Entscheidungsdatum
06.12.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2240909-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Markus STEININGER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Behindertenpass des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 29.01.2021, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Die beschwerdeführende Partei ("bP") beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses.
1.2. In der Folge wurde am 25.11.2020 ein ärztliches Sachverständigengutachten durch eine Allgemeinmedizinerin erstellt (Begutachtung am 11.11.2020). In diesem Gutachten wurde eine Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt.
1.3. Bezugnehmend auf ein seitens der bP in weiterer Folge vorgelegtes Audiogramm vom November 2020 ersuchte der ärztliche Dienst der bB um Beurteilung der Hörminderung.
1.4. Ein auf der Aktenlage basierendes Sachverständigengutachten der bereits zuvor befassten Sachverständigen vom 07.01.2021 ergab nunmehr im Lichte der neuen Befundlage einen Gesamtgrad der Behinderung vom 70 v.H.
Der bP wurde seitens der bB das Parteiengehör zum festgestellten Sachverhalt nicht gewährt.
1.5. Mit Schreiben des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 29.01.2021 wurde der bP ein entsprechender Behindertenpass (im Scheckkartenformat) übermittelt.
Ebenso kam die die bB im Ermittlungsverfahren zum Schluss, dass die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen vorliegen:
"Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996“.
„Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist schwer hörbehindert“
Das Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 25.01.2021 wurde dem Schreiben beigelegt.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mit E-Mail vom 18.03.2021 Beschwerde. Die bP führte aus, dass entgegen den Ausführungen der Sachverständigen ein „multiples Myelom“ welches eine chronische Immunerkrankung darstellt, nicht heilbar sei. Sie fühle sich von der Sachverständigen „ganz schön verschaukelt“. „Der ärztliche Entlassungsbrief vom letzten Aufenthalt 09. – 10.03.2021 mit den Abschlussuntersuchungen der Studie – Knochenmarkpunktion in Sedierung - und MR Ganzkörper werden nachgereicht. Wieder hinzugekommen sei das Medikament „Revlimid“, da die Kappa Leichtketten wieder steigen. Soviel zum Ablauf der Heilsbewährung.“
1.7. Mit Schreiben vom 30.03.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage, sie langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.
1.8. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde von der bereits im Verwaltungsverfahren mit der Rechtssache befassten sachverständigen Allgemeinmedizinerin eine Gutachtensergänzung eingeholt, welche ho. am 16.09.2021 einlangte. Diese Ergänzung lautete wie folgt:
„Da sich im Lauf der Erkrankung beim Multiplen Myelom eine Veränderung des Gesundheitszustandes (Verbesserung/Verschlechterung) ergeben kann, ist eine Nachuntersuchung zur Einschätzung der Auswirkungen auf den Allgemeinzustand anhand der aktuell laufenden Therapie, dem Ausmaß der Skelettveränderungen (Osteolysen), den Schmerzen und den Nierenschädigungen erforderlich.“
1.9.1. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden der bP sowie der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
1.9.2. In ihrer ho. am 12.11.2021 eingelangten Stellungnahme betont die bP, dass ihre Beschwerde nicht gegen den festgestellten Grad der Behinderung gerichtet gewesen sei, sondern gegen einzelne Punkte im Gutachten. Entgegen den Ausführungen im Gutachten liege sehr wohl eine Immunerkrankung vor. Ihr sei eine Nachuntersuchung klar, aber das Wort „Heilsbewährung“ sei eine eigenartige Wortwahl. In einem wurde der Stellungnahme ein Befundkonvolut beigelegt.
1.9.3. Seitens der bB wurde keine Stellungnahme eingebracht.
1.10. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 2.12.2021 beschloss der erkennende Senat die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0 Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und an der im Akt ersichtlichen Adresse im Inland wohnhaft.
1.2. Das Gutachten vom 07.01.2021 inklusive dessen bereits genannten Ergänzung der ärztlichen Sachverständigen weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf und wird zum dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt erhoben:
„[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Multiples Myelom;
Erstdiagnose 05/2019, derzeit laufende Antikörper-Erhaltungstherapie;
Pos. Nr. 10.03.10, GdB 60 %
2) Einschränkungen des Hörvermögens;
Hörverlust rechts 68%, Hörverlust links 60%;
Pos. Nr. 12.02.01, GdB 50 %
3) Bluthochdruck, paroxysmales Vorhofflimmern;
Zustand nach cardialer Dekompensation, DD: tachycardes Vorhofflimmern, septische Cardiomyopathie (normale LVF am 15.10.2020), medikamentöse Mehrfachtherapie;
Pos. Nr. 05.01.02, GdB 20 %
4) Schilddrüsenüberfunktion;
Hyperthyreose bei Struma diffusa (disseminierte Autonomie - derzeit subklinisch hyperthyreote Funktion);
Pos. Nr. 09.01.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Führend ist Leiden Nummer 1 mit 60%. Leiden Nummer 2 steigert um eine Stufe, da es das Gesamtbild verschlechtert. Die weiteren Leiden steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter. Somit ergibt sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 70%.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Angiodysplasie Corpus ventriculi
Psoriasis - keine Läsionen erkennbar (11.11.2020), ausgedehnte Hautreaktion 07/2019 fragl. medikamentös induziert (Revlimid) Osteoporose
Port-Implantation 07/2019
Steatosis hepatis
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden Nummer 2 ist neu hinzugekommen.
Die weiteren Leiden bleiben gleich.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Infolge des neu hinzugekommenen Leiden Nummer 2 kommt es zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung von 60% auf 70%.
Nachuntersuchung 06/2022 - Ablauf der Heilungsbewährung.
Folgende Zusatzeintragungen liegen vor:
Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996.
Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist schwer hörbehindert.
…“
„Da sich im Lauf der Erkrankung beim Multiplen Myelom eine Veränderung des Gesundheitszustandes (Verbesserung/Verschlechterung) ergeben kann, ist eine Nachuntersuchung zur Einschätzung der Auswirkungen auf den Allgemeinzustand anhand der aktuell laufenden Therapie, dem Ausmaß der Skelettveränderungen (Osteolysen), den Schmerzen und den Nierenschädigungen erforderlich.“
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Liegen sich widersprechende Gutachten (Anm.: bzw. dem Beweiswert eines Gutachtens gleichkommende Bescheinigungsmittel) vor, steht es dem Gericht frei, diese im Rahmen der Beweiswürdigung frei zu würdigen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (VwGH 11.9.2020, Ra 2018/040189).
Fallbezogen ergibt sich aus den vorgegangenen Ausführungen Folgendes:
Im gegenständlichen Fall holte die bB 2 Gutachten ein, wobei das erste von einem GdB von 60 vH und das zweite einen GdB von 70 vH ergab.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das jüngere Gutachten vom 7.1.2021 auf einer jeweils jüngeren, aktuelleren und breiteren Befundlage fußt als das vorausgehende vom 25.11.2020. Weiters stellte sich die ergänzende Stellungnahme vom 16.9.2021 als schlüssig dar und trat die bP in Bezug auf deren objektiven Aussagekern bei. Sie monierte lediglich die getroffene Wortwahl.
Das Gericht schließt sich dem Gutachten vom 7.1.2021 in einer Zusammenschau mit der ergänzenden Stellungnahme vom 16.9.2021 an. Es weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass in Bezug auf das Vorgutachten vom 25.11.2020 in Bezug auf den objektiven Aussagekern des festgestellten Sachverhalts keine Unplausibilität vorliegt, soweit es sich nicht um die Hörfähigkeit der bP handelt, zumal die dem Gutachten vom 25.11.2020 zu Grunde liegende Befundlage eine andere war und die Gutachterin in ihrem Gutachten vom 25.11.2020 Befunde noch nicht berücksichtigen konnte, die ihr im Rahmen der Erstellung des Gutachtens vom 7.1.2021 jedoch vorlagen.
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das gegenständlich eingeholte Sachverständigengutachten auf Grund der Aktenlage vom 07.01.2021 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 16.9.2021 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine relevanten Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den vorgelegten Befunden, entsprechen der festgestellten Funktionseinschränkung. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Im angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen. Laut diesem Gutachten besteht bei der bP nunmehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH. Führendes Leiden stellt die Funktionseinschränkung "Multiples Myelom; Erstdiagnose 05/2019, derzeit laufende Antikörper-Erhaltungstherapie" mit einem GdB von 60 vH dar. Das Leiden Nr. 2 – Einschränkung des Hörvermögens – wurde mit einem GdB von 50 vH eingeschätzt. Die dadurch vorliegende Verschlechterung des Gesamtbildes steigert den GdB um eine Stufe auf somit 70 vH.
Im Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die Einwendungen in der Beschwerde konnten durch die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 16.9.2021 ausgeräumt werden und trat die bP dieser Stellungnahme letztlich in Bezug auf den objektiven Aussagekern im Wesentlichen bei.
Auch war dem Vorbringen und den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.
Das Gutachten basierend auf der Aktenlage der medizinischen Sachverständigen (Ärztin für Allgemeinmedizin) vom 07.01.2021 wurde ausführlich und überzeugend begründet, sowohl betreffend die Wahl der Prozentsätze als auch der Positionsnummer. Die ergänzenden Ausführungen vom 16.9.2021 stellten hierzu letztlich Abrundungen und Klarstellungen dar.
Die bP wendet in ihrer Beschwerde ein, dass ein Multiples Myelom zwar behandel- aber nicht heilbar sei, weshalb es keine „Heilsbewährung“ gibt. Die unter lfd. Nr. 01 angeführte Funktionseinschränkung mit 10.03.10 ‚Multiples Myelom (Rahmensatz 50 – 100 %) erfolgte entsprechend der Vorgabe der Anlage zur Einschätzungsverordnung im Hinblick auf den Ablauf der dreijährigen Heilungsbewährung, d.h. um zu diesem Zeitpunkt die Erkrankung nach der Behandlung neu einzuschätzen. Die Sachverständige hat im Hinblick auf die Heilsbewährung in ihrer Stellungnahme vom 14.09.2021 ausgeführt: „Da sich im Lauf der Erkrankung beim Multiplen Myelom eine Veränderung des Gesundheitszustandes (Verbesserung/Verschlechterung) ergeben kann, ist eine Nachuntersuchung zur Einschätzung der Auswirkungen auf den Allgemeinzustand anhand der aktuell laufenden Therapie, dem Ausmaß der Skelettveränderungen (Osteolysen), den Schmerzen und den Nierenschädigungen erforderlich.“
Sofern die bP den Terminus „Heilungsbewährung“ moniert, ist sie auf den Wortlaut der Einschätzungsverordnung verweisen, wo sich dieser Terminus wiederfindet. Demgemäß beschreibt der Begriff „Heilungsbewährung“ einen Zeitraum nach der Behandlung von Krankheiten, in dem abgewartet werden muss, ob ein Rückfall eintritt.
Die bP moniert weiters, dass es sich bei einem Myelom um eine Immunerkrankung handelt. Dass es sich bei einem Myelom um eine Immunerkrankung handelt, ist unbestritten. Im gegenständlichen Fall hat die Sachverständige in ihrem Gutachten festgestellt, dass bei der bP keine Erkrankung des Immunsystems vorliegt, was sich jedoch ausschließlich auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bezieht, nämlich ob eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, vorliegt, was im gegenständlichen Fall seitens der Gutachterin verneint wird. Damit im Ergebnis übereinstimmend hielt bereits die Gutachterin richtigerweise fest, dass keine relevante schwere Erkrankung des Immunsystems im Sinne jenes Prüfungsmaßstabes, den sie in Bezug auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel anzuwenden hatte, vorliegt. Auch die bP hat nichts Derartiges behauptet, bzw. Befunde vorgelegt, aus denen eine erhöhte Infektanfällig-keit oder wiederholte außergewöhnliche Infektionen hervor gehen.
Die bP bringt vor, dass nunmehr das Medikament „Revlimid“ hinzugekommen sei, da die Kappa Leichtketten wieder steigen. Lenalidomid (Handelsname: Revlimid, Hersteller: Celgene) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Immunmodulatoren. Es ist strukturell mit dem Thalidomid und Pomalidomid verwandt und wird wie diese zur Behandlung des multiplen Myeloms, der myelodysplastischen Syndrome (MDS) und des Mantelzelllymphoms eingesetzt ( für viele in ihrem Aussagekern übereinstimmende öffentlich zugänglich Quellen notorisch bekannten Inhalts: https://de.wikipedia.org/wiki/Lenalidomid). Sich durch eine Änderung der Medikation eine Änderung des GdB bewirkt, hat die bP nicht dargetan, bzw. führte sie selbst an, dass sie gegen den festgestellten GdB keine Einwände erhebe bzw. sich auch mit der Befristung des Behindertenpasses abfinde und ergaben sich auch im Ermittlungsverfahren hierzu keine Hinwiese.
Die bP hatte ausreichend Gelegenheit, die Darlegungen der Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten oder durch Vorlage aktueller aussagekräftiger Beweismittel zu widerlegen; dies hat sie jedoch unterlassen. Mit ihren Beschwerdeausführungen zeigt die bP auch keine Widersprüche, Ungereimtheiten oder Mängel des Sachverständigengutachtens auf, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Das Vorbringen der bP ist letztlich nicht geeignet, die Feststellungen der Sachverständigen zu entkräften bzw. eine weitere Beweisaufnahme zu bedingen, weshalb das Gutachten in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wird. Da das Sachverständigen-gutachten samt Ergänzung auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerde-vorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind.
Die oa. Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht, somit ist das Vorbringen in der Beschwerde, -welches folglich vor der Aktenvorlage an das ho. Gericht im Vorverfahren erstattet wurde- vom 18.03.2021 nicht vom Neuerungsverbot umfasst und war entsprechend zu berücksichtigen.
Letztlich ist jedoch festzuhalten, dass jenes inhaltlich neue Vorbringen der bP welches sie im Beschwerdeverfahren vor dem ho. Gericht vorbrachte und jene Bescheinigungsmittel, welche sie ebenfalls im Beschwerdeverfahren vor dem ho. Gericht vorlegte, gem. § 46 BBG letzter Satz keine weitere inhaltliche Berücksichtigung zu finden haben. Ungeachtet dessen steht es der bP frei, diese in einem allenfalls weiteren, bei der bB anzustrengenden Verfahren einbringen kann.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1, § 13 Abs. 5a, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbe-einträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Das angeführte Sachverständigengutachten und die Angaben der bP im Verfahren sowie die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 - also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden.
Die bP stellte in ihrer Beschwerde fest, dass es sich bei einem Myelom um eine Immunerkrankung handelt und dass ein solches nicht heilbar sei. Die Einschätzung von 70 v.H. wurde von der bP nicht moniert. Gemäß dem angeführten Gutachten ist bei der bP von einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH. auszugehen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
3.5. Soweit die bB im gegenständlichen, wie auch in einer Vielzahl weiterer Verfahren das Parteiengehör gem. § 45 Abs. 3 AVG verletzte, indem der bP der maßgebliche Sachverhalt, insbesondere das Gutachten vom 7.1.2021 nicht zwecks der Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht wurde, erlaubt sich das ho. Gericht zum wiederholten Male auf die nachfolgenden Umstände hinzuweisen:
Gem. § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. In den im gegenständlichen Verfahren anwendbaren verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen befindet sich keine solche, welche die belangte Behörde von ihrer Obliegenheit gem. § 45 AVG, welche sich auf das dem objektiven Tatsachensubstrat angehörige Elemente bezieht (Erk. d. VwGH vom 23. April 1982, 398/80, ebenso VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN; VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; VwSgl 16.423 A/1930; VwSlg 6580 A/1961; VwSlg 7509 A/1969; VwGH 16.11.1993, 90/07/0036; Erk. d. VwGH v. 9.11.1994, 92/13/0068; VwGH 28.3.1996, 96/20/0129; auch VwGH 13.5.1986, 83/05/0204/0209), entbinden würde.
§ 45 Abs. 3 AVG entsprechend hätte die bB gegenüber der bP das Parteiengehör zu wahren gehabt. Dieser Obliegenheit kam sie jedoch nicht nach und wurde von ihr das Recht der bP aus die Gewährung des Parteiengehörs verletzt.
Im Verwaltungsverfahren ist das "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtlichen Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (für viele: Erk. vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032 mwN).
Zwar geht der VwGH davon aus, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach eine im administrativen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen wird - eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (Erk. d. VwGH vom 10.9.2015, Ra 2015/09/0056). Es stellt sich aber die Frage, ob dies stets der Fall ist und das Verwaltungsgericht immer verhalten ist, das aufgrund des nicht gewährten Parteiengehörs mangelhafte Ermittlungsverfahren zu ergänzen oder sogar über weite Strecken erstmals zu führen bzw. hierdurch der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden soll, den Grundsatz des Parteiengehörs systematisch zu ignorieren, sich so der Verpflichtung zur Ermittlung eines wesentlichen Teils des maßgeblichen Sachverhalts bzw. dessen rechtlicher Würdigung zu entledigen und diese Ermittlungstätigkeit gezielt auf das Verwaltungsgericht abzuwälzen.
Der VwGH legt der Gewährung des Parteiengehörs hohes Gewicht bei, und zeigt die ständige Rechtsprechung, dass die Höchstgerichte das Parteiengehör zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates, der Hoheitsverwaltung und eines geordneten Verwaltungs-verfahrens zählen (für viele: Erk. d. VwGH vom 1.9.2015, 2013/15/0295 mwN; Erk. d. VwGH vom 8.4.2014, 2012/05/0004 mwN) und dessen Verletzung einen besonders qualifizierten und schwerwiegenden Verfahrensmangel darstellt. Die völlige Vernachlässigung des Parteiengehörs stellt einen so wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass er als willkürliches Vorgehen der Behörde und als in die Verfassungssphäre reichende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu qualifizieren ist (Erk. des VwGH vom 29.5.2013, 2011/01/0241; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 in VfSlg. Nr. 15.149/1998; sowie das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0004) und so in die Verfassungssphäre eingreift.
Hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis bzw. Entscheidungsverpflichtung des ho. Gerichts geht der Gesetzgeber bei den Verwaltungsgerichten vom Primat der Sachentscheidung aus, wenn er festlegt, dass gem. § 28 Abs. 1 VwGVG das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Beim vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Konzept - nämlich dem Primat der Sachentscheidung und dem untergeordnet die Möglichkeit der Verwaltungsgerichte, bei bestimmten qualifizierten Fallkonstellationen eine kassatorische Entscheidung zu treffen - ging dieser sichtlich von einer belangten Verwaltungsbehörde aus, welche redlich bemüht ist, ein rechtskonformes Ermittlungsverfahren, wozu auch die regelmäßige Gewährung des Parteiengehörs zu zählen ist, zu führen. Dass ihr trotz dieses Bemühens Fehler unterlaufen können, ist evident und wird vom Gesetzgeber zugestanden. Sicherlich hatte der Gesetzgeber keine belangte Behörde vor Augen, welche Ermittlungstätigkeiten gezielt und systematisch unterlässt, und sich so ihrer ihr zugewiesenen Zuständigkeit über weite Strecken entledigt.
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,
- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder
- bloß ansatzweise ermittelt hat.
- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
In seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 befasste sich der EuGH mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts -bei entsprechender Untätigkeit der Behörde- der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen. Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben. Der EuGH führte weiters aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Im gegenständlichen Fall bestehen aufgrund der identen Vorgansweise der bB in Bezug auf die Unterlassung eines ordnungsgemäßen Parteiengehörs in einer Mehrzahl von Verfahren konkrete Anhaltspunkte, dass die bB sowohl in diesem Einzelfall, als auch in einer Vielzahl anderer Verfahren den - wie vom VwGH bezeichnet - fundamentalen Grundsatz des Parteiengehörs ignoriert und so nicht nur in diesem Einzelfall, sondern in einer Vielzahl von Verfahren Willkür übt und gezielt einen essentiellen Teil von Ermittlungen unterlässt, bzw. die Behörde das ho. Gericht zu veranlassen versucht -wie vom EuGH bezeichnet- anstelle der Behörde tätig zu werden und so in seiner Unabhängigkeit gegenüber den Verfahrensparteien zumindest eingeschränkt wird.
Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der Partei zur Folge hat, wenn sie jenen Sachverhalt von dem die Behörde ausgeht, für unrichtig bzw. unvollständig hält. Diese Stellungnahme bzw. die im Rahmen dieser Stellungnahme angebotenen Beweismittel sind wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch die Behörde.
Die bB setzt offensichtlich gezielt auf den Umstand, dass das Verwaltungsgericht den oa. Umstand in seinem Verfahren aufgreift, sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, welche in der Beschwerde erstmals die Möglichkeit hatte Stellung zu nehmen, auseinandersetzt und im Ermittlungsverfahren in angemessener Weise berücksichtigt. Dies führt regelmäßig zu einem wesentlich komplexeren Beschwerdeverfahren als es der Fall gewesen wäre, wenn die bB ordnungsgemäß das Parteiengehör gewahrt und die Stellungnahme der Partei in ihrem Verfahren berücksichtigt und so ihren weiteren Ermittlungen zu Grunde gelegt hätte.
Die Verwaltungsbehörde unterließ letztlich offensichtlich gezielt und systematisch Ermittlungen, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden müssen (vgl. das bereits zitierte Erk. d. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, aber auch Urteil des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452).
Im konkreten Fall erging trotz der getroffenen Ausführungen letztlich dennoch eine meritorisch Entscheidung, weil aufgrund des –durch Vorenthaltung des Parteiengehörs- erstmaligen Vorbringens in der Beschwerde und dessen Inhalts eine Prüfung und Entscheidung durch das ho. Gericht im gegenständlichen, nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall zweckmäßig erschien.
3.6. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Durchführung einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nicht beantragt. Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Insbesondere stellten sich letztlich die Ausführungen der bP in Bezug auf die von der Sachverständigen gewählten Wortwahl („Heilsbewährung“) als ein substanzloses Bestreiten heraus.
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Insbesondere ergeben sich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf die gesetzlichen Anforderungen eines Gutachtens und in Bezug auf die hier anzuwendenden und auszulegenden Rechtsvorschriften.
Die seitens des ho. Gerichts anzuwendenden Bestimmungen stellen sich in Ihrem Wortlaut als eindeutig dar und lassen keine andere Auslegung als die hier getroffene zu. Ebenso wird auf die bereits im ho. Erkenntnis zitierte einheitliche höchstgerichtliche Judikatur verwiesen.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass sich wesentliche Teile des gegenständlichen Erkenntnisses mit Fragen der Beweiswürdigung, insbesondere in Bezug auf den Beweiswertes eines Gutachtens, welche einer Revision nicht zugänglich sind.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
1. Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Parteiengehör SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2240909.1.00Im RIS seit
14.01.2022Zuletzt aktualisiert am
14.01.2022