Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 1996, Zl. IIa-50.009/5-95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Untersagung der Ausübung eines angemeldeten Gewerbes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. März 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 27. Dezember 1995, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid der BH Kufstein vom 16. Februar 1995, abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei der Bescheid der BH Kufstein vom 16. Februar 1995 (betreffend Untersagung der Ausübung eines angemeldeten Gewerbes) durch Hinterlegung beim Postamt W am 6. März 1995 rechtmäßig zugestellt worden. Dasselbe Schriftstück sei noch einmal und zwar am 10. April 1995 zugestellt worden; diese Zustellung sei jedoch gemäß § 6 ZustellG nicht maßgeblich. Der Beschwerdeführer habe laut seinen Angaben Anfang April 1995 anläßlich eines Telefonates mit der Gewerbebehörde davon Kenntnis erlangt, daß "gegen ihn ein Bescheid erlassen und durch Hinterlegung zugestellt worden" sei. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung gegen diesen Bescheid sei er bereits anwaltlich vertreten gewesen. Seinem Vertreter wäre es daher oblegen, das Zustelldatum des zu bekämpfenden Bescheides zu erheben und allenfalls sofort - gemeinsam mit der Berufung - einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, statt sich auf die Angaben des Beschwerdeführers zu verlassen, die Zustellung des Bescheides sei (erst) am 10. April 1995 erfolgt. Der mit Schriftsatz vom 6. November 1995 eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung sei daher verspätet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf "a) gesetzeskonforme Beurteilung der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 71 ff AVG und fehlerfreie Handhabung der diesbezüglichen Verfahrensvorschriften; b) ordnungsgemäße Ermittlung des Sachverhaltes und fehlerfreie Begründung nach den Bestimmungen des AVG, insbesondere der §§ 58 ff AVG;
c) ordnungs- und gesetzeskonforme Durchführung des Verfahrens gemäß GewO 1994, insbesondere auf Durchsetzung berechtigter gewerberechtliche Ansprüche durch meritorische Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides durch die zuständige Oberbehörde, sowie d) auf "Einmaligkeit" der Entscheidung über ein- und denselben Antrag (Grundsatz des "ne bis in idem")" verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, mit Bescheid der BH Kufstein vom 16. Februar 1995 sei dem Beschwerdeführer die Ausübung eines von ihm angemeldeten Gewerbes untersagt worden. Von diesem Bescheid habe er anläßlich der zunächst erfolgten Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt W keine Kenntnis erlangt, weil die Hinterlegungsanzeige an der Zustelladresse nicht vorgefunden habe werden können. Anfang April 1995 habe ein Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostenkommandos W mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen und dabei erwähnt, daß ein gewerberechtlicher Bescheid der BH Kufstein vorliege. Dem Beschwerdeführer sei daraufhin von der BH Kufstein die Erlassung des besagten Bescheides bestätigt und zugesagt worden, daß eine nochmalige Zustellung des Bescheides veranlaßt werde, die dann auch tatsächlich mittels RSa-Briefes erfolgt sei. Erstmals mit dieser Zustellung habe der Beschwerdeführer Kenntnis vom Inhalt des Bescheides vom 16. Februar 1995 erlangt. Er habe aufgrund der Vorgangsweise der Behörde als rechtsunkundige Person darauf vertraut, daß die Rechtsmittelfrist mit der tatsächlichen Übernahme dieses Bescheides zu laufen beginne. Die von seinem Rechtsvertreter in der Folge verfaßte und am 24. April 1995 zur Post gegebene Berufung sei jedoch mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. Oktober 1995, zugestellt am 31. Oktober 1995, als verspätet zurückgewiesen worden. Mit der Zustellung dieses Bescheides habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erstmals von der "einigermaßen ungewöhnlichen" Vorgangsweise der BH Kufstein erfahren, wonach der Bescheid vom 16. Februar 1995 ein zweites Mal, noch dazu mittels RSa-Briefes, dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei, wobei der Rechtsvertreter bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Kenntnis von dieser zweiten Zustellung gehabt habe. Die Gewerbebehöde habe insoferne eine irreführende Sachlage geschaffen, als sie entgegen der gewöhnlichen Übung einen bereits an sich rechtskräftig zugestellten, dem Adressaten allerdings nicht zur Kenntnis gelangten Bescheid ein zweites Mal mittels RSa-Brief zugestellt habe. Mit eben diesem zweiten behördlichen Schriftstück habe der Beschwerdeführer erstmals bei seinem Rechtsvertreter vorgesprochen und es habe sich dem Rechtsvertreter kein vernünftiger Grund dafür geboten, die "Richtigkeit und Erstmaligkeit" dieser Zustellung anzuzweifeln. Insbesondere habe auch der Beschwerdeführer selbst dem Rechtsvertreter von der früheren Zustellung keine Erwähnung gemacht, weil er aufgrund der "offiziellen zweiten Zustellung" hiefür keine Veranlassung gesehen habe. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe sich also sehr wohl durch Überprüfung des auf dem RSa-Brief angegebenen Zustelldatums davon vergewissert, wann die Frist zur Erhebung der Berufung zu laufen beginne und folglich auch, wann diese Frist ende. Eine darüber hinaus gehende Verpflichtung des Rechtsvertreters, bei der BH Kufstein vorzusprechen und zu eruieren, ob hier allenfalls eine ungewöhnliche Vorgangsweise seitens der Behörde vorliegen könnte, sei unter Berücksichtigung des gegebenen Sachverhaltes nicht einmal ansatzweise erkennbar. Die Ansicht der belangten Behörde, die Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei bereits abgelaufen, decke sich somit nicht mit der tatsächlichen Sachlage und sei daher unzutreffend. Der angefochtene Bescheid verletze darüber hinaus den Grundsatz der Unwiederholbarkeit eines formell rechtskräftigen Bescheides, da in der gegenständlichen Sache bereits mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 30. Jänner 1996 (aufgrund eines bei diesem eingebrachten gleichlautenden Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) abweisend entschieden worden sei.
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder eine mündlichen Verhandlung auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1)
die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder
2)
die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat. Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet gemäß § 71 Abs. 5 AVG keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
Ausgehend von der unbestrittenermaßen rechtswirksamen Zustellung des Bescheides der BH Kufstein vom 16. Februar 1995 durch Hinterlegung am 6. März 1995 hat der Beschwerdeführer die Berufungsfrist gegen diesen Bescheid und zwar dem Beschwerdevorbringen zufolge mangels Kenntnis von der Hinterlegung versäumt. Gegen die Versäumung dieser Frist stand ihm daher binnen zwei Wochen ab Wegfall dieses Hindernisses die Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen. Die den Beschwerdeführer an der Einhaltung der Berufungsfrist hindernde mangelnde Kenntnis vom erlassenen Bescheid ist - wie er selbst einräumt - mit dessen neuerlicher Zustellung weggefallen. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den erst mit Schriftsatz vom 6. November 1995 gestellten Wiedereinsetzungsantrag als verspätet erachtete.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, sein Rechtsvertreter habe - mangels Information seitens des Beschwerdeführers über die "frühere Zustellung" - erstmals durch die am 31. Oktober 1995 zugestellte Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 16. Februar 1995 davon Kenntnis erlangt, daß die Berufungsfrist versäumt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es darauf nicht ankommt. Wird damit doch nicht aufgezeigt, daß auch der Beschwerdeführer von der Versäumung der Berufungsfrist zuvor keine Kenntnis erlangen konnte. Vielmehr räumt er selbst ein, daß ihm die BH Kufstein Anfang April 1995 auf seine Anfrage hin die Erlassung des besagten Bescheides vom 16. Februar 1995 bestätigt und aufgrund seines Hinweises, weder Bescheid noch Zustellhinweis gesehen zu haben, die Zusage gemacht habe, eine (nochmalige) Zustellung des Bescheides zu veranlassen. Hätte der Beschwerdeführer aber, weil er wegen der neuerlichen Zustellung des Bescheides vom 16. Februar 1995 von einer ihm neuerlich offenstehenden Berufungsfrist ausgehend keine Veranlassung dafür sah, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, irrtümlich die Wiedereinsetzungsfrist versäumt, so wäre daraus für ihn schon deshalb nichts zu gewinnen, weil gegen die Versäumung der Frist des § 71 Abs. 2 AVG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen ist.
Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe den Wiedereinsetzungsantrag, weil hierüber schon entschieden worden sei, fälschlich ab- statt zurückgewiesen, ist schließlich entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer dadurch - selbst wenn er mit diesem Vorbringen im Recht sein sollte - für sich in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt werden konnte.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040091.X00Im RIS seit
20.11.2000