TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/15 LVwG-2021/47/0493-10

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Veröffentlicht am 15.12.2021
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Entscheidungsdatum

15.12.2021

Index

90/02 Führerscheingesetz
90/02 Kraftfahrgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FSG 1997 §37 Abs1
FSG 1997 §1 Abs3
KFG 1967 §36 litd
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr. Keplinger über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 04.02.2021, Zl ***, betreffend Übertretungen nach dem Führerscheingesetz (FSG) und dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 26.06.2020, um 14.40 Uhr in Z, Adresse 3 (Gemeindestraße/Forststraße) auf Höhe Haus Nr *** zu Spruchpunkt 1. das Motorrad, Marke: CC, rot, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei und er habe zu Spruchpunkt 2. als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, sich vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt worden sei, dass für das Motorrad keine vorgeschriebene Haftpflichtversicherung bestand.

Er habe dadurch gegen § 37 Abs 1 iVm § 1 Abs 3 FSG (Spruchpunkt 1.) und gegen § 36 lit d KFG (Spruchpunkt 2.) verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 400,-, (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) gemäß § 37 Abs 1 iVm § 37 Abs 3 Z 1 FSG (zu Spruchpunkt 1.) und eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 220,- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) gemäß § 134 Abs 1 KFG (zu Spruchpunkt 2.) verhängt wurde.

Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit Euro 62,- festgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass den Aussagen der Zeugen DD und EE mehr Glauben zu schenken sei als einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Kassabon, welcher von irgendeiner Person stammen könnte. Der Unrechtsgehalt sei als erheblich anzusehen, es sei von bedingtem Vorsatz auszugehen, mildernd sei nichts zu werten und die einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkungen seien erschwerend zu werten.

Dagegen richtete sich die rechtzeitige Beschwerde vom 17.02.2021, in welcher auf das Wesentlichste zusammengefasst vorgebracht wurde, dass der Beschuldigte am Tattag zur Tatzeit das Motorrad nicht gelenkt habe, da er mit seiner Mutter im FF in X einkaufen gewesen sei. Mangels tatbildmäßigen Verhaltens sei die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung nicht verwirklicht worden. Beantragt wurde der Beschwerde Folge zu geben und das behängende Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sowie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Ladung und Einvernahme der Zeugen GG, JJ, KK und LL.

Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, die Einholung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.09.2018, Zl ***, der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 31.08.2016, Zl *** (Ordnungszahl ***), Einsichtnahme in den Auszug aus dem Führerscheinregister des Beschwerdeführers (Ordnungszahl ***), die Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugen MM, DD, GG, JJ, LL und KK in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.04.2021 (Ordnungszahl ***), die Einsichtnahme in ein Lichtbild (Beilage A./ zu Ordnungszahl ***) und die Einsichtnahme in einen Auszug aus dem facebook-messenger (Beilage B./ zu Ordnungszahl ***).

II.      Sachverhalt:

Am 26.06.2020 war der Beschwerdeführer Eigentümer eines Motorrades der Marke CC (Farbe rot). Das Fahrzeug war zum damaligen Zeitpunkt nicht zum Verkehr zugelassen, es verfügte über keine Kennzeichentafeln und es bestand auch keine Haftpflichtversicherung für dieses Motorrad. Der Beschwerdeführer verfügte zu diesem Zeitpunkt über keine Lenkberechtigung.

Am 26.06.2020 gegen 14.40 Uhr saßen die Zeugen MM und DD auf der Terrasse im Garten ihres Hauses in **** Z. Von dort aus sehen sie auf einen asphaltierten Feldweg, welcher von Z in die W führt. Dieser Feldweg ist ungefähr 50 m vom Garten der beiden Zeugen entfernt. Von den Zeugen wurde übereinstimmend wahrgenommen, dass am 26.06.2020 um 14.40 Uhr eine Motocrossmaschine, wie sie der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt besessen hat, von der W kommend den Feldweg entlang gelenkt wurde. Der Zeuge MM konnte sich nicht mehr erinnern, ob der Lenker einen Helm getragen hat. Die Zeugin DD hat wahrgenommen, dass der Lenker ohne Helm und mit einer Kappe, welche nach hinten gedreht war, gefahren ist.

Am 26.06.2020 hielt sich der Beschwerdeführer über Mittag im Haus seines Stiefvaters KK in der W auf. Er hat dort gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Stiefvater zu Mittag gegessen und danach gemeinsam mit dem Bruder des Stiefvaters GG Arbeiten am Heulüfter durchgeführt.

Die Mutter des Beschwerdeführers ist gegen 14.00 Uhr/14.15 Uhr zum Einkaufen zum FF in X gefahren. Davor ist sie auch noch bei ihrer Mutter vorbeigefahren, um diese zu fragen, ob sie etwas brauche. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Mutter zum Einkaufen mitgefahren. Die Rechnung des gemeinsamen Einkaufes wurde im Anschluss aufgeschlüsselt und die vom Beschwerdeführer zu bezahlende Summe herausgerechnet. Bezahlt wurde um 15.36 Uhr.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 26.06.2020, um 14.40 Uhr, sein Motorrad auf dem Feldweg in Z auf Höhe Haus Nr *** gelenkt hat.

III.     Beweiswürdigung:

Die wesentlichen Feststellungen zum Motorrad des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des verwaltungsbehördlichen Aktes. Der Beschwerdeführer hat zudem in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bestätigt, dass das beschriebene Motorrad (Lichtbildbeilage A./ zu Ordnungszahl ***) zum Tatzeitpunkt in seinem Eigentum stand, nicht zum Verkehr zugelassen war und er über keine Lenkberechtigung verfügte.

Die Feststellungen zum Wohnort der Zeugen MM und DD und der Lage des Wohnortes zum Tatort ergeben sich aus deren diesbezüglich glaubwürdigen übereinstimmenden Zeugenaussagen. Für das erkennende Gericht besteht kein Zweifel daran, dass die beiden Personen sich an diesem Tag auf ihrer Terrasse im Garten aufgehalten haben und am 50 m entfernten Feldweg einen männlichen Lenker auf einer Motocrossmaschine wahrgenommen haben. Die beiden Zeugen gaben unabhängig voneinander übereinstimmen an, dass sie den Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt auf der Motocrossmaschine wahrgenommen haben. Der Zeuge MM konnte nicht mehr angeben, ob der Lenker einen Helm trug. Die Zeugin DD war sich diesbezüglich sicher. Für das erkennende Gericht liegen keine Gründe vor, weshalb die beiden Zeugen dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung bezichtigen sollten, welcher dieser nicht begangen hat. Den Aussagen der beiden Zeugen stehen jedoch die glaubwürdige Aussage der Mutter des Beschwerdeführers, deren Ehegatten, welche der Stiefvater des Beschwerdeführers ist, dessen Bruder und der Großmutter des Beschwerdeführers entgegen. Sämtliche Zeugen schilderten unabhängig voneinander glaubwürdig den Ablauf des 26.06.2020. Unstimmigkeiten gab es lediglich bei den Ausführungen, wo die Mutter den Beschwerdeführer am Vormittag abgeholt hat. Dies war für die ihm angelastete Tat jedoch nicht relevant. Zumal der Beschwerdeführer über keine Lenkberechtigung verfügt, war es für das erkennende Gericht glaubwürdig, dass er mit seiner Mutter einkaufen geht, vor allem wenn es sich um einen Großeinkauf handelt, wie er am Tattag erfolgt ist.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugen MM und DD einer Verwechslung aufgesessen sind. Die Aussagen der Mutter, des Stiefvaters, des Bruders des Stiefvaters und der Großmutter des Beschwerdeführers betreffend dessen Aufenthalt zum Tatzeitpunkt waren glaubwürdig und konnten die diesbezüglichen Feststellungen darauf gestützt werden.

IV.      Rechtslage:

Die wesentlichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl I Nr 120/1997, idF BGBl I Nr 154/2021, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 1

(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. Das Lenken von Feuerwehrfahrzeugen gemäß § 2 Abs. 1 Z 28 KFG 1967 ist jedoch außerdem mit einer Lenkberechtigung für die Klasse B in Verbindung mit einem Feuerwehrführerschein (§ 32a) zulässig. Weiters ist das Ziehen von anderen als leichten Anhängern, die gemäß § 2 Abs. 1 Z 28 KFG 1967 Feuerwehrfahrzeuge sind, mit Zugfahrzeugen für die Klassen C(C1) oder D(D1) zulässig, wenn der Besitzer einer Lenkberechtigung für die Klasse BE einen Feuerwehrführerschein (§ 32a) besitzt. Feuerwehrfahrzeuge sowie Rettungs- und Krankentransportfahrzeuge gesetzlich anerkannter Rettungsorganisationen mit einer höchstzulässigen Gesamtmasse bis 5 500 kg dürfen überdies mit einer Lenkberechtigung für die Klasse B gelenkt werden, wenn der Lenker

         1.       nicht mehr in der Probezeit ist,

         2.       eine interne theoretische und praktische Ausbildung sowie eine interne theoretische und praktische Fahrprüfung erfolgreich abgelegt hat und

         3.       im Besitz einer Bestätigung des Landesfeuerwehrkommandanten oder der Rettungsorganisation ist, dass er zum Lenken dieser Fahrzeuge besonders geeignet ist.

In diesem Fall darf jedenfalls ein leichter Anhänger gezogen werden. Ein anderer als leichter Anhänger darf gezogen werden, sofern die höchste zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination 5500 kg nicht übersteigt. Besitzt der Inhaber der Bestätigung nach Z 3 auch die Klasse BE, darf mit einem Zugfahrzeug mit einer höchstzulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 5 500 kg ein Anhänger mit einer höchstzulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 kg gezogen werden. Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit einer höchstzulässigen Gesamtmasse bis 5 500 kg dürfen überdies mit einer Lenkberechtigung für die Klasse B gelenkt werden, wenn dies in der besonderen Art und Aufgabenstellung der zu lenkenden Fahrzeuge begründet ist und wenn der Lenker zusätzlich im Besitz einer Bestätigung des Bundesministeriums für Inneres ist, dass er zum Lenken dieser Fahrzeuge besonders geeignet ist.

§ 37

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen nach diesem Bundesgesetz, die einen bestimmten Alkoholgrenzwert zum Lenken oder Inbetriebnehmen von Kraftfahrzeugen festlegen, sind unbeschadet des Abs. 3 Z 3 jedoch nur dann zu bestrafen, wenn keine Übertretung der StVO 1960 oder des § 37a vorliegt. Dies gilt auch für Zuwiderhandlungen, die auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(2) Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.

(2a) Eine Geldstrafe von mindestens 20 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmungen des § 14 Abs. 1 und 4 und des § 17a Abs. 1 letzter Satz.

(3) Eine Mindeststrafe von 363 Euro ist zu verhängen für das Lenken

         1.       eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 3, sofern der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigungen besitzt,

         2.       eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Führerschein oder vorläufige Führerschein gemäß § 39 vorläufig abgenommen wurde oder

         3.       eines Kraftfahrzeuges der Klasse D entgegen der Bestimmung des § 20 Abs. 4, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 vorliegt.

(4) Eine Mindeststrafe von 726 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl

         1.       die Lenkberechtigung entzogen wurde oder

         2.       gemäß § 30 Abs. 1 ein Lenkverbot ausgesprochen wurde.

(5) Bei einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 3 Z 2 und 3, nach Abs. 4, sowie nach § 37a finden die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 2 und 50 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, keine Anwendung.

(Anm.: Abs. 6 aufgehoben durch § 66b Abs. 19 Z 3 VStG, BGBl. Nr. 52/1991)

(7) Beim Verdacht einer Übertretung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen kann von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht als vorläufige Sicherheit gemäß § 37a VStG ein Betrag bis 726 Euro festgesetzt werden.

(8) Die eingehobenen Strafgelder fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand jener Behörde zu tragen hat, die das Strafverfahren in erster Instanz durchführt. Sie sind für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes zu verwenden.“

Die wesentlichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG), BGBl I Nr 267/1967, idF BGBl I Nr 190/2021, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 36

Kraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, dürfen unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn

d)       für sie die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (§ 59) oder Haftung (§ 62) besteht und

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

Die wesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991), BGBl I Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 45.

(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

         1.       die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

         2.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

         3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

         4.       die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

         5.       die Strafverfolgung nicht möglich ist;

         6.       die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(2) Wird die Einstellung verfügt, so genügt ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei gegen die Einstellung Beschwerde beim Verwaltungsgericht zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.“

V.       Erwägungen:

Nach Durchführung eines ausführlichen Ermittlungsverfahrens samt Einvernahme von insgesamt sechs Zeugen und des Beschwerdeführers konnte nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass der Beschwerdeführer das Motorrad der Marke CC, Farbe Rot, am 26.06.2020 um 14.40 Uhr in Z, Adresse 3 (Gemeindestraße/Forststraße) auf Höhe Hausnummer *** gelenkt hat und dadurch die ihm zu Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen hat. Das durchgeführte Beweisverfahren hat widersprüchliche Zeugenaussagen hervorgebracht und es war entsprechend der durchgeführten Würdigung sämtlicher Zeugenaussagen den entlastenden Aussagen mehr glauben zu schenken als jenen der Privatanzeiger. Es konnte nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Tatzeugen und Anzeigeleger nicht einem Irrtum unterlaufen sind und eine andere Person auf einer solchen Motocrossmaschine, wie sie der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt besessen hat, wahrgenommen haben. Es fehlt sohin bereits am objektiven Tatbestandsmerkmal der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist eine Regel für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfs erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise – wie es im gegenständlichen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht erfolgt ist – trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen (VwGH 14.11.2018, Ra 2018/17/0165).

Die dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 1. und 2. des bekämpften Straferkenntnisses zu Last gelegten Taten lassen sich daher nicht erweisen, weshalb gemäß §45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Keplinger

(Richterin)

Schlagworte

Lenken ohne Lenkberechtigung;
Lenken ohne Haftpflichtversicherung;
in dubio pro reo

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.47.0493.10

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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