TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W185 2247186-1

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W185 2247186-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2021, Zl. 1283075709-211179009, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Algeriens, gelangte irregulär in das österreichische Bundesgebiet und stellte hier am 20.08.2021 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Einer im Akt aufliegenden Eurodac-Treffermeldung ist zufolge suchte der BF am 30.06.2021 in Bulgarien um Asyl an (BG“1“………).

Im Rahmen seiner polizeilichen Erstbefragung vor der LPD Steiermark am 21.08.2021 gab der BF im Wesentlichen an, keine die Einvernahme oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigende Beschwerden oder Krankheiten zu haben; er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen und benötige keine Medikamente. In Österreich oder einem anderen EU-Staat habe er keine Familienangehörigen. Seine Eltern und Geschwister würden sich in seinem Herkunftsstaat befinden. Im März 2020 sei der BF legal in die Türkei geflogen, wo er sich dann etwa eineinhalb Jahre aufgehalten habe. Anschließend sei er über Griechenland (25 Tage Aufenthalt) nach Bulgarien gelangt. Dort habe der BF Behördenkontakt gehabt und sei erkennungsdienstlich behandelt worden. Über Serbien (eineinhalb Monate Aufenthalt) und Ungarn (eine Woche Aufenthalt) sei er nach Österreich gelangt. In Bulgarien gebe es keine Menschlichkeit, er sei von Polizisten geschlagen worden und wolle dort kein Asyl erhalten. Außer in Österreich habe er nirgendwo um Asyl angesucht. Sein Zielland sei von Anfang an Österreich gewesen, da es hier Menschlichkeit und Gerechtigkeit gebe. Algerien habe er aufgrund familiärer Streitigkeiten verlassen.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 22.08.2021 wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet.

Am 23.08.2021 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder Bundesamt) ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Dies unter Hinweis auf den Eurodac-Treffer der Kategorie „1“ mit Bulgarien und den vom BF angegeben Reiseweg.

Mit Schreiben vom 03.09.2021 stimmte Bulgarien der Wiederaufnahme des BF auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu. Dies unter Bekanntgabe der vom BF in Bulgarien angegebenen Daten zu seiner Person (siehe AS 57).

Im Zuge seiner Einvernahme im Anhaltezentrum am 21.09.2021 gab der BF vor einem Mitarbeiter des Bundesamtes zusammengefasst an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die gestellten Fragen zu beantworten. Er leide an keinen Krankheiten und benötige keine Medikamente. Seine bisherigen Angaben, auch zu seinem Reiseweg, würden der Wahrheit entsprechen; er wolle aber ergänzen, dass Bulgarien das erste Land gewesen sei, in dem er seine Fingerabdrücke abgegeben habe. Man habe ihn dazu gezwungen. Eigentlich habe er nach Österreich kommen wollen, um hier zu studieren und zu arbeiten. In Frankreich würden seine Großeltern leben; diese hätten den BF immer unterstützt, wenn er etwas gebraucht habe. In Wien lebe ein „sehr enger Freund“ des BF, welcher ihm angeboten habe, ihn zu unterstützen. Persönlich getroffen habe er den Genannten in Österreich noch nicht; auch habe er von diesem kein Geld erhalten. Über Vorhalt der Zustimmung Bulgariens zur Übernahme des BF und der Absicht des Bundesamtes, den Asylantrag des BF zurückzuweisen und diesen nach Bulgarien abzuschieben, erklärte der BF, nicht nach Bulgarien zurückkehren zu wollen. Er wisse, dass man dort bis zu drei Jahre in Haft genommen werden könne. Außerdem sei dort sein Leben in Gefahr. Er schulde Schleppern in Bulgarien Geld; diese hätten gedroht, den BF umzubringen. Bezüglich der Problem mit den Schleppern habe er sich nicht an die Polizei gewandt. Ein Bulgarien sei der BF einen Monat lang im Gefängnis und anschließend zwei Wochen in einem Camp untergebracht gewesen. In Bulgarien habe ihm ein Polizist eine Ohrfeige gegeben und ihn beschimpft; verletzt worden sei der BF dabei aber nicht. An die Polizei oder eine Menschrechtsorganisation habe er sich diesbezüglich nicht gewendet. Die einzigen Probleme, die der BF in Bulgarien habe, seien die mit den Schleppern und die „schlechte Behandlung“. Die angesprochenen Schlepper würden jedenfalls eine Gefahr für sein Leben darstellen. Der BF wolle in Österreich bleiben.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 24.09.2021, zugestellt am selben Tag, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gem. § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Bulgarien gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (ungekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
1.         Allgemeines zum Asylverfahren

Letzte Änderung: 24.7.2020

Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2020; vgl. CoE-SG 19.4.2018, EMN 6.6.2020, SAR o.D.a, SAR o.D.b, UNHCR 9.2019, USDOS 13.3.2020).

Die Zahl der Antragsteller ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. 2019 lag die Quote der Antragssteller, der ihr Verfahren nicht zu Ende führten, bei 72%. Davon wurde in 40% der Fälle das Asylverfahren eingestellt (discontinued) und bei 24% in Abwesenheit entschieden (AIDA 2.2020). 2020 gab es in Bulgarien bis 31.5.2020 289 Asylanträge (VB 15.7.2020).

Menschenrechtsorganisationen berichteten weiterhin von weit verbreiteten sogenannten Pushbacks (AIDA 2.2020; vgl. USDOS 13.3.2020), Gewalt, Diebstählen und erniedrigenden Praktiken gegenüber Migranten und Asylwerbern an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Im August 2019 behaupteten Medienveröffentlichungen, die angeblich interne Quellen der europäischen Grenzkontrollagentur Frontex zitierten, dass die Grenzpolizei Migranten mit Hunden gejagt, geschlagen und über die Grenze zurückgedrängt habe. Die Vorwürfe wurden vom Innenminister dementiert und er erklärte, dass die Grenzschutzbeamten nur dann Gewalt anwenden, wenn die Situation es erfordert (USDOS 13.3.2020).

Es gibt Vorwürfe, dass die bulgarischen Behörden Migranten, die es schaffen bulgarisches Territorium zu betreten, durch- und auch wieder ausreisen lassen, um sich der Verantwortung im Rahmen der Dublin-Verordnung oder der Rückübernahmeabkommen zu entziehen (AIDA 2.2020).

Der Zugang von Asylsuchenden zum bulgarischen Hoheitsgebiet bliebt auch 2019 stark eingeschränkt. Dem Innenministerium zufolge wurden insgesamt 2.495 Drittstaatsangehörige festgenommen, darunter 2.184 neu angekommene Asylwerber. Dies entspricht einem Rückgang von 23% im Vergleich zum 2018. Seit dem 1. Jänner 2017 gibt das Innenministerium die Zahl der verweigerten Einreisen ins Land in seinen öffentlich zugänglichen Statistiken nicht mehr bekannt. 2019 haben 309 Asylsuchende an den Grenzen internationalen Schutz beantragt aber nur 2% von ihnen (d.h. 12 Personen) hatten Zugang zum Asylverfahren. Die restlichen 98% kamen in die Schubhaftzentren des Innenministeriums (AIDA 2.2020).

Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        EMN – European Migration Network (6.6.2020): Annual Report on Migration and Asylum 2019, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/00_eu_arm2019_synthesis_report_final_en_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        SAR – State Agency for Refugees (o.D.a): Verfahrensschritte zur Gewährung internationalen Schutzes – Rechte und Pflichten (????? ?? ???????????? ?? ???????????? ?? ???????????? ??????? – ????? ? ??????????), https://aref.government.bg/index.php/en/node/42, Zugriff 20.7.2020

-        SAR – State Agency for Refugees (o.D.b): Dublin-Verfahren (???????????? ?? ??????), https://aref.government.bg/index.php/bg/node/43, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

-        VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
2.         Dublin-Rückkehrer

Letzte Änderung: 24.7.2020

Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Asylverfahren in Bulgarien. Nach Rücküberstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wird das Asylverfahren regelmäßig eingeleitet bzw. wieder aufgenommen, dabei wird je nach Verfahrensstand unterschieden (UNHCR 17.12.2018):

•        Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, hat die Möglichkeit einen Erstantrag zu stellen (UNHCR 17.12.2018).

•        Bei Dublin-Rückkehrern, die in Bulgarien bereits einen Asylantrag gestellt haben, der ohne inhaltliche Prüfung abgeschlossen wurde, wird das Verfahren automatisch wieder eröffnet. Ein Verfahren wird nach bulgarischem Asyl- und Flüchtlingsgesetz (AuFG) ausgesetzt, wenn die asylsuchende Person innerhalb von 10 Werktagen nicht zu einem Termin mit den Behörden erscheint oder ihre Adresse ändert, ohne die Behörde davon in Kenntnis zu setzen. Nach weiteren drei Monaten wird das Asylverfahren beendet, wenn die asylsuchende Person sich nicht bei den Behörden meldet (UNHCR 17.12.2018; vgl. BAMF-BMI 5.2019).

•        Wurde das Asylgesuch auf der Grundlage einer inhaltlichen Prüfung abgewiesen, besteht die Möglichkeit, erneut einen Asylantrag zu stellen. Dieser Antrag wird als Folgeantrag betrachtet und ist nur zulässig, wenn er neue Elemente enthält. Wird der Folgeantrag für zulässig erklärt, was in der Praxis selten der Fall ist, wird der Antrag im regulären Verfahren geprüft. Eine Prüfung im regulären Verfahren erfolgt auch dann, wenn die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht innerhalb von 14 Tagen ergeht (UNHCR 17.12.2018).

Die Aufnahmebedingungen von Personen, die unter der Dublin-Verordnung zurückkehren, sind abhängig vom Verfahrensstand (UNHCR 17.12.2018). Vor der Ankunft der Dublin-Rückkehrer informiert SAR die Grenzpolizei über die voraussichtliche Ankunft und gibt an, ob der Rückkehrer in ein Asylaufnahmezentrum oder in ein Schubhaftzentrum zu überstellen ist (AIDA 2.2020):

•        Wer sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, wird in ein Unterbringungszentrum der SAR gebracht (AIDA 2.2020).

•        Eine Person, die noch keinen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, kann bei der Ankunft in einem der von der Direktion für Einwanderung verwalteten Zentren für die vorübergehende Unterbringung vor der Abschiebung (Special Centre for the Temporary Accommodation of Foreigners, SCTAF) gebracht werden. Nach Stellen eines Asylantrags wird sie jedoch in ein Aufnahmezentrum der Flüchtlingsagentur SAR überstellt (UNHCR 17.12.2018).

•        Auch Personen, deren Verfahren wiedereröffnet wurde, werden in ein Aufnahmezentrum gebracht. UNHCR hat in letzter Zeit keine Fälle beobachtet, in denen einem Dublin-Rückkehrer, dessen Verfahren noch nicht abgeschlossen war, der Zugang zu Aufnahmezentren verweigert wurde. Dies kann jedoch grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, wenn diese ihre volle Kapazität erreichen (UNHCR 17.12.2018).

•        Personen, deren Asylantrag bereits inhaltlich geprüft und abgewiesen wurde, werden in einem geschlossenen Zentrum untergebracht. Während des anschließenden Zulässigkeitsverfahrens kommt es darauf an, ob der asylsuchenden Person die negative Erstentscheidung vor deren Ausreise aus Bulgarien zugestellt wurde oder nicht. Ist Letzteres der Fall, wird sie einem Aufnahmezentrum zugewiesen. Wurde die Entscheidung der asylsuchenden Person allerdings vor deren Ausreise aus Bulgarien bereits zugestellt und nicht innerhalb der Frist angefochten, wird sie inhaftiert und in ein geschlossenes Zentrum (SCTAF) gebracht. Die Haft kann während des Zulässigkeitsverfahrens andauern. Auch wenn dies nicht der Fall ist, werden sie jedoch keinem regulären Aufnahmezentrum zugewiesen und haben auch keinen Anspruch auf Verpflegung, Unterkunft oder Sozialhilfe (UNHCR 17.12.2018; vgl. AIDA 2.2020, BAMF-BMI 5.2019).

In der Praxis werden in Sofia ankommende Personen nach der Überstellung unterrichtet, dass sie verpflichtet sind, sich bei der staatlichen Asylbehörde vorzustellen, meist schon am folgenden Tag. Wenn sie dort vorstellig werden, erhalten sie die Entscheidung, dass das Verfahren wiedereröffnet wird zusammen mit der „take-back" Entscheidung (UNHCR 26.3.2019).

Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird medizinisch bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum „Nadya“, IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BAMF-BMI – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Bundesministerium des Innern (Deutschland) (5.2019): Aktuelle Entwicklungen zur Rechtslage und Situation von Asylwerbern und anerkannt Schutzberechtigten in Bulgarien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/684878/684880/684924/20138868/21716440/Deutschland___Botschaft_%28Bulgarien%29%2C_Aktuelle_Entwicklungen_zur_Rechtslage_und_Situaton_von_Asylbewerbern_und_anerkannt_Schutzberechtigten_in_Bulgarien%2C_2019.pdf?nodeid=21726048&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (26.3.2019): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/20122890/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_%28Berlin%29%2C_26%2E03%2E2019%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20149532&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
3.         Non-Refoulement

Letzte Änderung: 24.7.2020

Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2020).

Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte „Pushbacks“ an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (AIDA 2.2020; vgl. BM 2.3.2020, USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BM – Boardermonitoring Bulgaria (2.3.2020): Bulgaria ist not changing its push-back policy at its border to Turkey, https://bulgaria.bordermonitoring.eu/, Zugriff 20.7.2020

-        USDOS – US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Bulgaria, https://www.ecoi.net/en/document/2027508.html, Zugriff 20.7.2020
4.         Versorgung

4.1.    Grundversorgung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie auf Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und auf Krankenversicherung, medizinische Versorgung, psychologische Versorgung und Bildung gegeben. 2015 wurde die Auszahlung der Sozialhilfe für Asylwerber eingestellt. Dies wird von den Behörden damit begründet, dass sie in den Aufnahmezentren mit Lebensmitteln versorgt werden (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018). Spezielle Bedürfnisse können daher nicht mehr angemessen berücksichtigt werden, was besonders für Familien mit kleinen Kindern, chronisch kranke und ältere Menschen problematisch ist (UNHCR 17.12.2018). Um außerhalb des Aufnahmezentrums zu wohnen, müssen Asylwerber schriftlich erklären, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was sie automatisch vom Recht auf die monatliche finanzielle Unterstützung ausschließt (AIDA 2.2020).

Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden (AIDA 2.2020).

Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als drei Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt. 2019 wurden 101 Arbeitserlaubnisse für Asylwerber im laufenden Verfahren erteilt; 72 Personen haben danach eine Beschäftigung angenommen. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen jedoch schwierig (AIDA 2.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

4.2.    Unterbringung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Pastrogor sowie Harmanli, die von der Migrationsbehörde (SAR) verwaltet werden. Im Dezember 2018 wurde das Aufnahmezentrum Vrazhdebna in Sofia von der SAR geschlossen und im Mai 2019 wiedereröffnet. Vrazhdebna wurde mit EU-Mitteln vollständig renoviert (AIDA 2.2019). Die Kapazität der Unterbringungszentren betrug zwischen Ende Dezember 2019 5.330 Plätze (5.190 Plätze in Aufnahmezentren und 140 in Privatunterkünften) (AIDA 2.2020).

Die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen, einschließlich der Verpflegung für Migranten und Asylwerber sind nach wie vor inadäquat, obwohl die Zahl der nach Bulgarien einreisenden Personen deutlich zurückgegangen ist (AI 16.4.2020). Die Lebensbedingungen in den staatlichen Aufnahmezentren bis auf in Vrazhdebna und in der Sicherheitszone für unbegleitete Minderjährige in Voenna Rampa sind trotz der von der SAR regelmäßig durchgeführten Teilrenovierungen nach wie vor schlecht und liegen unter den Mindeststandards oder erfüllen diese knapp, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen (AIDA 2.2019; vgl. UNHCR 9.2019). Darüber hinaus beklagten sich die Bewohner aller Aufnahmezentren außer in Vrazhdebna über die insgesamt schlechten hygienischen Umstände, insbesondere aber über Bettwanzen, die regelmäßig zu Gesundheitsproblemen führen. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2020).

Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze) und Lyubimets (300 Plätze). Der Betrieb des geschlossenen Verteilerzentrums Elhovo wurde im Februar 2017 eingestellt. Das Aufnahmezentrum Pastrogor kann gegebenenfalls auch als geschlossenes Zentrum verwendet werden. Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten stehen ebenfalls unter Kritik (AIDA 2.2020), ebenso wie unter anderem unzureichende Verpflegung, zu kurzer Aufenthalt im Freien, fehlende spezielle Voraussetzungen für Familien, fehlender Zugang zu Toiletten in der Nacht und der Mangel an qualifizierten Dolmetschern (FRA 5.2019; vgl. CoE-CPT 11.7.2019).

Derzeit sind in Bulgarien 798 Personen untergebracht (Stand 12.7.2020): 276 in geschlossenen Zentren (Auslastung von 39,4%), 375 in offenen Zentren (Auslastung von 7,5%), 147 privat untergebracht (auf eigene Kosten) (VB 15.7.2020).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2019): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2018update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bulgiaria [EUR 01/2098/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028188.html, Zugriff 20.7.2020

-        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (11.7.2019): Report to the Bulgarian Government on the visit to Bulgaria carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 17 December 2018 [CPT/Inf (2019) 24],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2012591/2019-24-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        FRA – European Agency for Fundamental Rights (5.2019): Migration: key fundamental rights concerns, https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2019-migration-bulletin-2_en.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (9.2019): Bulgaria Factsheet, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/73117_0.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        VB des BM.I Bulgarien (15.7.2020): Bericht des VB, per E-Mail

4.3.    Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 24.7.2020

Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger (AIDA 2.2020; vgl. UNHCR 17.12.2018), das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (UNHCR 17.12.2018). Asylwerber, die sich für eine Unterkunft außerhalb der Aufnahmezentren entscheiden oder denen keine Unterkunft gewährt wird, haben keinen Zugang zu psychologischer Unterstützung. Der Zugang zu medizinischer Grundversorgung ist ansonsten gewährleistet, unabhängig vom Wohnort der Asylwerber (AIDA 2.2020).

SAR ist verpflichtet Asylwerber kranken zu versichern. In der Praxis haben Asylwerber mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren (AIDA 2.2020), da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist (AIDA 2.2020; vgl. BTI 29.4.2020; OECD/EO 29.10.2019). In dieser Situation ist spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2020).

Fehlende Dolmetscher und die mangelnde Bereitschaft einiger Ärzte, Asylsuchende als Patienten zu registrieren, stellen jedoch praktische Hindernisse beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Zudem umfasst die Versicherung nicht alle medizinischen Behandlungen und Medikamente. Insbesondere bei schweren und chronischen Erkrankungen können einige Behandlungen nur teilweise erstattet werden. Ohne finanzielle Unterstützung stoßen Asylsuchende auf Schwierigkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu decken. Das Bulgarische Rote Kreuz verfügt über einen kleinen Fonds, der hauptsächlich von UNHCR finanziert wird, um die Kosten für medizinische Versorgung und Medikamente für eine begrenzte Anzahl extrem vulnerabler Asylsuchender zu decken. In der Praxis wird psychologische Unterstützung in den Aufnahmezentren von NGOs geleistet, die auf Projektbasis finanziert wird, und nicht in allen Zentren auf dem gleichen Niveau und in gleicher Häufigkeit angeboten werden kann. Die Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen ist entsprechend nicht gewährleistet (UNHCR 17.12.2018).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (2.2020): Country Report: Bulgaria, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2019update.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        BTI – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bulgaria,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2029432/country_report_2020_BGR.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

-        OECD/EO – Organisation for Economic Co-operation and Development/European Observatory on Health Systems and Policies (29.10.2019): Bulgaria: Country Health Profile 2019, State of Health in the EU, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/34781ac1-en.pdf?expires=1594814329&id=id&accname=guest&checksum=975003598D2DE0B62B342C613516F30C, Zugriff 20.7.2020

-        UNHCR Representation in Germany – Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland (17.12.2018): Auskunft des UNHCR, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/687377/687464/687466/687288/19129797/United_Nations___High_Commissioner_for_Refugees___Amt_des_Vertreters_in_der_Bundesrepublik_Deutschland__Berlin_%2C_17%2E12%2E2018%2C_ohne_Az.pdf?nodeid=20024439&vernum=-2, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organisation (2018): Bulgaria – Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/383054/HiT-Bulgaria-2018-web.pdf?ua=1, Zugriff 20.7.2020

Zur COVID-19 Pandemie

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona- Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Bulgarien wurden bisher 489.423 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 20.350 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 24.09.2021.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 24.09.2021).

Im Bescheid wurde ausgeführt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Dieser sei volljährig. Der BF leide an keinen die Überstellung hindernden Krankheiten und sei nicht immungeschwächt. Er benötige keine Medikamente. Aus den Länderinformationen ergebe sich, dass Asylwerbern in Bulgarien derselbe Zugang zum Gesundheitssystem zustehe wie bulgarischen Staatsangehörigen. Besonders enge familiäre oder andere enge private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Die bulgarischen Behörden hätten der Wiederaufnahme des BF ausdrücklich zugestimmt. In Bulgarien existiere ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten. Im Prinzip gebe es für Dublin-Rückkehrer keine Hindernisse beim Verfahrenszugang. Bei Untertauchen ohne triftigen Grund bleibe nur die Möglichkeit der Stellung eines Folgeantrages, welcher neue Elemente enthalten müsse. Folgeantragsteller hätten während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags kein Recht auf Unterbringung und Versorgung. Bezüglich der angeführten Probleme des BF mit Privatpersonen werde auf die Rechtstaatlichkeit Bulgariens und die Zuständigkeit bulgarischer sicherheitspolizeilicher Behörden verwiesen. Hinsichtlich der Ohrfeige, die der BF angeblich von einem Polizisten bekommen habe, sei festzuhalten, dass in Bulgarien Fehlverhalten von Beamten vorkommen könne, es sich bei Bulgarien aber um einen Rechtsstaat handle, in dem es ausreichende Rechtsschutzeinrichtungen gebe. Asylwerber könnten sich dort gegen behördliches Fehlverhalten zur Wehr setzen; dies habe der BF aber nicht gemacht. Bezüglich eines Non-Refoulment-Schutz werde auf die Länderinformationen verwiesen. Die Feststellungen zur Pandemie würden sich aus dem Amtswissen, die konkreten Daten aus den Angaben der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, ergeben, die Daten sammle, auswerte und zur Verfügung stelle. Die Feststellungen zum SARS-Cov-2-Virus würden sich aus den vom BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als oberste Gesundheitsbehörde ergeben. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte sei im Falle einer Außerlandesbringung des BF nach Bulgarien eine Verletzung von Art 8 EMRK nicht ersichtlich. Ein vom BF im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art 4 GRC bzw Art 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. Ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO habe sich nicht ergeben.

Gegen den Bescheid richtet sich die am 06.10.2021 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, mit der der Bescheid in vollem Umfang angefochten wurde. Es wurde vorgebracht, dass der BF in Bulgarien mit Gewaltanwendung gezwungen worden sei, einen Asylantrag zu stellen. Er sei dort unter unzumutbaren hygienischen Zuständen untergebracht gewesen. Die Unterbringungssituation in Bulgarien liege unter den Mindeststandards. Die belangte Behörde habe keine Anstalten gemacht, Näheres zu den Bedrohungen des BF in Bulgarien herauszufinden und sich zu Unrecht nicht näher mit den Erlebnissen des BF auseinandergesetzt. Die herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig, teilweise einseitig und nicht aktuell. Nach Berichten der SFH sei der Zugang zum Asylverfahren auch für Asylsuchende, die im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Bulgarien überstellt würden, problematisch. Unterbringung und Versorgung seien mangelhaft und die medizinische Versorgung oftmals unzureichend. Irreguläre Migranten würden systematisch inhaftiert werden. Staatliche Integrationsleistungen seien nicht vorgesehen und das Risiko der Obdachlosigkeit in Bulgarien sei sehr hoch, insbesondere für Dublin-Rückkehrer. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien weit verbreitet und es würde zu „Push-backs“ kommen. Die belangte Behörde habe eine Einzelfallprüfung zur Beantwortung der Frage, ob dem BF in Bulgarien eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, nicht durchgeführt. Mit großer Wahrscheinlichkeit drohe dem BF nach seiner Überstellung die Abschiebung nach Afghanistan (!) und somit eine Verletzung des Refoulement-Verbotes. Unter Berücksichtigung aller Umstände hätte die Behörde feststellen müssen, dass eine Ausweisung des BF nach Bulgarien unzulässig sei. Das bulgarische Asylsystem, insbesondere das Aufnahmesystem, sei mit systemischen Mängeln behaftet. Österreich hätte vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Der Antrag des BF in Österreich sei aufgrund eines länger als drei Monate dauernden Aufenthalts außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten als neuer Antrag zu qualifizieren und das Verfahren zuzulassen; die Zuständigkeit Bulgariens sei erloschen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Algerien, gelangte über die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 20.08.2021 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zuvor hat der BF am 30.06.2021 in Bulgarien um Asyl angesucht (Eurodac-Treffermeldung der Kategorie „1“ zu Bulgarien). Nach Asylantragstellung in Bulgarien hat der BF das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mehr als 3 Monate wieder verlassen. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Bulgariens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Am 23.08.2021 richtete das Bundesamt ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien, welchem die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 03.09.2021 gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zustimmten.

Seit 30.08.2021 befindet sich der BF in Schubhaft.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Bulgarien an.

Konkrete, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen würden, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der 23-jährige BF leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten, benötigt keine Medikamente und ist nicht immungeschwächt. Er gehört keiner COVID-19-Risikogruppe an.

Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des BF nach Bulgarien. Die sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Adipositas und Bluthochdruck) auf. Mit Stichtag 18.11.2021 hat es in Bulgarien insgesamt 665.578 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 26.840 Todesfälle gegeben (www.bing.com/covid/bulgaria). In Österreich gab es zum selben Datum insgesamt 996.064 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 11.764 Todesfälle.

Aufgrund der zuletzt steigenden Infektionszahlen gehört Österreich zu den Ländern, die der „Orangen Zone“ zugeordnet werden. Voraussetzungen für die vom Einreiseverbot ausgenommenen Personen sind der Nachweis über eine abgeschlossene COVID-19-Impfung, eine Genesung von einer COVID-19-Infektion oder einen nicht mehr als 72 Stunden alten negativen PCR-Test bzw. einen nicht mehr als 48 Stunden alten negativen Antigen-Test. Einreisende aus der „Orangen Zone“ können einem Antigen-Test unterzogen werden. Seit 01.07.2021 besteht hinsichtlich Bulgarien die Sicherheitsstufe 2 (Sicherheitsrisiko) (BMEIA, abgefragt am 15.11.2021).

Im österreichischen Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des BF. Der BF lebt in keiner Familiengemeinschaft und keiner familienähnlichen Lebensgemeinschaft; finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten bestehen nicht. Besondere private oder berufliche Bindungen zu Österreich sind nicht vorhanden. Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich besteht nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg des BF, zu der in Bulgarien und Österreich erfolgten Asylantragstellung sowie der Inschubhaftnahme ergeben sich aus der Aktenlage im Zusammenhalt mit der vorliegenden Eurodac-Treffermeldung der Kategorie „1“ zu Bulgarien.

Die Feststellungen hinsichtlich des Konsultationsverfahrens beruhen auf dem – im Verwaltungsakt dokumentierten – Schriftverkehr der österreichischen mit der bulgarischen Dublinbehörde.

Die Feststellung, dass der BF seit der Asylantragstellung in Bulgarien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate verlassen hat, beruht auf dessen eigenen Angaben im Zuges des Verfahrens, wonach er sich nach dem Verlassen Bulgariens etwa eineinhalb Monate in Serbien aufgehalten habe, bevor er über Ungarn nach Österreich gelangt sei. Diese zeitlichen Angaben passen mit dem Datum der Asylantragstellung in Bulgarien am 30.06.2021 und Datum der Antragstellung in Österreich (20.08.2021) zusammen. Ein zuständigkeitsbeendendes Element betreffend Bulgarien ist somit nicht ersichtlich. Das Beschwerdevorbingen, wonach sich der BF vor Antragstellung in Österreich länger als drei Monate außerhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten aufgehalten habe, ist aktenwidrig.

Dass sich der BF nach wie vor in Schubhaft befindet ist einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Zentralen Fremdenregister vom 18.11.2021 zu entnehmen.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO), samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Bulgarien nicht maßgeblich geändert hat.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das bulgarische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Bulgarien den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.

Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan. Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Bulgarien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe auch unten).

Die Feststellung des Nichtvorliegens schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen des BF beruht auf dessen eigenen Angaben. Befunde wurden bis dato nicht in Vorlage gebracht.

Die getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden COVID-19-Pandemie ergeben sich aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (www.bing.com/covid/bulgarien). Die Länderfeststellungen sind ausreichend aktuell, zeichnen allerdings – angesichts der sich derzeit schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Bulgarien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.

Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Für den Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben, respektive keine sogenannten Dublin-Rückkehrer übernehmen bzw übernommen haben. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen nur dann (wieder) durchgeführt werden, wenn sich die einzelnen Mitgliedstaaten (wieder) dazu im Stande sehen, die übernommenen Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch versorgen zu können. Das Gericht verkennt nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist; es ist jedoch davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (fallgegenständlich 18 Monate) überwunden sein werden.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des BF ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 17 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berück

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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