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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der G-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. November 1995, Zl. 317.662/1-III/A/2a/95, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Parteien: Mag. K und A H in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. November 1995 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 79 GewO 1994 für ihre Wäschereibetriebsanlage folgende zusätzliche Auflage vorgeschrieben:
"In Verlängerung des bestehenden Stadels ist bis zum Betriebsobjekt eine Schallschutzwand zu errichten, deren Höhe bis zur Höhe des Rolltores zu reichen hat. Diese Lärmschutzwand darf kein Tor aufweisen, das die Durchfahrt von Lieferanten-Pkw"s oder Lkw"s erlauben könnte."
Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges aus, er habe am 4. Oktober 1995 bei der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin einen Augenschein vorgenommen, in deren Verlauf die Betriebsinhabung angegeben habe, es würden im Betrieb vier Klein-Lkw bis 3,5 t betrieblich genutzt. Dazu kämen noch fünf bis sechs Lieferanten mit Pkw oder Lkw pro Tag. Die Abfahrt eines Klein-Lkw"s finde frühestens um 6.45 Uhr statt. Die Fahrzeuge führen maximal zweimal täglich zur Anlieferung in den Betrieb. Lediglich ein Fahrzeug führe An- und Auslieferungen im Nahbereich durch. Im weiteren Verlauf der Verhandlung hätten ein gewerbetechnischer Amtssachverständiger und ein medizinischer Amtssachverständiger (in der Bescheidbegründung wörtlich wiedergegebene) Gutachten erstattet. Davon ausgehend führte der Bundesminister nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage aus, mit der nunmehr vorgeschriebenen Auflage der Errichtung einer Lärmschutzwand werde sowohl den Interessen der Nachbarn auf Abwehr von Beeinträchtigungen entsprochen als auch der Planung der Beschwerdeführerin entgegengekommen, da ein von ihr zur Genehmigung eingereichtes Projekt zur Änderung der Betriebsanlage vorsehe, daß die Zu- und Abfahrten zur Wäschean- und Wäscheablieferung nicht mehr über das an die Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien angrenzende Grundstück stattfinden solle. Der gegenständliche Bescheid basiere auf den schlüssigen, klaren und eindeutigen Aussagen sowohl des technischen als auch des medizinischen Sachverständigen, wobei nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen den Beeinträchtigungen, die durch die Ladevorgänge zu beobachten gewesen seien, "nur durch geeignete Maßnahmen begegnet werden kann". Da die von den Unterbehörden vorgeschriebenen Auflagen diesen Erfordernissen jedoch nicht entsprächen, sei die Vorschreibung einer Lärmschutzwand die einzige diesbezügliche Möglichkeit. Da mit dieser Vorschreibung die anderen vorgeschriebenen Maßnahmen der Unterbehörden entbehrlich geworden seien, sei die Vorschreibung einer - billigeren - Wand auch aus Sicht der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 6. März 1996, Zl. B 4011/95-9, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung einer weiteren Auflage verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie geltend, durch die vorgeschriebene Lärmschutzwand würde ein Zufahren zum Betrieb über das in der Nachbarschaft der mitbeteiligten Parteien liegende Grundstück nicht mehr möglich. Dies stelle eine wesentliche Einschränkung der Beschwerdeführerin dar. Auch ihrem Geschäftsführer wäre dadurch die Möglichkeit genommen, mit seinem Privat-Pkw über dieses Grundstück zu seinen Privaträumlichkeiten im ersten Obergeschoß der Betriebsanlage zu gelangen. Es verbliebe nur mehr die Möglichkeit, über einen nicht verbauten Teil des Betriebsgrundstückes zuzufahren. Damit sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, diesen Grundstücksteil anders zu widmen oder zur Gänze zu verbauen bzw. wiederum zu veräußern. Es wäre dann ansonsten nämlich keine Zufahrt mehr zum Betrieb gegeben. Die belangte Behörde habe die in Rede stehende Auflage völlig überraschend und ohne vorangehende Sachverhaltserhebungen getroffen. Die Vorschreibung der Auflage sei aber auch deshalb rechtlich verfehlt, weil (aus in der Beschwerde näher dargestellten Gründen) die von den mitbeteiligten Parteien behaupteten Lärmimmissionen nicht vorlägen und der Wäschereibetrieb den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Zu der im § 79 Abs. 1 GewO 1994 geforderten Verhältnismäßigkeit führe die belangte Behörde lediglich aus, die nunmehr vorgeschriebene Schallschutzwand sei billiger. Diese Vorschreibung sei für die Beschwerdeführerin völlig überraschend gekommen, zumal im abgeführten Beweisverfahren keinerlei Feststellungen über die tatsächlichen Kosten bzw. den tatsächlichen Aufwand zur Errichtung einer derartigen Schallschutzwand getroffen worden seien. Die bloße Behauptung, die vorgeschriebene Schallschutzwand sei billiger, sei zur Bescheidbegründung nicht ausreichend. Darüber hinaus sei festzustellen, daß unzumutbare Belästigungen - deren Vorliegen jedoch ausdrücklich bestritten werde - auch bei fehlender Verhältnismäßigkeit toleriert werden müßten. Die Beschwerdeführerin habe bereits im gesamten Verfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die vorgeschriebenen Auflagen im Sinne des § 79 Abs. 1 GewO 1994 unverhältnismäßig seien und daher eine "Ausführung" nicht erfolgen könne.
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Wie sich aus den im letzten Satz dieser Gesetzesstelle gegebenen Parameter für die Beurteilung der im Satz davor geforderten Verhältnismäßigkeit von Auflagen ergibt, ist darunter die Relation zwischen einerseits dem mit der Erfüllung der Auflagen verbundenen Aufwand und andererseits dem damit gewonnenen Ausmaß an Schutz der nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen zu verstehen. Um die im § 79 Abs. 1 vorletzter Satz GewO 1994 geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, bedarf es - sofern nicht das Ziel der Auflage der Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung ist, in welchem Fall der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis sein kann und sich daher eine weitere Prüfung der Verhältnismäßigkeit erübrigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0256), was aber hier im Hinblick auf die diesbezüglichen Aussagen des von der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen nicht zutrifft - daher der Feststellung einerseits des für den Betriebsanlageninhaber mit der Erfüllung der vorgeschriebenen Auflagen verbundenen Aufwandes und andererseits des Ausmaßes, in dem mit der Erfüllung der Auflagen der Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen erhöht wird.
Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, ohne derartige Feststellungen zu treffen, die Verhältnismäßigkeit der vorgeschriebenen Auflage nach der Relation der mit ihrer Erfüllung verbundenen Kosten im Verhältnis zu den Kosten beurteilte, die mit der Erfüllung der in den Unterinstanzen vorgeschriebenen Auflagen verbunden gewesen wären.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörtertung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der zitierten Verordnung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040060.X00Im RIS seit
11.07.2001