Entscheidungsdatum
16.12.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §44 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte BB und CC, Adresse 2, **** Z vom 16.11.2021, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 19.10.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis wird Frau AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über sie verhängt:
„Sie haben es als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma AA KG mit Sitz in **** Z, Adresse 3 und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 zur Vertretung nach außen berufene und somit strafrechtlich verantwortliche Organ dieser Firma zu verantworten, dass entgegen § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG, wonach in Räumen für die Herstellung, Verarbeitung, Verabreichung oder Einnahme von Speisen oder Getränken sowie die in Gastronomiebetrieben für alle den Gästen zur Verfügung stehenden Bereichen, ausgenommen Freiflächen, Rauchverbot gilt, diese Firma als Inhaberin des Gastronomiebetriebes in **** Z Adresse 3 am 27.05.2020 um 08.11 Uhr entgegen § 13c Abs. 2 Z 1 leg.cit. nicht dafür Sorge getragen hat, dass in diesem Raum/Räumen nicht geraucht wird, da in den Räumlichkeiten geraucht wurde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 14 Abs. 4 i. V. m. § 12 Abs. 1 Z 4 i.V.m. § 13c Abs. 2 Zif. 1 TNRSG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafe von
€ 400,00 1 Tag 12 Stunden § 14 Abs. 4 erster Strafsatz Tabak- und Nichtraucherinnen bzw. (TNRSG), BGBl. 431/1995 i.d.g.F.
Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 40,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 440,00“
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Frau AA den Bescheid vollinhaltlich bekämpft und durch ihre Rechtsvertretung im Wesentlichen ausführt, dass sich der Vorfall am 27.05.2020 um 08.11 Uhr im Vorbau bzw Anbau des gegenständlichen Cafes ereignet haben solle, in dem eine Person beim Rauchen gesehen und eine andere Person dabei beobachtet worden wäre, sich eine Zigarette zu drehen. Die Jalousien vom Vorbau/Anbau seien zu ca einem Drittel abgesenkt gewesen. Das Verfahren beruhe auf einer Privatanzeige vom 30.06.2020; dort seien sowohl das Datum als auch die Uhrzeit und der sonstige Inhalt unzutreffend wiedergegeben. Aus den Bestimmungen des TNRSG ergebe sich nirgends, dass es verboten wäre, sich eine Zigarette zu drehen. Weder aus Anzeige noch aus der Bescheidbegründung ergebe sich, wo konkret die Übertretung festgestellt worden sein soll, ob im Vorbau geraucht wurde oder im Anbau oder sonst wo. Eine nähere Eingrenzung sei dem Vorwurf nicht zu entnehmen, womit ein ordnungsgemäßer Vorwurf des Tatortes ausscheide. Der Spruch des Straferkenntnisses sei unbestimmt. Eine Konkretisierung wäre aufgrund des verstrichenen Zeitraumes und des Umstandes, dass auch eine Präzisierung im Rahmen der Aufforderung zur Rechtfertigung nicht vorgelegen habe, nicht möglich, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei. Richtig habe die Erstbehörde wiedergegeben, dass die Jalousien zur angelasteten Tatzeit zur Gänze abgesenkt waren, weshalb keine Räumlichkeit iSd TNRSG vorgelegen sei. Die AA KG habe auf dem vor dem Betriebslokal gelegenen öffentlichen Gehsteig auf einer angemieteten Fläche mobile Scheibenmodule als Windschutz montiert. Über diesen Gastgarten könne eine Markise ausgefahren werden, womit eine Freifläche iSd § 12 Abs 1 Z 4 TNRSG vorliege, wo kein Rauchverbot gelte. Es handle sich um eine Freifläche mit einem mobilen Windschutz, der nach oben und unten gefahren werden könne. Im Sommer seien die Glasscheiben generell unten (somit offen) und werde zusätzlich dazu ein komplett durchlässiger Wind- bzw Sonnenschutz angebracht. Es habe sich weder um einen Anbau, noch um einen Wintergarten, noch um sonstige geschlossene Räume, sondern um eine mit Wind- und Sonnenschutzvorrichtung ausgestattete Freifläche gehandelt. In weiterer Folge werden rechtliche Ausführung zur Qualifikation des Gastgartens als Freifläche iSd § 12 Abs 1 Z 4 TNRSG getroffen.
Als Verletzung der Verfahrensvorschriften wird gerügt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen. Aus dem Spruch sei nicht ersichtlich, wo widerrechtlich geraucht worden sein soll. Die belangte Behörde hätte Feststellungen zur Ausgestaltung des Gastgartens treffen müssen. Dass es sich um einen Gastgarten handle, ergebe sich schon daraus, dass dieser sowohl baubehördlich als auch gewerbebehördlich genehmigt sei, weshalb es sich um keinen Raum handle. Es sei somit Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben. Im Spruch werde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass in diesem Raum/Räumen nicht geraucht wird, da in den Räumlichkeiten geraucht wurde. Diese Definition sei unbestimmt und lasse sich daraus nicht das verwaltungsstrafrechtliche Verhalten entnehmen. Eine Spruchergänzung oder –berichtigung sei aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht möglich, zumal auch der Vorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung deckungsgleich mit gegenständlichem Spruch sei. Es werde ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu Aufhebung des Straferkenntnisses und Zurückverweisung an die belangte Behörde.
II. Sachverhalt:
Die AA KG, FN ***, mit der Anschrift Adresse 3, **** Z, ist seit 10.03.2004 Inhaberin des Gastgewerbes gemäß § 111 Abs 1 Z 2 GewO 1994, Z 2 beschränkt auf die Verabreichung von Imbissen und Konditoreiwaren sowie den Ausschank von Getränken in der Betriebsart „Cafe“. Sie betreibt dort die Betriebsanlage „Cafe AA“. Gewerberechtliche Geschäftsführerin ist AA, geb XX.XX.XXXX, wohnhaft Adresse 1, **** Z. AA ist unbeschränkt haftende Gesellschafterin der AA KG. Kommanditist dieser Gesellschaft ist BB, geb XX.XX.XXXX.
Am 30.06.2020 wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Z eine anonyme Anzeige abgegeben, wonach im Cafe AA in der Adresse 3 am 27.05.2020 im Vorbau/Anbau des Cafes um 08.11 Uhr eine Person geraucht und eine Person damit beschäftigt gewesen wäre, sich eine Zigarette zu drehen. Der Zugangsfalttürenteil vom Gebäudeinneren sei zum Zeitpunkt gänzlich geöffnet gewesen und die Jalousien vom Vorbau/Anbau seien um ca 1/3 abgesenkt gewesen, um die Sicht nach außen zu reduzieren.
Als Tatort wurde der Beschuldigten sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.07.2020 als auch im gegenständlichen Straferkenntnis „**** Z, Adresse 3“ angelastet. Die Beschwerdeführerin habe nicht dafür Sorge getragen, dass in diesem Raum/Räumen nicht geraucht wird, da in den Räumlichkeiten geraucht wurde. Dieser Vorwurf bezieht sich auf die Tatzeit 27.05.2020, 08.11 Uhr.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Z.
IV. Rechtslage:
Im vorliegenden Fall ist folgende Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes von Bedeutung:
§ 44a
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
V. Erwägungen:
Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Die als erwiesen angenommene Tat ist der den Delikttatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Eine Strafe darf nur für jene Tat verhängt werden, auf die sich die – das Strafverfahren einleitende – erste Verfolgungshandlung bezogen hat. Die Umschreibung dieser Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie muss somit die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren. Die Frage ihrer Übereinstimmung mit den Erfordernissen des § 44a Z 1 ist folglich in jedem konkreten Fall einzeln zu beurteilen. Eine ausreichende Konkretisierung wird aber in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens bedingen. Im Allgemeinen verlangt § 44a Z 1 eine möglichst präzise Angabe des Tatortes. Eine Tatortumschreibung, die mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulässt, genügt diesen Anforderungen nicht. Das an die Tatortumschreibung zu stellende Erfordernis ist nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes (Lewisch/Fister/Weilguni, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, Manz 2013, Seiten 194/195).
Als Tatort wird der Gastronomiebetrieb in **** Z, Adresse 3, angelastet. Die Beschwerdeführerin bestätigte, dass es in ihrer Betriebsanlage einen Bereich gibt, in welchem seit 01.11.2019 noch geraucht werde. Sie bezeichnete es als eine Freifläche, im Inneren werde seit dem 01.11.2019 nie mehr geraucht. Aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt sich, dass ein Vorbau bzw Anbau des gegenständlichen Cafes als Tatort gemeint sei. Maßgeblich ist aber, wie bereits oben ausgeführt, der Vorhalt im Spruch, wo davon die Rede ist, dass die Beschuldigte nicht dafür Sorge getragen habe, dass „in diesem Raum/Räumen“ nicht geraucht wird, da „in den Räumlichkeiten“ geraucht wurde. Im Hinblick auf den Gastronomiebetrieb in der Adresse 3 in Z kann sich der Tatvorwurf auf mehrere unterschiedliche Räume beziehen, die aber nicht konkret umschrieben werden.
Damit entspricht der im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Tatvorwurf hinsichtlich des Tatortes nicht den von der Judikatur geforderten Kriterien des § 44a Z 1 VStG, weil er mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulässt und damit die Beschuldigte nicht vor der Gefahr einer Doppelbestrafung geschützt ist.
Da seit der Tatzeit bereits mehr als 1 Jahr vergangen und damit die Verfolgungsverjährung eingetreten ist, konnte das Landesverwaltungsgericht den Spruch auch nicht nach Durchführung weiterer Erhebungen konkretisieren, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Unabhängig davon wurde von der Beschwerdeführerin der angezeigte Sachverhalt in Abrede gestellt und bedürfte es zu einer Abklärung desselben der zeugenschaftlichen Einvernahme des Privatanzeigers. Da dieser jedoch unbekannt geblieben ist, wäre der Tatnachweis nicht zu erbringen gewesen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Konkretisierungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.3240.1Zuletzt aktualisiert am
12.01.2022