Entscheidungsdatum
08.11.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W108 2185311-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.01.2018, Zl. 1000957205-160465151/BMI-BFA_WIEN_AST_05, wegen insbesondere § 3 AsylG nach mündlicher Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:
1. Die Beschwerdeführerin ist eine iranische Staatsangehörige. Verfahrensgegenständlich ist deren Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) vom 01.04.2016.
Bei der Erstbefragung am 01.04.2016 gab sie hierzu: Sie sei von ihrem Wohnort XXXX aus mit dem Flugzeug legal nach Österreich gekommen, um zu studieren. Erstmals sei sie am 28.07.2014 in das österreichische Bundesgebiet gelangt, in der Folge sei sie mehrmals wieder zum Zwecke eines Familienbesuchs zurück in den Iran gereist. Bei ihrer letzten Reise aus dem Iran sei sie von den iranischen Behörden am Flughafen angehalten worden, wo man sie aufgefordert habe, in XXXX als Spionin für den Iran zu arbeiten und Informationen über konvertierte Iraner in Österreich weiterzugeben. Aus Angst um ihr Leben habe sie zugesagt, als Spionin zu arbeiten. Sie habe ihre Fingerabdrücke als Unterschrift unter ein Schriftstück mit ihr unbekanntem Inhalt gegeben und den iranischen Behörden verschwiegen, dass sie selbst zum Christentum konvertiert sei. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte sie festgenommen und getötet zu werden.
2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (der belangten Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 21.11.2017 brachte die Beschwerdeführerin mehrere Urkunden in Vorlage, darunter ihre Geburtsurkunde, ihren Führerschein, ihren Studierendenausweis der Universität XXXX , ihr Maturazeugnis und Zeugnisse einer iranischen Universität sowie das Zeugnis über ihre Taufe am 27.12.2016 in der iranischen christlichen Gemeinde in der Evangeliumsgemeinde in XXXX , ausgestellt von XXXX Mitglied im Leitungsteam der Evangeliumsgemeinde (im Folgenden C.).
Sie brachte vor, sie sei mit einem Visum für Studierende, das sie im Juni 2014 beantragt habe, nach Österreich gereist. Sie sei zum Studium zugelassen, aktuell befinde sie sich im ersten Semester. Sie sei am 26.03.2015 und 20.03.2016 in den Iran zurückgereist, um ihre Familie zu besuchen. Sie habe vor ihrer Ausreise in einem Haus in XXXX gelebt, das im Eigentum ihrer Familie stehe. Dort wohnten noch ihre Eltern und ihre Geschwister. Mit ihrer Familie habe sie regelmäßig Kontakt über Skype oder IMO. Ansonsten habe sie noch Angehörige, die teilweise im Iran und in Amerika wohnten.
Sie sei ledig, habe aber einen Freund, XXXX , der im XXXX wohnhaft sei. Sie habe ihn eine Woche nach ihrer Ankunft in Österreich im Studentenheim kennengelernt. Sie wohnten getrennt, da er in einer sehr kleinen Wohnung lebe.
Bei ihrer letzten Ausreise aus dem Iran sei sie am Flughafen angehalten und in einen Raum gebracht worden, wo sie zu ihrem Aufenthalt und ihrer Tätigkeit in Österreich befragt worden sei. Sie sei eindringlich nach Personen gefragt worden, zu denen sie in Österreich Kontakt hätte, die ihre Religion gewechselt hätten. Anschließend sei verlangt worden, dass sie als Spionin in Österreich arbeiten und Informationen an die iranische Regierung weitergeben solle. Aus Angst habe sie sich dazu schriftlich bereiterklärt, woraufhin sie aus der Befragung entlassen worden sei. Sie sei angewiesen worden, mit niemanden darüber zu sprechen. Sie habe große Angst, da sie selbst zum Christentum konvertiert sei und in Österreich in die Kirche gehe. Ihr Freund habe ihr gesagt, sie solle in Österreich Asyl beantragen und der österreichischen Regierung alles erzählen, was sie auch getan habe. Da die iranischen Behörden ihre Adresse und Telefonnummer in Österreich hätten, habe sie Angst, nach Hause zu gehen. Zunächst habe sie in der Wohnung ihres Freundes gelebt, dann habe sie eine neue Wohnung bezogen. Ihre Telefonnummer habe sie behalten, um allfällige Kontaktaufnahmen der iranischen Behörden als Beweismittel vorlegen zu können. Etwa fünf bis sechs Monate später, im September 2016, hätten die iranischen Behörden, Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes, bei ihren Eltern im Iran angerufen und sie befragt, was ihre Tochter in Österreich mache und wann sie wieder zurückkehren würde.
Zur Konversion zum Christentum hätte sie sich im Dezember 2015 entschlossen. Hier in Österreich hätte sie über ihren Freund das Christentum kennengelernt. Davor hätte sie einen Glauben an Gott gehabt, aber keine Religion. Sie glaube nicht an den Islam, den sie durch die iranische Gesellschaft kennengelernt habe. Sie hätte immer geglaubt, dass alle Religionen wie der Islam seien, dass man nur gezwungenermaßen an eine Religion glaube. Das Christentum und auf welche Art die Menschen das christliche Leben führten, habe ihr Interesse geweckt, weil sie gesehen hätte, dass ihr Freund ein ruhiges und gutes Leben lebe und mit Rückschlägen gut umgehen könne. Er habe gesagt, sie solle auch die Bibel lesen und sie würde es selbst erfahren. Sie habe Predigten anhören wollen und sei daher mit ihrem Freund in eine Kirche gegangen, wo man auf Farsi beten könne. Von der Kirche, die sie damals zum ersten Mal besucht habe, habe sie auch den Taufschein bekommen. Es habe sie sehr berührt, was gesagt worden sei, und begeistert, dass sich Jesus Christus wegen ihrer Sünden geopfert habe. Im Anschluss sei sie auf eine Feier gegangen, wo sie das Gefühl gehabt habe, Gott kennengelernt zu haben. Sie habe sich am 27.12.2016 in der Kirche, die sie weiterhin besuche, taufen lassen, weil dies bedeute, dass man von seinen Sünden befreit werde. Sie wolle das Gefühl haben, ein neuer Mensch zu werden und neugeboren zu sein. Sie habe schätzungsweise ab Oktober 2016 einen Taufvorbereitungskurs besucht, der wöchentlich für etwa zwei bis drei Monate stattgefunden habe. Sie habe auch etwas in der Bibel gelesen. Im Iran habe sie noch nichts über das Christentum gewusst, da sie nichts darüber gelernt habe und keine Fragen habe stellen dürfen. In ihrer Heimat müssten alle religiös erzogen werden und sie sei gezwungen worden, den Islam zu lernen. Ihre Familie sei auch religiös, sie selbst habe aber nie daran geglaubt oder Interesse gehabt. In Österreich besuche sie eine protestantische Kirche und auch eine katholische Kirche. Die protestantische Kirche besuche sie seit 15.02.2016, an dem Tag habe sie den Pastor kennengelernt und mit ihm gesprochen. Sie gehe immer freitags in die Kirche, da sie unter der Woche die Universität besuche. Sonntags gehe sie in eine Kirche in der Nähe ihrer Wohnung. Sie hätte zwar die Situation im Iran für Konvertiten gekannt, habe jedoch nicht gedacht, dass jemand im Iran davon erfahren würde, dass sie in Österreich den christlichen Glauben praktiziere. Ihre Angehörigen im Iran wüssten über ihren Asylantrag Bescheid und hätten ihr gesagt, sie solle in Österreich bleiben, da sie bei ihrer Rückkehr nicht mehr die Möglichkeit hätten, sie zu sehen.
Zum Christentum konnte die Beschwerdeführerin folgende Fragen beantworten: Aufsagen des „Vater Unser“ auf Deutsch, die Feiertage Christi Geburt (25.12.), Tod und Auferstehung Christi (kein genaues Datum, in der Nähe des iranischen Neujahrsfestes), Christi Himmelfahrt (40 Tage nach der Auferstehung), Pfingsten (etwa 50 Tage nach der Auferstehung), Nennung der 10 Gebote. Als Unterschiede zwischen Islam und Christentum führte sie an, sie sei im Islam gezwungen worden, zu beten, habe nie daran geglaubt, dass Gott sagen würde, wenn jemand stehle, müsse die Hand abgeschnitten werden und dass er den Menschen so etwas antun würde. Im Christentum gebe es keine Unterschiede zwischen den Menschen, während im Islam der Wert des Menschen davon abhänge, ob er mehr oder weniger Gutes tue. Sie kenne die Bedeutung der Worte „Bibel“ (Gute Nachricht) und „Jesus“ (Der Retter). Jesus sei in Golgota in einer Schlucht in Jerusalem gekreuzigt worden. Die Brüder von Jesus seien Josef, Judas, Jakob, Simon. Maria sei vom Heiligen Geist schwanger geworden. Der Gründer des Protestantismus sei Martin Luther, ein deutscher Priester, etwa 1517.
3. Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität der Beschwerdeführerin fest, dass sie legal im Besitz eines Visums D für Studierende in das Bundesgebiet eingereist sei. Sie leide an keiner lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheit. Die vorgebrachten Fluchtgründe wurden als absolut unglaubwürdig gewertet. Die belangte Behörde ging auch nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich überzeugte Christin sei. Bei deren Konversion handle es sich – so die belangte Behörde - um eine Scheinkonversion und es könne nicht festgestellt werden, dass sie aufgrund ihrer religiösen Gesinnung staatlicher Verfolgung ausgesetzt (gewesen) wäre.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin bezüglich ihrer behaupteten Anhaltung und Befragung durch die iranischen Behörden bei ihrer letzten Ausreise aus dem Iran stets vage und unkonkret gewesen seien. Sie habe weder zur Person des Mannes, der die befragt hätte, noch zur Behörde, für die dieser tätig geworden sei, konkrete Angaben machen können. Zudem hätte sie auch keine Kontaktdaten für die Ablieferung der von ihr gesammelten Informationen bekommen, weshalb die Behörde diese Angaben für unglaubwürdig erachte und daher davon ausgehe, dass weder eine Bedrohung noch eine Verfolgung von Seiten der iranischen Behörden stattfinde bzw. stattgefunden habe. Weiters habe sie nach der Verlängerung ihres Aufenthaltstitels bis zum 30.07.2016 keinen weiteren Antrag gestellt. Daraus schließe die Behörde, dass sie den Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich deshalb gestellt habe, um Zeit für ihr Studium zu gewinnen bzw. einer Abschiebung wegen illegalen Aufenthalts zu entgehen.
In Bezug auf die Konversion der Beschwerdeführerin sei eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Christentum nicht erkennbar, zudem hätten sich Widersprüche zwischen den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung am 01.04.2016 und ihrer Einvernahme vor der Behörde am 21.11.2017 ergeben. Zunächst habe sie angegeben, zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch keinerlei Interesse am Christentum gehabt zu haben, andererseits habe sie vorgebracht, dass sie bereits Ende 2015 den Entschluss zur Konversion gefasst und am 15.02.2016 ein diesbezügliches Gespräch mit einem Priester geführt habe. Auch der zwei- bis dreimonatige Besuch eines Taufvorbereitungskurses könne nach Ansicht der Behörde keine intensive Auseinandersetzung mit der neuen Religion darlegen, die naturgemäß einer Konversion vorangehe. Insgesamt habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich und aus tiefster innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht, mit welcher weitere Dokumente der Universität XXXX , die den Studienerfolg der Beschwerdeführerin bescheinigen sollen, vorgelegt wurden.
In der Beschwerde wurde - nach Wiederholung des Sachverhalts und des Vorbringens im Zuge der Einvernahme bei der belangten Behörde - im Wesentlichen vorgebracht:
Die Beschwerdeführerin sei dem Christentum in Österreich nähergekommen, wo ihr die iranische Kirche durch Pastor C. die Möglichkeit der Taufvorbereitung und Konversion gegeben habe. Sie besuche regelmäßig die Kirche, sowohl im XXXX in der Nähe ihrer Wohnung, sei in Österreich gut integriert, spreche recht gut Deutsch und betreibe bereits als ordentliche Hörerin das Bachelorstudium XXXX mit Erfolg. Sie würde von ihren Eltern aus dem Iran finanziell unterstützt werden und habe noch nie in Österreich staatliche finanzielle Leistungen erhalten. Durch die Geschehnisse sei die Beschwerdeführerin stark traumatisiert, sie habe Suizidgedanken und sich nach einem Psychiater in ihrer Muttersprache erkundigt. Sie hätte keinen Asylantrag gestellt, wenn sie nicht die vorgebrachten Probleme mit den iranischen Behörden gehabt und daher Angst um ihr Leben hätte. Nun könne sie nie wieder zurück in den Iran und ihre Familie nicht mehr sehen.
Die Feststellungen der Behörde seien mangelhaft und entsprächen nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht. Sie habe es bei ihrer Entscheidungsfindung unterlassen, den von der Beschwerdeführerin bereits vorgelegten Taufschein vom 27.12.2016 entsprechend zu würdigen, wobei auch ohne Taufschein die Identifikation mit der Glaubenslehre als wesentlich zu betrachten sei.
5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
6. Im Beschwerdeverfahren wurden u.a. Unterlagen betreffend die Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin und Einkommensteuerbescheide, ein ärztlicher Bericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie über den psychischen Zustand und die medikamentöse Behandlung der Beschwerdeführerin seit April 2016, Bestätigungen über die ehrenamtlichen Tätigkeiten der Beschwerdeführerin sowie eine Fotosammlung dieser, ein Führerschein und Unterlagen zum laufenden Studium der Beschwerdeführerin, eine Teilnahmebestätigung betreffend den Werte- und Orientierungskurs und ein Integrationsmaßnahmenblatt vorgelegt.
Weiter wurde ein Schreiben des Pastors C. vom 01.07.2019 in Vorlage gebracht, aus dem sich im Wesentlichen Folgendes ergibt: Die Beschwerdeführerin nehme seit Februar 2016 an den Veranstaltungen der iranischen christlichen Gemeinde teil, sie besuche beide Einheiten des dortigen Taufunterrichts regelmäßig, am 27.12.2016 sei sie in der dortigen Kirchengemeinde getauft und als ordentliches Mitglied der Gemeinde aufgenommen worden, sie nehme nach der Taufe weiter an den wöchentlichen Veranstaltungen teil, sei ein treues Mitglied der Gemeinde, hilfsbereit, lernbereit und ehrlich, sie beteilige sich gerne am Gemeindeleben, sei sehr gut in der Gemeinde integriert, sie halte manchmal Andachten und Botschaften aus der Bibel in den Veranstaltungen, sie helfe auch bei den Festen und Veranstaltungen im Ordnerteam der Gemeinde mit, sie bekenne sich öffentlich zum Christentum und bezeuge ihren Glauben an Jesus Christus. Seiner Meinung nach sei die Beschwerdeführerin davon überzeugt, dass Jesus Christus ihr Retter sei. Seit Februar 2016 bis jetzt habe er Wachstum in ihrem Glauben und positive Veränderungen in ihrem Verhalten beobachtet.
Mit Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 09.02.2021 legte diese Unterlagen zu ihren Internet- und Social Media Aktivitäten (Screenshot des Instagramprofils der Beschwerdeführerin, Sammlung von Instagram Postings [in deutscher und in persischer Sprache]) vor und führte zu ihrer Konversion und ihren Glaubensaktivitäten aus: Sie sei aus tiefer innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert und ein aktives Mitglied der iranisch christlichen Gemeinde. Als Konvertitin drohe ihr bei einer Rückkehr in den Iran mit verfahrenserheblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung. Sie lebe ihren Glauben offen aus und bekenne sich auch in Form von Beiträgen auf Social Media zum Christentum, wie die beigelegten Instagram-Beiträge zeigten. Die beiden auf Persisch verfassten Beiträge vom 31.10.2020 beinhalteten Bibelzitate, die übersetzt wie folgt lauteten: „Wer mir folgt, wird nicht in der Dunkelheit wandern, sondern das Licht des Lebens haben.“ Johannes 12: 8 (Seite 1); „Für jemanden, der glaubt, ist alles möglich“ Markus 9:23 (Seite 2). Da ihre Profile teilweise öffentlich einsehbar seien und sie auch über ihr Profilbild erkennbar sei, sei davon auszugehen, dass ein größerer Personenkreis – darunter auch im Iran wohnhafte Personen bzw. sogar das iranische Regime – von ihrer Konversion erfahren hätten.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die Beschwerdeführerin persönlich beteiligte.
In der Verhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde angenommene Verfahrensidentität als richtig, weiters wurde (durch Erörterung der Beschwerde und der Ergänzungen hierzu, der Länderberichte zum Iran und durch Einvernahme der Beschwerdeführerin und des Pastors C.) der maßgebliche Sachverhalt u.a. in Bezug auf die Situation für Konvertiten im Iran und die Glaubensüberzeugung und die Glaubensaktivitäten der Beschwerdeführerin erhoben.
Die Beschwerdeführerin gab zu ihrem Glauben und zu ihrem Glaubensleben etwa an, dass sie sich zwar anfangs auch für den Katholizismus interessiert habe, aber bei ihrer protestantischen Freikirche geblieben sei, weil diese besser zu ihrer Person passe und sie sich in ihrer Gemeinde sehr wohlgefühlt habe. Sie könne dort selbstständig in der Bibel lesen und direkt zu Gott beten, ohne Traditionen oder einen Papst, der für sie entscheide. Sie habe sich für die Taufe entschieden, nachdem sie einen Taufvorbereitungskurs besucht, in der Bibel gelesen und sich mit dem Christentum beschäftigt habe. Seitdem habe sie neu beginnen können, ohne Sünden. Sie lebe jetzt im Licht von Jesus Christus und sei voller Liebe. Sie könne sich nicht vorstellen, ihren Glauben zu widerrufen und Jesus Christus zu verleugnen, eher würde sie für ihn sterben. Sie habe begonnen, auf Social Media Bibelzitate zu veröffentlichen, als sie in ihrer Gemeinde zu unterrichten begonnen habe. Sie habe im Internet ebenfalls ihr Wissen und ihre Recherchen weitergeben wollen. Es sei ihre Aufgabe als Christin, das Evangelium zu verkünden. Sie wolle, dass farsisprachige Leser den wahren Gott kennenlernen. Sie sei daraufhin online beschimpft worden. Ihre Angehörigen im Iran seien ihres Wissens nicht wegen der biblischen Inhalte ihrer Beiträge aufgesucht oder wegen ihrer Verpflichtungserklärung zur Spionage für die iranischen Behörden kontaktiert worden.
Hinsichtlich der nach Ansicht der Behörde widersprüchlichen Angaben bei Erstbefragung und Einvernahme hinsichtlich ihres Religionswechsels erläuterte die Beschwerdeführerin, sie habe im Dezember 2015 zum ersten Mal eine Kirche besucht und sich in der Zeit mit dem Christentum beschäftigt, ohne jedoch zunächst die Absicht gehabt zu haben, zu konvertieren. Im Februar 2016 sei sie in die Kirche gegangen und habe an christlichen Kursen teilnehmen wollen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch nicht sicher gewesen, wie sie sich entscheiden würde, ihr Herz sei offen gewesen. Nach ihrer Rückkehr am 03.04.2016 habe ihr Taufvorbereitungskurs begonnen und sie habe in der Zeit entschieden, dass sie Christin werden und sich taufen lassen wolle. Seit etwa 2019 führe sie mit ihrem Freund eine eheähnliche Beziehung. Er sei ebenfalls Christ; er besuche die Kirche nicht regelmäßig, aber wenn, dann besuche er die Kirche der farsisprachigen Gemeinde XXXX . Es handle sich um eine andere Kirche als ihre eigene, da er es ihrer Entscheidung überlassen habe, welche Kirche sie besuche. Sie fühle sich in ihrer Kirche sehr wohl und wolle dort bleiben.
Pastor C. sagte als Zeuge vernommen aus: Er bestätige seine Angaben in seinem Schreiben vom 01.07.2019. Er kenne die Beschwerdeführerin durch ihren regelmäßigen Besuch des Taufunterrichts und anderer Kirchenveranstaltungen und stehe weiterhin mit ihr in Kontakt. Sie komme weiterhin in seine Kirchengemeinde. Sie habe bis 14.03.2020 (erster Lockdown) Teile des Programms bei kirchlichen Veranstaltungen übernommen und sei auf seinen Vorschlag hin als Vortragende im Bibelkurs tätig gewesen. Sie habe ihre Präsentationen stets sehr gut vorbereitet und sei für die Teilnehmer sehr hilfreich gewesen. Die Zusammenfassungen der Texte habe sie bereits vorher angefertigt gehabt. In der Zeit nach dem ersten Lockdown sowie am 12.02.2021 habe die Beschwerdeführerin auch an den Gottesdiensten teilgenommen. Er habe bei ihr von Anfang an eine sehr gute Entwicklung beobachtet, sie habe sich sehr gut engagiert und sei auch in ihrer Persönlichkeit durch den Glauben gewachsen. Sie spreche mit fester Überzeugung über ihren Glauben und die Bibel, präsentiere das auch den anderen Teilnehmern und beantworte Fragen. Sie bringe sich auch bei den Gottesdiensten ein. Bis zu ihrer Taufe am 27.12.2016 habe sie regelmäßig den Taufunterricht besucht, der mehrere Monate gedauert habe und durch Anwesenheitslisten protokolliert worden sei. In dieser Zeit habe sich die Beschwerdeführerin mit dem Christentum und den christlichen Lehren auseinandergesetzt, immer mitgeschrieben und Fragen gestellt. Bei der Taufe habe sie auch ein Bekenntnis vor der Gruppe präsentiert, ein Zeugnis abgegeben und erläutert, wie sie selbst zu dem Glauben gekommen sei. Nach seiner Ansicht habe die Aussage der Beschwerdeführerin etwa ein Jahr nach ihrer Taufe, dass sie sich auch für den Katholizismus interessiere und noch nicht so viel wisse, um sich schon entscheiden zu können, nichts damit zu tun, dass sie zum Zeitpunkt der Taufe keine geistliche Reife gehabt habe, denn die Taufe sei eigentlich der erste Schritt, um sich weiter im Christentum weiterentwickeln zu können, wie es die Beschwerdeführerin gemacht habe. Er sei überzeugt, dass die Beschwerdeführerin einen tiefen christlichen Glauben habe und auch dazu stehe. Sie präsentiere sich öffentlich als gläubige Christin.
8. In der Folge gab die Beschwerdeführerin noch eine Stellungnahme vom 02.03.2021 ab, mit der sie den Bescheid des XXXX , (betreffend Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass sie der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich nicht angehöre; dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das für den Antrag erforderliche Feststellungsinteresse nicht erkennbar sei, da im Zentralen Melderegister in Bezug auf die Beschwerdeführerin längere Zeit kein Religionsbekenntnis eingetragen gewesen sei und diese derzeit als Mitglied einer sonstigen Religion — und jedenfalls nicht als Mitglied der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich — aufscheine) vorlegte und ausführte, sie habe nachweislich im Jahr 2018 Bemühungen unternommen, entgegen ihrer ursprünglichen Religionszugehörigkeit nicht länger als schiitische Muslimin wahrgenommen bzw. öffentlich registriert zu werden. Ihre Ablehnung des Islam beruhe sohin nicht nur auf einer inneren Überzeugung, sondern habe die Beschwerdeführerin diese Überzeugung auch nach außen getragen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:
Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.
Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen.
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert.
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt.
Schiitische Religionsführer welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt. Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ befanden sich 2019 mindestens 109 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion in Haft.
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Situation für Konvertiten/Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“.
Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden auch 2018 und 2019 viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt.
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden „kontrolliert“, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet. Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen, und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet.
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden, bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen.
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen in dem Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt, Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens der Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der „Katholischen Jerusalem Bibel“ in Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis im Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetze noch im Jahr 2015 den „Katechismus der Katholischen Kirche“ in Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen. Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: „...tötet den, der seine Religion wechselt“ und „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende. Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2020 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber – unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden. Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.
Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Anzahl verhafteter Konvertierter
Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Familienangehörige Konvertierter
Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).
Soziale Folgen einer Konversion
Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des „Herasat“ (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des „Herasat“ dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.
Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Rückkehr von Konvertiten
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.
Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.
Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“- Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Menschenrechtslage / Sanktionen
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge. Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).
Rechtsschutz / Justizwesen
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ [divine knowledge] für schuldig befinden.
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt.
Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden. Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen. Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann also der ursprünglich Verletzte auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar. Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden.
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nac