TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/16 LVwG-2021/16/2466-4

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Veröffentlicht am 16.12.2021
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Entscheidungsdatum

16.12.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien §2
AVG §46

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hofko über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.08.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Epidemiegesetz 1950 iVm der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es im Spruch des Straferkenntnisses

bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (§ 44a Z 2 VStG):

„§ 40 lit c Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, in der Fassung (idF) BGBl I Nr 98/2001 iVm § 25 EpiG idF BGBl Nr 186/1950

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

„§ 40 lit c EpiG 1950, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 98/2001

zu lauten hat.

2.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 30,-- zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Strafverfügung vom 16.04.2020 und später mit Straferkenntnis vom 06.08.2021, jeweils Zahl ***, warf die Bezirkshauptmannschaft Y dem Beschwerdeführer vor, er sei am 24.03.2020 um 10:51 Uhr im Zuge der Überwachung von Anordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 nicht an seiner Wohnadresse Adresse 2, **** Z, angetroffen worden und habe damit das Haus in **** Z, Adresse 2, verlassen, obwohl er sich mit seiner eigenhändigen Unterschrift am 21.03.2020 am Grenzübergang X im Zuge der Einreise aus Deutschland verpflichtet habe, eine 14-tägige selbst überwachte Heimquarantäne anzutreten. Die Dauer der Heimquarantäne habe somit von 21.03.2020 bis 03.04.2020 gedauert. Es sei auch kein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 durchgeführt worden und die Heimquarantäne habe daher nicht vorzeitig beendet werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe somit § 40 lit c iVm § 25 Epidemiegesetz 1950 in Verbindung mit § 2 der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise BGBl II Nr 87/2020, in der Fassung BGBl II Nr 104/2020, verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 150 (Ersatzfreiheitsstrafe 69 Stunden) verhängt.

Gegen das Straferkenntnis vom 06.08.2021 richtete sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde vom 01.09.2021, in der der Beschwerdeführer zusammengefasst ausführt, dass sein Aufenthalt in der Kanzlei beruflich dringend erforderlich gewesen sei und die Kontrolle der selbstüberwachten Heimquarantäne durch die Beamten der Polizeiinspektion Z jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. Somit sei eine verfassungswidrige De-Facto-Hausdurchsuchung durchgeführt worden, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben oder die Strafe erheblich zu mindern sei.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol führte am 02.12.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der zu dieser Verhandlung erschienene, mittlerweile durch seine Konzipientin vertretene Beschwerdeführer sowie der Meldungsleger als Zeuge zur vorgeworfenen Tat einvernommen wurden. Der Beschwerdeführer hat auf die mündliche Verkündung der Entscheidung in der Verhandlung ausdrücklich verzichtet.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist am 21.03.2020 von Deutschland kommend beim Grenzübergang X nach Österreich eingereist. Bei seiner Einreise hat der Beschwerdeführer eine Erklärung zur Ein- und Durchreise eigenhändig unterschrieben und sich selbst verpflichtet, unverzüglich eine 14-tägige Heimquarantäne anzutreten. Am 24.03.2020 um 10:51 Uhr haben zwei Beamte der Polizeiinspektion Z an seiner Wohnadresse kontrolliert, ob die selbstüberwachte Heimquarantäne von ihm eingehalten wurde. Zum genannten Zeitpunkt wurde der Beschwerdeführer nicht an seiner Wohnadresse angetroffen, weshalb seine Frau zu seinem Verbleib befragt wurde; die Wohnung wurde im Zuge der Amtshandlung nicht betreten. Daraufhin haben die Beamten die Nichteinhaltung der selbstüberwachten Heimquarantäne bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Y angezeigt, die das gegenständliche Straferkenntnis erlassen hat.

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Tat ergeben sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere der darin einliegenden Erklärung zur Ein- und Durchreise, und wurden überdies vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt. Dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt nicht an seiner Wohnadresse, die er für die Durchführung der Heimquarantäne angegeben hat, aufhältig war, ergibt sich aus der Anzeige und wurde vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht bestritten. Der zum Ablauf der Amtshandlung befragte Zeuge legte glaubwürdig dar, dass aufgrund der Gefahr einer Coronainfektion Wohnungen bei derartigen Kontrollen von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes üblicherweise nicht betreten und auch keine systematischen Durchsuchungen durchgeführt werden.

IV.      Rechtslage:

1.   Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950 (§ 25) bzw in der Fassung BGBl I Nr 100/2021 (§ 28a) bzw in der Fassung BGBl I Nr 98/2001 (§ 40), lauten samt Überschriften wie folgt:

„Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Auslande

§ 25. Durch Verordnung wird auf Grund der bestehenden Gesetze und Staatsverträge bestimmt, welchen Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung einer Krankheit aus dem Auslande der Einlaß von Seeschiffen sowie anderer dem Personen- oder Frachtverkehre dienenden Fahrzeuge, die Ein- und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgegenständen, endlich der Eintritt und die Beförderung von Personen unterworfen werden.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§ 28a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer gemäß den §§ 5, 6, 7, 15, 17, 22 24 und 25 beschriebenen Aufgaben bzw. zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen. Organe nach § des 12b Grenzkontrollgesetzes – GrekoG, BGBl. Nr. 435/1996, haben bei der Ausübung der ihnen nach § 12a GrekoG zukommenden Befugnisse die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer gemäß § 25 beschriebenen Aufgaben zu unterstützen.

(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch

         1.       Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,

         2.       Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und

         3.       die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§ 50 VStG).

Zu diesem Zweck dürfen Ortschaften, Betriebsstätten, sonstige Gebäude und Verkehrsmittel betreten werden, sofern dies im Zuge von Erhebungs- und Bekämpfungsmaßnahmen nach diesem Bundesgesetz unbedingt erforderlich ist. Der private Wohnbereich darf nicht betreten werden.

Sonstige Übertretungen.

§ 40. Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

         a)       den in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Geboten und Verboten oder

         b)       den auf Grund der in den §§ 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder

         c)       den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder

         d)       in Verletzung seiner Fürsorgepflichten nicht dafür Sorge trägt, daß die seiner Fürsorge und Obhut unterstellte Person sich einer auf Grund des § 5 Abs. 1 angeordneten ärztlichen Untersuchung sowie Entnahme von Untersuchungsmaterial unterzieht,

macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.“

2.   Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien, BGBl II Nr 87/2020 idF BGBl II Nr 104/2020, lauten wie folgt:

„§ 1. (1) Personen, die von Italien, Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien nach Österreich einreisen wollen, haben ein ärztliches Zeugnis (in deutscher, englischer, italienischer oder französischer Sprache beispielsweise entsprechend den Anlagen A, B, C und D) über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen und vorzuweisen, dass der molekularbiologische Test auf SARS-CoV-2 negativ ist. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als vier Tage sein.

(2) Personen, die ein Zeugnis nach Abs. 1 nicht vorlegen können, ist die Einreise zu verweigern.

§ 2. Abweichend von § 1 ist Personen erlaubt, nach Österreich einzureisen, die österreichische Staatsbürger sind, oder die ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, und sich zu einer unverzüglich anzutretenden 14-tägigen selbstüberwachten Heimquarantäne verpflichten und dies mit ihrer eigenhändigen Unterschrift bestätigen.“

V.       Erwägungen:

1.   Zum Günstigkeitsprinzip

§ 1 Abs 2 VStG sieht vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses in der zitierten Bestimmung normierte „Günstigkeitsprinzip“ gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiert (vgl dazu etwa generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107).

Die Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien, BGBl II Nr 87/2020, umbenannt in Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaaten und zuletzt geändert durch BGBl II Nr 252/2020, ist mit Ablauf des 15.06.2020 außer Kraft getreten. Danach wurde sie von der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2, der COVID-19-EinreiseV und schließlich der COVID-19-EinreiseV 2021, BGBl II Nr 276/2021, abgelöst. Die nunmehr geltenden Bestimmungen über die Einreise weichen von jenen zum Tatzeitpunkt ab, da sich die Situation betreffend die Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus nunmehr anders darstellt. Das Außerkrafttreten der vormaligen Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien mit Ablauf des 15.06.2020 ist somit eindeutig auf eine Änderung der für die Anordnungen relevante Sachlage zurückzuführen und nicht auf eine nachträgliche andere Beurteilung der Gefährlichkeit des Virus. Im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten ist das Außerkrafttreten der zum Tatzeitpunkt geltenden Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien mit Ablauf des 15.06.2020 unbeachtlich.

2.   Zum Tatvorwurf

Nach § 1 der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien hatten Personen, die aus den genannten Ländern nach Österreich eingereist sind, ein ärztliches Zeugnis über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen und vorzuweisen, dass der molekularbiologische Test auf SARS-CoV-2 negativ war, wobei dieses Zeugnis bei der Einreise nicht älter als 4 Tage sein durfte. Abweichend davon war es nach § 2 der Verordnung Personen erlaubt, nach Österreich einzureisen, die österreichische Staatsbürger sind, oder die ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, wenn sich diese zu einer unverzüglich anzutretenden 14-tägigen selbstüberwachten Heimquarantäne verpflichteten und dies mit ihrer eigenhändigen Unterschrift bestätigten. Die auf § 25 EpiG gestützte Verordnung sah generell keine Ausnahmen von dieser Verpflichtung für bestimmte Berufsgruppen vor, daher auch keine Ausnahme für Dienstleister im Bereich der Rechtspflege.

Der Beschwerdeführer, dem als österreichischer Staatsbürger die Einreise ohne ärztliches Zeugnis unter den in § 2 der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien genannten Voraussetzungen gestattet wurde, hat sich selbst zum Antritt einer von 21.03.2020 bis 03.04.2020 dauernden selbstüberwachten Heimquarantäne verpflichtet und dies mit seiner eigenhändigen Unterschrift auf der Erklärung zur Ein- und Durchreise bestätigt. Da er sich – wie er auch selbst nicht bestreitet – am 24.03.2020 in seine Kanzlei begeben hat und deshalb zum Zeitpunkt der Kontrolle am 24.03.2020, 10.51 Uhr, nicht an seiner Wohnadresse, die er als Adresse für die Abhaltung der Heimquarantäne angegeben hat, angetroffen wurde, hat er gegen die genannte Verordnung verstoßen und daher objektiv den Straftatbestand des § 40 lit c EpiG iVm § 25 EpiG und § 2 der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Ungarn und Slowenien erfüllt.

Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines „Ungehorsamsdeliktes“ – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Weder das Vorbringen in der Beschwerde noch die Verantwortung des Beschwerdeführers in der durchgeführten mündlichen Verhandlung waren geeignet, mangelndes Verschulden an der angelasteten Verwaltungsübertretung glaubhaft zu machen:

Sofern das Beschwerdevorbringen dahingehend lautet, dass der Beschwerdeführer – wie bereits dargelegt zu Unrecht – annahm, als Dienstleister der Rechtspflege und Schlüsselkraft, seine Wohnadresse verlassen zu dürfen, ist klarzustellen, dass eine Unkenntnis der Verwaltungsvorschriften den Beschwerdeführer im Sinn des § 5 Abs 2 VStG nur dann entschuldigen würde, wenn die Unkenntnis unverschuldet wäre. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat sich jedermann „mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen“ (VwGH 14.1.2010, 2008/09/0175). Eine solche Erkundigungspflicht ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen, zumal sich der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einreise nach Österreich mit seiner eigenhändigen Unterschrift ausdrücklich dazu verpflichtete, unverzüglich eine 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne anzutreten, und es insofern nicht als unverschuldet gelten kann, wenn er ohne nähere Erkundigungen davon ausging, seinen Wohnort verlassen zu dürfen, um seine Kanzlei aufzusuchen.

Wenn der Beschwerdeführer moniert, es sei nicht nachvollziehbar, welche Behörde die Beamten mit der Kontrolle der Einhaltung der Heimquarantäne beauftragt hat, und es sei die Kontrolle ohne rechtliche Grundlage erfolgt, verkennt er, dass es für die Verhängung einer Strafe wegen der Nichteinhaltung der selbstüberwachten Heimquarantäne nicht darauf ankommt, ob die von den Beamten der PI Z durchgeführte Kontrolle auf Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Y als zuständiger Gesundheitsbehörde erfolgt ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, die allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspricht. § 28a EpiG sieht zwar vor, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die nach dem EpiG zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer nach den §§ 5, 6, 7, 15, 17, 22, 24 und 25 EpiG beschriebenen Aufgaben unterstützen, es besteht aber keine gesetzliche Anordnung, die die Verwertung eines auf anderem Weg erlangten Beweisergebnis verbietet bzw läuft diese auch nicht einem mit der Bestimmung verfolgten Zweck zuwider. Mangels eines Beweisverwertungsverbotes war es der Bezirkshauptmannschaft Y als in der Verwaltungsstrafsache sachlich und örtlich zuständige Behörde nicht verwehrt, das ihr zur Kenntnis gebrachte Ergebnis einer solchen Kontrolle – sei diese nun über Ersuchen oder sonst rechtmäßig erfolgt oder nicht – im Rahmen ihrer eigenen Beweiswürdigung zu verwerten (zur Zulässigkeit der Verwertung eines durch eine Rechtsverletzung erlangten Beweises s VwSlg 18.638 A/2013; zur Zulässigkeit eines von der unzuständigen Behörde aufgenommenen Beweises s VwSlg 10.228 A/1980).

Vor dem Hintergrund der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist es für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorliegenden Straferkenntnisses unerheblich, wer den Auftrag zur Überprüfung der Einhaltung der selbstüberwachten Heimquarantäne des Beschwerdeführers erteilt hat. Die vom Beschwerdeführer behauptete mangelnde Legitimation der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist daher nicht im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, sondern wäre vom Beschwerdeführer im Wege einer Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol heranzutragen gewesen.

Gleiches gilt für die Behauptung, dass eine rechtswidrige De-facto Hausdurchsuchung passiert sei. Bei einem Einschreiten der Beamten in Gestalt von Klingeln oder Anrufen bzw der Befragung der dort angetroffenen Personen handelt es sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs um keinen Akt behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, insbesondere liegt keine Hausdurchsuchung vor (s VfSlg 8668/1979 und 12.628/1991). Zudem vermochte der Beschwerdeführer nicht darzulegen, inwieweit sein privater Wohnbereich betreten wurde. Zwar ist im EpiG keine Definition des Begriffes „privater Wohnbereich“ enthalten, jedoch grenzt § 13 Abs 3 Z 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 463/2020, der ebenso der Pandemiebekämpfung dient und in einem ähnlichen zeitlichen Zusammenhang erlassen wurde, den privaten Wohnbereich von Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen, wie insbesondere Garagen, Gärten, Schuppen oder Scheunen, ab. Dieses Begriffsverständnis im Wege einer systematischen Interpretation zugrunde legend kann bei einem bloßen Betreten des Grundstücks des Beschwerdeführers nicht schon von einem nach § 28a EpiG verbotenen Betreten des privaten Wohnbereichs ausgegangen werden.

3.   Ergebnis

Der Beschwerdeführer ist am 24.03.2020 und damit zu einem Zeitpunkt nach Österreich eingereist, als für die Mobilität zwischen zahlreichen europäischen Staaten, insbesondere auch Österreich und Deutschland, aufgrund der COVID-19-Pandemie weitreichende Einschränkungen galten. Der Beschwerdeführer hat die Nichteinhaltung der selbstüberwachten Heimquarantäne außer Streit gestellt und auch keine Umstände ins Treffen geführt, die Zweifel an seinem Verschulden begründen würden. Er hat daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten. Beim Ausmaß des Verschuldens ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen.

Die verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 150,00 ist schuld- und tatangemessen, zumal die missachtete Bestimmung in hohem Maß dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient. Die Ersatzfreiheitsstrafe entspricht den Vorgaben des § 16 iVm § 19 VStG.

Die Beschwerde war daher abzuweisen, die Fundstellen im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zu berichtigen und dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20%, das sind Euro 30,--, aufzuerlegen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der unter V. zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Hofko

(Richterin)

Schlagworte

Corona
Einreise
Heimquarantäne
Beweisverwertungsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.16.2466.4

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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