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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. August 1994, Zl. 317.020/2-III/A/2a/94, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: K in N), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 28. Juli 1993 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Flüssiggasanlage auf dem Grundstück Nr. 48 der KG N, wobei "die Anlage mit den Projektsunterlagen und mit der Beschreibung in der Verhandlungsschrift vom 26. März 1992 übereinstimmen muß", zur Versorgung eines 8-flammigen Gasherdes in der Küche des bestehenden Gastgewerbebetriebes im Standort N, H-Straße 16 gemäß "§ 77, § 74 Abs. 2, § 359 Abs. 1 erster Satz der Gewerbeordnung 1973, § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes und § 359 Abs. 1 zweiter Satz der Gewerbeordnung 1973" unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt; die Einwendungen der Beschwerdeführerin "wegen unzumutbaren Geruchs- und Lärmbelästigungen" wurden mit dem genannten Bescheid abgewiesen.
Über die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 27. Jänner 1994 im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend entschieden, daß der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene (erstinstanzliche) Bescheid bestätigt wird.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. August 1994 wurde die zuletzt genannte Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77 und 81 GewO 1994 als unbegründet abgewiesen". Zur Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgebenden Rechtslage aus, dem Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen sei in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, daß bei brandbeständiger, gasdichter und standsicherer Ausführung der Schutzmauer auf das Grundstück der Beschwerdeführerin kein Flüssiggas gelangen könne. Dieses, der Beschwerdeführerin im Wege der Akteneinsicht zur Kenntnis gebrachte Gutachten sei unwiderlegt geblieben. Mangels Gasimmissionen könne daher weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine Belästigung der Beschwerdeführerin auftreten. Aufgrund des gewerbetechnischen Sachverständigengutachtens brauche aber auch die Frage nicht beurteilt zu werden, ob etwa durch Rauchen oder Grillen im Garten der Beschwerdeführerin eine Gefährdung von Personen eintreten könne; die Einholung eines medizinischen Amtssachverständigengutachtens sei daher gleichfalls nicht erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen nach in den in der Gewerbeordnung normierten Nachbarrechten verletzt. Sie bringt hiezu (zusammengefaßt) vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei unzureichend bzw. mangelhaft. Mit ihren Beweisanträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (zu den Beweisergebnissen) sowie auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen bzw. Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und mit der Problematik, ob nicht durch "Rauchen oder Grillen" in ihrem Garten eine Gefährdung von Personen eintreten könne, habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Die Verweise auf das gewerbetechnische Amtssachverständigengutachten würden ihr nicht stichhaltig erscheinen. Es seien 24 Auflagen und eine Schutzzone samt entsprechenden Gefahrenhinweisen vorgeschrieben worden. Sämtliche Auflagen würden jedoch nur dem "Schutz der Liegenschaft der Konsenswerber" und nicht ihrem Schutz dienen, obwohl die Betriebsanlage lediglich durch die bestehende Gartenmauer von ihrem Grundstück getrennt sei. Es stelle sich die Frage, warum die Schilder mit den Gefahrenhinweisen anzubringen seien, wenn ohnehin keinerlei Gefahr von der Anlage ausgehe. Die Behörde vermeine konkludent, daß sie ohne Gefährdung von Personen direkt an der Grundstücksmauer "ein offenes Feuer entfachen dürfte bzw. grillen könnte". Diesen Ausführungen könne sie keineswegs folgen, sondern sie werde konkret durch den Flüssiggastank gefährdet. Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung "vor Ort" sowie Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hätte die belangte Behörde zu dem Schluß kommen müssen, daß die Einrichtung des Flüssiggastankes an der konkreten bewilligten Stelle geeignet sei, eine Gefahr für ihr Leben bzw. ihre Gesundheit herbeizuführen.
Die Beschwerde erweist sich bereits auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in der Z. 1 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen oder die in den Z. 2 bis 5 genannten Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.
Nach dem § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Bei der Erteilung einer Genehmigung nach § 81 GewO 1994 handelt es sich so wie auch bei einer Genehmigung nach § 77 leg. cit. um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Die Behörde ist in einem solchen Verfahren an den Inhalt des Antrages gebunden. Es steht ihr nicht frei, abweichend von diesem je nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Genehmigung zur Errichtung im Sinne der §§ 74 Abs. 2 und 77 oder zur Änderung im Sinne des § 81 leg. cit. zu erteilen bzw. zu versagen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1996, Zl. 96/04/0043).
Im vorliegenden Fall werteten die Behörden erster und zweiter Instanz inhaltlich - ob zu Recht ist im gegebenen Zusammenhang nicht zu untersuchen - das dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegende Ansuchen der mitbeteiligten Partei als ein solches um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage und nicht als ein solches um Genehmigung der Änderung einer bestehenden Betriebsanlage. Dadurch, daß die belangte Behörde in Abänderung der ergangenen Genehmigungsbescheide auch § 81 GewO 1994 in den Spruch und die Begründung des angefochtenen Bescheides aufnahm und somit einen Bescheid in Ansehung der Genehmigung der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage erließ, überschritt sie die Grenzen ihrer durch das im § 66 Abs. 4 AVG normierte Gebot der Entscheidung "in der Sache" bestimmten Zuständigkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. November 1991, Zl. 91/04/0157, und vom 30. März 1993, Zl. 91/04/0197). Schon aus diesen Erwägungen erweist sich daher der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
Für das fortgesetzte Verfahren ist auch noch darauf zu verweisen, daß der in den erstbehördlichen Bescheidspruch aufgenommene Verweis "Die Anlage muß mit den Projektunterlagen und mit der Beschreibung in der Verhandlungsschrift vom 26. März 1992 übereinstimmen." nicht dem Erfordernis gemäß § 59 Abs. 1 AVG im Sinne einer eindeutigen Abgrenzbarkeit dieses Abspruches entspricht. Demnach würde eine Übernahme des erstinstanzlichen Bescheidspruches in dieser Hinsicht den Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit belasten (vgl. insoweit auch die hg. Erkenntnisse vom 15. April 1986, Zl. 85/04/0069, und vom 17. März 1987, Zl. 86/04/0219).
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage aus den dargelegten Gründen verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994040248.X00Im RIS seit
20.11.2000