TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/8 96/04/0116

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Veröffentlicht am 08.10.1996
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Index

50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

FGO §13 Abs2;
FGO §13 Abs3;
FGO §6 Abs2;
FGO §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. März 1996, Zl. 318.467/2-III/4/96, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. September 1995 erteilte der Landeshauptmann von Wien dem Beschwerdeführer die beantragte Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises für die Ausübung des Gewerbes der Gold- und Silberschmiede (§ 94 Z. 33 GewO 1994), eingeschränkt auf die Erzeugung von Gußringen, Manschettenknöpfen und Krawattenspangen an einem näher bezeichneten Standort.

Gegen diesen Bescheid erhob die Landesinnung Wien der Gold- und Silberschmiede und Juweliere Berufung. Mit Erledigung vom 29. Dezember 1995 forderte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Berufungswerberin auf, binnen zwei Wochen die vorgelegte Berufungsschrift "vom Vorsitzenden der do. Innung (oder von einem hiezu berechtigten Stellvertreter) nachträglich eigenhändig unterfertigen zu lassen sowie den der Berufung gemäß § 6 Abs. 2 FGO anzuschließenden (vom Vorsitzenden zu unterfertigenden) Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Landesinnungsausschusses, in der die Einbringung der gegenständlichen Berufung beschlossen worden ist, beizubringen". Innerhalb der Frist legte die Berufungswerberin die vom Innungsmeister unterfertigte Berufung sowie einen Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Innungsausschusses vom 11. Jänner 1996 vor, in dem es unter anderem heißt:

"Die organisatorrischen und administrativen Probleme, die mit der Auflösung der alten und Installierung der neuen Bürogemeinschaft mit der Innung der KFZ-Techniker, sowie die Vorbereitungen zur Mitgliederbefragung brachten im Innungsbereich einen extremen Termindruck.

Auf Grund dieser Umstände und zur Wahrung der Einspruchsfrist gegen den Bescheid der MA 63 war es nicht möglich eine Entscheidung über die Einbringung einer Berufung im Innungsausschuß herbeizuführen und einen entsprechenden Beschluß zu fassen.

Zur Vermeidung eines Fristversäumnisses hat der Innungsmeister im Dringlichkeitsweg die Einbringung der Berufung gegen den Bescheid der MA 63, mit dem Herrn G die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Gold- und Silberschmiede, eingeschränkt auf die Erzeugung von Gußringen, Manschettenknöpfen und Krawattenspangen im Standort W, F-Straße 170, erteilt wurde, veranlaßt.

... stellt den Antrag, daß die durch besondere Dringlichkeit bedingte Entscheidung des Innungsmeisters auf Einbringung der Berufung gegen den Bescheid der MA 63, mit dem Herrn G die eingeschränkte Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Gold- und Silberschmiede, bestätigt wird, und darüber hinaus die Einbringung der Berufung durch den Innungsausschuß im Nachhinein zu beschließen.

BESCHLUß:

Der Antrag wird einstimmig ohne Stimmenthaltung angenommen."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. März 1996 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dieser Berufung Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verweigerte dem Beschwerdeführer die erbetene in Rede stehende Nachsicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatttete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Gewährung der Nachsicht von dem in Rede stehenden Befähigungsnachweis verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer unter anderem geltend, die Berufung der Landesinnung der Gold- und Silberschmiede und Juweliere sei verspätet, weil er selbst den erstbehördlichen Bescheid bereits Anfang Oktober 1995 zugestellt erhalten habe, sodaß anzunehmen sei, dieser Bescheid sei der Berufungswerberin nicht erst, wie von ihr behauptet, am 7. November 1995 zugestellt worden.

In Erwiderung dieses Beschwerdevorbringens ist auf den Inhalt der Verwaltungsakten zu verweisen, wonach der erstbehördliche Bescheid auch dem Beschwerdeführer erst am 2. November 1995 zugestellt wurde. Da ein Zustellnachweis über die Zustellung an die Landesinnung Wien der Gold- und Silberschmiede und Juweliere in den Akten nicht aufzufinden ist, ist von der Richtigkeit des Vorbringens in der Berufung auszugehen (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 10. November 1949, Slg. N.F. Nr. 1082/A), wonach der

erstbehördliche Bescheid der Berufungswerberin am 7. November 1995 zugestellt worden sei. Die am 17. November 1995 zur Post gegebene Berufung ist daher als

rechtzeitig anzusehen.

Die Beschwerde erweist sich aber auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 6 der Fachgruppenordnung steht den Fachgruppen (Fachvertretungen) das Recht der Berufung gegen Entscheidungen und Verfügungen der Behörden in den Fällen zu, in denen es ihnen durch Gesetz oder sonstige Vorschriften eingeräumt wird. Das in Gesetzen und sonstigen Vorschriften der Zunft eingeräumte Berufungsrecht wird durch die Innung und das der Kaufmannschaft eingeräumte Berufungsrecht wird durch die Sektion Handel der Landeskammer ausgeübt. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Einbringung der Berufung das zuständige Organ der Fachgruppe (Fachvertretung, Sektion) zu beschließen. Der Berufung ist der vom Vorsitzenden des zuständigen Organs zu fertigende Auszug aus dem Sitzungsprotokoll anzuschließen.

Gemäß § 13 Abs. 2 FGO obliegt dem Fachgruppenausschuß, unbeschadet der Bestimmungen des § 12 Abs. 2, die Beschlußfassung in allen Angelegenheiten, die durch die Fachgruppenordnung oder Geschäftsordnung der Fachgruppe keinem anderen Organ zugewiesen wird. Nach dem Absatz 3 dieser Bestimmung hat der Ausschuß überdies gegen nachträgliche Berichterstattung bei besonderer Dringlichkeit und in den Fällen zu entscheiden, in denen die Fachgruppentagung innerhalb der von den Behörden gestellten Frist keinen Beschluß fassen kann.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich in ihrem Zusammenhang, daß die Erhebung einer Berufung gegen eine behördliche Entscheidung eines Beschlusses des Fachgruppen-(Innungs-)Ausschusses bedarf. Die Fachgruppenordnung enthält keine Bestimmung, wonach, wenn eine rechtzeitige Beschlußfassung durch den Fachgruppenausschuß nicht möglich ist, der Vorsteher der Fachgruppe zur Erhebung der Berufung gegen nachträgliche Genehmigung durch den Ausschuß berechtigt wäre.

Von dieser Rechtslage ausgehend, erweist sich die innerhalb der Berufungsfrist von der Landesinnung Wien der Gold- und Silberschmiede und Juweliere erhobene Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid, da sie nicht vom zuständigen Organ beschlossen wurde, als dieser nicht zurechenbar und daher als unzulässig. Die nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte Genehmigung der vom Vorsteher der Fachgruppe erhobenen Berufung durch das zuständige Organ vermag daran nichts zu ändern (vgl. den zur vergleichbaren Rechtslage bei Begründung eines Vollmachtsverhältnisses erst nach Erhebung der Berufung durch den Bevollmächtigten ergangenen hg. Beschluß vom 26. Jänner 1982, Slg. N.F. Nr. 10.641/A).

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage, wonach es sich, wie sich aus dem letzten Satz des § 6 Abs. 2 FGO ergibt, bei der Regelung dieses Abs. 2 nicht bloß um eine solche für die Willensbildung im Innenverhältnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, Slg. N.F. Nr. 10.147/A) handelt, die Berufung, anstatt sie zurückzuweisen, meritorisch erledigte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040116.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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