Entscheidungsdatum
30.11.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2245917-1/10E
L515 2245918-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Markus STEININGER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX ,
I. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice Landesstelle OÖ vom 04.01.2021, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung und die Aberkennung des Status der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten sowie
II. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice Landesstelle OÖ vom 22.12.2020, OB: XXXX , betreffend die beantragte Ausstellung eines Behindertenpasses
in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird in Bezug auf die Spruchpunkte I und II gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
In Bezug auf Spruchpunkt I wird festgestellt, dass Frau Hafize TATAROGLU, geb. am 20.10.1964, mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung dieses Erkenntnisses folgt, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministerium-service als belangte Behörde („bB“) vom 30.10.2018 wurde festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei ("bP") ab 18.07.2018 aufgrund eines festgestellten Grades der Behinderung („GdB“) von 60 vH dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne der §§ 2, 3 und 14 BEinstG angehört. Im dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Sachver-ständigengutachten vom 02.10.2018 wurde als führendes Leiden die Abnützung der Hals-wirbelsäule gem. der Pos.Nr. 02.01.03 gem. der Anlage zur Einschätzungsverordnung (mehrfache Bandscheibenwölbungen, Zustand nacheinmaliger CT-gezielter Infiltration ohne Beschwerdenverbesserung, Belastungsschmerzen, subjektive Kraftlosigkeit rechter Arm, schmerzbedingte Schultergelenkseinschränkung rechts, hochgradige Bewegungseinschrän-kungen der Halswirbelsäule, Schmertherapie mit Opiaten notwendig) festgestellt und mit einem GdB von 60 vH bewertet. Diesen GdB steigernde weitere Leiden lagen nicht vor. Sachverständigenseits wurde im Rahmen einer Verlaufskontrolle eine Nachuntersuchung mit 9/2020 empfohlen.
Am im Akt ersichtlichen Datum beantragte die bP unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses und die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.
1.2. In dem von der belangten Behörde eingeleiteten Verfahren zwecks Überprüfung des Grades der Behinderung wurde die bP am 23.10.2020 einer Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige (FÄin für physikalische Medizin und Allgemeinmedizinerin) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. Die Sachverständige stellte wiederum als führendes Leiden Halswirbelsäulenbeschwerden (Lfd. Nr. 1), nunmehr gem. Pos.Nr. 02.01.02 gem. der Anlage zur Einschätzungsverordnung fest (keine aktuelle Bildgebung vorliegend, laut Vorgutachten mehrfachte Bandscheibenvorwölbungen, berichtete Belastungsschmerzen rechtsseitig mit Ausstrahlung im Hinterkopf und in der Schläfe, im Status mittel- bis endgradige Bewegungseinschränkung, Angabe von ungerichtetem Schwindel, keine Lähmungserschei-nungen, keine Kraftabschwächung an oberen Extremitäten, keine Muskelabbauzeichen, freie Schultergelenksbeweglichkeit, regelmäßige Schmerztherapie (WHO Stufe 1)), welche mit einem GdB von 30 vH zu bewerten waren. Ebenso bewertete sie Angst- und Panikattacken (Lfd. Nr. 2) gem. der Pos.Nr. 03.04.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Chronische Schmerzen ohne fassbare körperliche Ursachen (somatoform), regelmäßige medikamentöse Therapie, keine Psychotherapie, sozial integriert) mit einem GdB von 30 vH und führte aus, dass diese das führende Leiden um eine Stufe steigern. Weitere Leiden (Asthmaerkrankung (Lfd. Nr. 3), geringe Magenentzündung (Lfd. Nr. 4), Schilddrüsenunterfunktion (Lfd. Nr. 5), nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit (lfd. Nr. 6)) führten zu keiner Steigerung. In der Stellungnahme zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten führte die Sachverständige aus, dass die Leiden gem. Position 2 und die nicht steigerungswürdigen Leiden unter Position 3 und 4 dazugekommen wären. Das leiden unter Position 1 werden nunmehr mit 30 % beurteilt, aufgrund fehlender aktueller Bildgebung, mittlerweile nur noch analgetische Therapie WHO Stufe1 mit Besserung der Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und fehlender Lähmungserscheinungen der oberen Extremitäten. Durch die Besserung des Leidens unter Position 1 verringere sich trotz der neu hinzugekommenen Position 2 der Gesamtgrad der Behinderung von 60 auf 40 %.
1.3. Mit Schreiben vom 05.11.2020 wurde der bP das im Rahmen des Verfahrens eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Am 27.11.2020 langte diesbezüglich eine Stellungnahme ein. Hierin erklärte sich die bP mit der Herabstufung ihres Gesamtgrades der Behinderung von 60 v.H. auf 40 v.H. nicht einverstanden, zumal sich ihr Gesundheitszustand seit der letzten Begutachtung im Jahre 2018 nicht verbessert habe; vielmehr müsse sie mehr Medikamente einnehmen und auch die Häufigkeit ihrer Arzt- und Krankenhausuntersuchungen hätte sich erhöht. Auf Grund der Covid-19-Pandemie seien sämtliche Arzttermine abgesagt worden, weshalb sie keine neuen Befunde vorlegen könne. Sie ersuche um Neubegutachtung ihres Antrages. In einem wurde mit der Beschwerde eine Medikamentenliste sowie Überweisungsscheine und Terminbestätigungen hinsichtlich weiterer ärztlicher Unter-suchungen übermittelt.
1.4. In Reaktion auf die oa. Stellungnahme der bP wurde hierauf von der belangten Behörde eine Stellungnahme von der bereits mit der Angelegenheit befassten Sachverständigen eingeholt. Diese brachte zusammengefasst vor, dass sich am festzustellenden Grad der Behinderung im Lichte der in der Stellungnahme gemachten Angaben und vorgelegten Bescheinigungsmitteln nichts ändere. Konkret führte sie aus:
„Beschwerde bezüglich Herabstufung der führenden Position 1.
Alle nachgereichten Befunde eingesehen.
Gutachterliche Begründung: Im Vorgutachten 05/2018 wurde eine subjektive Kraftlosigkeit rechter Arm, eine schmerzbedingte Schultergelenkseinschränkung rechts, eine hochgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, und Schmerztherapie mit Opiaten (WHO Stufe 2 bis 3) festgestellt.
Im Gegensatz dazu im aktuellen Status 11/2020: fehlende aktuelle Bildgebung, laut Vorgutachten mehrfache Bandscheibenvorwölbungen, was heißt KEINE Bandscheibenvorfälle, lediglich mittel- bis endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, Angabe von ungerichtetem Schwindel (befundlich nicht belegt), keine Lähmungserscheinungen, keine Kraftabschwächung an oberen Extremitäten, keine Muskelabbauzeichen, freie Schultergelenksbeweglichkeit, regelmäßige Schmerztherapie (WHO Stufe 1).
Somit eine Besserung der Beweglichkeit und der Muskelkraft ohne maßgebliche Einschränkungen zusätzlich verminderte Schmerztherapie, dadurch entsprechende Herabstufung.
Der beigefügte Arztbrief von Dr. XXXX 29.9.2020 wurde bereits im Gutachten entsprechend mit 30% gewürdigt.
Das Rezept über Paspertin Filmtabletten und Ezetimib Tabletten, sowie eine Überweisung zur Physiotherapie wurden zu Kenntnis genommen, bewirken allerdings keine Änderung der Gesamteinschätzung.
Bezüglich einer laufenden Abklärung des Verdachts einer nichtalkoholischen Fettleber am XXXX liegt noch keine endgültige Diagnose vor und kann daher nicht korrekt beurteilt werden.
Es ergibt sich daher keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung von 40%.“
1.5.1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 04.01.2021, OB XXXX stellte die belangte Behörde fest, dass die bP mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.
1.5.2. Mit dem weiteren verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 22.12.2020, OB XXXX , betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses, stellte die belangte Behörde fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht (mehr) vorliegen und wies den entsprechenden Antrag ab.
1.6. Mit Schreiben vom 27.01.2021 erhob die bP gegen die unter Pkt. I.5.1 und I.5.2. angeführten Bescheide eine inhaltlich gleichlautende Beschwerde und übermittelte neue Befunde.
1.7. Ein weiteres - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung eingeholtes - Sachverständigengutachten (FÄin für Anästhesie und Allgemeinmedizinerin) vom 12.08.2021 ergab wiederum einen Grad der Behinderung von 40 v.H.
1.8. Da die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht fristgerecht abschloss, wurden die Beschwerden samt Akte dem ho. Gericht mit Schreiben vom 31.08.2021 zur Entscheidung vorgelegt. Die betreffenden Schreiben langten am 01.09.2021 beim ho. Gericht ein.
1.9. Seitens des ho. Gerichts wurden der bP die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Nach bewilligter Fristerstreckung langte am 07.10.2021 eine Stellungnahme samt neuer Befunde ein. In ihrer Stellungnahme vom 04.10.2021 verwies sie hinsichtlich ihrer Halswirbelsäulenbeschwerden auf die Untersuchung durch einen Orthopäden im Juli 2021 zur Abklärung einer Operation. Ihre Beschwerden hätten sich verschlechtert. Die ärztliche Sachverständige sei am 09.06.2021 zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. Dieses Gutachten sei allerdings vor dem Termin im KH erstellt worden. Sie lege nunmehr nochmals alle relevanten Befunde vor und ersuche um neuerliche Bewertung ihres Antrages. Möglicherweise seien auf Grund ihrer nicht so guten Deutschkenntnisse Missverständnisse bezüglich der Beschreibung ihrer Beschwerden entstanden. Der Stellungnahme wurde ein Befundkonvolut bestehend aus: MRT des Gehirnschädels unter besonderer Berücksichtigung der hinteren Schädelgrube und MR-Diffusionsbildung des Gehirns vom 14.09.2021, Medikamentenplan vom 12.08.2021, Arztbrief einer Neurologin vom 12.08.2021, Ambulanzbericht des KUK vom 13.07.2021, Befund des KUK über einen ambulanten Besuch am 17.08.2021 bzgl. einer Nervenaffektion C 6 re, Befund über ein Schulterröntgen vom 29.06.2021, Befund eines FA f. Innere Medizin vom 07.07.2021, Befund Schilddrüsenuntersuchung des KUK vom 21.06.2021, Endbefund der Laboruntersuchung am 07.06.2021, Befund eines FA für Orthopädie vom 23.04.2021, Befund eines FA für Neurologie vom 27.05.2021, Laborbefund vom 19.01.2021, Schilddrüsenbefund vom 21.01.2021, Ambulanzbericht KUK vom 19.01.2021, Arztbrief einer Neurologin vom 19.01.2021, Arztbrief des KUK vom 02.12.2020, vorläufiger Bericht des KUK vom 02.12.2020, Befundbericht eine FA f. innere Medizin vom 06.03.2020, sowie eine Bestätigung über die Teilnahme der bP an einer Selbsthilfegruppe für türkischsprechende Frauen mit Depressionen vom 17.06.2021, beigelegt.
1.10. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 24.11.2021 beschloss der gemäß der Geschäftsverteilung des ho. Gerichts zuständige Senat die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und an der im Akt ersichtlichen Adresse im Inland wohnhaft.
1.2. Das am 12.08.2021 - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - von einer ärztlichen Sachverständigen (FÄin für Anästhesie und Allgemeinmedizinerin) erstellte Gutachten (Begutachtung 09.06.2021) weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf und wird zu den Feststellungen im gegenständlichen Erkenntnis erhoben:
„…
Anamnese:
Vorgutachten 10/18 Dr. XXXX mit 60% wegen WS 60%, latentem DM 10%, SD 10%.
Vorgutachten 10/20 Dr. XXXX mit 40% wegen WS 30%, Angst- und Panikattacken 30%, Asthma 20%, Magen 10%, SD 10%, NIDDM diätetisch 10%.
Beschwerde gegen den letzten Bescheid.
Derzeitige Beschwerden:
Wirbelsäule sei Hauptproblem, komplette re Seite sei gefühllos, Hand tue hr weh. Müsse weitere Untersuchungen machen. Der re Arm sei kraftlos, könne zB kein 6er-Tragerl Wasser tragen. Weiterhin Angst-, Panikattacken. Keine psychiatr. Kontrolle, aber zum Neurologen. Gehe in eine muttersprachliche Gruppentherapie ab nächsten Monat. Wegen Corona treffe sie sich nicht mit Freundinnen. Bei bekanntem Asthma aus beruflichen Gründen (Plastikstoffe) Reizung, mit den Sprays komme sie zurecht. Die Leber vergrößere sich, eine Ernährungsumstellung habe sie gemacht.
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Alle in der Untersuchung vorgelegten und elektron. vorliegenden Befunde/Nachweise inkl. allfällig vorhandener Vorgutachten wurden eingesehen und berücksichtigt – maßgebliche Auszüge daraus werden nachstehend aufgelistet:
05/21 Dr. XXXX , FÄ Neurol.:
chronifizierte depressiv-ängstliche Anpassungsstörung mit Antriebsminderung
chron. polytope Schmerzkrankheit - somatoform/degenerativ, höhergradige degen. HWS-Veränderungen
Thalassämia minor
Autoimunthyreoiditis
LK-Schwellungen re Halsseite in Abklärung
Osteopenie
Steatosis hep., Pankreaslipomatose
kleine Nierenparecnhymcyste re.
Colondivertikulose
DM levis.
05/21 Labor Dr. XXXX : NBZ, Leberwerte, Cholesterin erhöht, TSH basal erhöht, Vit D erniedrigt
04/21 Abschlussbericht Reha Bad XXXX : verbesserte WS-BEweglichkeit, VAS 1.
04/21 MR HWS: Blockwirbelbildung C2/3 bei sonst mittel- bis höhergradigen degen. Veränderungen, flache Discushernie C3/4 und C6/7. Regelrechte WK-Weite, sekund. Einengung bei C6/7. Kein Nachweis einer Druckmyelopathie.
01/21 KUK Int.: ergänzende Diagnosen: NASH - diagnostische Leberbiopsie am 03.12.2020; Sigmadivertikulose.
01/21 Dr. XXXX , Nuklearmed.: Atrophe Verlaufsform einer Autoimmunthyreopathie, latente Hypothyreose unter Substitution
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut. Schwindel bei raschen Lagewechsel.
[…]
Klinischer Status – Fachstatus:
[…]
WS: achsgerecht, Rundrücken mit diskreter Skoliose bei hypotoner Grundhaltung, frei beweglich in allen Abschnitten,
FBA 10cm.
OE: Gelenke frei, grobe Kraft vollständig, stgl., grobneurol. unauff.
UE: Gelenke frei, grobe Kraft vollst., symm., grobneurol. unauff.
Gesamtmobilität – Gangbild:
frei, zügig, symm., Zehen-/Fersengang bds durchführbar, Einbeinstand bds durchführbar
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen.
Radiologisch mittel- bis höhergradigen degenerative Veränderungen mit Blockwirbelbildung C2/3 und leichten Bandscheibenschäden. Osteopenie. Keine Myelopathie. Keine neurologischen Defizite erfassbar, keine Funktionseinschränkungen. Laufende Schmerztherapie.
Pos. Nr. 02.01.02, GdB 30 %
2) chronifizierte depressiv-ängstliche Anpassungsstörung mit Antriebsminderung.
Laufende Medikation. Aktuell keine Psychotherapie, anamnestisch ab nächstem Monat muttersprachliche Gruppentherapie. Sozial integriert, geht arbeiten im Schichtbetrieb.
Pos. Nr. 03.05.01, GdB 30 %
3) Asthma bronchiale.
Z.n. Nikotinmissbrauch. Belastungsabhängige Beschwerden. Aktuell klinisch unauffällig. Keine aktuellen Befunde. Daher nach Medikation und Klinik beurteilt wie im Vorgutachten.
Pos. Nr. 06.05.01, GdB 20 %
4) Leichte Magenentzündung (minimal chronische inaktive Gastritis).
Medikation mit Säurehemmer, guter bzw adipöser Ernährungszustand.
Pos. Nr. 07.04.01, GdB 10 %
5) Schilddrüsenunterfunktion, Hashimoto-Thyreopathie.
Medikamentöse Therapie.
Pos. Nr. 09.01.01, GdB 10 %
6) Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus.
Diätetische Maßnahmen weiterhin ausreichend.
Pos. Nr. 09.02.01, GdB 10 %
7) Fettleber bei Übergewicht.
Erhöhte Leberwerte, keine wesentliche Funktionsstörung. Ernährungsumstellung.
Pos. Nr. 07.05.03, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führend ist Pos 1.
Pos 2 wirkt im Alltag verschlechternd, daher Erhöhung um eine Stufe.
Die übrigen Positionen geringfügig und daher nicht stufenerhöhend.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Allergische Rhinoconjunctivitis laut Antrag - kein HNO-Befund, keine Angaben.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Pos 2 mit neuer Positionsnummer aufgrund des neu vorgelegten Befundes.
Neu ist die nicht steigerungswürdige Pos 7.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Unverändert 40%.
Dauerzustand
Nachuntersuchung 10/2023 - Verlaufskontrolle - Besserung der HWS-Beschwerden und der psychischen Befindlichkeit möglich.
.…“.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Einleitend ist festzuhalten, dass sich die gutachterlichen Ausführungen gem. Punkt I.1.2, I.1.4 und II.1.2 in ihrem hier relevanten Sachverhalt in Bezug auf ihren objektiven Aussagekern nicht widersprechen und im Gutachten gem. Punkt II.1.2 die vorgenannten Ausführungen im beschriebenen Umfang bestätigt werden. Die Ausführungen durch das ho. Gericht zu den letztgenannten gutachterlichen Ausführungen sind daher im Lichte des Neuerungsverbots im Beschwerdeverfahren gem. § 46 3. Satz BBG bzw. § 19 Abs. 1 letzter Satz BEinstG als Abrundung und konkretisierung der behördlichen Ausführungen zu sehen (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10 oder VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0226 Rn. 10 mwN).
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau dentgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten auch dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerde-vorentscheidung eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Anästhesie und Allgemeinmedizin vom 12.08.2021 als Bestätigung der Ausführungen gem. den bereits genannten Punkten I.1.2 und I.1.4 ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorgelegten Beweismittel/Befunde bzw. das Vorgutachten von 25.10.2020 sowie die Stellungnahme der bereits mit der Angelegenheit befassten Sachverständigen vom 17.12.2020, stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens, vielmehr wurden sie seitens der Sachverständigen eingesehen und ebenso wie die im Rahmen der Stellungnahme der bP vom 24.11.2020 vorgelegten Befunde in die Einschätzung miteinbezogen. Das „chronische Schmerzsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen“ wurde innerhalb des Rahmensatzes der Pos. Nr. 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz von 30 % nachvollziehbar eingeschätzt, zumal eine Myelopathie (Schädigung des Nervengewebes im Rückenmark der Hals-, oder Brustwirbelsäule) nicht festgestellt werden konnte. Radiologisch zeigten sich mittel- bis höhergradige degenerative Veränderungen mit Blockwirbelbildung C2/3 und leichte Bandscheibenschäden. In der klinischen Untersuchung waren keine neurologischen Defizite und auch keine Funktionseinschränkungen erfassbar. Der letzte Reha-Besuch fand 05/2019 statt. Außer einer Schmerztherapie war ein andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika nicht erhebbar und wurde auch seitens der bP nicht vorgebracht bzw. belegt. Die von der bP monierte Einnahme von Schmerzmitteln ist Teil des Krankheitsbildes und ist daher in dieser Bewertung bereits mitberücksichtigt. Der im Rahmen der Beschwerde vorgelegte Befund eines Facharztes für Orthopädie vom 23.04.2021 vermochte keine Änderung der Einschätzung der Sachverständigen herbeiführen, vielmehr war er Anlass für das nunmehrige Sachverständigengutachten. Ungeachtet des Umstandes, dass der mit der Stellungnahme vom 04.10.2021 vorgelegte Ambulanzbericht vom 13.07.2021 des KUK hinsichtlich des neurochirurgischen Status der Halswirbelsäule dem Neuerungsverbot unterliegt, wurde darin festgestellt, dass sich der radiologische Befund von 2016 bis dato nicht geändert. Die bP bestätigte in ihrer Stellungnahme, dass die Sachverständige in ihrem Gutachten ein „ähnliches Ergebnis feststellt“. Auch das Schulterröntgen vom 29.06.2021 zeigte keine Arthrose und keine Fraktur.
Die im Vergleich zum Sachverständigengutachten vom 25.10.2018 geänderte Einstufung der unter lfd. Nr. 01 angeführten Funktionseinschränkung von 02.01.03 auf 02.01.02 erfolgte entsprechend der Vorgabe der Anlage zur Einschätzungsverordnung im Hinblick auf die Halswirbelsäulenbeschwerden. Die damaligen Beschwerden der bP präsentierten sich in Belastungsschmerzen, subjektiver Kraftlosigkeit des rechten Armes, schmerzbedingte Schultergelenkseinschränkung rechts, hochgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie einer Schmerztherapie mit Opiaten. Eine einmalige CT-gezielte Infiltration zeigte keine Beschwerdeverbesserung. Die damalige Gutachterin, welche auch das nachfolgende Gutachten 12/2020 erstellt hat, regte in ihrem Gutachten eine Nachuntersuchung 9/2020 zwecks Verlaufkontrolle an. Eine höhere Einschätzung würde rezidivierend und anhaltende Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben bedingen; dies liegt unstrittig nicht vor. Sowohl im Sachverständigengutachten vom 25.10.2020 als auch in der dazu ergangenen ärztlichen Stellungnahme vom 17.12.2020 wurde eine Besserung der Beweglichkeit und der Muskelkraft ohne maßgebliche Einschränkungen mit einer zusätzlich verminderten Schmerztherapie festgestellt.
Die „chronifizierte depressiv-ängstliche Anpassungsstörung mit Antriebsminderung“ wurde als Störung leichten Grades der Pos. Nr. 03.05.01 zugeordnet und innerhalb des Rahmensatzes mit dem oberen Rahmensatz von 30 % nachvollziehbar eingeschätzt, zumal die bP sozial integriert ist, seit 17.06.2021 eine Selbsthilfegruppe für türkischsprechende Frauen mit Depressionen besucht, im Schichtbetrieb arbeitet und eine laufende Medikation erhält. Die bP nimmt aktuell keine Psychotherapie in Anspruch und waren weder kognitiven Störungen noch erste Zeichen einer Desintegration noch stationäre Aufenthalte erhebbar. Der vorgelegte Befund einer Fachärztin für Neurologie vom 05/21 vermochte keine Änderung der Einschätzung der Sachverständigen herbeiführen. Vielmehr war er Anlass, die Funktionseinschränkung der Pos. 2, der Pos. Nr. 03.05.01 zuzuordnen. Während im Vorverfahren die Funktionseinschränkung als Angst- und Panikattacke diagnostiziert wurde, wurde sie nunmehr auf Grund des neu vorgelegten Befundes als chronifizierte depressiv-ängstliche Anpassungsstörung mit Antriebsminderung diagnostiziert. Eine Änderung des GdB ergab sich im Vergleich zum Vorgutachten nicht. Da sich die chronifizierte depressiv-ängstliche Anpassungsstörung im Alltag verschlechternd auswirkt, wurde der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe von 30 v.H. auf 40. v.H. erhöht.
Die weiteren Funktionseinschränkungen (Asthma bronchiale, leichte Magenentzündung (minimal chronische inaktive Gastritis), Schilddrüsenunterfunktion, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie die Fettleber bei Übergewicht wurden als geringfügig eingestuft und waren daher nicht stufenerhöhend. Die allergische Rhinoconjunctivitis erreicht mangels HNO-Befundes keinen Grad der Behinderung.
Das im Zuge der Stellungnahme vorgelegte MRT des Gehirnschädels unter besonderer Berücksichtigung der hinteren Schädelgrube und MR-Diffusionsbildung des Gehirns vom 14.09.2021, Medikamentenplan vom 12.08.2021, Arztbrief einer Neurologin vom 12.08.2021, Ambulanzbericht des KUK vom 13.07.2021, Befund des KUK über einen ambulanten Besuch am 17.08.2021 bzgl. einer Nervenaffektion C 6 re, Befund über ein Schulterröntgen vom 29.06.2021, Befund eines FA f. Innere Medizin & Pneumologie vom 07.07.2021, Befund Schilddrüsenuntersuchung des KUK vom 21.06.2021, Endbefund der Laboruntersuchung am 07.06.2021, sowie der Hinweis auf eine nunmehr eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes unterliegen dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren gem. § 46 3. Satz BBG bzw. § 19 Abs. 1 letzter Satz BEinstG und wären allenfalls in einem neuen, bei der bB anzustengenden Verfahren in Vorlage zu bringen bzw. vorzutragen.
Betreffend das Vorbringen in der Stellungnahme, dass es aufgrund nunmehr behaupteter eingeschränkter Deutschkenntnisse der bP eventuell zu Missverständnissen bei der Beschreibung ihrer Beschwerden gekommen sei, ist es nicht nachvollziehbar, dass ein derartiger Umstand das Gutachtensergebnis beeinflusst haben könnte, da als Basis für die gutachterlichen Äußerungen die Befundlage und die objektivierbaren Untersuchungs-ergebnisse der medizinischen Sachverständigen vorrangig anzunehmen ist. Auch ergaben sich für die Sachverständige mangels entsprechender Hinweise im Gutachten sichtlich keine Hinweise, dass die Qualität der Anamnese aufgrund allfälliger Sprachdefizite beeinträchtigt war. Die Beschwerdeführerin beschrieb im Rahmen der Anamnese ihre Einschränkungen offensichtlich ausführlich und ist der Anamnese auch nicht entnehmbar, dass diese aufgrund von sprachlichen Barrieren nicht vollständig vorgenommen werden konnte, sodass nicht angenommen werden kann, dass Beschwerden bei der Untersuchung unerwähnt und daher unberücksichtigt geblieben sein sollen. Auch in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunden finden sich keine Hinweise auf weitere, nicht berücksichtigte Beschwerden. Weder in der Beschwerde noch in den Stellungnahmen führte die bP an, dass es hinsichtlich ihrer Beschwerden zu Missverständnissen gekommen sei.
Das gegenständliche Gutachten vom 12.08.2021 stellt sich aus ho. Sicht als aktuell, schlüssig und widerspruchsfrei dar und wird dem bezeichneten Gutachten daher erhöhte Beweiskraft zugemessen.
Auch war dem Inhalt des Vorbringens und den vorgelegten Beweismitteln der bP kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Fachkompetenz der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.
Die bP hatte im Rahmen des von der belangten Partei gewährten Parteiengehörs Gelegenheit, die Darlegungen des Facharztes für Anästhesie in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten oder durch Vorlage von Beweismittel zu widerlegen oder Ungereimtheiten hierin aufzuzeigen; sie legte weitere Befunde vor, welche einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme unterzogen wurden, welche den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegt wurden.
Das Vorbringen der bP war in seiner Gesamtheit letztlich nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung zu entkräften, auch weil sie nicht konkret und mit näherer Begründung die Unschlüssigkeit des Gutachtens dargelegt hat (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044). Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass pauschales Bestreiten nicht den Anforderungen eines konkreten und substantiierten Entgegentretens im oben angeführten Sinne entspricht.
Seitens des ho. Gerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden sachverständigen Ausführungen. Da diese auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Es sei abschließend nochmals darauf hingewiesen, dass jene Tatsachen und Beweismittel, welche erst im Beschwerdeverfahren vor dem ho. Gericht vorgelegt bzw. vorgebracht wurden, gem. § 46 letzter Satz BBG nicht weiter zu einer meritorischen Behandlung zu unterziehen waren.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
– Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
– Behinderteneinstellungsgesetz BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF
– Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
– Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
– Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
– Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
– Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2.1. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
3.2.2. Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG idgF entscheidet in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 das Bundesver-waltungsgericht durch den Senat.
Gemäß § 19b Abs. 3 BEinstG idgF sind die Vertreterinnen oder Vertreter der Arbeitgeber bei Senatsentscheidungen nach Abs. 2 von der Wirtschaftskammer Österreich zu entsenden. Die Vertreterin oder der Vertreter der Arbeitnehmer wird von der Bundesarbeitskammer entsandt. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gemäß § 19b Abs. 6 BEinstG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Abs. 3 dritter und vierter Satz sind anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gemäß § 19b Abs. 7 BEinstG haben die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) in Verfahren nach Abs. 2, 4 und 6 für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts) aufzuweisen.
3.2.3. Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
3.2.4. In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG und § 19b Abs. 1 BEinstG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
Gemäß § 46 BBG und § 19 Abs. 1 BEinstG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Behinderten (in § 19 Abs. 1 BEinstG) und für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG in der Fassung BGBl. I 57/2015 bestimmt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Zu A)
zu I. Aberkennung des Status der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten
Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:
1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,
2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,
3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind. (§ 2 Abs. 1 BEinstG)
Nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 gelten behinderte Personen, die
a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder
c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder
d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind. (§ 2 Abs. 2 BEinstG)
Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichts;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. (§ 14 Abs. 1 BEinstG).
Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird. (§14 Abs. 2 BEinstG).
Nach § 2 Abs 1 BEinstG sind begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Die bP weist auf Grund des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 12.08.2021 nur mehr einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. auf. Sie ist somit nicht mehr begünstigte Behinderte (§2 Abs. 1 BEinstG).
Zu II.
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Da im Hinblick auf den - wie gezeigt unbedenklichen - Inhalt des Sachverständigengutachtens ein Grad der Behinderung von vierzig (40) von Hundert (vH) festzustellen ist und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei die Durchführung einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nicht beantragt. Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachver-ständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung – zuletzt erstellte Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10, Ra 2017/11/0288-3, 19.12.2017):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. den einschlägigen Bestimmungen des BBG bzw. BEinstG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Auf die getroffenen Feststellungen, wonach die Ausführungen des ho. Gerichts als Abrundungen bzw. Konkretisierungen der behördlichen Ausführungen zu sehen sind, sei an dieser Stelle abschließend nochmals hingewiesen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
3.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende und im gegenständlichen Erkenntnis bereits zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenso ist auf den eindeutigen Wortlaut der hier anzuwendenden Rechtsquellen zu verweisen, welche keine andere als die hier vorgenommene Auslegung zulassen.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen nicht vor. Es lag der wesentliche Schwerpunkt des gegenständlichen Erkenntnisses im Rahmen der Beweiswürdigung und hier insbesondere im Rahmen der Frage der Beweiskraft eines schlüssigen Gutachtens. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2245918.1.00Im RIS seit
14.01.2022Zuletzt aktualisiert am
14.01.2022