanbaatar, in Provinzzentren oder in den Provinzen selbst in Bezirks- („soum“) oder übergreifenden Bezirkskliniken angeboten, sekundäre Versorgung in den allgemeinen Bezirkskrankenhäusern in Ulaanbaatar oder den Provinzen (Aimags) und privaten Kliniken, tertiäre schließlich in den größeren Spitälern und Spezialzentren in Ulaanbaatar (PP 2018; vgl. APO 2013). Die mongolische Regierung bietet Gesundheitsversorgung auf drei Serviceebenen: primär, sekundär und tertiär. Auf der primären Ebene übernimmt die Regierung 100% der Kosten für ein grundlegendes Dienstleistungspaket für Land- und Stadtbewohner. Auf der Sekundarstufe deckt der Staat 90% ab und die Bürger zahlen eine Zuzahlung von 10%. Im Tertiärbereich zahlen die Bürger eine Zuzahlung von 15%. Private medizinische Dienste, die angeblich ein höheres Maß an Pflege bieten als das staatliche System, sind ebenfalls verfügbar. Landesweit gibt es mehr als 4.000 Gesundheitseinrichtungen, darunter 91 öffentliche Krankenhäuser und mehr als 240 Privatkrankenhäuser, 1.226 Ambulanzen und 1.277 Privatapotheken (ITA 11.9.2018). Laut Statistiken des Ministeriums für Gesundheit und Sport arbeiteten 2011 landesweit 9.400 Ärzte; 28,5 pro 10.000 Einwohner (LIP 7.2020b).
In den letzten Jahren haben in Ulaanbaatar private internationale Kliniken eröffnet (Intermed, SOS, Songdo, GrandMed), die erheblich zur Verbesserung der ambulanten und stationären Versorgung zumindest in der Hauptstadt beigetragen haben (AA 24.9.2020; vgl. ITA 11.9.2018).
Nicht alle westlichen Medikamente - insbesondere Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen - sind in der Mongolei erhältlich (AA 24.9.2020; vgl. ITA 11.9.2018, MZS o.D.). In Ulaanbaatar gibt es neben den fünf staatlichen Krankenhäusern und medizinischen Zentren sechs Stadtbezirkskrankenhäuser sowie eine Reihe von internationalen Kliniken und Krankenhäusern mit modernstem Standard (LIP 7.2020d). In Ulan Bator kostet ein Tag im Krankenhaus, einschließlich Standardverfahren, durchschnittlich USD 50-70 (MZS o.D.). Ohne entsprechende Versicherung werden die Kosten für eine Behandlung unmittelbar fällig (LIP 7.2020d; vgl. MZS o.D.). Die Verwaltung des Sozialversicherungsfonds gilt als sehr korruptionsanfällig (Bertelsmann 29.4.2020).
Das Netz der medizinischen Notfallversorgung ist auf dem Lande besonders dünn, weshalb auch leichtere Verletzungen oder Unfallfolgen zu großen Komplikationen führen können (AA 24.9.2020). Die geringe Bevölkerungsdichte stellt den Staat vor große Herausforderungen bezüglich Unterhalt der Infrastruktur und der Verfügbarmachung von grundlegenden Gesundheitsleistungen, insbesondere für die 25% der Bevölkerung, die von der nomadischen Weidewirtschaft leben (Bertelsmann 29.4.2020).
Die schlechte Qualität der Gesundheitseinrichtungen in ländlichen und abgelegenen Gebieten führt trotz Verbesserungen in letzter Zeit dazu, dass die Bevölkerung teure Anfahrtswege zu den Bezirkszentren und in die Hauptstadt in Kauf nehmen muss, um qualitätsvolle und spezialisierte Behandlungen zu erhalten (Bertelsmann 29.4.2020). Bürger mit hohem Einkommen und einige Bürger mit mittlerem Einkommen suchen im Ausland medizinische Behandlung sowohl für Wahl- als auch für Notfallbehandlungen, hauptsächlich in Südkorea, Thailand und China (ITA 2018).
Die Mongolei ist seit dem 9. Januar 2020 mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 konfrontiert. Im Land wurden sehr schnell strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen (LIP 7.2020d). Kaum ein anderes Land hat so früh und so diszipliniert auf die Bedrohung reagiert wie die wirtschaftlich fast völlig von China abhängige Mongolei (DS 5.6.2020).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (24.9.2020): Mongolei: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/mongoleisicherheit/222842, Zugriff 25.9.2020
- APO – Asia Pacific Observatory on Health Systems and Policies (2013): Mongolia Health System Review, http://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/207531/9789290616092_eng.pdf?sequence=1 , Zugriff 25.9.2020
- Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Mongolia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029517/country_report_2020_MNG.pdf, Zugriff 22.9.2020
- BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (25.9.2020): Mongolei (unverändert gültig seit 9.5.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/mongolei/, Zugriff 25.9.2020
- BIO - Belgian Immigration Office (16.4.2018): Question & Answer, BDA-20180214-MN-6752
- DS – Der Standard (5.6.2020): Warum die Mongolei inmitten der Corona-Krise Schafe nach China schickte, https://www.derstandard.at/story/2000117887198/warum-die-mongolei-inmitten-der-corona-krise-schafe-nach-china, Zugriff 25.9.2020
- ITA – International Trade Administration (11.9.2018): Healthcare Resource Guide: Mongolia, https://2016.export.gov/industry/health/healthcareresourceguide/eg_main_116240.asp#targetText=Mongolia%20has%20over%204%2C005%20health,clinics%2C%20and%201%2C277%20private%20pharmacies., Zugriff 25.9.2020
- LIP – LIPortal, Das Länderinformationsportal (7.2020b): Mongolei, Ethnizität und Soziales, https://www.liportal.de/mongolei/gesellschaft/, Zugriff 22.9.2020
- LIP – LIPortal, Das Länderinformationsportal (7.2020d): Mongolei, Alltag, https://www.liportal.de/mongolei/ueberblick/#c57158, Zugriff 25.9.2020
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych (o.D.): Powrot Mongolia, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/mongolia, Zugriff 5.10.2020
- ÖB Peking (12.2019): Asylländerbericht 2019 Mongolei
- PP – Pacific Prime (2018): Mongolia Health Insurance, https://www.pacificprime.com/country/asia/mongolia-health-insurance-pacific-prime-international/, Zugriff 25.9.2020
Die obigen Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Mongolei vom 20.10.2020.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2021.
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihrem im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstatteten glaubwürdigen Vorbringen, dem (auch im Original vorgelegten) mongolischen Personalausweis („Citizen Identity Land of Mongolia“) der Beschwerdeführerin, der auf das nunmehr relevierte Nationale XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, ausgestellt ist, einer (ebenfalls auch im Original vorgelegten) Geburtsurkunde einschließlich Übersetzung und – entscheidungswesentlich – aus einer Vielzahl von ärztlichen Bestätigungen, wobei insbesondere auf den (vorläufigen) Transferbrief des Krankenhauses der Stadt XXXX vom 28.09.2020, ein Schreiben des Landeskrankenhauses (LKH) XXXX vom 14.09.2021, den vom LKH XXXX erstellten MRT-Befund vom 20.09.2021, den Arztbrief/Konsiliarbefund vom 27.09.2021 des LKH XXXX und zuletzt auf die ärztliche Bestätigung des LKH XXXX vom 29.09.2021, worin auf die klare medizinische Indikation zur Behandlung hingewiesen wird, wobei das Aussetzen bzw. das Absetzen der Therapie zu einer massiven Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Beschwerdeführerin sowie zu einer Prognoseverschlechterung führen, hingewiesen wird, und schließlich aus Einsichtnahmen in das Strafregister (SA). Die Feststellung, dass davon auszugehen ist, dass die Fortsetzung einer angemessenen medizinischen Behandlung der schweren Erkrankung der Beschwerdeführerin in der Mongolei nicht gewährleistet ist, ergibt sich aus den Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei, wobei angesichts der Schwere der Erkrankung der Beschwerdeführerin einerseits vorausgeschickt wird, dass die medizinische Versorgung mit Europa nicht zu vergleichen und oft technisch und hygienisch problematisch ist. Weiters reichen andererseits die Mittel bei weitem nicht aus, und es werden für jede Versorgungsleistung Zahlungen fällig. Es gibt für Versicherte teilweise hohe Selbstbehalte bei Spitalsaufenthalten und Medikamenten. Es sollen zwar „fragile Gruppen“ (Kinder bis 16 Jahre, Sekundarschüler bis 18 Jahre, Frauen mit Kindern, Pensionisten, etc.) von den Selbstbehalten ausgenommen sein, wobei eine XXXX -jährige kinderlose Frau – wie die Beschwerdeführerin – von der diesbezüglich angeführten Begriffsdefinition jedoch nicht erfasst wird. Schließlich wird in den Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei noch ausgeführt, dass v.a. in Krankenhäusern Korruptionszahlungen häufig notwendig sind, um gewisse Leistungen rascher zu bekommen. Angesichts der Vermögenslosigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer weit fortgeschrittenen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankung besteht daher das reale Risiko, dass mangels Fortsetzung einer angemessenen medizinischen Behandlung in der Mongolei die Beschwerdeführerin einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt wäre, die zu intensivem Leiden und zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Die Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten (Herkunftsstaaten-Verordnung) führt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu einer gesetzlichen Vermutung, die nicht – durch ein entsprechendes Vorbringen des Fremden – widerlegbar wäre (siehe auch die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und die Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei, die auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation beruhen, reicht die Aufnahme der Mongolei in die Liste sicherer Herkunftsstaaten nicht aus, um die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei im gegenständlichen Fall auszuschließen.
Die weiteren fallspezifischen Feststellungen und die Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei ergeben sich aus den hiebei angeführten Quellen.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu Spruchpunkt A):
I.)
Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht am Ende jenes Verfahrens, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl. [2018] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Ein beim Verwaltungsgericht anhängiges Beschwerdeverfahren ist mit Beschluss einzustellen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wird (z.B. VwGH 29.04.2015,
Fr 2014/20/0047).
Da die Vertretung der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zurückgezogen hat, ist dieser rechtskräftig geworden und das diesbezügliche Verfahren gemäß § 13 Abs. 7 AVG iVm §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen.
II.)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.06.1994, 94/18/0295), und eine drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein, das heißt, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, 93/18/0289).
Gemäß § 1 Z 3 der Herkunftsstaaten-Verordnung gilt die Mongolei (mit Inkrafttreten der entsprechenden Fassung BGBI. II 47/2016 am 17.02.2016) als sicherer Herkunftsstaat.
Auch die Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten führt nicht zu einer gesetzlichen Vermutung, die nicht – durch ein entsprechendes Vorbringen des Fremden – widerlegbar wäre (vgl. z.B. VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0203).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und die Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei, die auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Mongolei beruhen, reicht die Aufnahme der Mongolei in die Liste sicherer Herkunftsstaaten nicht aus, um die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Fall auszuschließen.
Eine schwerkranke Person – wie die Beschwerdeführerin – wäre nämlich mit einem realen Risiko konfrontiert, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder jedenfalls des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung, einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 08.06.2021, Ra 2019/19/0474, und VwGH 21.02.2017, Ra 2017/18/0008, 0009, jeweils unter Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).
Rechtlich folgt daher aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird. Die Umstände, dass die Beschwerdeführerin einerseits an einer schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankung, nämlich an Gebärmutterhalskrebs mit Knochenmetastasen und nunmehr auch Metastasen im Gehirn – somit im Stadium der höchsten Kategorie – leidet und sich derzeit in mehrfacher Therapie befindet, wobei das Aussetzen bzw. Absetzen der Therapie zu einer massiven Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Beschwerdeführerin sowie zu einer Prognoseverschlechterung führen, und anderseits angesichts der Feststellungen zur medizinischen Versorgung in der Mongolei davon auszugehen ist, dass die Fortsetzung einer angemessenen medizinischen Behandlung der vermögenslosen Beschwerdeführerin in der Mongolei nicht gewährleistet ist, lassen die Beschwerdeführerin angesichts einer allfälligen Verbringung in die Mongolei im erheblichen Maße iSd Art. 3 EMRK – insbesondere im Hinblick auf eine unmenschliche Behandlung – gefährdet erscheinen.
Somit ist die Beschwerdeführerin im Falle der Verbringung in die Mongolei der Verletzung des Art. 3 EMRK ausgesetzt.
Daher wird der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei zuerkannt.
III.)
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Daher wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.
IV.)
Im Hinblick auf Spruchpunkt A) II. der gegenständlichen Entscheidung waren die Spruchpunkte III und IV des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Hiebei wird einerseits auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf die Eindeutigkeit der Rechtslage und andererseits darauf verwiesen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war.
Die Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung war iSd § 12 Abs. 1 BFA-VG idgF entbehrlich.
Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung individuelle Verhältnisse mangelnder Anknüpfungspunkt Menschenrechtsverletzungen politischer Charakter Spruchpunkt - Zurückziehung subsidiäre Schutzgründe subsidiärer Schutz Voraussetzungen Wegfall der Gründe wirtschaftliche SituationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W152.2167610.1.00Im RIS seit
14.01.2022Zuletzt aktualisiert am
14.01.2022