TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/1 W265 2199962-1

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Veröffentlicht am 01.12.2021
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Entscheidungsdatum

01.12.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2199962-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX auch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a Hela AYNI-RAHMANZAI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem Vater, seiner Stiefmutter, drei Schwestern und einem Stiefbruder in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.03.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Antragstellung gab er an, am XXXX geboren zu sein.

2. Am   17.03.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er unter anderem an, afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volkgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim zu sein. Er stamme aus der Stadt Kabul und sei am XXXX geboren.

3. Am 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid vom 27.04.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegenüber ihm gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

5. Mit Bescheiden ebenfalls vom 27.04.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch die Anträge des Vaters, der Stiefmutter, der drei Schwestern und des Stiefbruders des Beschwerdeführers vollinhaltlich ab.

6. Gegen diese Bescheide erhoben der Beschwerdeführer, sein Vater und seine drei Schwestern durch ihre bevollmächtigte Vertretung mit Eingabe vom 21.06.2018 fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde.

7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 28.06.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo sie am 04.07.2018 einlangten.

8. Mit Eingabe vom 17.07.2018 erstatteten der Beschwerdeführer und seine Familienmitglieder durch ihre bevollmächtigte Vertretung eine Beschwerdeergänzung. Zugleich wurde auch hinsichtlich seiner Stiefmutter und seines Stiefbruders Beschwerde erhoben, deren Bescheide zunächst falsch zugestellt worden seien.

9. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W265 zugewiesen.

10. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.10.2021, Zl. W240 2199963-1/18Z ua, wurden der Stiefmutter und einer Schwester des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie seinem Vater und seinen beiden weiteren Schwestern gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

11. Mit Eingabe vom 12.11.2021 erstattete der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass er an psychischen Grunderkrankungen leide und nicht klar denken und sprechen könne. Er wolle auch nicht zum Arzt gehen und bekomme im Moment die zuletzt eingestellte Medikation eines Arztes, der bei ihm eine schizoaffektive Psychose sowie eine bipolare Depression festgestellt habe. Der Beschwerdeführer verhalte sich in Gesprächen „wie ein kleines Kind“. Er müsse immer in Begleitung eines Familienangehörigen sein, da er alleine nicht in der Lage sei, seinen Alltag zu bewältigen. Die Eltern des Beschwerdeführers würden an Eides statt erklären, dass er am XXXX geboren und aufgrund seiner psychischen Leiden nicht in der Lage sei, sein Geburtsdatum korrekt anzugeben. Im Bescheid der belangten Behörde sowie auf der „weißen Karte“ werde das Geburtsdatum ebenfalls mit XXXX angeführt. Daraus gehe klar hervor, dass er zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 16.03.2017 noch minderjährig gewesen sei. Es sei daher in diesem Fall von einem Familienverfahren auszugehen und dem Beschwerdeführer abgeleitet von seiner Mutter oder seiner zum Antragszeitpunkt minderjährigen Schwester der Asylstatus zuzuerkennen. Mit der Stellungnahme wurden ein medizinischer Befund, eidesstattliche Erklärungen der Eltern des Beschwerdeführers und eine Kopie seiner Aufenthaltsberechtigungskarte vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, des genannten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung, der Stellungnahme, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Familie und seinem Gesundheitszustand:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt Kabul. Seine Kernfamilie besteht aus seinem Vater XXXX , seiner Stiefmutter XXXX , seinen drei Schwestern XXXX , XXXX und XXXX und seinem Stiefbruder XXXX .

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer und seine Familienmitglieder stellten nach gemeinsamer Einreise am 16.03.2017 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.10.2021, Zl. W240 2199963-1/18Z ua, wurden seiner Stiefmutter und seiner Schwester XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie seinem Vater und seinen beiden weiteren Schwestern gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer leidet an einer schizoaffektiven Psychose und einer bipolaren Depression. Er ist nicht in der Lage, sich klar und verständlich auszudrücken. Er bedarf stets der Begleitung eines Familienangehörigen sein, da er alleine nicht in der Lage ist, seinen Alltag zu bewältigen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Familie und zu seinem Gesundheitszustand:

Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der Beschwerde.

Zu seinem Geburtsdatum machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben. Bei der Asylantragstellung gab er an, am XXXX geboren zu sein (vgl. AS 1). Im Rahmen der Erstbefragung am nächsten Tag nannte er jedoch den XXXX . Die belangte Behörde stellte ihm in der Folge eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG aus, die das Geburtsdatum XXXX aufweist (vgl. Beilage zu OZ 14). In der behördlichen Einvernahme am 27.11.2017 wiederum gab der Beschwerdeführer an, 19 Jahre alt zu sein, das (ihm vorgehaltene) Geburtsdatum XXXX wisse er von seiner Familie (vgl. Niederschrift vom 27.11.2017, S. 3). Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Geburtsdatum XXXX „führe“, beweiswürdigend aber erläutert, dass seine Identität und sein Alter nicht mit Sicherheit festgestellt werden könnten, zumal er dazu kein Dokument vorgelegt habe. Er sei unglaubwürdig, weil er unterschiedliche Geburtsdaten angegeben habe, wobei sich aus beiden vorgebrachten Geburtsjahren Widersprüche zu anderen biographischen Angaben ergeben würden (vgl. S. 8, 78-80 des Bescheids). Weshalb letztlich (nur) das Geburtsdatum XXXX festgestellt wurde, lässt sich der Beweiswürdigung nicht entnehmen.

Mit Stellungnahme vom 12.11.2021 (vgl. OZ 14) legte der Beschwerdeführer eidesstattliche Erklärungen seines Vaters und seiner Stiefmutter vor, wonach er am XXXX geboren sei, es ihm psychisch nicht gut gehe und er deswegen nicht in der Lage sei, sein richtiges Geburtsdatum anzugeben. Wenngleich zu berücksichtigen ist, dass bei nahen Angehörigen typischerweise ein großes Interesse an einem positiven Verfahrensausgang – und daher in diesem Fall an einer Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Antragstellung – besteht, ist dieses Vorbringen vor dem Hintergrund des festgestellten Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers und der dargestellten Abfolge seiner Angaben zum Geburtsdatum doch nachvollziehbar und plausibel. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage, sich klar und verständlich auszudrücken, was sich etwa daran zeigt, dass er sogar bei Antragstellung und Erstbefragung, zwischen denen nur ein Tag lag, unterschiedliche Geburtsdaten angab. Gegenüber seiner Rechtsvertreterin gab er erst kürzlich völlig widersprüchlich an, 18 Jahre alt und vor erst einem Jahr aus Afghanistan geflüchtet zu sein. Er verhielt sich in diesem Vorbereitungsgespräch „wie ein kleines Kind“, weswegen es abgebrochen werden musste (vgl. OZ 14). Auch die belangte Behörde hielt fest, dass seine Angaben zum Geburtsdatum widersprüchlich und nicht stimmig seien. Aus diesen Gründen kommt den diesbezüglichen eigenen Angaben des Beschwerdeführers insgesamt kein maßgeblicher Beweiswert zu. Auch aus der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides geht wie erwähnt nicht hervor, warum in diesem (nur) das frühere Geburtsdatum festgestellt wurde. Die einzigen im gegenständlichen Verfahren vorliegenden und auch nachvollziehbaren Angaben zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers sind jene seines Vaters und seiner Stiefmutter, die im Unterschied zu ihm geistig in der Lage sind, kohärente Angaben zu tätigen. Diese Angaben sind glaubhaft. Es war daher in Zusammenschau damit, dass im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die dieses Geburtsdatum unplausibel oder unrichtig erscheinen lassen würde, festzustellen, dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren ist.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Muttersprache, zum Familienstand sowie zur Familie des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im Wesentlichen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur Asylgewährung an die Familienmitglieder des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.10.2021, Zl. W240 2199963-1/18Z ua.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 12.11.2021 (vgl. OZ 14) und den Diagnosen im vorgelegten Medikationsplan von Dr. XXXX vom 19.10.2020.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A.)

3.1. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1.1. Die §§ 2 und 34 Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[…]

22. Familienangehöriger:

[…]

c. ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten

[…]

Familienverfahren im Inland

§ 34. […]

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

[…]

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

[…]

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;“

3.1.2. Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 lit c AsylG 2005 ist unter anderem ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten Familienangehöriger im Sinne dieses Gesetzes.

3.1.3. Dem Vater des zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Beschwerdeführers wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.10.2021 Asyl gemäß § 3 Abs.1 iVm § 34 Abs. 2, 4 AsylG 2005, abgeleitet vom Asylstatus seiner Ehefrau und minderjährigen Tochter, gewährt. Daher war zu prüfen, ob auch für den zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Beschwerdeführer die Bestimmungen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 anzuwenden sind.

§ 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 normiert, dass die Bestimmungen dieses Abschnittes nicht auf Familienangehörige eines Fremden anzuwenden sind, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges, lediges Kind. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seiner Entscheidung vom 29.04.2019, Zl. Ra 2018/20/0031, klargestellt, dass diese Minderjährigkeit bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung, und nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, zu beurteilen ist.

Der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ist daher ein (im Zeitpunkt der Antragstellung) minderjähriges, lediges Kind und kann den Status des Asylberechtigten von seinem Vater ableiten, obwohl auch dieser seinen Status selbst nach § 34 Abs. 2, 4 AsylG 2005 im Rahmen eines Familienverfahrens erhalten hat.

3.1.4. Es liegen beim Beschwerdeführer keine der in § 34 Abs. 2 AsylG 2005 vorgesehenen Ausschlussgründe vor, der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, sodass diesem gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen war.

3.1.5. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war festzustellen, dass dem Beschwerdeführer von Gesetzes wegen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.1.6. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Verfahren erscheint der Sachverhalt in diesem Sinne aus der Aktenlage geklärt. Der Beschwerdeführer brachte mit Stellungnahme vom 12.11.2021 auch selbst vor, dass er „nicht klar denken und sprechen“ könne. Aufgrund der somit nicht gegebenen Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers war eine weitere Klärung des Sachverhalts, insbesondere der Frage des Geburtsdatums, in einer mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten. Diese Frage konnte vielmehr, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, unter Heranziehung des Verfahrensaktes und der mit der Stellungnahme vorgelegten Unterlagen geklärt werden. Die belangte Behörde hat auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet (vgl. OZ 1).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2199962.1.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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