TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/9 W212 2246985-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2021
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Entscheidungsdatum

09.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W212 2246985-1/4E

W212 2246983-1/6E

W212 2246989-1/4E

W212 2246982-1/4E

W212 2246986-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Albanien und vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen die Spruchpunkte II. bis VII. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 30.08.2021, Zahlen: 1.) 750549708-211083176, 2.) 1281923103-211083184, 3.) 1281923005-211083150, 4.) 1281922705-211083141, und 5.) 1281922803-211083133, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, §§ 9, 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Albaniens, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eltern und gesetzliche Vertreter des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers.

Die Beschwerdeführer reisten unter Mitführung ihrer albanischen Reisepässe in das Bundesgebiet ein und stellten am 04.08.2021 Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am gleichen Datum vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurden.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefasst an, er gehöre der Volksgruppe der Albaner an, bekenne sich zum katholischen Glauben, habe im Herkunftsstaat die Matura sowie eine Berufsausbildung zum Elektriker absolviert und sei zuletzt als Turbinenmechaniker tätig gewesen. Seine Eltern und ein Bruder würden in den USA leben, eine Schwester lebe in Albanien. Den Entschluss zur Ausreise habe er vor etwa vier Monaten gefasst, als sein Arzt ihm mitgeteilt hätte, dass es in Albanien keine gute medizinische Versorgung für seinen Sohn geben würde. Der Erstbeschwerdeführer sei am 01.08.2021 gemeinsam mit seiner Familie unter Mitführung seines im Juli 2021 ausgestellten Reisepasses legal aus Albanien ausgereist und über Montenegro, Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt. Zuvor habe er bereits im Jahr 2005 um Asyl in Österreich angesucht, die weiße Karte sei ihm durch die italienische Polizei 2006 oder 2007 im Zuge einer Routinekontrolle abgenommen worden. Im Jahr 2008 sei er in Italien bei Schwarzarbeit betreten und nach Albanien abgeschoben worden. Er habe Österreich bereits vor Abschluss seines Asylverfahrens verlassen, da er hier nicht habe arbeiten dürfen. Nunmehr wolle er in Österreich bleiben, da es hier die beste medizinische Versorgung für seinen Sohn geben würde.

Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer aus, in Albanien sei die wirtschaftliche Lage schlecht. Er arbeite zwar, werde aber schlecht bezahlt und das ganze Leben sei sehr teuer. Sein Sohn habe genetisch bedingte Wachstumsprobleme bezogen auf Knochen und Muskeln, für welche es in Albanien keine Behandlung geben würde. Daher sei er nach Österreich gekommen, um seinem Sohn eine gute Behandlung zukommen zu lassen; um diese zu bezahlen, würden seine Frau und er arbeiten wollen. Von den albanischen Behörden habe er nichts zu befürchten. Mit Ausnahme der fehlenden Behandlung für seinen Sohn habe er keine Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr nach Albanien.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich der Erstbefragung zusammengefasst an, sie sei Angehörige der albanischen Volksgruppe, bekenne sich zum katholischen Glauben, habe acht Jahre eine Grundschule besucht und zuletzt als Näherin in einer Fabrik gearbeitet. Ihre Mutter und eine Schwester würden in Albanien leben, eine weitere Schwester und ein Bruder befänden sich in Italien, ein Bruder lebe in Griechenland. Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte gleichlautende Angaben zu ihrer Ausreise aus Albanien und deren Gründen. Für ihre minderjährigen Kinder würden die gleichen Gründe gelten.

Am 26.08.2021 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils im Beisein eines Dolmetschers für die albanische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefasst an, bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet zu haben; in Albanien habe er immer an der gleichen Anschrift im Ort XXXX in seinem Elternhaus gemeinsam mit seiner Familie und seinen Eltern gelebt. Er habe noch Kontakt zu seiner in Albanien lebenden Mutter und seiner Schwester; sein Vater und sein Bruder würden in Amerika leben. Der Erstbeschwerdeführer habe seinen Lebensunterhalt in Albanien durch Ausübung verschiedener Erwerbstätigkeiten bestritten und habe mit seiner letzten Tätigkeit umgerechnet etwa EUR 580,- im Monat verdient. Seine Asylantragstellung im Jahr 2005 sei aufgrund familiärer Probleme in Albanien erfolgt, welche aktuell nicht mehr vorliegen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe den Abschluss seines Verfahrens in Österreich nicht abgewartet, da er hier nicht habe arbeiten können, um seine Familie zu unterstützen. Aus diesem Grund sei er zu seinem Cousin nach Italien gegangen, von wo aus er im Jahr 2008 nach Albanien zurückgekehrt sei. Der Erstbeschwerdeführer habe in Albanien keine Probleme mit den dortigen Behörden gehabt. Seine Flucht und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz beruhe auf gesundheitlichen Gründen betreffend seinen Sohn. Der Erstbeschwerdeführer wisse nicht genau, welche Diagnose vorliege. Sein Sohn habe Probleme mit dem rechten Bein, die rechte Seite sei weniger entwickelt als die andere. Sein Sohn könne jedoch gehen. Wenn er sich viel bewege, bekomme er Rückenschmerzen. Beim letzten Arztbesuch in Albanien sei ihnen gesagt worden, dass es sich um einen seltenen Fall handeln würde und dass es genetisch bedingt wäre. Im Krankenhaus hätten sie ihnen gesagt, dass sie solche Analysen nicht machen und sie keine Zeit in Albanien verlieren sollten. Die Behandlung in Albanien habe sich auf Röntgenaufnahmen und Physiotherapie beschränkt, Medikamente habe der Minderjährige nicht erhalten. In Österreich erwarte er sich eine bessere Behandlung für seinen Sohn. Mit Ausnahme der Krankheit des Sohnes habe er keine Probleme im Heimatland gehabt, das Problem sei die schwierige wirtschaftliche Lage. Sein Heimatland habe er aus medizinischen Gründen und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage verlassen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab zusammengefasst an, sie habe bisher wahrheitsgemäße Angaben erstattet und habe im Vorfeld der Ausreise etwa acht Jahre gemeinsam mit ihrer Familie im Haus ihrer Schwiegereltern gelebt. Ihre Mutter und ihre Schwester hielten sich nach wie vor in Albanien auf. In Albanien habe sie bis zu ihrer Heirat als Schneiderin und Kinderbetreuerin gearbeitet, danach seien die Kinder gekommen und sie habe nicht mehr gearbeitet. Ihre wirtschaftliche Situation im Heimatland sei schwierig gewesen. Den Entschluss zur Ausreise hätten sie im April dieses Jahres gefasst. Österreich sei ihr Zielland gewesen, da ihr Sohn gesundheitliche Probleme mit der Wirbelsäule und dem Bein habe; die Ärzte in Albanien hätten gesagt, dieser Fall komme nur selten vor. Obwohl sie mehrere Ärzte aufgesucht hätten, habe keiner etwas machen können. Die Ärzte hätten gemeint, sie sollten ins Ausland gehen. Sie habe in Albanien keine Probleme mit den dortigen Behörden gehabt, die Ausreise und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich sei nur wegen ihres Sohnes erfolgt. Die genaue Diagnose kenne sie nicht; ein Bein sei kürzer als das andere. Die Zweitbeschwerdeführerin legte ein handschriftliches Schreiben eines amerikanischen Krankenhauses in Albanien vor, in welchem vermerkt sei, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer an Skoliose leide. In Albanien sei ihr Sohn mit Physiotherapie behandelt worden, diese sei jedoch sehr teuer gewesen (umgerechnet EUR 20 bis 25). Medikamente habe er keine erhalten, nur Vitamine. Die Ärzte hätten ihnen geraten, ins Ausland zu gehen, um eine genetische Analyse zu machen, welche in Albanien nicht durchgeführt werde. Dies sei ihnen von einem Kinderarzt gesagt worden, welchen sie einmal aufgesucht hätten, und der gemeint hätte, dass er einen solchen Fall noch nie gesehen hätte. Sie hätten dann einen weiteren Arzt aufgesucht, welcher ihnen geraten hätte, die Behandlung im Ausland durchzuführen. Medizinische Befunde hätten sie nicht erhalten. Danach hätten sie sich entschlossen, nach Österreich zu reisen. Von der Behandlung in Österreich erwarte sie sich, dass ihr Sohn wieder gesund werde; sie wisse nicht, was der Arzt sagen werde. Ihr Sohn werde ab 1. September Schuheinlagen tragen. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht. Ihre beiden anderen Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe, diese seien gesund. Sie seien nur wegen des ältesten Sohnes hier.

Die Zweitbeschwerdeführerin legte insbesondere einen österreichischen Ambulanzbefund vom 25.08.2021 betreffend den minderjährigen Drittbeschwerdeführer vor, welchem sich die Diagnose einer Beinlängendifferenz rechts von 3,5 cm entnehmen lässt. Empfohlen wurde eine Verordnung für einen Ausgleich sowie eine Vorstellung im orthopädischen Spital XXXX (Kinderorthopädie) wegen der weiteren Therapie.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Albanien (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Albanien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.). Einer Beschwerde über diese Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte VI.) und es wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht bestehe (Spruchpunkte VII.).

Im Rahmen der Entscheidungsbegründung wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Albanien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung ausgesetzt wären. Diese hätten ihren Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund der gesundheitlichen Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und dem Wunsch nach einer kostenlosen, besseren medizinischen Betreuung für diesen verlassen. Den Beschwerdeführern sei es nicht möglich gewesen, anzugeben, an welcher Krankheit der Minderjährige konkret leiden würde. Der Drittbeschwerdeführer werde bei einer Rückkehr neuerlich im albanischen Gesundheitssystem behandelt werden können, zumal er bereits vor der Ausreise in fachärztlicher Behandlung gestanden sei und Physiotherapie erhalten hätte. Seine Erkrankung stünde einer Rückkehr nach Albanien demnach nicht entgegen. Die Beschwerdeführer würden in Albanien über soziale Anknüpfungspunkte verfügen und deshalb nach einer Rückkehr Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeiten vorfinden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Familie bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werden würde. Auch sonst hätten sich, auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie, keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes ergeben.

Die Beschwerdeführer hätten in Österreich keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bindungen, die volljährigen Beschwerdeführer gingen keiner Beschäftigung nach, die Familie bestreite ihren Lebensunterhalt durch den Bezug von Grundversorgung und habe keine Integrationsverfestigung erlangt. Da auch keine Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 vorliegen würden, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.

Da die Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen würden und für die Behörde feststünde, dass diese im Fall einer Rückkehr keiner realen Gefahr einer Menschenrechtsverletzung unterliegen, sei das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung höher zu gewichten als das Interesse der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens. Es sei daher einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen.

Jene Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 06.09.2021 zugestellt.

3. Gegen die Spruchpunkte II. bis VII. der dargestellten Bescheide brachten die Beschwerdeführer durch ihre nunmehr bevollmächtigte Vertretung mit am 24.09.2021 bei der belangten Behörde eingelangtem, für alle Familienmitglieder gleichlautendem, Schriftsatz die verfahrensgegenständliche Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen würden sich nicht ausreichend mit dem individuellen Vorbringen der Beschwerdeführer – der Behandlung von Skoliose, Beckenschiefstand und genetischen Defekten – befassen. So werde insbesondere nicht darauf eingegangen, ob in Albanien genetische Untersuchungen möglich seien; oftmals liege die Ursache einer kindlichen Skoliose in einem genetisch bedingten Manganmangel, sodass es im Fall des minderjährigen Drittbeschwerdeführers nötig gewesen wäre, die Möglichkeit der Identifizierung des Gens SLC39A8 zu ermitteln. Desweiteren habe das Bundesamt keine ausreichenden Ermittlungen zur Erkrankung und notwendigen Therapie des minderjährigen Drittbeschwerdeführers angestellt, sondern sei ohne weitere Nachforschungen von einer „Skoliose“ ausgegangen. Der Minderjährige benötige jedoch weitere Untersuchungen durch einen Spezialisten. Hätte die Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführer entsprechend gewürdigt, hätte sie zum Schluss kommen müssen, dass der Drittbeschwerdeführer in Albanien die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen nicht erhalten könne. Entgegen der Ansicht der Behörde könne bei einer Rückkehr nach Albanien eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 nicht ausgeschlossen werden. Mangels tragfähiger Feststellungen zur Art der Erkrankung des Drittbeschwerdeführers und des Vorhandenseins genetischer Untersuchungen in Albanien sei auch die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK nicht mängelfrei durchgeführt worden. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer habe sich beim Spielen den Arm gebrochen, weshalb er aktuell einen Spaltgips tragen müsse; es sei ein Metallimplantat eingesetzt worden und es seien regelmäßige Untersuchungen nötig. Für diesen sei es daher nötig, bis zum Abschluss der Therapie bzw. Nachuntersuchungen in Österreich zu bleiben, welche voraussichtlich Ende des Jahres abgeschlossen sein werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 04.10.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer führen die im Spruch ersichtlichen Personalien, sind Staatsangehöriger Albaniens, Angehörige der albanischen Volksgruppe und bekennen sich zum katholischen Christentum. Ihre Identität steht fest. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eltern und gesetzliche Vertreter des im Jahr 2013 geborenen Drittbeschwerdeführers, der im Jahr 2014 geborenen Viertbeschwerdeführerin und des im Jahr 2016 geborenen Fünftbeschwerdeführers.

Die Familie reiste Anfang August 2021 unter Mitführung ihrer biometrischen Reisepässe legal aus ihrem Herkunftsstaat aus und gelangte auf dem Landweg nach Österreich, wo sie am 04.08.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seither halten sich die Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der Erstbeschwerdeführer hatte bereits im Jahr 2005 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Er wartete den Ausgang seines Verfahrens nicht ab, sondern reiste ohne Meldung nach Italien weiter, von wo er im Jahr 2008 infolge eines Aufgriffs bei der Verrichtung von Schwarzarbeit in den Herkunftsstaat Albanien abgeschoben wurde.

1.2. Die Beschwerdeführer haben den Herkunftsstaat verlassen, um in Österreich bessere wirtschaftliche Lebensbedingungen sowie eine kostenfreie und qualitativ hochwertige medizinische Untersuchung sowie Behandlung für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer vorzufinden. Die Beschwerdeführer waren im Herkunftsstaat keinen Problemen mit staatlichen Stellen oder sonstigen Akteuren ausgesetzt. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nannten in Bezug auf ihre eigenen Personen sowie die minderjährige Viertbeschwerdeführerin und den minderjährigen Fünftbeschwerdeführer keine individuellen Ausreisegründe oder Rückkehrbefürchtungen.

1.3. Es kann jeweils nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden, welche im Fall einer Rückkehr nach Albanien keiner adäquaten Behandlung zugänglich wäre. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, die minderjährige Viertbeschwerdeführerin und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer sind gesund und benötigen keine medizinische Behandlung.

Beim minderjährigen Drittbeschwerdeführer besteht eine Beinlängendifferenz von 3,5 cm sowie ein kompensatorischer Beckenschiefstand rechts und eine kompensatorische Skoliose (Anm.: dreidimensionale Deformierung der Wirbelsäule, welche zu einer mehr oder weniger deutlich sichtbaren Fehlhaltung führt).

Dieser leidet bei längerer Bewegung fallweise an Rückenschmerzen, weitere gesundheitliche Beschwerden oder Einschränkungen des Minderjährigen wurden von seinen gesetzlichen Vertretern nicht vorgebracht. In Österreich wurden diesem ausgleichende Schuheinlagen verordnet und er wurde an die Kinderabteilung eines orthopädischen Spitals hinsichtlich eines weiteren Therapievorschlages überwiesen.

Der minderjährige Drittbeschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung, welche im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine maßgebliche Verschlechterung erfahren würde oder für ihn mit intensivem Leiden verbunden wäre.

In Albanien besteht eine ausreichende medizinische Grundversorgung und es liegen Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen im orthopädischen Bereich vor. Die Beschwerdeführer haben nicht vorgebracht, dass dem minderjährigen Drittbeschwerdeführer eine benötigte Behandlung im Herkunftsstaat in der Vergangenheit verweigert worden wäre oder individuell nicht zugänglich gewesen wäre. Diesem war es möglich, im Vorfeld der Ausreise verschiedene Fachärzte in Albanien aufzusuchen und er erhielt eine physiotherapeutische Behandlung sowie Vitaminpräparate. Die Beschwerdeführer haben nicht vorgebracht, welche Auswirkungen die Durchführung der ihren Angaben zufolge in Albanien nicht durchführbaren genetischen Untersuchung, ob die kindliche Skoliose auf genetische Ursachen zurückzuführen wäre, auf den Krankheitsverlauf des Minderjährigen haben könnte. Es wurde auch darüber hinaus nicht vorgebracht, welche konkrete Behandlung bzw. Therapie dieser benötigt, welche ihm Heimatland nicht zugänglich sein würde.

Am 10.09.2021 hat sich der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Bundesgebiet bei einem Unfall im privaten Bereich den Arm gebrochen. Er wurde in eine Krankenanstalt aufgenommen, wo eine Operation mit gedeckter Reposition und Stabilisierung mittels Bohrdrahts erfolgte. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos, sodass der Minderjährige am nächsten Tag, einen Oberarmspaltgips tragend, entlassen werden konnte. Als weitere Maßnahmen wurden Schonung und Kühlung empfohlen. Eine Nachbehandlung der Fraktur ist in Albanien im Rahmen des allgemeinen Gesundheitssystems möglich.

Der minderjährige Drittbeschwerdeführer befand sich zuletzt in keinem lebensbedrohlichen Krankheitszustand, durchlief keine lebensnotwenige Behandlung, ist nicht pflegebedürftig und altersgemäß zur selbständigen Bestreitung seines Alltags in der Lage. Er hat nicht begründet dargelegt, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat für ihn mit einer signifikant verkürzten Lebenserwartung oder intensivem Leiden einhergehen würde. Seine Eltern sowie die weiteren in Albanien und anderen Staaten lebenden Verwandten werden ihn nach einer Rückkehr beim neuerlichen Zugang zu einer ärztlichen Behandlung unterstützen und für allenfalls privat zu tragende Behandlungskosten aufkommen können.

Es besteht für die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Albanien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Diese liefen auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführer haben im Vorfeld der Ausreise im Elternhaus des Erstbeschwerdeführers gemeinsam mit seiner Mutter gelebt und waren in der Lage, durch eine Erwerbstätigkeit des Erstbeschwerdeführers für den Lebensunterhalt der Familie aufzukommen.

1.4. Die Beschwerdeführer wohnen im Bundesgebiet gemeinsam in einer Grundversorgungseinrichtung und führen ein Familienleben untereinander. Darüber hinaus haben diese in Österreich keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bindungen. Diese bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die volljährigen Beschwerdeführer gingen bislang keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach, sie sind in keinen Vereinen Mitglied, haben sich keine Deutschkenntnisse angeeignet und keine Kontakte zur hier lebenden Gesellschaft geknüpft. Auch die minderjährigen Beschwerdeführer haben bislang angesichts der erst dreieinhalbmonatigen Aufenthaltsdauer noch keine maßgeblichen Bindungen im Bundesgebiet begründet. Eine Rückkehr in ihr vertrautes Umfeld nach Albanien gemeinsam mit ihren Eltern würde angesichts der erst kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und der noch nicht erfolgten sprachlichen, schulischen und sozialen Integration dem Kindeswohl der minderjährigen Beschwerdeführer entsprechen. Den minderjährigen Beschwerdeführern wäre es in Albanien möglich, am Schulunterricht in ihrer Muttersprache teilzunehmen und regelmäßige persönliche Kontakte zu ihren in Albanien lebenden Verwandten und Schulfreunden wiederaufzunehmen.

Die Beschwerdeführer haben nach wie vor enge Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat, in welchem sie bis August 2021 im Familienverband gelebt haben. Die Beschwerdeführer sind in Albanien aufgewachsen, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben dort eine Schulbildung absolviert. Der Erstbeschwerdeführer hat die Matura sowie eine Berufsausbildung absolviert und war durch die Ausübung unterschiedlicher Erwerbstätigkeiten zur Bestreitung des Lebensunterhalts seiner Familie in der Lage. Die Zweitbeschwerdeführerin war bis zu ihrer Eheschließung als Schneiderin und Kinderbetreuerin erwerbstätig. Sowohl dem Erstbeschwerdeführer als auch der Zweitbeschwerdeführerin ist die neuerliche Teilnahme am Erwerbsleben und selbständige Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie sowie allenfalls privat zu tragender Behandlungskosten für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer möglich. Die Familie kann bei einer Rückkehr, wie bereits in der Vergangenheit, im Elternhaus des Erstbeschwerdeführers leben, sodass ihnen eine Unterkunft unmittelbar zur Verfügung steht. Zusätzlich ist es der Familie möglich, auf Unterstützung durch ein verwandtschaftliches Netz zurückzugreifen. In Albanien leben noch die Mutter sowie eine Schwester des Erstbeschwerdeführers sowie die Mutter und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin. Ein Bruder und der Vater des Erstbeschwerdeführers leben in Amerika. Eine Schwester und ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin leben in Italien, ein weiterer Bruder lebt in Griechenland.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Covid-19

Albanien ist weiterhin von COVID-19 betroffen und wird demzufolge als Risikogebiet eingestuft, auch wenn die Infektionszahlen inzwischen deutlich gesunken sind (AA 30.4.2021).

Eine Einreise ist an den offiziellen Grenzübergängen problemlos möglich. Derzeit bestehen keine Einschränkungen im internationalen Flug-, Bus- und Fährverkehr, ebenso wenig wie eine Quarantänepflicht oder die Pflicht zur Vorlage eines negativen PCR-Tests. Auch der öffentliche und private Busverkehr (Stadtbusse, Überlandbusse) in ganz Albanien ist im normalen Betrieb. Sportliche Aktivitäten sind ohne Zuschauer möglich (WKO 23.4.2021; vgl. AA 30.4.2021).

Infolge sich stabilisierender Infektionszahlen wurden inzwischen erste Schritte zur Lockerung der Maßnahmen getroffen. Eine Ausgangssperre gilt nur mehr in der Zeit zwischen 22:00 bis 6:00 Uhr (vorher ab 20:00 Uhr). Wohnungen dürfen in der Nacht lediglich aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen oder zur Abdeckung von Grundbedürfnissen (z. B. Gang zur Apotheke, Krankenhausbesuch) verlassen werden. Restaurants und Bars bleiben während dieser Zeit geschlossen, dürfen aber Lieferdienste anbieten. In der übrigen Zeit haben Restaurants, Bars, Cafés, Hotels und Campingplätze einen eingeschränkten Betrieb mit Hygiene-Auflagen. Museen, Galerien und archäologische Parks, religiöse Einrichtungen und Bildungseinrichtungen sind derzeit geöffnet, Nachtclubs und Diskotheken bleiben geschlossen (WKO 23.4.2021; vgl. AA 30.4.2021). Bei allen Aktivitäten außerhalb der eigenen Wohnung gilt ab dem 11. Lebensjahr die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen Schutzes (AA 30.4.2021).

Die wichtigsten Wirtschaftsbereiche Albaniens sind der Tourismus (der etwa 25% des Bruttoinlandsprodukts ausmacht), der Handel mit Italien und die Überweisungen von albanischen Arbeitern im Ausland. Alle genannten Bereiche haben starke Einbrüche zu verzeichnen (EBRD 2021).

Insgesamt wird die Wirtschaft 2020 voraussichtlich um etwa 7,5 % schrumpfen (gegenüber 2,2 % im Jahr 2019), was die Abhängigkeit von Tourismus und Überweisungen von Auslandsalbanern widerspiegelt (OECD 31.1.2021).

Die Regierung hat zwei Konjunkturpakete im Wert von 2,8 % des BIP verabschiedet. Die Pakete bestehen hauptsächlich aus erhöhten Staatsausgaben, Staatsgarantien und einmaligen Sozialtransfers (EBRD 2021; vgl. EBRD o.D.). Der Staatshaushalt 2021 für den Gesundheitssektor wurde um 23% erhöht, einschließlich einer 40%igen Erhöhung für medizinisches Personal (OECD 31.1.2021). Laut albanischem Finanzministerium sind über 1,35 Mrd. EUR zur Bewältigung der Rezession notwendig, die im Wesentlichen von internationalen Gebern beigesteuert werden sollen (WKO 23.4.2021).

Albanien stützt sich in Bezug auf Impfungen auf die globale COVAX-Initiative (Gavi 15.12.2020). Die Länderinformationen gehen auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese nur insoweit ein, wie sie der Staatendokumentation für asyl- und fremdenrechtliche Verfahren in Österreich relevant erscheinen. Betreffend die aktuelle Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in Albanien empfiehlt die Staatendokumentation, bei Interesse/Bedarf folgende - täglich aktualisierte - Websites zu kontaktieren:

https://www.euro.who.int/en/countries/albania/albania-response-to-covid-19-pandemic (WHO);

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 (John-Hopkins-Universität).

Quellen:
[…]

Sicherheitslage

Die Lage im Land ist ruhig und der Staat genießt das volle Gewaltmonopol auf seinem gesamten Territorium. Es gab einige erfolgreiche Maßnahmen zur weiteren Stärkung der staatlichen Autorität gegen mächtige Mafia- und Verbrechernetzwerke (BTI 2020). Vereinzelt kann es zu gewalttätigen Protesten und Demonstrationen in der Hauptstadt Tirana und anderen Städten kommen, die üblicherweise angekündigt werden (EDA 6.8.2020; vgl. AA 9.4.2021). Das Risiko von Terroranschlägen kann nicht ausgeschlossen werden. Im Grenzgebiet zu Montenegro und Kosovo sind noch Blindgänger und Minen vorhanden (EDA 6.8.2021).

Quellen:

[…]

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht zwar eine unabhängige Justiz vor. Allerdings verhindern politischer Druck, Einschüchterung, weit verbreitete Korruption und beschränkte Ressourcen manchmal, dass die Justiz unabhängig und effizient arbeiten kann (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Die wichtigste Einzelfrage, die über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen entscheidet, ist die Durchführung einer Justizreform (BTI 2020). Gerichtsverhandlungen sind nicht immer öffentlich zugänglich. Sicherheitsbeamte weigern sich häufig, Beobachter zu Anhörungen zuzulassen und rufen routinemäßig den vorsitzenden Richter an, um die Zulassung rückbestätigt zu erhalten. Gerichtliche Anordnungen werden von Behörden fallweise missachtet. Die Gerichtsanhörungen finden oft unter

Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger beigestellt. Das Gesetz bietet den Angeklagten ausreichend Zeit und Möglichkeiten, eine Verteidigung vorzubereiten. Im Allgemeinen werden diese Rechte in der Praxis respektiert, auch wenn die Gerichtsverfahren nicht immer öffentlich sind und der Zugang zu einem Anwalt manchmal problematisch ist (USDOS 30.3.2021).

Die EU-Kommission hat am 2.3.2020 einen Sachstandsbericht über die Fortschritte Albaniens im Bereich der Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Darin werden insbesondere die Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, auch in Bezug auf den Cannabis-Anba und den Handel mit harten Drogen, weiters Erfolge bei der Umsetzung der Justizreform sowie beim Überprüfungsverfahren für Richter und Staatsanwälte dargelegt (EK 2.3.2020).

In diesem Zusammenhang führte die Regierung ein international überwachtes Verfahren zur Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten ein; bei unerklärlichem Reichtum oder Verbindungen zum organisierten Verbrechen wurden diese entlassen. Bis November 2020 waren 45% der überprüften Richter und Staatsanwälte durchgefallen und wurden entlassen, 37% bestanden und 18% traten zurück. Infolgedessen hatte das Verfassungsgericht die meiste Zeit des Jahres nur vier von neun Richtern im Amt und war somit nicht beschlussfähig. Im Dezember fügten das Parlament und der Präsident dem Gericht drei weitere Richter hinzu, so dass es nun mit sieben von neun Richtern beschlussfähig ist. Der Oberste Gerichtshof hatte nur drei von 19 Richtern im Amt. Diese Richter waren nicht beschlussfähig, um Fälle zu entscheiden, haben aber begonnen, den Rückstau an Fällen abzubauen, wofür nur drei Richter erforderlich sind. Die Politisierung bei der Besetzung des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts in der Vergangenheit drohte zeitweise die Unabhängigkeit und Integrität dieser Institutionen zu untergraben (USDOS 30.3.2021). Die strafrechtliche Verfolgung und insbesondere die Verurteilung von Beamten, die Missbräuche begangen hatten, erfolgte sporadisch und uneinheitlich. Beamte, Politiker, Richter und Personen mit mächtigen Geschäftsinteressen waren oft in der Lage, sich der Strafverfolgung zu entziehen (USDOS

30.3.2021). Das Strafgesetzbuch wird kontinuierlich überarbeitet, um westlichen Standards zu entsprechen.

Aufgrund der Schwäche der staatlichen Institutionen werden viele Rechtsverstöße entweder nicht oder nicht in ausreichendem Maße verfolgt. Untersuchungshäftlinge müssen teilweise sehr lange auf ihren Prozess warten. Verfahren können mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Mangelnde Qualifikation und Anfälligkeit der Richter für Korruption können zu rechtsstaatlich zweifelhaften Ergebnissen führen. Im Zuge der Justizreform, insbesondere des Vetting-Prozesses, und der Konditionalität der EU-Annäherung werden genau diese Probleme adressiert und es zeigen sich bereits erste Verbesserungen. Bestandteil der Justizreform sind u.a. auch eine neue Strafprozessordnung und das Jugendstrafrecht. Die von der IRZ, der deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, geführte EU-Rechtsberatungsmission EURALIUS hat gemeinsam mit anderen internationalen und nationalen Experten das Reformpaket erarbeitet und unterstützt Albanien bei der Umsetzung (AA 2.10.2020).

Quellen:
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Folter und unmenschliche Behandlung

Albanien hat die Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Bestrafungen samt Fakultativprotokoll ebenso wie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ratifiziert. Art. 25 der Verfassung verbietet explizit Folter und jedwede grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Nach übereinstimmenden Erkenntnissen nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen wird in Albanien in Polizeigewahrsam und in den Haftanstalten nicht auf staatliche Anweisung gefoltert. Es gibt jedoch immer wieder Fälle von Gewalt und Misshandlungen, insbesondere seitens oder im Verantwortungsbereich der Polizei, vorrangig während sich Personen in Polizeigewahrsam befinden (AA 2.10.2020).

In Albanien findet keine systematische staatliche Repression wegen Rasse, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Nationalität oder politischer Überzeugung statt (AA 2.10.2020).

Verfassung und Gesetze verbieten Folter und unmenschliche Behandlung. Trotzdem werden Verdächtige und Gefangene von Polizei und Gefängniswärtern in manchen Fällen geschlagen und missbraucht, meistens in Polizeistationen. Im Bericht vom September 2019 über seinen letzten Besuch im Jahr 2018 in einer Reihe von Gefängnissen und Haftanstalten des Landes berichtete das Komitee zur Verhütung von Folter des Europarats, dass es eine beträchtliche Anzahl von Vorwürfen über die Misshandlung von Verdächtigen durch Polizeibeamte erhalten hat. Die meisten Vorwürfe betrafen die Anwendung von übermäßiger Gewalt zum Zeitpunkt der Festnahme oder unmittelbar danach. Mehrere Vorwürfe betrafen auch Misshandlungen während des Transports oder der ersten Befragung, offenbar um ein Geständnis zu erzwingen, Informationen zu erhalten oder als Bestrafung. Die angeblichen Misshandlungen bestanden aus Ohrfeigen, Schlägen, Tritten, Schlägen mit einem harten Gegenstand und übermäßig engen Handschellen. Bei der Dienststelle für interne Angelegenheiten und Beschwerden (SIAC) gingen Beschwerden über polizeiliche Misshandlungen und Korruption ein, die zu Untersuchungen von Polizeiaktionen führten. Das Büro des Ombudsmannes, einer unabhängigen, verfassungsmäßigen Einrichtung, die als Wächter über die Regierung dient, berichtete, dass die meisten Fälle von angeblicher physischer oder psychischer Misshandlung im Laufe des Jahres während der Festnahme und des Verhörs auftraten. Straflosigkeit für polizeiliches Fehlverhalten blieb ein Problem, obwohl vermehrt Kamerabeweise zur Dokumentation und Verfolgung polizeilichen Fehlverhaltens eingesetzt wurden. Das SIAC verzeichnete einen Anstieg der Anzahl von Ermittlungen, Strafverfolgungen und Sanktionen gegen Beamte wegen straf- und verwaltungsrechtlicher Verstöße (USDOS 30.3.2021).

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Allgemeine Menschenrechtslage

Die albanische Verfassung vom 21.10.1998 enthält - auf Grundlage der Garantien der Europäischen Konvention für Menschenrechte - in ihren Artikeln 15 bis 58 einen ausführlichen Grundrechtskatalog, der neben persönlichen und politischen auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und Freiheiten enthält. Die Europäische Menschenrechtskonvention sowie das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe wurden von Albanien ratifiziert, ebenso die Mehrzahl der UNÜbereinkommen zu den Menschenrechten (AA 2.10.2020). Albanien hat sich im Mai 2019 dem UPRVerfahren des UN-Menschenrechtsrats unterworfen (OHCHR 2020). In Albanien findet keine systematische staatliche Repression wegen Rasse, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Nationalität oder politischer Überzeugung statt (AA 2.10.2020).

Quellen:


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Todesstrafe

Mit dem Beitritt zum Europarat 1995 verpflichtete sich Albanien, die Todesstrafe abzuschaffen. Das albanische Verfassungsgericht erklärte die Todesstrafe am 10.12.1999 für unvereinbar mit der albanischen Verfassung; eine Ausnahme erkannte es damals für den Kriegsfall an. Die Todesstrafe im Deliktsrecht wurde am 24.1.2001 abgeschafft, die Option der Todesstrafe im Kriegsfall am 30.4.2007 (AA 2.10.2020). Somit ist die Todesstrafe seit 2007 für alle Verbrechen abgeschafft (AI 2021).

Quellen:

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Religionsfreiheit

Die Verfassung schützt die Religionsfreiheit. Sie legt fest, dass es keine Staatsreligion gibt und dass der Staat in Glaubensfragen neutral zu sein hat. Die Verfassung verbietet religiöse Diskriminierung und sieht die Gleichberechtigung und Unabhängigkeit religiöser Gruppen vor; die öffentlichen Schulen sind sekulär ausgerichtet (USDOS 10.6.2020). In Albanien sind folgende Religionsgemeinschaften vertreten (Zensus 2011): Muslimische 56,7%, Römisch-katholische 10%, Orthodoxe 6,8%, Bektashi (eine sufische Glaubensrichtung) 2,1%, nicht spezifizierte Religionsgemeinschaften 16,2%, Atheisten 2,5% sowie andere Glaubensgemeinschaften 5,7% (CIA 7.4.2021). Zu letzteren gehören protestantische Konfessionen, Baha'is, Zeugen Jehovas, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und eine kleine jüdische Gemeinschaft (USDOS 10.6.2020). Durch die Aufhebung des während der kommunistischen Diktatur 1967 erlassenen Verbots der Religionsausübung wurde die Religionsfreiheit 1990 wiederhergestellt. Die freie Religionsausübung wird verfassungsmäßig garantiert. Keine Religionsgemeinschaft wird durch staatliche Maßnahmen bevorzugt oder diskriminiert. Eine große Anzahl in- und ausländischer Religionsgemeinschaften ist ungehindert, auch missionarisch, in Albanien tätig. Es gibt keine religiös motivierten Konflikte und das Zusammenleben der wichtigsten religiösen Gruppen (sunnitische Muslime und Muslime des Bektashi-Ordens, katholische Christen, griechisch-orthodoxe Christen) gestaltet sich problemlos (AA 2.10.2020).

Quellen:

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Minderheiten

Das albanische Gesetz garantiert politische Rechte für Bürger unabhängig von ihrer ethnischen, rassischen, sprachlichen oder religiösen Identität. Diskriminierung nationaler, ethnischer, rassischer oder anderer Minderheiten durch den Staat findet nicht statt (FH 3.3.2021; vgl. AA 2.10.2020). 2017 hat die Regierung ein Gesetz über offizielle Minderheiten verabschiedet, gleichzeitig aber noch nicht alle für die Umsetzung erforderlichen Ausführungsbestimmungen erlassen (USDOS 30.3.2021). Vor allem die noch ausstehende Umsetzung des Rechts auf freie Selbstbestimmung der eigenen Identität wurde vom Europarat deutlich kritisiert (AA 2.10.2020). Das Gesetz sieht den offiziellen Minderheitenstatus für neun nationale Minderheiten vor, ohne zwischen nationalen und ethnolinguistischen Gruppen zu unterscheiden. Die Regierung definierte Griechen, Mazedonier, Aromunen (Vlachen), Roma, Balkan-Ägypter, Montenegriner, Bosnier, Serben und Bulgaren als nationale Minderheiten. Die Gesetzgebung sieht den Unterricht in der Minderheitensprache und den Gebrauch von zwei Amtssprachen für die lokalen Verwaltungseinheiten vor, in denen Minderheiten traditionell wohnen oder in denen eine Minderheit 20% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die ethnische griechische Minderheit beschwerte sich über die mangelnde Bereitschaft der Regierung, ethnische griechische Gemeinschaften außerhalb der "Minderheitenzonen" aus der kommunistischen Ära anzuerkennen (USDOS 3.11.2020). Die (zahlenmäßig sehr kleinen) nationalen Minderheiten der Griechen, Makedonen, Montenegriner, Aromunen/Vlachen, Serben, Bosnier und Bulgaren sind weitgehend integriert und vertreten ihre Interessen in Vereinigungen deutlich und – besonders im Fall der griechischen Minderheit – auch streitbar (AA 2.10.2020).

Quellen:
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Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen / Kinder

Eine gesetzliche Diskriminierung von Frauen durch den Staat besteht nicht (AA 2.10.2020), wobei die Bestimmungen bezüglich der rechtlichen Gleichstellung von Männern und Frauen seitens der Regierung nicht effektiv umgesetzt werden (USDOS 30.3.2021). Die gesellschaftliche Rolle der Frau ist, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, vielfach noch von traditionellen Vorstellungen geprägt. Dies hat zur Folge, dass Frauen in leitenden Positionen stark unterrepräsentiert sind (AA 2.10.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Auch haben Frauen, vor allem in ländlichen Gebieten, weniger Chancen auf Beschäftigung und Bildung als Männer (USDOS 30.3.2021; vgl FH 3.3.2021). Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einschränken. Nach den Parlamentswahlen 2017 stieg die Beteiligung von Frauen im Parlament auf einen Rekordwert von 29%. Nach einer Regierungsumbildung im Dezember 2018 betrug der Anteil der Frauen bei den Ministerposten 53%. Ein Mindestanteil von 30% Frauen bei den Kandidaten und bei den Parlamentssitzen ist gesetzlich festgelegt (USDOS 30.3.2021).

Frauen werden weiterhin häufig Opfer häuslicher Gewalt. Seit 2006 besteht ein Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt, in dem verfahrens- und strafrechtliche Konsequenzen definiert werden (AA 2.10.2020). Dieses Gesetz wurde im Oktober 2020 um weitere Bestimmungen erweitert und präzisiert. So ist nun beispielsweise die sofortige Entfernung des Beklagten vom Wohnort für eine gerichtlich festgelegte Zeitspanne sichergestellt (AHC 1/2021). Schutzsuchende können bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt eine Anzeige erstatten und einen Antrag auf Aufnahme in ein Frauenhaus stellen (AA 2.10.2020). Die Regierung betreibt eine Unterkunft zum Schutz von Überlebenden häuslicher Gewalt und drei Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, die auch Opfer häuslicher Gewalt beherbergen. Im Jahr 2018 begann die Regierung mit dem Betrieb eines Krisenmanagement-Zentrums für Opfer sexueller Übergriffe im Universitätsklinikum Tirana (USDOS 30.3.2021). Zusätzlich gibt es in Albanien 16 Schutzeinrichtungen, die von NROs betrieben werden. Insgesamt stehen ca. 270 Betten für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt zur Verfügung. Nach Ansicht von Frauenrechtsorganisationen deckt dies den Bedarf derzeit nicht. Es gibt Pläne der Regierung und von UNDP zur Errichtung weiterer Frauenhäuser, insbesondere in ländlichen Gebieten (AA 2.10.2020). Das Strafgesetzbuch enthält Bestimmungen über sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung. Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, ist ein Verbrechen. Die Strafen für Vergewaltigung und Körperverletzung hängen vom Alter des Opfers ab. Bei Vergewaltigung eines

Erwachsenen beträgt die Haftstrafe drei bis zehn Jahre. Die Regierung setzt das Gesetz jedoch nicht wirksam durch. Eine Bestrafung wegen Vergewaltigung in der Ehe kommt selten vor, da die Behörden diese vielfach nicht als Verbrechen betrachten. Häusliche Gewalt gegen Frauen bleibt somit ein ernsthaftes Problem (USDOS 30.3.2021).

Kinder aus benachteiligten sozialen Schichten sind häufig gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. durch Betteln zum Lebensunterhalt ihrer Familien beizutragen. In besonderem Maße sind davon Kinder betroffen, die den ethnischen Minderheiten der Roma und „Ägypter“ angehören. Kinderhandel zur sexuellen Ausbeutung bzw. zur Ausbeutung durch Arbeit oder im Zusammenhang mit dem Organhandel ist rückläufig, existiert aber weiterhin. Gewalt gegen Kinder ist laut UNICEF weit verbreitet, auch innerhalb der Familie. Ein stark patriarchales und archaisches Rollenverständnis, in dem die Rechte von Frauen und Kindern als nachrangig erachtet werden, ist in breiten Bevölkerungsschichten, insbesondere im ländlichen Raum, hierfür ebenso ausschlaggebend wie Frustration über Arbeitslosigkeit und große Armut. Die Regierung unterzeichnete ein Memorandum of Understanding mit der International Labour Organization (ILO) zur Abschaffung von Kinderarbeit. Regierung und etliche NROs haben diverse, rund um die Uhr geschaltete kostenfreie Notrufnummern für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Gewalt sowie eine Kinder- und Jugendlichen-Seelsorge eingerichtet. Vielfach werden Kinder aufgrund der Armut ihrer Familien an – oftmals sehr schlecht ausgestattete - Waisenhäuser abgegeben. Das 2017 erlassene „Gesetz über Rechte und Schutz von Kindern“ enthält detaillierte Maßnahmen, die von den zuständigen Institutionen als Reaktion auf Gewalt gegen Kinder zu ergreifen sind (AA 2.10.2020). Demnach wird jeder Fall eines gefährdeten Kindes von der Kinderschutzeinheit in der jeweilig zuständige Gemeinde behandelt, in der die Kinder untergebracht sind. Diese klärt auch, ob die Kinder an eine Unterkunft verwiesen werden oder in ihre Familie zurückkehren (IOM 13.3.2021).

Quellen:

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Bewegungsfreiheit

Verfassung und Gesetze gewährleisten die interne Bewegungsfreiheit, Reisefreiheit ins Ausland, die Freiheit zu emigrieren und das Recht auf Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte grundsätzlich. Bei der Bereitstellung von Schutz und Hilfe für Flüchtlinge, rückkehrende Migranten, Asylbewerber, Staatenlose und andere Personen in Not kooperiert sie mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen. Binnenmigranten müssen sich am neuen Wohnort neu registrieren lassen, um in den Genuss von wichtigen staatlichen Leistungen zu kommen. Auch muss der rechtmäßige Erwerb einer neuen Immobilie oder ein Mietvertrag nachgewiesen werden. Viele Personen konnten keine Dokumente vorlegen und hatten daher auch keinen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Insbesondere Roma und Balkan-Ägypter waren in den Gemeinden, in denen sie wohnten, oftmals nicht offiziell registriert. Das Gesetz verbietet ihre Registrierung zwar nicht, aber es ist schwierig, diese durchzuführen, da den betreffenden Personen häufig die finanziellen Mittel für eine Registrierung fehlen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

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Grundversorgung und Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge, die sich derzeit zwischen einem monatlichen Sozialhilfesatz von 3.600 ALL (ca. 27 €) und - für Familienoberhäupter - 8.000 ALL (ca. 57 €) sowie gegebenenfalls einem Invalidengeld von 9.900 ALL (ca. 70 €) und einem gleich hohen Betrag für Betreuung bewegen, sowie Sozialdienstleistungen durch soziale Pflegedienste. Das Gesetz Nr. 9355 für Sozialhilfe und Sozialdienstleistungen bestimmt als Empfänger von Geldleistungen Familien mit keinem oder geringem Einkommen, Waisen ohne Einkommen, Familien mit Mehrlingsgeburten, Opfer von Menschenhandel oder Gewalt in der eigenen Familie und – als Empfänger von Invalidengeld - Menschen mit Behinderung. Staatliche Unterkunft ist auf kommunaler Ebene möglich, allerdings gibt es Wartelisten. Im Ausland lebende Albaner, Asylsuchende, Opfer von Naturkatastrophen oder Kriegen, Gefängnisinsassen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen sind von Sozialhilfe ausgeschlossen. Daneben können die einzelnen Sozialhilfebüros 3% ihrer Mittel nach eigenen Kriterien verteilen. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Eine Vielzahl von lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen engagiert sich im sozialen Bereich. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt der Großfamilie nach wie vor die Rolle zu, Familienmitglieder in Notlagen aufzufangen (AA 2.10.2020).

Von 2017 bis 2019 gab es ein positives Wachstum, das zu einem leichten Anstieg der Beschäftigung und einer Verringerung der Armut beitrug. Wachstumsmotoren waren hierbei gestiegene Exporte, private Investitionen und der Konsum. Weitere Treiber sind in Albanien (Infrastruktur-)Projekte mit internationaler Finanzierung und teils auch Entwicklungshilfe sowie der steigende Konsumbedarf. Letzterer wird vor allem durch Importe gedeckt (WKO 04.2021; vgl. BTI 2020). Die Rezession fiel in Albanien dann allerdings stärker als in anderen Ländern der Region, da sich an das Erdbeben vom November 2019 fast nahtlos die Lockdowns aufgrund von Covid-19 anschlossen. Die Staatsverschuldung droht aus dem Ruder zu laufen, weshalb der Staat nur wenig Manövrierraum hat. Mittelfristig ist die Aussicht auf den Zustrom von Direktinvestitionen positiv. Auch wenn von einer Erholung der Exporte und des privaten Konsums 2021 zu einem BIP-Wachstum zwischen 4% und 6% führen könnte, wird das Niveau von 2019 voraussichtlich nicht vor 2022 erreicht werden (WKO 04.2021). Im aktuellen Bericht der Weltbank, "Doing Business 2020", belegt Albanien von 190 Staaten Platz 82 (WB 2021). Albanien führt wichtige Strukturreformen durch, die ein gerechtes Wachstum unterstützen, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhöhen, mehr Arbeitsplätze schaffen und die Regierungsführung und die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen verbessern. Die albanische Regierung arbeitet an einem breit angelegten Reformprogramm, das sich auf die makroökonomische und fiskalische Nachhaltigkeit, die Stabilisierung des Finanzsektors, die Energiereform, die Reform der Sozialhilfe und des Behindertenwesens sowie die territoriale Dezentralisierung konzentriert (WB 7.4.2021).

Quellen:

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Medizinische Versorgung

Die albanische Verfassung von 1998 garantiert den Bürgern ein Anrecht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung und Gesundheitsversicherung. Das Budget für das Gesundheitswesen beträgt in den letzten Jahren zwischen 5,3% und knapp 6% des Bruttosozialproduktes. Im Rahmen einer Gesetzesanpassung wurde aus dem Krankenversicherungsinstitut ein Obligatorischer Krankenversicherungsfonds FSS (Fondi i Sigurimeve Shëndetësore - Health Insurance Fonds HIF). FFSVersicherte profitieren unter anderem, falls das Referenzsystem eingehalten wird, von einer Gratisversorgung in den staatlichen medizinischen Einrichtungen, Hausbesuchen, wenn die medizinischen Einrichtungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbständig aufgesucht werden können, Behandlungsmöglichkeiten bei privaten Vertragspartnern, vollständigen Kostenübernahmen bei Medikamenten, respektive von Kostenbeteiligungen bis zu 50% bei Medikamenten. Auch bietet der FSS «Behandlungspakete» (Health services package) bei Dialysen, kardiologischen Untersuchungen, kardio-chirurgischen Interventionen, Nierentransplantationen und Hörprothesen sowie solche für ältere Menschen und Personen mit psychischen Problemen. Seit 1992 ist es in Albanien möglich, sich auch privat krankenversichern zu lassen. Die medizinische Versorgung ist im Wesentlichen dreistufig aufgebaut und umfasst staatliche und private

Einrichtungen: die primäre Versorgungsstufe besteht aus 420 Einrichtungen. In ländlichen Regionen sind das Gesundheitszentren und mit diesen verbunden jeweils vier bis fünf «Gesundheitsposten». In Städten und Quartieren größerer Städte finden sich Gesundheitszentren und «Polikliniken». Auf der sekundären Stufe existieren elf Regionalspitäler und 23 Distriktspitäler in unterschiedlicher Größe und mit variierenden Dienstleistungsangeboten. In der Hauptstadt Tirana befindet sich die Universitätsklinik der tertiären Stufe, das einzige Spital der Maximalversorgung. Stationäre und oder spitalbasierte psychiatrische Einrichtungen bestehen auf der Psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Tirana und in den Psychiatrischen Spitälern in Vlorë und Elbasan. Patienten mit Alkohol- und Drogenproblemen können behandelt werden (SEM 26.9.2018). Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. Da Ärzte und Pflegepersonal jedoch nur geringe Gehälter erhalten, sind Zuzahlungen häufige Praxis, insbesondere von Patienten, die nicht über Privilegien oder Beziehungen verfügen, auch aus der Erwägung heraus, auf diese Weise eine bessere medizinische Behandlung zu erhalten. Ausstattung und Hygiene der staatlichen Krankenhäuser und Polikliniken liegen weit unter westeuropäischen Standards. Die Ärzte sind zwar im Regelfall gut ausgebildet, beim Pflegepersonal gibt es jedoch Defizite. Kompliziertere Behandlungen können nur in Tirana und in anderen größeren Städten durchgeführt werden. Die Versorgungslage in den psychiatrischen Kliniken ist schlecht. Einige gut ausgestattete Privatkliniken bieten in den größeren Städten ihre Dienste an; sie sind jedoch für einen Großteil der Bevölkerung zu teuer. Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängige Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. Die staatliche Krankenversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für das billigste Generikum bei Standard-Medikamenten. Teurere Medikamente oder solche für außergewöhnliche Krankheiten gehen zu Lasten des Patienten (AA 2.10.2020).

In Albanien existiert im staatlichen Sektor eine Liste der registrierten Medikamente. Weiter gibt es eine spezielle Liste von Medikamenten, deren Kosten den Patienten rückerstattet werden. Diese Liste enthält unentbehrliche Medikamente für die meisten Krankheitskategorien und stellt somit eine Art «Essential Drug List» dar. Die Listen werden laufend an möglicherweise veränderte medizinische Bedürfnisse und Krankheitsbilder angepasst. Generell verfügen die Spitäler der sekundären und der tertiären Stufe und auch die psychiatrischen Kliniken über die benötigten, respektive vom staatlichen Sektor angebotenen Medikamente. Budgetknappheit, ungenügende Budgetallokation, bürokratische Prozesse oder Managementfehler können dazu führen, dass Medikamente in staatlichen medizinischen Einrichtungen temporär nicht vorrätig sind. Generell ist heute unter Einbezug privater Apotheken ein Großteil der Medikamente zur Behandlung der gängigen Krankheitsbilder in Albanien zumindest in den größeren Städten verfügbar. Teurere Produkte der jüngeren Medikamentengenerationen befinden sich nicht auf der Liste der rückvergüteten Medikamente. Ein Teil der medizinischen Dienstleistungen, namentlich die Betreuung älterer Menschen, chronisch Kranker oder von Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Behinderungen, wird in Albanien traditionell durch die Familie abgedeckt (SEM 26.9.2018).

Die medizinische Versorgung ist teilweise nur beschränkt gewährleistet. Die privaten Spitäler verfügen über einen umfänglichen Pflegedienst und sind technisch besser ausgerüstet als die staatlichen Krankenhäuser. Sie verlangen jedoch einen Kostenvorschuss oder eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (EDA 6.8.2020; vgl. AA 13.4.2021).

Im Gesetz über das Gesundheitswesen aus dem Jahr 2008 und in der Verfassung Albaniens wird festgehalten, dass alle Bürger ein Recht auf eine staatliche Gesundheitsversorgung haben. Zudem werden besondere Anstrengungen für Gruppen unternommen, deren Zugang aus verschiedenen Gründen erschwert ist. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für spezielle Fälle von Diskriminierungen von Angehörigen der Roma-Minderheit oder darauf, dass der Zugang zur medizinischen Versorgung für diese Bevölkerungsgruppe nicht gewährleistet wäre. Roma suchen staatliche Gesundheitseinrichtungen an ihren jeweiligen Wohnorten und namentlich auch die Universitätsklinik in Tirana auf. Der Zugang von Roma zum Gesundheitswesen hat sich insgesamt verbessert, die Erlangung der Gesundheitskarte für oft im informellen Erwerbssektor tätige Roma kann jedoch mit administrativ-bürokratischen Hürden verbunden sein. Die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Roma können es im Einzelfall schwierig machen, für die geforderten Patientenbeteiligungen oder andere finanzielle Auflagen aufzukommen (SEM 26.9.2018).

Quellen:

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Rückkehr

Verfassung und Gesetze erlauben die Inlandsreisen, Auslandsreisen, Auswanderung sowie Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 30.3.2021). Rückgeführte Staatsangehörige unterliegen keiner Form der Diskriminierung und haben nicht mit staatlichen Maßnahmen zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Zu einer Festnahme kommt es nur dann, wenn gegen die Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Ein Rückübernahmeabkommen mit der EU trat am 1.5.2006 in Kraft. Albanien kommt seinen darin kodifizierten Verpflichtungen nach. Die Einreisekontrollen gestalten sich unproblematisch. Als Heimreisepapiere werden EU-Laissez-passer anerkannt (AA 2.10.2020).

Quellen:
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2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer, dem vorgebrachten Fluchtgrund und zur Rückkehrsituation:

2.1.1. Die Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie ihren persönlichen und familiären Verhältnissen ergeben sich aus den dahingehenden Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA. Aufgrund ihrer vor dem Bundesamt im Original vorgelegten, in den Verwaltungsakten jeweils in Kopie einliegenden, albanischen Reisepässe, wird von einer feststehenden Identität der Beschwerdeführer ausgegangen. Ihre legale Ausreise aus dem Herkunftsstaat ergibt sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Der vorangegangene Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers in Österreich und Italien im Zeitraum 2005 bis 2008 ergibt sich aus seinen dahingehenden Angaben sowie einem Eintrag im Zentralen Fremdenregister über ein im Jahr 2005 eingestelltes Asylverfahren.

2.1.2. Die Feststellungen über die Gründe, aus denen die Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen haben, ergeben sich aus den ausdrücklichen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, welche im Verfahren durchwegs gleichbleibend davon gesprochen haben, ihren Herkunftsstaat aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage sowie dem Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen medizinischen Untersuchung und Versorgung für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer verlassen zu haben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erklärten ausdrücklich, keine Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Sie seien nie von Problemen mit staatlichen Stellen in Albanien betroffen gewesen und nannten auch sonst keine Befürchtungen hinsichtlich einer ihnen bei einer Rückkehr drohenden Grundrechtsverletzung. Auch hinsichtlich der minderjährigen Beschwerdeführer wurden, mit Ausnahme der gesundheitlichen Situation des Drittbeschwerdeführers, keine individuellen Ausreisegründe oder Rückkehrbefürchtungen genannt.

2.1.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer resultieren aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, welche vorb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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