TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/2 W222 2121547-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2021
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Entscheidungsdatum

02.12.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z3

Spruch


W222 2121547-2/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seine Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2020, 811358705/161030145, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG stattgegeben. Der Aufenthalt von XXXX ist geduldet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.01.2016, 811358705/1426485, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 28.04.2016, W125 2121547-1, als unbegründet abgewiesen.

Am 13.09.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen und füllte ein Formblatt zu Erlangung eines Heimreisezertifikates für die Botschaft der Republik Indien aus.

Am 07.11.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut einvernommen, wobei er angab, dass seine Eltern und zwei Brüder weiterhin im Heimatdorf in Indien lebten. Er sei bereits drei oder vier Mal bei der Botschaft gewesen, zuletzt im Oktober 2019. Er habe dort ein Formular ausgefüllt und werde angerufen. Der Beschwerdeführer füllte ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikats aus.

Am 19.01.2020 beantragte der Beschwerdeführer schriftlich die Ausstellung einer Karte für Geduldete. Begründend führte er aus, dass er mehrmals mit der indischen Botschaft Kontakt aufgenommen habe, ihm aber kein Reisedokument ausgestellt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 26.06.2020, 811358705/161030145, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen. Das BFA führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keinen Nachweis darüber erbracht habe, mehrmals bei der Botschaft vorgesprochen zu haben. Es sei ihm zumutbar gewesen, sich ein Reisedokument bei der Botschaft zu beschaffen und Österreich aus eigenem zu verlassen.

Gegen diesen Bescheid sowie gegen die vorgeschriebene Entrichtung von Beschwerdegebühren in Höhe von € 30,? erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Mit hg. Erkenntnis vom 10.11.2020, W222 2121547-2/2E, wurde diese Beschwerde gemäß § 46a FPG als unbegründet abgewiesen.

Aufgrund einer dagegen erhobenen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543-12) dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Dies im Wesentlichen, weil das BFA ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer geführt habe und für ihn keine zusätzliche Verpflichtung iSd § 46a Abs. 2 FPG bestünde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und er kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge nicht nach, sondern verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer stellte am 19.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 FPG. Der Beschwerdeführer ist allen Ladungen des BFA nachgekommen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen fußen auf der eindeutigen und unstreitigen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A – Stattgabe der Beschwerde:

§ 46a FPG lautet:

„§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;
2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen ‚Republik Österreich‘ und ‚Karte für Geduldete‘, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn
1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;
2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;
3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder
4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet.“

Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder substantiiert vorgebracht noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren. Hier wird auch auf die bereits durchgeführten asylrechtlichen Verfahren verwiesen, in dem ein solcher Sachverhalt ebenfalls nicht festgestellt werden konnte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte sich in der Bescheidbegründung maßgeblich auf § 46a Abs. 3 Z 3 FPG und sohin darauf, dass der Beschwerdeführer nicht an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt hätte und die Unmöglichkeit seiner Abschiebung von diesem selbst zu vertreten wäre (vgl. die Formulierungen im Bescheid, etwa [Sprache und Zeichensetzung im Original]: „Im Sinne nach handelt es sich um wohl um einen Grund im Sinne des § 46a Abs. 1 Zi. 3 FPG. Derartige Voraussetzungen liegen jedoch in Ihrem Fall nicht vor: Sie halten sich seit 2011 im österreichischen Bundesgebiet auf. Seit 2016 wurde Ihr Asylverfahren abgewiesen und besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Es wäre Ihnen jederzeit zumutbar gewesen, sich ein Reisedokument bei Ihrer Botschaft zu beschaffen und Österreich aus eigenem zu verlassen. Sie sind laut Ihren Angaben mehrmals bei der Botschaft gewesen, einen Nachweis darüber haben Sie keinen erbracht. Sie sind auch auf Ladungen immer termingerecht erschienen. Da in Ihrem Fall somit die Voraussetzung der Duldung gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG nicht vorliegt, war Ihr Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete somit gemäß § 46a Abs 4 FPG abzuweisen.“). Das BFA geht sohin offenbar davon aus, dass den Beschwerdeführer die Obliegenheit träfe, sich aus Eigenem ein Heimreisezertifikat zu verschaffen und nimmt im Gegenschluss an, durch das Nicht-Tätigwerden des Beschwerdeführers wirke dieser nicht an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments notwendigen Schritten mit oder vereitle diese iSd § 46a Abs. 3 Z 3 FPG.

Dazu ist festzuhalten, dass den Beschwerdeführer eine solche Verpflichtung nach geltender Rechtslage nicht trifft. Gemäß herrschender Lehre und Judikatur ist der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, sich aktiv um die Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft zu bemühen, um eine Abschiebung möglich zu machen.

Dementsprechend führte der VwGH in seinem Erkenntnis vom 28.08.2012, 2011/21/0209, aus: „Aus dem Umstand, dass sich die Fremde hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat, woraus die Behörde die Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht folgerte, lässt sich daher ebenso wenig die Beurteilung ableiten, die Abschiebung der Fremden sei aus von ihr zu vertretenden Gründen tatsächlich unmöglich.“

In der in diesem Verfahren ergangenen und bereits zitierten Entscheidung VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543-12, heißt es: „Die Gesetzesmaterialien (v.a. der vorletzte Satz der in Rn. 16 zitierten Passage und die in Rn. 17 wiedergegebenen Erläuterungen) lassen keinen Zweifel, dass für den Fremden keine parallelen (laut dem letzten Satz des ersten Absatzes der in Rn. 16 zitierten Materialien: ‚einander widersprechenden‘) Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2 FPG und nach § 46 Abs. 2a FPG bestehen sollen, mag dann auch von einem ‚grundsätzlichen‘ Nebeneinander dieser Pflichten die Rede sein. Macht daher das BFA – wie im vorliegenden Fall schon im Herbst 2016 und auch aktuell im Dezember 2019 – von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch und ist der Revisionswerber seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachgekommen, so bestand für ihn keine zusätzliche Verpflichtung, im Sinne des § 46 Abs. 2 FPG aus Eigenem bei der indischen Botschaft die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen und dafür einen Nachweis zu erbringen. Dem Revisionswerber durfte daher – insoweit sind die Gesetzesmaterialien ebenfalls eindeutig – auch kein diesbezüglicher Auftrag, der sich im Übrigen missverständlich auf die ‚Erlangung eines Heimreisezertifikates‘ bezog und keinen Hinweis auf eine diesbezügliche Nachweispflicht enthielt, erteilt werden. In dieser Konstellation konnte daher die angenommene Nichterfüllung der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtungen, die das BFA und das BVwG dem Revisionswerber zum Vorwurf machten, nicht zur Versagung einer Karte für Geduldete führen.

Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf Folgendes hinzuweisen:

Dem Fremden wird zwar zumeist – wie auch im vorliegenden Fall – schon im Hinblick auf die Notwendigkeit, ein entsprechendes Formular mit den Identitätsangaben auszufüllen, die (beabsichtigte) Führung eines behördlichen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bekannt sein, aber er wird regelmäßig keine Kenntnis von dessen Stand und von seiner (erfolglosen) Beendigung haben. So kann auch den dem Verwaltungsgerichtshof gegenständlich vorgelegten Akten nicht entnommen werden, ob und wann das im Herbst 2016 eingeleitete Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber beendet wurde, und ob das im Dezember 2019 eingeleitete diesbezügliche Verfahren neu begonnen wurde oder ob es sich insoweit nur um eine Urgenz samt Übermittlung eines aktuell ausgefüllten Formulars mit den Identitätsangaben des Revisionswerbers handelt. Ebenso wird der Fremde nicht wissen, ob das BFA beabsichtigt, von seiner Ermächtigung nach § 46 Abs. 2a FPG gar nicht Gebrauch zu machen und ihn daher die gesetzliche Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG zur eigeninitiativen Besorgung eines Reisepasses trifft. Demzufolge wird es in der Regel eines diesbezüglichen konkreten Auftrags (samt Hinweis auf die Nachweispflicht) – entweder in Form eines Bescheides nach § 46 Abs. 2b FPG oder im Rahmen einer Niederschrift oder sonst in Form einer entsprechenden Belehrung – durch das BFA bedürfen, um dem Fremden bei dessen Nichtbefolgung einen Vorwurf im Sinne des § 46a Abs. 3 FPG machen zu können, die tatsächliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung beruhe auf von ihm zu vertretenden Gründen. Wie bereits in Rn. 18 dargelegt und wie nochmals zu betonen ist, darf eine solche Aufforderung nach der geltenden Gesetzeslage aber nur dann ergehen, wenn kein behördliches Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG anhängig ist.“

Daraus ergibt sich, dass das BFA in Verkennung der Rechtslage bei der Beurteilung der Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Erlangung eines Ersatzreisedokuments von einer verfehlten Rechtsansicht ausgegangen ist. Die Argumentation im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer von sich aus Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates anstrengen hätte müssen, gehen somit ins Leere.

Zum Vorliegen von vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen iSd Abs. 3 leg. cit:

Es sind im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer seine Identität verschleierte. Folglich ist der Tatbestand des Abs. 3 Z 1 leg. cit nicht erfüllt.

Aus den Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates (AB 1160 XXIV. GP) ergibt sich bezüglich § 46a Abs. 1b Z 3 FPG (Vorgängerbestimmung. gleichlautend wie nun § 46a Abs. 3 Z 3 FPG) Folgendes:

„ . . . Unter die Z 3 ist das Nichtmitwirken oder das Vereiteln an behördlich notwendigen Schritten zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu subsumieren. Dies kann insbesondere das Nichtmitwirken an einer erkennungsdienstlichen Behandlung oder an einer Befragung sein. Neben Handlungen ist ein Unterlassen gleichfalls vom Anwendungsbereich dieser Norm erfasst.“

Der Beschwerdeführer kam jeder Ladung nach machte in keinem geführten Verfahren abweichende Angaben hinsichtlich seiner Identität. Da dies im Lichte geltenden Rechtslage ausreicht, um seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen, ist der Tatbestand des Abs. 3 Z 3 leg. cit. nicht erfüllt.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keinen (Ausschluss-)Tatbestand iSd Abs. 3 leg. cit verwirklicht hat und sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, weshalb die Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre. Dass der Beschwerdeführer bisher kein Heimreisezertfikat erlangen konnte, ist nicht vom Beschwerdeführer zu vertreten (vgl. dazu auch nochmals die dezidierte Bezugnahme auf den Fall der Nichterlangung eines Ersatzreisedokuments in den oben wiedergegebenen Erläuterungen zum Ministerialentwurf). Eine Feststellung gem. § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG (vormals § 46a Abs. 1a FPG) wurde daher seitens des BFA zu Unrecht nicht getroffen.

Dem entsprechend judizierte bereits der UVS Oberösterreich zur früheren Rechtslage (siehe § 46 a FPG Inkrafttretensdatum 01.01.2010, Außerkrafttretensdatum, 30.06.2011: Duldung, solange Abschiebung gemäß Abs. 1 Z. 3 aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint) in der Entscheidung vom 04.01.2011 zu Zahl VwSen-231185/3/BP/Ga: „Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und sind die Bemühungen der Fremdenpolizei ein Heimreisezertifikat durch den Heimatstaat des Fremden zu erlangen fruchtlos geblieben, ist klargestellt, dass der Fremde weder in seinen Heimatstaat abgeschoben werden, noch rechtmäßig in irgend einen anderen Staat einreisen kann. Im Ergebnis liegt somit aber eine Konstellation des § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG 2005 vor, zumal die Abschiebung des Fremden – aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen – tatsächlich undurchführbar ist und kein Sachverhalt des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung erkannt wird . . .“.

Wie bereits dargestellt, ist die Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich. Da die Voraussetzung des § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG erfüllt ist, ist dem Beschwerdeführer gem. Abs. 4 leg. cit. eine Karte für Geduldete auszustellen.

Zur in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides angeführten Eingabegebühr:

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides findet sich der Hinweis, dass für eine Beschwerde gemäß § 14 TP 6 Gebührengesetz iVm § 2 BuLVwG-EGebV eine Gebühr von € 30,? an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel zu entrichten ist. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die gegenständliche Beschwerde nicht der Gebührenpflicht unterliege, da der Antrag nur wegen der Untätigkeit der Behörde nötig gewesen sei und in analoger Anwendung des § 70 AsylG 2005 keine Gebühren vorzuschreiben seien. Ein Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wurde in der Beschwerde jedoch nicht gestellt und wäre ein solcher mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen. Ebenso wenig wurde ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe in Bezug auf die Eingabegebühr gestellt. Sache des Beschwerdeverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH, 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Der Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte hervorgehen, wonach der Beschwerdeführer die gesetzlich vorgesehene Eingabegebühr überhaupt bezahlt hat.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).

Zu B – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Ersatzentscheidung Heimreisezertifikat Karte für Geduldete Mitwirkungspflicht Rechtsanschauung des VwGH Rechtsansicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W222.2121547.2.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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