TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/13 I413 2239813-1

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Veröffentlicht am 13.12.2021
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Entscheidungsdatum

13.12.2021

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z1
GSVG §40

Spruch


I413 2239813-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Christine FISCHER-LODE als gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreterin, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) Landesstelle Tirol vom 12.01.2021, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 12.01.2021 verpflichtete die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, Landesstelle Tirol, welche im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet wird, die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Erwachsenenschutzvertreterin, bis zum 08.05.2020 einen Betrag in Höhe von EUR 27.773,93 - bestehend aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 12.369,28 für den Zeitraum vom 01.07.1996 bis 31.08.1998 sowie vom 01.05.2006 bis 30.11.2006 (Kranken-, Pensions- und Unfallversicherungsbeiträge sowie Beiträge zum Betriebshilfegesetz) sowie Verzugszinsen in Höhe von EUR 13.944,25 und Nebengebühren in Höhe von EUR 1.460,40 bis zum 07.05.2020 - sowie für die Dauer des weiteren Zahlungsverzuges ab 08.05.2020 Verzugszinsen im gesetzlichen Ausmaß aus dem Kapital in Höhe von EUR 12.369,28 zu zahlen.

2. Gegen diesen der Beschwerdeführerin im Wege ihrer Erwachsenenvertreterin am 15.01.2021 zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 12.02.2021, wobei Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes moniert wurden. Im Wesentlichen wurde dabei vorgebracht, die belangte Behörde hätte die Nachsicht der Verzugszinsen auszusprechen gehabt, zudem wäre hinsichtlich der rückständigen Beiträge sowie der Verzugszinsen und Nebengebühren Einforderungsverjährung eingetreten. Im Zuge der Beschwerdeerhebung erfolgte zugleich die Stellung eines Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Gerichtsgebühren.

3. Mit Schriftsatz vom 23.02.2021, via ERV eingelangt am selbigen Tag, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrenshilfeantrag und Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor und erstattete dazu eine Stellungnahme.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.08.2021 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I410 abgenommen und der Gerichtsabteilung I413 neu zugewiesen.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2021, GZ I413 2239813-1/6Z, wurde der Beschwerdeführerin Verfahrenshilfe hinsichtlich der einstweiligen Befreiung von Eingabegebühr bewilligt.

6. Am 16.11.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in deren Zuge die gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreterin die Beschwerdeführerin aufgrund deren dementieller Erkrankung entschuldigte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin verfügte im Zeitraum 30.07.1996 bis 21.03.1997 über eine Gewerbeberechtigung hinsichtlich dem reglementierten Gewerbe „Gastgewerbe mit den Berechtigungen nach § 142 Abs 1 Z 2 – 4 GewO 1994, in der Betriebsart Restaurant“ (GISA-Zahl XXXX ).

Im Zeitraum 12.03.1997 bis 24.07.1998 war sie Pächterin der Innsbrucker Hauptschützengesellschaft, welche über eine Gewerbeberechtigung hinsichtlich dem reglementierten Gewerbe „Gast- und Schankgewerbe in der Betriebsform „Cafe-Restaurant“ mit den Befugnissen nach § 16 Abs 1 der GewO lit. b – g unbeschränkt“ verfügte (GISA-Zahl XXXX ), daneben verfügte sie im Zeitraum 20.03.1998 bis 17.08.1998 über eine Gewerbeberechtigung hinsichtlich dem nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe „Gastgewerbe gem. § 124 Z. 8 GewO 1994 in der Betriebsart "Cafe" und mit dem Berechtigungsumfang gem. § 142 (1) Z. 2-4 leg cit“ (GISA-Zahl XXXX ).

Zwischen dem 28.11.2005 und 16.11.2006 (Nichtbetrieb im Zeitraum 28.11.2005 bis 24.05.2006) war sie Inhaberin der Gewerbeberechtigung hinsichtlich dem reglementierten Gewerbe „Gastgewerbe mit den Berechtigungen nach § 111 Abs 1 Ziffer 2 GewO 1994, in der Betriebsart Restaurant“ (GISA-Zahl XXXX ).

Ihre Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG endete mit 22.07.1997 (Ende Karenzurlaubsgeldbezug).

In den Jahren 1997, 2003, 2005 und 2007 erwirkte die belangte Behörde Fahrnis- bzw. Gehaltsexekutionsbewilligungen, auch im Jahr 2008 wurde ein Exekutionsverfahren geführt. Im Jahr 1998 erfolgte eine Forderungsanmeldung im Konkurs. Zumindest ab 07.01.1998 erfolgten durch die belangte Behörde regelmäßige Mitteilungen an die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit ihren Beitragsrückständen sowie Zahlungserinnerungen und waren der Beschwerdeführerin diese auch bekannt. Die letzte Zahlungserinnerung an die Beschwerdeführerin, welche die Beitragsschuld ausweist, trägt das Datum 12.03.2019. Daneben wurden in den Jahren 2006, 2007, 2008, 2012, 2016, 2017 und 2020 Beitragsvorschreibungen an die Beschwerdeführerin vorgenommen.

Mit Schreiben, bei der belangten Behörde eingelangt am 18.11.2011, ersuchte die Beschwerdeführerin neben einer Ratenzahlung auch darum, „einen Teil der Summe zu stornieren“. Daraufhin antwortete ihr die belangte Behörde mit Schreiben vom 22.11.2011, dass Unterlagen benötigt würden, aus welchen die monatliche Höhe des Familieneinkommens sowie monatliche Aufwendungen hervorgehen. In Hinblick auf einen Verzugszinsnachlass wurde ausgeführt, dass dazu ebenfalls die bereits angeführten Unterlagen benötigt würden. Eine Übermittlung entsprechender Unterlagen erfolgte seitens der Beschwerdeführerin nicht.

Mit Urkunde des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 04.06.2020, XXXX wurde Rechtsanwältin Dr. Christine FISCHER-LODE zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin der Beschwerdeführerin (unter anderem) mit dem Wirkungskreis Vertretung bei behördlichen Angelegenheiten und Verwaltung von Einkünften und Vermögen/Schulden bestellt, welche ab Juli 2020 mit der belangten Behörde korrespondierte.

Insgesamt erwuchsen der Beschwerdeführerin aus ihrer Tätigkeit als Selbständige in den Jahren 1996, 1997, 1998 und 2006 Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 12.369,28, welche aufgrund der Nichtentrichtung derselben Verzugszinsen in Höhe von EUR 13.944,25 verursachten. Zudem erwuchsen der belangten Behörde aufgrund der Einleitung und Durchführung von Fahrnis-, Forderungs- und Gehaltsexekutionen Nebengebühren von insgesamt EUR 1.460,40. Im Jahr 2008 leistete die Beschwerdeführerin Zahlungen in Höhe von EUR 337,70, 2012 von EUR 166,70 und 2020 in Höhe von EUR 30,00. Insgesamt ergibt sich ein Beitragsrückstand von EUR 27.773,93.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des angefochtenen Bescheides vom 12.01.2021, der dagegen eingebrachten Beschwerde vom 12.02.2021 und der Stellungnahme der belangten Behörde vom 23.02.2021. Zudem erfolgte von Amts wegen eine Abfrage des Zentralen Melderegisters sowie des Gewerbeinformationssystem Austria zur Person der Beschwerdeführerin.

Des Weiteren fand am 16.11.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck statt, zu welcher die Erwachsenenschutzvertreterin der Beschwerdeführerin erschienen ist.

Die Feststellungen zu den Gewerbeberechtigungen ergeben sich aus den Auszügen des Gewerbeinformationssystems Austria, jeweils entsprechend der angeführten GISA-Zahl. Der Umstand, wonach im Zeitraum 28.11.2005 bis 24.05.2006 ein Nichtbetrieb geherrscht hat, fußt auf den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, welche nicht bestritten wurden.

In Zusammenhang mit dem Ende ihrer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG kann auf einen Sozialversicherungsdatenauszug zur Person der Beschwerdeführerin verwiesen werden.

Die Feststellungen, wonach die Bewilligung von Fahrnis-bzw. Gehaltsexekutionen erfolgte bzw. ein Exekutionsverfahren geführt und eine Forderungsanmeldung getätigt wurde, sowie, dass ab 07.01.1998 regelmäßige Mitteilungen an die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit ihren Beitragsrückständen sowie Zahlungserinnerungen erfolgten, ergeben sich aus den entsprechenden, seitens der belangten Behörde in Vorlage gebrachten Urkunden. Diversen Aktenvermerken, seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Vollmachten bzw einem Schreiben ihrerseits, eingelangt am 18.11.2011, ist zu entnehmen, dass ihr diese Umstände auch bekannt waren. Die Feststellungen zu den Beitragsvorschreibungen konnten aufgrund eines in Vorlage gebrachten Auszuges aus dem Beitragskonto der Beschwerdeführerin getroffen werden.

Das Schreiben der Erstbeschwerdeführerin, eingelangt am 18.11.2011, sowie die diesbezügliche Antwort der belangten Behörde vom 22.11.2011 liegen im Verwaltungsakt ein. Entsprechend den Ausführungen der belangten Behörde erfolgte jedoch weder ein Antwortschreiben seitens der Erstbeschwerdeführerin, noch entsprechende Unterlagen (Stellungnahme in der Beschwerdevorlage vom 23.02.2021), was sich vor dem Hintergrund der Aktenhistorie auch durchaus als plausibel und glaubhaft darstellt.

Die Bestellungsurkunde der Erwachsenenschutzvertreterin vom 04.06.2020 des Bezirksgerichtes Innsbruck, 2 P 111/20a, liegt im Verwaltungsakt ein, wobei in dieser (unter anderem) der Wirkungskreis Vertretung bei behördlichen Angelegenheiten und Verwaltung von Einkünften und Vermögen/Schulden definiert ist. Der Schriftverkehr zwischen der Erwachsenenvertreterin und der belangten Behörde ab Juli 2020 liegt ebenfalls im Verwaltungsakt ein.

Die Höhe der in den Jahren 1996, 1997, 1998 und 2006 erwachsenen Sozialversicherungsbeiträge inklusive Verzugszinsen ist übereinstimmend in einem Rückstandsausweis der belangten Behörde vom 08.05.2020 und dem angefochtenen Bescheid wiedergegeben. Diese gestaltet sich auch vor dem Hintergrund der im Akt einliegenden Zahlungserinnerungen als plausibel und hegt auch die Erwachsenenschutzvertreterin der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Höhe keine Einwände (Protokoll vom 16.11.2021, S 3). Der unstrittig gebliebene Umstand, wonach in den Jahren 2008, 2012 und 2020 Zahlungen geleistet wurden, entstammt dem angefochtenen Bescheid.

3. Rechtliche Beurteilung:

Aufgrund der Gewerbeberechtigungen bzw als Pächterin der mit einer Gewerbeberechtigung ausgestatteten Innsbrucker Hauptschützengesellschaft unterlag die Beschwerdeführerin im Zeitraum 01.07.1996 bis 31.08.1998 sowie vom 01.05.2006 bis 30.11.2006 der Pflichtversicherung nach dem GSVG in der Pensionsversicherung (§ 2 Abs 1 Z 1 GSVG) sowie der Unfallversicherung nach dem ASVG (§ 8 Abs 1 Z3 lit a 1. Teilstrich ASVG). Aufgrund der Beendigung ihrer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG am 22.07.1997 unterlag sie zudem im Zeitraum 01.07.1997 bis 31.08.1998 sowie vom 01.05.2006 bis 30.11.2006 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zum Einwand der Verjährung

3.1.1.  Rechtslage

Der mit „Verjährung der Beiträge“ titulierte § 40 GSVG lautet:

„(1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung), unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung sowie in den Fällen des § 35c bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beitragsschuldners/der Beitragsschuldnerin gelten die einschlägigen Vorschriften der Insolvenzordnung.

[…]“

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im Zuge der Beschwerde wurde vorgebracht, dass hinsichtlich der rückständigen Beiträge sowie hinsichtlich der Verzugszinsen und Nebengebühren Einforderungsverjährung gemäß § 40 Abs 2 GSVG eingetreten sei.

§ 40 Abs 2 GSVG setzt für die Wirksamkeit einer Unterbrechungsmaßnahme eine rechtlich wirksame Zustellung der Mahnung voraus (VwGH 04.09.2013, 2012/08/0049 mit Hinweis auf § 68 Abs 2 ASVG in Zusammenhang mit VwGH vom 12.09.2012, 2009/08/0049). Entsprechend der wortgleichen Bestimmung des § 68 Abs 2 ASVG bewirkt eine Zahlungsaufforderung (Mahnung) an den Zahlungspflichtigen eine Unterbrechung der Verjährung, wenn sie an diesen zugestellt wird. Zur Wirksamkeit als Unterbrechungsmaßnahme ist demnach hier keine Kenntnisnahme des Zahlungspflichtigen, wohl aber eine rechtlich wirksame Zustellung vorausgesetzt. Die Mahnung bedarf keines Nachweises der Zustellung, diese wird vielmehr bei Postversand am dritten Tag nach der Aufgabe der Post vermutet. Diese Vermutung ist aber nicht unwiderleglich; dem Zahlungspflichtigen steht der Gegenbeweis offen (VwGH 12.09.2012, 2009/08/0049 mit Hinweis auf VwGH 30.05.1995, 93/08/0201, VwSlg 14264 A/1995). Auch durch die Einleitung von Exekutionsmitteln wird die Einforderungsverjährungsfrist unterbrochen (vgl VwGH 11.12.2013, 2012/08/0287).

Gegenständlich erfolgte in Anbetracht der Exekutionsverfahren, wobei entsprechend dem Verwaltungsakt das letzte im Jahr 2008 noch anhängig war (und die Erwachsenenschutzvertreterin selbst ausführte, dass bis ins Jahr 2011 Exekutionsverfahren seitens der belangten Behörde bestanden hätten), sowie der ab 07.01.1998 durch die belangte Behörde erfolgten regelmäßigen Mitteilungen an die Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit ihren Beitragsrückständen sowie Zahlungserinnerungen und Vorschreibungen wirksame Unterbrechungsmaßnahmen. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem am 18.11.2011 eingelangten Schreiben der Beschwerdeführerin, welches eine wirksame Zustellung impliziert.

Daneben gilt festzuhalten, dass die Erwachsenenschutzvertreterin grundsätzlich ein Aufscheinen der Mahnschreiben aus den Jahren 2011, 2013, 2014, 2016, 2017 und 2019 im Akt einräumte. Ihren dahingehenden Ausführungen, wonach diese Schreiben andere Daten als von der belangten Behörde im Bescheid behauptet aufweisen würden, gilt entgegenzuhalten, dass es sich dabei um geringfügige Abweichungen in Zusammenhang mit deren Archivierung bei der belangten Behörde handelt, welche jedoch keinerlei Auswirkungen an der Unterbrechungsmaßnahme binnen zweijähriger Frist hervorrufen vermögen.

Wenn in der Beschwerde schließlich ausführt wird, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid in keiner Weise begründet habe, weshalb die im Bescheid angeführten Mahnschreiben, insbesondere jene vom 15.09.2017 [19.09.2017] und 08.03.2019 [12.03.2019], überhaupt zur Post bzw. wirksam zugestellt worden wären, so bleibt auf die zuvor zitierte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es der Zahlungspflichtigen – bzw. deren Erwachsenenvertreterin – obliegt, einen Gegenbeweis anzutreten, nicht der belangten Behörde. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, bedarf es bei Übermittlung der Mahnung entsprechend der zuvor zitierten Rechtsprechung keines Zustellnachweises, sondern wird bei Postversand vielmehr eine Zustellung am dritten Tag nach der Aufgabe der Post vermutet. Vor dem Hintergrund, dass die Zustellung der Mahnschreiben vom 15.09.2017 [19.09.2017] und 08.03.2019 [12.03.2019] an die Hauptwohnsitzadresse der Beschwerdeführerin erfolgte und es ausschließlich auf die rechtlich wirksame Zustellung, nicht hingegen Kenntnisnahme ankommt, vermochte nicht aufgezeigt werden, weshalb eine wirksame Zustellung nicht erfolgt wäre.

Vor diesem Hintergrund erweist sich das Beschwerdeargument, wonach hinsichtlich der rückständigen Beiträge sowie der Verzugszinsen und Nebengebühren Einforderungsverjährung gemäß § 40 Abs 2 GSVG eingetreten sei, als nicht zutreffend.

3.2.    Zum Einwand in Zusammenhang mit Verzugszinsen

3.2.1.  Rechtslage

Entsprechend den letzten beiden Sätze des § 35 Abs 5 GSVG, welche seit BGBl. Nr. 412/1996 keinerlei Änderung erfahren haben, kann der Versicherungsträger die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch die Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde hätte angesichts der – der belangten Behörde aus den bis ins Jahr 2011 im Rahmen der in unzähligen Exekutionsverfahren zugegangenen Vermögensbekenntnissen bekannten – Familien-, Vermögens- und Einkommenssituation der Beschwerdeführerin, welche zum damaligen Zeitpunkt noch für die minderjährigen Kinder unterhaltspflichtig gewesen sei, die Nachsicht der Verzugszinsen auszusprechen gehabt.

Wie bereits der Wortlaut erkennen lässt, handelt es sich bei der unter Punkt 3.2.1. zitierten Möglichkeit der Herabsetzung bzw. Nachsicht der Verzugszinsen – welche ausschließlich mit Bescheid zu erfolgen hat (vgl VwGH 27.01.2016, 2013/08/0126) – um eine Kann-Bestimmung. Wesentlich dabei ist, dass das Institut der Verzugszinsen nach § 35 Abs 5 GSVG keinen pönalen Charakter trägt, sondern ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsenverlust darstellt, den der Beitragsgläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Leistung nicht innerhalb von 15 Tagen nach der Fälligkeit erhält (vgl VwGH 20.10.2004, 2001/08/0041 mit Hinweis auf das zu § 59 Abs 1 ASVG ergangene Erkenntnis vom 17.11.1999, 99/08/0124).

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde „hat“ die Prüfung der Voraussetzungen für die Herabsetzung bzw. Nachsicht der Verzugszinsen nicht von Amtswegen zu erfolgen, sondern „kann“ die Entscheidung über die Herabsetzung oder Nachsicht erfolgen (vgl VwGH 27.01.2016, 213/08/0126). In der Folge wird – in Übereinstimmung zu den Darlegungen in der Beschwerde – ausgeführt, dass die diesbezügliche Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers liegt, wobei auf die vergleichbare Regelung des § 59 Abs 2 ASVG verwiesen wird (vgl erneut VwGH 27.01.2016, 2013/08/0126).

Zumal sich die Bestimmung des § 59 Abs 2 ASVG als nahezu wortgleich mit jener der letzten zwei Sätze des § 35 Abs 5 GSVG darstellt, bleibt auch die diesbezüglich höchstgerichtliche Rechtsprechung heranzuziehen. Dieser zufolge ist wesentlich, dass die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zwar von Amts wegen festzustellen hat, die durch die Einhebung von Verzugszinsen bewirkte wirtschaftliche Gefährdung darzulegen obliegt im Verfahren aber dem Beitragsschuldner. Demgemäß hat die Behörde den Beitragsschuldner aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, seine wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend und entsprechend belegt offen zu legen, um so bei der Entscheidung über die Nachsicht der Verzugszinsen auf die wirtschaftliche Lage des Beitragsschuldners Bedacht nehmen zu können. Erst wenn der Beitragsschuldner nach einer solchen Aufforderung seiner dadurch ausgelösten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, besteht für die Behörde keine Verpflichtung mehr, im Rahmen der Ermessensübung auf die wirtschaftliche Lage des Beitragsschuldners Bedacht zu nehmen (vgl dazu im Detail VwGH 05.11.2003, 99/08/0004).

Gegenständlich hat die belangte Behörde aufgrund des Schreibens im Jahr 2011 – wie unter Punkt II. 1. ausgeführt – der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend und entsprechend belegt offen zu legen, um so bei der Entscheidung über die Nachsicht der Verzugszinsen auf ihre wirtschaftliche Lage Bedacht nehmen zu können. Die Beschwerdeführerin kam dem jedoch nicht nach, weshalb die Verpflichtung der belangten Behörde, im Rahmen der Ermessensübung darauf Bedacht zu nehmen, erloschen ist.

Der Beschwerde war daher im Ergebnis der Erfolg zu versagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das gegenständliche Erkenntnis stützt sich auf die vorzitierte, nicht als uneinheitlich zu qualifizierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und betrifft einen Einzelfall, der nicht für sich alleine reversibel ist.

Schlagworte

Beitragsrückstand Erwachsenenvertreter Exekutionsverfahren Gewerbeberechtigung Mahnung Verjährungsfrist Verzugszinsen wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2239813.1.00

Im RIS seit

14.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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