Entscheidungsdatum
06.12.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2245928-1/6E
L515 2245929-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Markus STEININGER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX ,
I. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 22.02.2021, OB: XXXX betreffend Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, sowie
II. gegen den vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich mit Schreiben vom 23.02.2021 versandten Behindertenpass, OB XXXX , betreffend den festgestellten Grad der Behinderung,
in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzein-tragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen.
II. Die Beschwerde wird in Bezug auf den festgestellten Grad der Behinderung gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) beantragte am im Akt ersichtlichen Datum unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, sowie und die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis). Entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde gilt der Antrag auf einen Parkausweis unter anderem auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behin-dertenpass.
I.2. In der Folge wurde am 27.10.2020 (Begutachtung: 05.10.2020) ein ärztliches Sachverständigengutachten eines FA für Innere Medizin erstellt. Im Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt; die Voraussetzungen für die genannte begehrte Zusatzeintragung erachtete der medizinische Sachverständige als nicht vorliegend.
I.3. Mit Schreiben vom 09.11.2020 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
Mit Schreiben der bB vom 21.01.2021 wurde die bP aufgefordert, ihre am 02.12.2020 telefonisch in Aussicht gestellte Stellungnahme bis 11.02.2021 zu übermitteln, ansonsten aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses entschieden werde.
Am 20.01.2021 langte zunächst ein Begleitschreiben des Hausarztes der bP ein, wonach der bP auf Grund ihrer aktuell gesundheitlichen Verfassung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar sei.
In ihrer als „Einspruch“ bezeichneten Stellungnahme erklärte sich die bP unter Hinweis auf die Einnahme von Immunsuppressiva und der damit einhergehenden erhöhten Infektionsgefahr mit der Ablehnung der beantragten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht einverstanden. Die Zurücklegung einer geringen Anzahl von Metern auf einem ebenen Gelände sei möglich, jedoch keine Steigungen, was wahrscheinlich an der noch nicht ganz aufgelösten Lungenembolie liege. Das Einatmen kalter Luft verursache Beschwerden.
Entspreched dem beigefügten Begleitschreiben ihres Hausarztes vom 12.01.2021, sei der bP auf Grund ihrer gesundheitlichen Verfassung die Benützung eines öffentlichen Verkehrs-mittels nicht zumutbar. Wegen der Lebertransplantation müsse die bP dauerhaft Immun-suppressiva einnehmen, weshalb bei der bP eine erhöhte Infektgefahr bestehe. Selbst harmlose Erkältungen können für eine Person mit Immunsupression lebensgefährlich sein, weswegen es der bP nicht zumutbar sei, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Zudem leide die bP nach wie vor an den Folgen einer postoperativ erlittenen Lungenembolie und sei es ihr nicht möglich, Stiegen zu steigen. Ersucht werde, dem Antrag für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" statt zu geben.
I.4. Die im Zuge des Parteiengehörs übermittelte Stellungnahme wurde dem bereits im Verwaltungsverfahren mit der Sache befassten Sachverständigen übermittelt. Dieser führte in seiner Stellungnahme im Wesentlichen aus, dass keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt oder im Akt objektiviert werden konnten, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Gehleistung führen würde. Eine auffällige Infektanhäufung sei nicht dokumentiert. Statistisch bestehe ein geringes Infektionsrisiko („Es konnten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt oder im Akt objektiviert werden, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Gehleistung führen würden. Kurze Wegstrecken können problemlos überwunden werden, auch das Ein- und Aussteigen erfolgt ohne Behinderung. Und auch der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist möglich.
Von Seiten der lebenslang notwendigen abwehrschwächenden Behandlung ist aktenmäßig eine auffällige Infektanhäufung nicht dokumentiert. Prinzipiell ist es Organtransplantierten trotz der Immunsuppression erlaubt, am öffentlichen Leben teilzuhaben, da durch die Verwendung moderner abwehrschwächender Medikamente statistisch ein nur gering erhöhtes Infektionsrisiko besteht.“).
I.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.02.2021 wurde der am 12.08.2020 bei der bB eingelangte Antrag der bP abgewiesen; die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen nicht vor.
I.5.1. Mit Schreiben der bB vom 23.02.2021 wurde der Behindertenpass im Scheckkartenformat der bP übermittelt.
I.6. Gegen diese Bescheide erhob die bP mit Schreiben vom 07.04.2021 eine inhaltlich gleichlautende Beschwerde. Die gesundheitliche Beeinträchtigung sei im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Stellungnahme des Universitätsklinikums G. vom 23.03.2021 bestätige ihre subjektiven Eindrücke. Öffentliche Verkehrsmittel werden nicht benützt; die Medikamentendosierung werde monatlich angepasst. Geringe Steigungen könne sie nicht beschwerdefrei bewältigen. Der Anlage zur Einschätzungsverordnung zur Folge, sei eine Funktionseinschränkung nach Transplantation (07.05.08) in den ersten 2 Jahren mit 100 % einzuschätzen und der insulinpflichtige Diabetes mit 40 v.H. Sie ersuche um Prüfung und Ausstellung der beantragten Zusatzeintragung.
In der Stellungnahme des Universitätsklinikums G. vom 23.03.2021 werde die Notwendigkeit der lebenslangen immunsuppressiven Therapie, sowie dass ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe, bestätigt. Die Beschwerden beim Stiegen steigen seien wahrscheinlich auf die Lungenembolie zurückzuführen. Empfohlen werde, eine pulmonologische und/oder kardio-logische Stellungnahme einzuholen.
I.7. Im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Anästhesie und Allgemeinmedizin eingeholt. In diesem Gutachten vom 03.08.2021 (Begutachtung am 16.06.2021) wurde neuerlich ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH und abermals festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen.
I.8. Da die bB das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht innerhalb der gesetzlich Frist von zwölf Wochen erledigte, wurde die Beschwerde samt Akt dem ho. Gericht mit Schreiben vom 01.09.2021 zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerdevorlage langte am selben Tag beim ho. Gericht ein.
I.9. Mit ho Schreiben vom 10.09.2021 wurde der bP das im Rahmen der Beschwerde-vorentscheidung eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
I.10. Die Beratung und Abstimmung im nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte am 6.12.2021.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichischer Staatsangehöriger und an der im Akt ersichtlichen Adresse im Inland wohnhaft.
1.2. Das am 03.08.2021 (Begutachtung: 16.06.2021) - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - von einer ärztlichen Sachverständigen (FÄ f. Anästhesie, Allgemeinmedizin) erstellte Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf und wird zu den Feststellungen im egenständlichen Verfahren erhoben:
„…
Derzeitige Beschwerden:
Sei wegen einer Metastase am Rücken 04/21 noch einmal operiert worden. Habe noch fallweise Schmerzen v.a beim Sitzen, sei wie eine riesengroße Prellung. Es gehe aber eher um den Parkausweis, um die Unzumutbarkeit. Er habe ja Immunsuppressiva, die seien nach der letzten OP noch einmal erhöht worden. Er sei schon vor dieser letzten OP bereits schwächer gewesen, habe ja auch einen Infarkt gehabt 08/20. Er komme rasch ins Schwitzen, müsse dann wieder stehen bleiben. Er komme ohne Pause nur 100m, ein Stockwerk könne er gehen, dann Pause, dann wieder ein zweites. Physio habe er vor der letzten OP gehabt. Beim Zucker spritze er zu den Mahlzeiten, HbA1c sei nun 6,2%, der sei von Monat zu Monat besser geworden. Wegen der Psoriasis nehme er derzeit Antibiotika, seither wieder besser, es sei zwischenzeitlich schlechter gewesen.
[…]
Gesamtmobilität – Gangbild:
frei, zügig, symm., Zehen-/Fersengang und Einbeinstand bds durchführbar, Hocke durchführbar.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Folgezustand nach Leberzellkrebs (hepatozelluläres Karzinom - histologisch verifiziert 07/2019) mit nachfolgender Lebertransplantation am 15.06.2020 sowie Teilresektion der 8./9./10. Rippe linksdorsal wegen Thoraxwandmetastasen.
Lebertransplantation 06/20, Rippenteilresektion 8/9/10 links 05/21.
Nach Transplantation standardmäßige schrittweise Reduktion der Immuntherapie bei bislang sonst unkompliziertem Verlauf (siehe Vergleich Vorgutachten und aktuelles Gutachten), kein Auftreten schwerwiegender Infekte erfassbar.
Pos. Nr. 13.01.03, GdB 50 %
2) Insulinpflichtiger Diabetes.
Funktionelle Diabeteseinstellung (Basis/Bolus-Therapie), klinisch stabil. HbA1c zuletzt 7,5 %.
Pos. Nr. 09.02.02, GdB 40 %
3) Koronare Herzkrankheit, Z.n. erfolgreichem Stenting an 2 Gefäßen 10/19 und Z.n. Herzinfarkt 07/20.
Z.n Wiederbelebung 06/20 bei Pulmonalembolie. Aktuell kein Hinweis auf Einschränkung der Herzleistungsbreite, keine Insuffizienzzeichen, keine Entwässerungstherapie. Das Hochdruckleiden inkludiert.
Pos. Nr. 05.05.02, GdB 30 %
4) Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris).
Leichte Form, therapeutisch gut beherrschbar. Aktuell keine floriden Herde.
Pos. Nr. 01.01.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führend ist Pos 1.
Pos 2 wirkt im Alltag verschlechternd, daher Erhöhung um eine Stufe.
Die übrigen Positionen stabil bzw. geringfügig und daher nicht stufenerhöhend.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Erhöhte Blutfette mit medikamentöser Behandlung, Folgezustand nach Hepatitis B (keine funktionelle Beeinträchtigung). Z.n. Lungenembolie.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
unverändert zum Vorgutachten.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Mit 60% Gesamt-GdB unverändert zum Vorgutachten.
Nachuntersuchung 07/2024 - Verlaufskontrolle, Ablauf der Heilungsbewährung. […]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die Mobilität ist durch die genannten Leiden nicht höhergradig eingeschränkt. Eine kurze Wegstrecke von 400m kann selbständig und ohne Gehhilfe zurückgelegt werden, es besteht keine Gangunsicherheit, keine Sturzgefahr, cardial und pulmonal keine wesentliche Einschränkung, ein sicherer Transport in ÖVM ist daher gewährleistet (Ein-/Aussteigen, Halten an Haltegriffen, sicherer Stand).
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Bei Folgezustand nach Lebertransplantation ist eine lebenslange abwehrschwächende Behandlung erforderlich, wodurch ein statistisch gering erhöhtes Infektionsrisiko unter den modernen abwehrschwächenden Medikamenten besteht. Bis dato wurde kein Hinweis auf stattgehabte schwerwiegende Infekte mit notwendiger stationärer Behandlung erbracht, die Reduktion der Immuntherapie erfolgt demgemäß befundlich belegt standardmäßig schrittweise. Die Teilhabe am öffentlichen Leben und somit die Benützung von ÖVM ist daher möglich.
…“
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem außer Zweifel stehenden Akteninhalt.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Liegen sich widersprechende Gutachten (Anm.: bzw. dem Beweiswert eines Gutachtens gleichkommende Bescheinigungsmittel [wozu unter Umständen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen allenfalls auch ein ärztlicher Befund zu zählen ist]) vor, steht es dem Gericht frei, diese im Rahmen der Beweiswürdigung frei zu würdigen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (VwGH 11.9.2020, Ra 2018/040189).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das gegenständliche, im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung eingeholte Sachverständigengutachten vom 03.08.2021 (FÄin f. Anästhesie und Allgemeinmedizin), schlüssig, nachvollziehbar und weist keine relevanten Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Die vorliegenden Funktions-einschränkungen wurden von der Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung am 16.06.2021 unter Berücksichtigung aller vorgelegten Befunde sowie dem Vorgutachten erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Das zitierte Gutachten kommt zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. Führendes Leiden ist die Funktionseinschränkung „Folgezustand nach Leberzellkrebs (hepatozelluläres Karzinom - histologisch verifiziert 07/2019) mit nachfolgender Lebertransplantation am 15.06.2020 sowie Teilresektion der 8./9./10. Rippe linksdorsal wegen Thoraxwandmetastasen“, welche innerhalb des Rahmensatzes der Pos. Nr. 13.01.03 (Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung) mit dem gemäß der Einschätzungsverordnung festgelegten Rahmensatz in Höhe von 50 % nachvollziehbar eingeschätzt wurde. Laut Gutachten der Sachverständigen sowie des seitens der bP vorgelegten vorläufigen Arztbriefes des Ordensklinikums der E. in L. vom 23.05.2021 erfolgte nach der Transplantation standardmäßig die schrittweise Reduktion der Immuntherapie bei bislang sonst unkompliziertem Verlauf, kein Auftreten schwerwiegender Infekte erfassbar.
Der Diabetes Typ I wurde von der Sachverständigen als insulinpflichtiger Diabetes bei anzunehmender stabiler Stoffwechsellage der Pos. Nr. 09.02.02 zugeordnet und im Hinblick auf die funktionelle Diabeteseinstellung (Basis-Bolus-Therapie), gutem Allgemeinzustand und stabiler Stoffwechsellage schlüssig mit dem oberen Rahmenwert eingeschätzt. Auf Grund der Verschlechterung des Alltags durch den Diabetes Typ I, wurde der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe erhöht.
Die Koronare Herzkrankheit (Z.n. erfolgreichem Stenting an 2 Gefäßen 10/19 und Z.n. Herzinfarkt 07/20) wurde von der Sachverständigen der Pos. 05.05.02 zugeordnet und im Hinblick eines aktuell fehlenden Hinweises auf eine Einschränkung der Herzleistungsbreite, kein Vorliegen von Insuffizienzzeichen sowie keiner Entwässerungstherapie schlüssig mit dem unteren Rahmensatz eingeschätzt. Das Hochdruckleiden ist bereits in dieser Pos.Nr. inkludiert.
Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) wurde der Pos. Nr. 01.01.01 zugeordnet und im Hinblick auf ihre leichte Form, guter therapeutischer Beherrschbarkeit sowie mangels aktuell florider Herde mit dem unteren Rahmensatz eingeschätzt.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das soeben erörterte Gutachten in seinem objektiven Aussagekern jenem vom 27.10.2020 im Wesentlichen entspricht und beide Gutachten im Wesentlichen zum selben Schluss kommen. Das erstgenannte Gutachten beschreibt somit keinen Sachverhalt, welcher über jenen, der im Gutachten vom 27.10.2020 festgestellt wurde, hinausgeht.
Im Hinblick auf den Einwand in der Beschwerde, wonach für eine Funktionseinschränkung nach Transplantation (07.05.08) in den ersten zwei Jahren eine Einschätzung von 100 % vorgesehen ist, ist die bP auf die Einschätzungsverordnung zu verweisen, wonach bei „07.05. Leber“ der dortigen Vorgabe entsprechend, Malignome (Krebs) nach Abschnitt 13 einzuschätzen sind. Auf Grund der Änderung der Einschätzungsverordnung (BGBL II Nr. 251 v. 13.07.2012) erhalten die Positionsnummern 13.02.01, 13.02.02 und 13.03.01 die Bezeichnungen 13.01.03, 13.01.04 und 13.01.05. Vor diesem Hintergrund hat die Sachverständige der Einschätzungsverordnung folgend den Folgezustand nach Leberzellkrebs mit nachfolgender Lebertransplantation der Pos. Nr. 13.01.03 zugeordnet und im Hinblick auf die weiterführende Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilsbewährung von 5 Jahren je nach Funktionsstörung mit dem unteren Rahmensatz eingeschätzt.
Die bP wendet weiters ein, dass ihre Diabetes vor der Transplantation mit Medikamenten therapiert wurde. Seit der Lebertransplantation müsse sie mehrmals täglich Insulin spritzen. Auch diesem Umstand wurde seitens der ärztlichen Sachverständigen Rechnung getragen. Die Einschätzungsverordnung unterscheidet zwischen insulinpflichtigen und nicht insulin-pflichtigen Diabetes mellitus. Diese Unterscheidung ist wegen der unterschiedlichen Hand-habung notwendig, zumal die Insulinapplikation den Tagesablauf (insbesondere im Erwerbsleben) mehr als eine rein orale Einstellung mit Antidiabetika, beeinträchtigt. Während nicht insulinpflichtiger Diabetes je nach Ausmaß der medikamentösen Therapie und des HbA1c Wertes den Grad der Behinderung mit maximal 30 v.H. einzuschätzen ist, ist bei funktioneller Diabeteseinstellung bei Basis-Bolus-Therapie sowie gutem Allgemeinzustand und stabiler Stoffwechsellage ein Rahmensatz von 30 bis 40 v.H. bezogen auf die Insulindosis und dem Allgemeinzustand vorgesehen. Den eigenen Angaben der bP bei der klinischen Untersuchung zur Folge, spritze sie täglich zu den Mahlzeiten Insulin, weshalb der Diabetes der Positionsnummer 09.02.02 zuzuordnen und mit dem oberen Rahmensatz einzuschätzen war.
Voraussetzung für die Einstufung einer insulinpflichtigen Diabetes mellitus unter die höhere Positionsnummer von 09.02.04 mit einem Grad der Behinderung von 50-60% (Insulinpflichtiger Diabetes mellitus bei instabiler Stoffwechsellage) wäre, dass bei der beschwerdeführenden Partei mehrmalige Insulinapplikation mit hohen Blutzuckeramplituden und reduziertem Allgemeinzustand vorlägen (siehe abermals die bereits genannte Anlage zur Einschätzungsverordnung). Es wurden jedoch weder hohe Blutzuckeramplituden noch ein reduzierter Allgemeinzustand vorgebracht, sondern vielmehr ein guter Allgemeinzustand durch den Sachverständigen festgestellt. Überdies hat die bP im Anamnesegespräch den aktuellen HbA1c Wert mit 6,2 angegeben sowie, dass sich der HbA1c Wert von Monat zu Monat gebessert habe. Eine Anhebung des Grades der Behinderung ist daher nicht begründbar.
Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird, sohin ob das führende Leiden durch die weiteren wesentlich und anhaltend verstärkt wird. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet das, dass die von der bP geforderte Erhöhung ihres Gesamtgrades der Behinderung nur dann in Frage kommt, wenn ihr führenden Leidens (im Zusammenhang mit einer Verstärkung desselben durch weitere Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit) auf die Alltagsbewältigung verschlechternd auswirkt, was im gegenständlichen Fall durch die ärztliche Sachverständige festgestellt wurde, weshalb der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe auf 60 v.H. erhöht wurde.
Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel stellte die Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar dar, dass keines der vorliegenden Leiden eine Ausprägung erreicht, die der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Wege stehen würde. Das gefahrlose Ein- und Aussteigen ist demnach problemlos möglich (Überwindung üblicher Niveauunterschiede), ebenso der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel, inkludierend sicherer Stand (Verwendung von Haltegriffen) und Platzwechsel.
Die im Hinblick auf die in der Stellungnahme vom 08.02.2021 und im Beschwerdeschreiben vom 07.04.2021 ausgeführte Beeinträchtigung der Bewältigung von Steigungen durch die noch nicht ausgeheilte Lungenembolie, kann durch die vorgelegten Befunde objektiv nicht nachvollzogen werden und ist auf die gutachterlichen Ausführungen zu verweisen, wonach die angegebenen Einschränkungen bei der Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke aus pulmonaler und kardialer Sicht nicht evaluiert werden konnten. Die im Hinblick auf die Gehleistung vorgebrachte Einschränkung der Belastbarkeit ist daher keinem Leiden definitiv zuordenbar und konnte eine solche seitens der ärztlichen Sachverständigen nicht festgestellt werden.
Auf die vorgebrachte Infektanfälligkeit wurde von der Fachärztin für Anästhesie eingegangen und ausgeführt, dass bei Folgezustand nach Lebertransplantation eine lebenslange abwehrschwächende Behandlung erforderlich sei, wodurch ein statistisch gering erhöhtes Infektionsrisiko unter den modernen abwehrschwächenden Medikamenten besteht. Bis dato wurde kein Hinweis auf stattgehabte schwerwiegende Infekte mit notwendiger stationärer Behandlung erbracht, die Reduktion der Immuntherapie erfolgt demgemäß befundlich belegt standardmäßig schrittweise. Die Teilhabe am öffentlichen Leben und somit die Benützung von ÖVM ist daher möglich.
Auch der Stellungnahme des Universitätsklinikums G. vom 23.03.2021 ist gegenteiliges nicht zu entnehmen. Insbesondere wurden keine stattgefundene schwerwiegenden Infekte dargetan, sondern lediglich darauf verwiesen, dass ein immunsupprimierter Patient gegen-über der Normalbevölkerung versteckt infektgefährdet ist, was auch seitens der ärztlichen Sachverständigen nicht bestritten wurde.
Bei dem im Rahmen der Stellungnahme vom 08.02.2021 vorgelegten Begleitschreiben zum Antrag Behindertenpass vom 12.01.2021 sowie der Stellungnahme des genannten Universitätsklinikums vom 23.03.2021 handelt es sich nicht um ein Gutachten im Rechtssinne, es scheint keine Befundung auf. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Letztlich sei darauf hingewiesen, dass dieses Schreiben im Gutachten vom 03.08.2021 berücksichtigt wurde und ein Teil der dort stattgefundenen Sachverhaltsfindung darstellt.
Überdies ist festzuhalten, dass es sich bei der Einschätzung des GdB bzw. die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel um einen Akt der von der Behörde bzw. dem Gericht und nicht vom Mediziner vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung darstellen.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung geht das ho. Gericht davon aus, dass das eingeholte Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht. Im Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Auch war dem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Mit ihren Beschwerdeausführungen ist die bP den gutachterlichen Ausführungen waren nicht geeignet, an den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Zweifel aufkommen zu lassen. Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.
Gemäß diesem zuletzt im Beschwerdevorverfahren eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.08.2021 – als objektivem Amtssachverständigengutachten aufgrund der Ermittlung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen – ist den Ausführungen der belangten Behörde zu folgen und ist somit davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" " nicht vorliegen sowie das der Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H. beträgt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die von der bP eingebrachte Beschwerde vom 07.04.2021 erweist sich als fristgerecht und zulässig.
Das zuletzt im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung eingeholte Sachver-ständigengutachten vom 03.08.2021 wurde der bP mit ho Schreiben vom 10.09.2021 zur Kenntnis gebracht. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erlassen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen [….]
Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: [.…]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Das Sachverständigengutachten vom 03.08.2021 (FÄin f. Anästhesie, Allgemeinmedizin) und die Angaben der bP im Verfahren wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das erstellte Gutachten erfüllt auch die im § 4 Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen. Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Im Verfahren stellte sich heraus, dass bei der bP ein Gesamtgrad von 60 v.H. vorliegt.
Der Beschwerde war diesbezüglich abzuweisen.
Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 263/216 idgF, (konkret: ob bei der bP
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
– erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
– erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
– eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
– eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen) zu erfolgen; die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen erweisen sich in dieser Hinsicht als ausreichend.
Gem. § 29b StVO ist den Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses …, die über die Zusatzeintragung „Unzumubarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ … ein Ausweis auszufolgen.
Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ua. dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Soweit die bP auf die erforderliche Einnahme von Immunsuppressiva verweist, ist auf die Erläuterungen zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zu § 1 Abs. 3 Z. 3 (nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3) zu verweisen, welchen zwar kein normativer Charakter zukommt, jedoch als Auslegungshilfe insbesondere zur Erkundung des Willens des historischen Normengebers heranzuziehen sind. Demnach kommt es bei allen frisch transplantierten Patienten nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression nach etwa drei Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat. Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken. Im gegenständlichen Verfahren wird bestätigt, dass die bP wie alle Transplantierten lebenslang Immunsuppressionen einnimmt, um einer Abstoßreaktion vorzubeugen und dies steht dem Ergebnis im Gutachten nicht entgegen. Aufgrund dieser Tatsache und dass es schon etwa drei Monate nach der Transplantation keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum gibt – wozu man die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zweifelfrei zählen kann – ergibt sich nach ho. Ansicht die inhaltliche Richtigkeit des gegenständlichen Gutachtens und ist der bP aus rechtlicher Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar (vgl dazu https://www.sozialministeriumservice.at/cms/site/attachments/2/2/6/CH0003/CMS1385116932323/beilage_2__erlaeuterungenaktuell[1].pdf).
Beim Beschwerdeführer liegen weder erheblichen relevanten Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere, hier in relevanter Weise vorliegende, anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden, welche die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel indizieren.
Dem im Gutachten vom 03.082021 (FÄin f. Anästhesie, Allgemeinmedizin) festgestellten Sachverhalt folgend liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 263/216 idgF - die Voraussetzungen der Feststellung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung bei der bP nicht vor.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" gebieten, war eine entsprechende Eintragung in den Behindertenpass, nicht vorzunehmen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.5.1. Da seitens der bB über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO nicht abgesprochen wurde, liegt in diesem Punkt kein vom ho. Gericht zu entscheidender Beschwerdegegenstand vor.
3.5.2. Soweit die bP laut Antragsformular die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass beantragte, geht das ho. Gericht davon aus, dass der Wille der antragstellenden Partei auf die Ausstellung eines Behindertenpasses gerichtet war und daher in Bezug auf die „beantragte“ Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass kein Zurückweisungsbeschluss zu erlassen ist.
3.6. Das Sachverständigengutachten vom 07.11.2020 sowie dessen Stellungnahme vom 17.02.2021 wurden dem Beschwerdeführer im Rahmen des Administravverfahrens nicht gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kennntis gebracht, sondern erst zusammen mit dem angefochtenen Bescheid übermittelt. Die bP hatte somit nicht im Administratvverfahren, sondern in der Beschwerde die Möglichkeit, sich hierzu zu äußern.
Soweit die bB im gegenständlichen, wie auch in einer Vielzahl weiterer Verfahren das Parteiengehör gem. § 45 Abs. 3 AVG somit verletzte, erlaubt sich das ho. Gericht zum wiederholten Male auf die nachfolgenden Umstände hinzuweisen:
Gem. § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. In den im gegenständlichen Verfahren anwendbaren verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen befindet sich keine solche, welche die belangte Behörde von ihrer Obliegenheit gem. § 45 AVG, welche sich auf das dem objektiven Tatsachensubstrat angehörige Elemente bezieht (Erk. d. VwGH vom 23. April 1982, 398/80, ebenso VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN; VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; VwSgl 16.423 A/1930; VwSlg 6580 A/1961; VwSlg 7509 A/1969; VwGH 16.11.1993, 90/07/0036; Erk. d. VwGH v. 9.11.1994, 92/13/0068; VwGH 28.3.1996, 96/20/0129; auch VwGH 13.5.1986, 83/05/0204/0209), entbinden würde.
§ 45 Abs. 3 AVG entsprechend hätte die bB gegenüber der bP das Parteiengehör zu wahren gehabt. Dieser Obliegenheit kam sie jedoch nicht nach und wurde von ihr das Recht der bP aus die Gewährung des Parteiengehörs verletzt.
Im Verwaltungsverfahren ist das "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtlichen Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (für viele: Erk. vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032 mwN).
Zwar geht der VwGH davon aus, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach eine im administrativen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen wird - eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (Erk. d. VwGH vom 10.9.2015, Ra 2015/09/0056). Es stellt sich aber die Frage, ob dies stets der Fall ist und das Verwaltungsgericht immer verhalten ist, das aufgrund des nicht gewährten Parteiengehörs mangelhafte Ermittlungsverfahren zu ergänzen oder sogar über weite Strecken erstmals zu führen bzw. hierdurch der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden soll, den Grundsatz des Parteiengehörs systematisch zu ignorieren, sich so der Verpflichtung zur Ermittlung eines wesentlichen Teils des maßgeblichen Sachverhalts bzw. dessen rechtlicher Würdigung zu entledigen und diese Ermittlungstätigkeit gezielt auf das Verwaltungsgericht abzuwälzen.
Der VwGH legt der Gewährung des Parteiengehörs hohes Gewicht bei, und zeigt die ständige Rechtsprechung, dass die Höchstgerichte das Parteiengehör zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates, der Hoheitsverwaltung und eines geordneten Verwaltungs-verfahrens zählen (für viele: Erk. d. VwGH vom 1.9.2015, 2013/15/0295 mwN; Erk. d. VwGH vom 8.4.2014, 2012/05/0004 mwN) und dessen Verletzung einen besonders qualifizierten und schwerwiegenden Verfahrensmangel darstellt. Die völlige Vernachlässigung des Parteiengehörs stellt einen so wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass er als willkürliches Vorgehen der Behörde und als in die Verfassungssphäre reichende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu qualifizieren ist (Erk. des VwGH vom 29.5.2013, 2011/01/0241; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 in VfSlg. Nr. 15.149/1998; sowie das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0004) und so in die Verfassungssphäre eingreift.
Hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis bzw. Entscheidungsverpflichtung des ho. Gerichts geht der Gesetzgeber bei den Verwaltungsgerichten vom Primat der Sachentscheidung aus, wenn er festlegt, dass gem. § 28 Abs. 1 VwGVG das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Beim vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Konzept - nämlich dem Primat der Sachentscheidung und dem untergeordnet die Möglichkeit der Verwaltungsgerichte, bei bestimmten qualifizierten Fallkonstellationen eine kassatorische Entscheidung zu treffen - ging dieser sichtlich von einer belangten Verwaltungsbehörde aus, welche redlich bemüht ist, ein rechtskonformes Ermittlungsverfahren, wozu auch die regelmäßige Gewährung des Parteiengehörs zu zählen ist, zu führen. Dass ihr trotz dieses Bemühens Fehler unterlaufen können, ist evident und wird vom Gesetzgeber zugestanden. Sicherlich hatte der Gesetzgeber keine belangte Behörde vor Augen, welche Ermittlungstätigkeiten gezielt und systematisch unterlässt, und sich so ihrer ihr zugewiesenen Zuständigkeit über weite Strecken entledigt.
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,
- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder
- bloß ansatzweise ermittelt hat.
- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
In seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 befasste sich der EuGH mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts -bei entsprechender Untätigkeit der Behörde- der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen. Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben. Der EuGH führte weiters aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Im gegenständlichen Fall bestehen aufgrund der identen Vorgansweise der bB in Bezug auf die Unterlassung eines ordnungsgemäßen Parteiengehörs in einer Mehrzahl von Verfahren konkrete Anhaltspunkte, dass die bB sowohl in diesem Einzelfall, als auch in einer Vielzahl anderer Verfahren den - wie vom VwGH bezeichnet - fundamentalen Grundsatz des Parteiengehörs ignoriert und so nicht nur in diesem Einzelfall, sondern in einer Vielzahl von Verfahren Willkür übt und gezielt einen essentiellen Teil von Ermittlungen unterlässt, bzw. die Behörde das ho. Gericht zu veranlassen versucht -wie vom EuGH bezeichnet- anstelle der Behörde tätig zu werden und so in seiner Unabhängigkeit gegenüber den Verfahrensparteien zumindest eingeschränkt wird.
Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der Partei zur Folge hat, wenn sie jenen Sachverhalt von dem die Behörde ausgeht, für unrichtig bzw. unvollständig hält. Diese Stellungnahme bzw. die im Rahmen dieser Stellungnahme angebotenen Beweismittel sind wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die Behörde.
Die bB setzt offensichtlich gezielt auf den Umstand, dass das Verwaltungsgericht den oa. Umstand in seinem Verfahren aufgreift, sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, welche in der Beschwerde erstmals die Möglichkeit hatte Stellung zu nehmen, auseinandersetzt und im Ermittlungsverfahren in angemessener Weise berücksichti