TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/8 96/04/0156

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Veröffentlicht am 08.10.1996
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Index

50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §18 Abs1;
GewO 1994 §175 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Ing. R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Juni 1996, Zl. 317.537/1-III/5a/94, betreffend Entziehung einer Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Juni 1996 seine Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe an einem näher bezeichneten Standort in Wien gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen. In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde hinsichtlich der bisher über den Beschwerdeführer verhängten Verwaltungsstrafen folgende Feststellungen:

"Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 13.4.1993, GZ. MBA 04/20/044/1/Str, wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 3.4.1991 auf der Baustelle in S bei im Straferkenntnis näher angeführten, mit Rohbauarbeiten beschäftigten Arbeitnehmern keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutz und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt wurden, obwohl bei ihrer beruflichen Tätigkeit die Gefahr einer Fußverletzung bestand. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 in der geltenden Fassung, verletzt. Gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 in der geltenden Fassung, wurde über den Berufungswerber wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 3.500,-- verhängt. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 8.6.1993, GZ. MBA 04/20/055/1/Str, wurde der Berufungswerber ferner schuldig erkannt, er habe es als Baumeister mit Sitz in Wien, G-Gasse 9, in seiner Funktion als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 18.6.1991 auf der von ihm geleiteten Baustelle in S folgenden gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern nicht entsprochen wurde:

1.)

Die Lauftreppen in die Doppelhäuser Nr. 1/2, 3/4, 37/38 und 39/40, die auch beim Materialtransport befahren wurden, wiesen nicht die gesetzlich erforderliche Mindestbreite von 1,25 m auf, sondern betrug deren Breite lediglich 50 cm.

2.)

Obwohl von den Lauftreppen in die Häuser Nr. 39/40 und 37/38 ein Abstürzen über einen Höhenunterschied von mehr als 2 m (ca. 2,70 m) möglich war, waren diese nicht mit Brust-, Mittel- und Fußwehren gesichert.

3.)

Obwohl auf der Baustelle mehr als 1 Arbeitnehmer (nämlich 13 Arbeitnehmer) beschäftigt waren und die Aufsichtsperson nicht anwesend war, war kein auf der Baustelle beschäftigter Arbeitnehmer über die bei den auszuführenden Arbeiten zu beachtenden Dienstnehmerschutzvorschriften belehrt und als Anordnungsbefugter für die Einhaltung der für diese Arbeitsstelle geltenden Dienstnehmerschutzvorschriften bestimmt worden.

4.)

Die in Verwendung befindlichen Kabeltrommeln waren nicht spritzwassergeschützt, obwohl sie im Freien verwendet wurden.

5.)

Es wurde im Baustellenbereich statt gekennzeichneter Gummimantelleitungen weiße PVC-ummantelte, nicht gekennzeichnete Elektrokabel verwendet, die für den Baustellengebrauch verboten sind.

6.)

Bei den Doppelhäusern Nr. 1/2, 3/4, 37/38 und 39/40 betrug der Böschungswinkel der Baugrubenwände mehr als 60 Grad, obwohl es sich um lehmig-kiesigen Boden, der einem steifen, halbfesten bindigen Boden entspricht, handelte.

7.)

Die Stiegenhausöffnungen in der Kellerdecke der Doppelhäuser Nr. 1/2, 3/4, 37/38 und 39/40 mit einer Absturzhöhe von ca. 2,60 m und die Stiegenhausöffnungen auf der Erdgeschoßdecke der Doppelhäuser Nr. 5/6, 7/8 und 9/10 mit einer Absturzhöhe von ca. 2,80 m waren nicht gegen den Absturz von Personen, Gegenständen und Material durch Umwehrungen gesichert und auch nicht tragsicher und nicht verschiebbar zugedeckt.

8.)

Einer Reihe von im Straferkenntnis näher angeführten Arbeitnehmern wurden keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutzkappe und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt, obwohl bei ihrer beruflichen Tätigkeit die Gefahr einer Fußverletzung bestand, da sie mit Rohbauarbeiten beschäftigt waren.

Gemäß den §§ 31 Abs. 2 lit. p, 33 Abs. 7 und 33 Abs. 1 lit. a Z 12 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 in der geltenden Fassung, und § 31 Abs. 2 lit. f dieses Gesetzes wurden über den Berufungswerber wegen dieser Verwaltungsübertretungen acht Geldstrafen von insgesamt S 36.000,-- verhängt. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 8.6.1993, GZ. MBA 4/5 - S 6762/92, wurde der Berufungswerber fener schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 11.6.1992 auf der von ihm geführten Baustelle in N vier in dem Straferkenntnis näher angeführten Arbeitnehmern, für die bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen für die Beine bestand, keine Sicherheitssuhe mit Zehenschutz und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt wurden. Er habe dadurch § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 in der geltenden Fassung, verletzt. Über den Berufungswerber wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs. 2 lit. f Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/72 in der geltenden Fassung, eine Geldstrafe von S 4.000,-- verhängt. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk vom 18.10.1993, GZ. MBA 4/5 - S 9504/93, wurde der Berufungswerber darüberhinaus schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber zu verantworten, daß am 8.9.1993 auf der Baustelle in S, F-Gasse 5 und 7, gesetzliche Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer in folgender Weise nicht entsprochen wurde:

Das bei dem Doppelhaus an der Rückseite (Gartenfassade) errichtete, aus 5 Gerüstfeldern (Länge ca. 15 m) bis zu 3 Gerüstlagen bestehende Metallrohrsteckgerüst, von dem aus vier Arbeitnehmer mit dem Aufbringen des Fassadenputzes beschäftigt waren, wies folgende Mängel auf:

1.)

In der ersten Gerüstlage fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 2,20 m vorhanden war.

2.)

In der zweiten Gerüstlage fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 4,20 m vorhanden war.

3.)

In der dritten Gerüstlage fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von 6,20 m vorhanden war.

4.)

In der ersten Gerüstlage fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 2,20 m vorhanden war.

5.)

In der zweiten Gerüstlage fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 4,20 m vorhanden war.

6.)

In der dritten Gerüstlage fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 6,20 m vorhanden war.

7.)

Für das gefahrlose Besteigen und Verlassen des Gerüstes, sowie für die Verbindung zu den Gerüstgeschoßen waren keine Einrichtungen, wie Laufbrücken, Treppen oder Leitergänge, angelegt.

8.)

Für den Anschluß eines Handmischgerästes wurde eine Kabeltrommel verwendet, bei der die Steckvorrichtungen nicht spritzwassergeschützt ausgeführt waren."

Von diesen Feststellungen ausgehend führte der Bundesminister weiter aus, nach den dem Rechtsbestand angehörenden, die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung bindenden Straferkenntnissen und der Strafverfügung stehe fest, daß der Beschwerdeführer gegen die im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen verstoßen habe. Da der Beschwerdeführer nach den diesen Verwaltungsübertretungen zugrunde liegenden Handlungen bzw. Unterlassungen die für einen Baumeister als Arbeitgeber sich aus einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften ergebenden Verpflichtungen wiederholt verletzt habe, seien diese Verstoße als schwerwiegend anzusehen. Es werde daher die Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers für die Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes nicht mehr für gegeben erachtet. Daran vermöge der vom Beschwerdeführer in der Berufung ins Treffen geführte Umstand, Arbeitnehmer seien am Körper nicht verletzt und nicht an ihrem Leben und an ihrer Gesundheit konkret beeinträchtigt worden, nichts zu ändern, da für die im gegenständlichen Fall vorzunehmende Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht der Eintritt tatsächlicher konkreter Verletzungen oder eines bestimmten Erfolges, sondern die aus den Arbeitnehmerschutzvorschriften sich ergebende Verletzung von Schutzinteressen - hier das Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer - maßgeblich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterlassung der Entziehung der Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt er vor, weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde habe trotz des Prinzips der Unmittelbarkeit und der Offizialmaxime im Verwaltungsverfahren eine einzige Vernehmung weder seiner Person noch des verantwortlichen Beauftragten im Sinne des VStG vorgenommen. Die Behörde stütze sich lediglich auf die rechtskräftigen Straferkenntnisse und auf eine Strafverfügung. Auch der "krampfhafte Versuch" der belangten Behörde, Verstöße gegen die Arbeitnehmerschutzverordnung anzuführen, vermöge dem Unmittelbarkeitsgrundsatz und dem Grundsatz der mündlichen Verhandlung auch im Gewerbeberechtigungsentziehungsverfahren nicht Genüge zu tun. Weiter habe es die belangte Behörde unterlassen, Erhebungen darüber durchzuführen, ob nicht "im Rahmen des Verwaltungsstrafgesetzes eine gerichtlich strafbare Handlung vorlag" und sohin diese angeblichen Verstöße gegen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht auf Grund einer konkreten Verletzung in die Gerichtszuständigkeit gefallen wären, weshalb eben der belangte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben gewesen wäre. Hätte die belangte Behörde die Straferkenntnisse und die Strafverfügung tatsächlich eingehend geprüft, hätte sie feststellen müssen, daß in sämtlichen Verwaltungsstrafverfahren keinerlei Feststellungen über die zur Vertretung nach außen berufene Person des Unternehmens des Beschwerdeführers getätigt worden seien. Gerade deswegen hätte die belangte Behörde Feststellungen im Zuge des Beweisverfahrens darüber treffen müssen, ob überhaupt die Zurechenbarkeit dieser Straferkenntnisse für das Gewerbeentziehungsverfahren gegeben sei. Schließlich habe auch keine Anhörung der Arbeiterkammer im rechtmäßigen Ausmaß stattgefunden. Es sei lediglich von der Arbeiterkammer ein Schreiben an die Magistratsabteilung 63 gesandt worden, wonach "gegen die Entziehung der Gewerbeberechtigung des im Betreff genannten Unternehmens" kein Einwand bestehe. In diesem Schreiben sei nicht einmal präzise festgelegt, gegen die Entziehung welcher Gewerbeberechtigung, nämlich ob Baumeister oder Bauträger, sich die Kammer für Arbeiter und Angestellte ausspreche. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides trägt der Beschwerdeführer vor, § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 umfasse als Schutzinteressen insbesondere die Hintanhaltung von illegal Beschäftigten. Gerade dieses Schutzinteresse sei aber im Rahmen der Gewerbeausübung nicht verletzt worden, sodaß die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, es seien Schutzinteressen mehrmals verletzt worden, unrichtig sei. Bei dem durchgeführten Lokalaugenschein der Strafbehörden seien keine Arbeitnehmer vorgefunden worden, weshalb eine wie immer geartete Gefährdung von Arbeitnehmern nicht gegeben gewesen sei. Diese Feststellung habe die Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung außer acht gelassen, weshalb ein sekundärer Verfahrensmangel vorliege. Ferner werde die Unterlassung von Erhebungen über die Existenz eines verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 9 VStG auch im Rahmen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gerügt. Die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, daß auf den jeweiligen Baustellen Poliere als verantwortliche Beauftragte eingesetzt worden seien und ausdrücklich angewiesen gewesen seien, sämtliche Arbeitnehmerschutzbestimmungen strengstens einzuhalten. Diesbezügliche Aufklärungen und Schulungen würden auch ständig vom Unternehmen des Beschwerdeführers durchgeführt. Auch darüber seien im Rahmen der rechtlichen Beurteilung keinerlei Feststellungen getroffen worden, weshalb ein sekundärer Verfahrensmangel vorliege. Bei richtiger Interpretation des Begriffes "schwerwiegender Verstoß" hätte die belangte Behörde zu der Entscheidung gelangen müssen, daß an sich schwere Verstöße gegen Rechtsvorschriften nur dann vorlägen, wenn es zu schweren verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen oder zu spezifischen strafrechtlichen Verurteilungen gekommen sei. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, daß auch eine Vielzahl an sich weniger schwerwiegender Verletzungen von Schutzvorschriften insgesamt als "schwerwiegender Verstoß" angesehen werden müsse, so sei der Terminus "Vielzahl" nicht näher definiert. Schließlich habe die Behörde nicht den für die Entziehung wesentlichen Rechtsumstand geprüft, ob eine Wiederholungsgefahr von schwerwiegenden weiteren Verstößen vorliege. In der Begründung des angefochtenen Bescheides sei lediglich dargelegt, daß die bisherigen Straferkenntnisse als schwerwiegend anzusehen seien und deshalb die Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben sei. Es werde jedoch keineswegs auf die vom Gesetz geforderte Wiederholungsgefahr ausdrücklich Bezug genommen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Nach dem Schlußsatz des § 87 Abs. 1 GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß Z. 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs sowie der illegalen Prostitution.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem auch von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 94/04/0176, dargelegt hat, soll durch die Einschränkung auf "schwerwiegende" Verstöße sichergestellt werden, daß nicht schon jede geringfügige Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen kann. So liegt - abgesehen von an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstößen - ein solcher zwar nicht schon im Fall jeder geringfügigen Verwaltungsübertretung vor, wohl aber dann, wenn durch eine Vielzahl geringfügiger Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Gewerbeinhabers zu befürchten ist.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang offensichtlich meint, als Schutzinteressen im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 seien nur die im Schlußsatz des Abs. 1 genannten Interessen zu verstehen, verkennt er die Rechtslage. Denn sowohl aus der beispielsweisen Aufzählung der "Wahrung des Ansehens des Berufsstandes" in der Z. 3 als auch in der Verwendung des Wortes "insbesondere" im Schlußsatz des Abs. 1 ergibt sich, daß es sich bei der Aufzählung im Schlußsatz des Abs. 1 lediglich um eine beispielsweise handelt. Abgesehen davon rechtfertigen nach § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 nicht nur schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Schutzinteressen, sondern auch derartige Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften die Entziehung der Gewerbeberechtigung. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof schon in dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0076, dargelegt, daß eine wiederholte Verletzung von den für einen Baumeister als Arbeitgeber sich aus einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften ergebenden Verpflichtungen als schwerwiegender Verstoß im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zu werten ist. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgesprochen, daß der Umstand, daß die Mißachtung der einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht zur Folge hatte, daß Arbeitnehmer am Körper nicht verletzt bzw. an ihrem Leben oder an ihrer Gesundheit nicht konkret beeinträchtigt wurden, im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos ist, weil nicht der Eintritt tatsächlicher konkreter Verletzungen oder eines bestimmten Erfolges, sondern die aus den Arbeitnehmerschutzvorschriften sich ergebende Verletzung von Schutzinteressen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgeblich ist.

Der Beschwerdeführer wurde mit den gegenständlichen drei Straferkenntnissen und der Strafverfügung wegen insgesamt 18 Verstößen gegen einschlägige Arbeitnehmerschutzvorschriften verurteilt. Davon ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der belangten Behörde, es handle sich insgesamt um schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem entzogenen Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen ebensowenig als rechtswidrig zu erkennen wie die Beurteilung, es sei infolge dieser schwerwiegenden Verstöße die erforderliche Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen Mißachtung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes der mündlichen Verhandlung vorwirft, verkennt er die Rechtslage. Denn das Verwaltungsverfahren kennt - anders als das gerichtliche Verfahren - weder den Unmittelbarkeitsgrundsatz noch den Grundsatz der mündlichen Verhandlung.

Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, Erhebungen darüber durchzuführen, ob nicht "im Rahmen des Verwaltungsstrafgesetzes eine gerichtlich strafbare Handlung vorlag", vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil er es unterläßt, vorzubringen, zu welchem Ergebnis die belangte Behörde im Fall solcher Erhebungen gekommen wäre. Für den Verwaltungsgerichtshof ist daher die Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht erkennbar. Das gleiche gilt für den Vorwurf, im Verwaltungsverfahren habe eine Anhörung der Kammer für Arbeiter und Angestellte "im rechtmäßigen Ausmaß" nicht stattgefunden. Auch in diesem Zusammenhang unterläßt es der Beschwerdeführer, die Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes darzutun.

Schließlich bedurfte es entgegen dem Beschwerdevorbringen im Verwaltungsverfahren auch keiner Erhebungen darüber, ob in den durch die drei Straferkenntnisse und die Strafverfügung geahndeten Fällen richtigerweise nicht der Beschwerdeführer, sondern ein von ihm bestellter verantwortlich Beauftragter im Sinne des § 9 VStG zur Verantwortung gezogen hätte werden müssen, weil die belangte Behörde, wie sie zutreffend ausführt, gemäß § 38 AVG diesbezüglich an die in Rechtskraft erwachsenen Straferkenntnisse bzw. die Strafverfügung gebunden war.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996040156.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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